Urteil des BFH vom 09.06.2009

BFH: Erstattung oder Erlass wegen Zurückweisung der Waren, Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH durch das FG, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, erstinstanzliches gericht, dvd

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 9.6.2009, VII B 182/08
Erstattung oder Erlass wegen Zurückweisung der Waren - Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH durch das FG
Tatbestand
1 I. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führte im Jahr 2003 DVD-Player ein.
Nachdem wegen einer bei den DVD-Playern vorliegenden Überschreitung der Grenzwerte für Funkstörleistung ein
behördliches Vertriebsverbot erteilt worden war, beantragte die Rechtsvorgängerin die Erstattung der Einfuhrabgaben
gemäß Art. 238 des Zollkodex (ZK), hilfsweise gemäß Art. 239 ZK, und machte geltend, dass es sich um schadhafte,
nicht den Vertragsbedingungen entsprechende Ware gehandelt habe, was gegenüber dem Verkäufer erfolglos gerügt
worden sei. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) lehnte die Erstattung der Einfuhrabgaben unter
Hinweis auf den Verkauf der Geräte nach Polen ab.
2 Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte,
dass gemäß Art. 892 Anstrich 2 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) eine Erstattung nach Art. 238 ZK
nicht in Betracht komme, weil die Geräte nach Feststellung ihrer Mängel nach Polen verkauft worden seien. Daran
scheitere gemäß Art. 900 Abs. 3 (richtig: Abs. 4) ZKDVO auch eine Erstattung nach Art. 239 ZK i.V.m. Art. 900 Abs. 1
Buchst. j ZKDVO.
3 Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe ungeachtet der Mängel bei ihrer
nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen schlüssigen Darlegung jedenfalls nicht vorliegen.
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1. Die von der Beschwerde bezeichnete Frage, "ob die Erstattungsfähigkeit nach Art. 238 ZK bzw. Art. 892 ZKDVO bei
einem Weiterverkauf schadhafter oder vertragswidriger Waren entfällt, nicht aber bei anderen Rechtsgründen für die
Wiederausfuhr", ist in ihrem ersten Teil nicht klärungsbedürftig, in ihrem zweiten Teil nicht klärungsfähig.
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Dass eine Erstattung bzw. ein Erlass der Einfuhrabgaben nach Art. 238 ZK für Waren ausgeschlossen ist, die vom
Einführer nach Feststellung ihrer Schadhaftigkeit oder der Nichtübereinstimmung mit den Vertragsbedingungen
verkauft worden sind, folgt aus dem Wortlaut des Art. 892 Anstrich 2 ZKDVO und bedarf keiner Klärung in einem
Revisionsverfahren. Ob dies auch der Fall ist, wenn die schadhaften Waren aus anderen Gründen als aufgrund eines
Verkaufs aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft wieder ausgeführt werden, ist eine Frage, die sich in dem
angestrebten Revisionsverfahren nicht stellte, weil die DVD-Player des Streitfalls nach den Feststellungen des FG
nach Polen verkauft worden sind, nachdem das Vertriebsverbot verhängt worden war.
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2. Die weitere Frage der Beschwerde, ob die Erstattung bzw. der Erlass nur bei einem Verkauf der schadhaften Waren
innerhalb der Gemeinschaft oder auch bei einem Verkauf in ein Drittland ausgeschlossen ist, ist nicht
klärungsbedürftig, weil sie sich ebenfalls bereits nach dem Wortlaut des Art. 892 Anstrich 2 ZKDVO und darüber
hinaus anhand der Rechtsprechung des beschließenden Senats (Urteil vom 28. März 2006 VII R 23, 24/05, BFHE
212, 329, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2006, 227), der sich das FG im Streitfall angeschlossen hat,
beantworten lässt. Danach setzt die Erstattung bzw. der Erlass gemäß Art. 238 ZK i.V.m. Art. 892 Anstrich 2 ZKDVO
voraus, dass die festgestellte Schadhaftigkeit bzw. Vertragswidrigkeit der Ware unmittelbar zum Anlass genommen
wird, die Ware zurückzuweisen und wieder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft auszuführen. Die Schadhaftigkeit
bzw. Vertragswidrigkeit der Ware darf nicht dadurch gleichsam akzeptiert worden sein, dass sie sich preismindernd
ausgewirkt hat oder dass die Ware nach ihrer Einfuhr ungeachtet ihrer Mangelhaftigkeit in Gebrauch genommen oder
verkauft worden ist. Ob ein solcher Verkauf an einen Käufer in der Gemeinschaft oder in einem Drittland erfolgt, ist
ohne Bedeutung.
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Die Beschwerde legt nicht dar, dass und ggf. welche neuen gewichtigen, vom Bundesfinanzhof bislang nicht
geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen diese
höchstrichterliche Auffassung erhoben werden.
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3. Der gerügte Verfahrensmangel, den die Beschwerde in dem unterbliebenen Vorabentscheidungsersuchen an den
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sieht, liegt nicht vor, denn das FG war als erstinstanzliches
Gericht gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nur berechtigt, nicht aber
verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (Senatsbeschluss vom 11. August 1999 VII B 162/99,
BFH/NV 2000, 77).
10 Auch der Senat hält die im Streitfall vorgenommene Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts für eindeutig,
so dass die Revision auch nicht deshalb zuzulassen ist, weil sich im Revisionsverfahren voraussichtlich eine Frage
stellte, die eine Vorlage an den EuGH erforderte (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. C-283/81 --C.I.L.F.I.T.--,
Slg. 1982, 3415, Rz 16).