Urteil des BFH vom 14.03.2017

BFH (Ewg, Richtlinie, Teil, Kläger, Abweisung der Klage, Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Eugh, Fortbildung, Unterricht, Bescheinigung)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 17.4.2008, V R 58/05
Entgeltliche Durchführung von eintägigen Fortbildungsseminaren der Bundessteuerberaterkammer für Steuerberater durch
selbständigen Referenten - Umsatzsteuerpflicht - Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG
1993 - Berufung auf Gemeinschaftsrecht
Leitsätze
1. Die Durchführung von eintägigen Fortbildungsseminaren der Bundessteuerberaterkammer für Steuerberater durch einen
selbständigen Referenten gegen Entgelt ist umsatzsteuerpflichtig .
2. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 begünstigt nur die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder
berufsbildender Einrichtungen, nicht aber selbständige Referenten, die an diesen Schulen oder ähnlichen
Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen (Anschluss an BFH-Urteil vom 27. August 1998 V R 73/97, BFHE 187, 60, BStBl II
1999, 376) .
3. Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 ist materiell-rechtliche
Voraussetzung für die Steuerbefreiung der in dieser Vorschrift bezeichneten Umsätze. Sie ist für denjenigen beizubringen,
der sich auf die Steuerbefreiung beruft .
4. Ein Steuerpflichtiger kann sich nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG berufen, wenn er nicht als
"andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" anerkannt ist .
Tatbestand
1
I. Streitig ist, ob eine Tätigkeit als Referent im Rahmen eintägiger Fortbildungsseminare der
Bundessteuerberaterkammer für Steuerberater umsatzsteuerfrei ist.
2
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der habilitiert ist und die Lehrberechtigung für die Fächer ... hat, war in
den Streitjahren (1995 bis 1999) als Rechtsanwalt und Steuerberater tätig; daneben war er schriftstellerisch tätig und
hielt Vorträge. Seine Umsätze versteuerte er nach vereinnahmten Entgelten.
3
Der Kläger führte in den Streitjahren aufgrund von Verträgen mit der Bundessteuerberaterkammer, in denen er als
"Referent" bezeichnet wurde, eintägige, auf den Teilnehmerkreis der Steuerberater beschränkte Seminare gegen
Vergütung durch. Als Arbeitsunterlage fertigte der Kläger vervielfältigungsfähige Manuskripte an und stellte diese zur
Verfügung.
4
Die Seminare wurden an verschiedenen von der Bundesteuerberaterkammer und den regionalen
Steuerberaterkammern festgelegten Orten durchgeführt. Die jeweils ganztägig, d.h. von 9 bis 17 Uhr, durchgeführten
Fortbildungsseminare umfassten regelmäßig acht "Unterrichtsstunden" zu je 45 Minuten. Teilnehmer waren
praktizierende Steuerberater. Die Zahl der Teilnehmer war auf jeweils 40 bis 50 Personen begrenzt.
5
Das Seminar ... hielt der Kläger in den Jahren 1995 bis 1997 insgesamt 22 Mal ab, das Seminar ... in den Jahren 1997
bis 1999 insgesamt 45 Mal.
6
Der Kläger erhielt für die Seminare ein "Pauschalhonorar" in Höhe von ... DM bzw. ... DM je Veranstaltung sowie
darüber hinaus 15 DM pro Teilnehmer eines Seminars für das Manuskript. Bezüglich der Vergütung wurde vereinbart,
dass mangels Vorsteuerabzugsberechtigung der Bundessteuerberaterkammer eine ggf. anfallende Umsatzsteuer in
den genannten Beträgen enthalten sei.
7
Am 1. Februar 2000 erteilte die Bezirksregierung der Bundessteuerberaterkammer eine Bescheinigung nach § 4 Nr.
21 Buchst. a, bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die wie folgt lautet:
8
"... Ihrer Einrichtung wird zur Vorlage bei dem zuständigen Finanzamt bescheinigt, dass folgende berufliche
Bildungsmaßnahme/n im Sinne des § 4 Nr. 21 a), bb) Umsatzsteuergesetz ordnungsgemäß durchgeführt wird/werden:
- ...
- ...
9
Diese Bescheinigung wird auf Widerruf erteilt und darf nicht für Werbezwecke verwendet werden. Sie gilt rückwirkend
ab 1987."
10 In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1995 bis 1999 behandelte der Kläger die aufgrund seiner
Referententätigkeit erbrachten Leistungen als gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 steuerfrei.
11 Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit
geänderten Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre 1995 bis 1999 Umsatzsteuer für die erbrachten
Referentenleistungen fest. Dabei wandte das FA den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG
1993/1999 an, soweit der Kläger Entgelte vereinnahmte, die auf die Manuskripte entfielen.
12 Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in "Entscheidungen der
Finanzgerichte" (EFG) 2005, 1807 veröffentlichten Urteil der Klage im Hauptantrag statt. Es entschied, die
Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre 1995 bis 1997 sowie 1998 und 1999 in der Fassung der während des
Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheide vom 22. Juli 2005 für 1998 und 1999 seien rechtswidrig, da das
FA die vom Kläger im Rahmen der von der Bundessteuerberaterkammer veranstalteten Fortbildungsseminare
erbrachten Referentenleistungen zu Unrecht besteuert habe. Die Leistungen seien nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j
der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) von der Umsatzsteuer befreit.
13 Über den Hilfsantrag des Klägers, in Anwendung der allgemeinen Billigkeitsregelung in Abschn. 112a der
Umsatzsteuer-Richtlinien 1992 und 1996 (UStR 1992 und 1996) entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die
Streitjahre zu erlassen, entschied das FG deshalb nicht.
14 Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993, Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG).
15 Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
17 Hilfsweise regt der Kläger an, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 des
Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) die Frage vorzulegen, ob der Begriff "Schul- und
Hochschulunterricht" in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auch die berufliche Fortbildung
umfasst.
18 Er trägt im Wesentlichen vor, aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG folge, dass neben dem
Schul- und Hochschulunterricht auch die Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung befreit seien. Schul-
und Hochschulunterricht solle Bildung vermitteln. Zur Bildung gehöre auch die Aus- und Fortbildung. Aus- und
Fortbildung in Form des Schul- oder Hochschulunterrichts sei auch dann steuerfrei, wenn sie durch einen Privatlehrer
und nicht von einer Einrichtung i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG ausgeführt werde. Art.
13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG erfasse nicht nur den von Privatlehrern an Schulen und
Hochschulen erteilten Unterricht, sondern auch den Unterricht, der gemessen an seinen wissenschaftlichen und
didaktischen Anforderungen dem Unterricht entspreche, der üblicherweise an einer Schule oder Hochschule erteilt
werde. Es sei allgemein bekannt, dass Hochschulen in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union Kenntnisse im Rahmen der berufsbegleitenden Fortbildung vermittelten. Der Gemeinschaftsgesetzgeber
rechne den Schul- und Hochschulunterricht zu den Tätigkeiten, die dem Gemeinwohl dienten. Dem Gemeinwohl
diene nicht nur die Erstausbildung, sondern auch die Fort- und Weiterbildung.
19 Die Bundesteuerberaterkammer unterhalte eine (Hoch-)Schule. Zumindest habe aber sein, des Klägers, Unterricht
dem Unterricht entsprochen, der üblicherweise an einer Schule oder Hochschule erteilt werde.
20 Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 (VO Nr. 1777/2005) des Rates vom 17. Oktober 2005 zur Festlegung von
Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 77/388/EWG (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 288/1) konkretisiere
mittelbar die Begriffe Schule und Hochschule. Dieser Artikel sei die schriftliche Fixierung dessen, was schon immer
bei der Auslegung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG zu beachten gewesen sei.
Voraussetzung einer (Hoch-)Schule sei nicht, dass bestimmte Themen über viele Jahre hinweg in einem
regelmäßigen Turnus vorgetragen würden. Es genüge, dass Kenntnisse über bestimmte Sachgebiete über längere
Zeit einer nicht begrenzten Zahl von Interessenten vermittelt würden. Die Vermittlung von Kenntnissen könne dabei
auch an verschiedenen Orten erfolgen.
21 Gemeinsam mit den obersten Finanzbehörden der Länder sei das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zu dem
Ergebnis gelangt, dass die Kenntnisvermittlung durch Gastdozenten an der Bundesfinanzakademie (Schreiben des
Bundesministers der Finanzen --BdF-- vom 12. September 1990 IV A 3 -S 7179- 5/90, Steuererlasse in Karteiform --
StEK--, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr. 21, Rechtsspruch 21) und die Leistungen externer Dozenten und
Moderatoren bei dienstlichen Fortbildungsveranstaltungen im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMF-Schreiben vom 30. Dezember 1996 IV C 4 -S 7179- 21/96, StEK, Umsatzsteuergesetz 1980, §
4 Nr. 21, Rechtsspruch 36) als Unterricht einzustufen sei, der umsatzsteuerfrei bleibe. In dieser Beurteilung liege für
die genannten Fälle eine Konkretisierung des Abschn. 112a Abs. 1 UStR 1992 und 1996. Mindestens handele es sich
um eine Billigkeitsentscheidung, die auch von den Gerichten zu beachten sei.
Entscheidungsgründe
22 II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
23 Entgegen der Vorentscheidung sind die Umsätze des Klägers nicht steuerfrei.
24 1. Der Kläger hat durch seine Referententätigkeit sonstige Leistungen gegen Entgelt erbracht, die gemäß § 1 Abs. 1
Nr. 1 UStG 1993 der Umsatzsteuer unterliegen.
25 2. Die Leistungen des Klägers sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 von der Steuer befreit.
26 Der Senat geht dabei davon aus, dass auch im Streitjahr 1999 gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 nur die bis zum
31. März 1999 geltende Fassung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 anzuwenden ist, da der Kläger im
Klageverfahren unwidersprochen vorgetragen hat, dass er die Seminare vor dem 1. April 1999 abgehalten habe.
27 a) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 in der bis zum 31. März 1999 gültigen Fassung sind:
28 "Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 fallenden Umsätzen steuerfrei:
...
29 Nr. 21 die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden
30 Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen,
...
31 b) wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass
32 sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung
ordnungsgemäß vorbereiten;"
33 b) Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 liegen im Streitfall nicht vor.
34 Die Vorschrift des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 begünstigt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
nur die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, nicht aber
selbständige Referenten, die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen (vgl. bereits
BFH-Urteil vom 27. August 1998 V R 73/97, BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376, und BFH-Beschluss vom 20. Oktober
2005 V R 75/03, BFHE 212, 150, BStBl II 2006, 147).
35 c) Im Übrigen fehlt es auch an einer Bescheinigung i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993.
36 Die im Verfahren vorgelegte Bescheinigung vom 1. Februar 2000 ist nicht dem Kläger erteilt worden, sondern der
Bundessteuerberaterkammer. Das genügt nicht (vgl. BFH-Urteile vom 23. August 2007 V R 4/05, BFHE 217, 327, unter
II. 2. b bb, und V R 10/05, BFHE 217, 332, unter II. 2. b, Letzteres zur Nachfolgevorschrift des § 4 Nr. 21 b bb UStG
1999). Außerdem wird der Bundessteuerberaterkammer darin lediglich bescheinigt, dass ihre beruflichen
Bildungsmaßnahmen ... und ... i.S. des § 4 Nr. 21 a bb UStG 1999 "ordnungsgemäß durchgeführt" wurden und nicht --
wie erforderlich--, dass die Bundessteuerberaterkammer durch die Seminare auf einen Beruf oder eine vor einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Die Bescheinigung der
zuständigen Landesbehörde ist aber materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung der in § 4 Nr. 21
Buchst. b UStG 1993 bezeichneten Umsätze (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 1998 V R 3/98, BFHE 187, 334,
BStBl II 1999, 147, zur vergleichbaren Vorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG 1993, unter II. 1. b der Gründe).
37 3. Der Kläger kann sich ferner nicht mit Erfolg auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG
berufen.
38 Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer
39 - die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder
40 Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng
verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die
mit solchen Aufgaben betraut sind oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter
vergleichbarer Zielsetzung (Buchst. i)
41 sowie
42 - den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht (Buchst. j).
43 a) Die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG liegen nicht vor.
44 Zwar kann der Begriff der Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung nicht nur juristische Personen, sondern auch
natürliche Personen erfassen, da der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es verbietet, Wirtschaftsteilnehmer, die
die gleichen Umsätze bewirken, bei deren Besteuerung unterschiedlich zu behandeln (hierzu EuGH-Urteil vom 7.
September 1999 Rs. C-216/97, Gregg, Slg. 1999, I-4947, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 419 Randnrn. 14 bis
20).
45 Die vom Kläger erbrachten Leistungen sind aber schon deshalb nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie
77/388/EWG von der Steuer zu befreien, weil der Kläger mangels Anerkennung nicht als "andere Einrichtung mit von
dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" anzusehen ist (vgl. dazu BFH-Beschluss in
BFHE 212, 150, BStBl II 2006, 147, und BFH-Urteil vom 21. März 2007 V R 28/04, BFH/NV 2007, 1604, unter II. 2. c dd
der Gründe).
46 b) Auch eine Steuerbefreiung gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG scheidet aus.
47 aa) Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG enthält keine Definition des Begriffs "Schul- und
Hochschulunterricht".
48 Hierzu hat der EuGH ausgeführt, zwar seien die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG umschrieben seien, eng auszulegen, doch würde eine besonders enge
Auslegung des Begriffs "Schul- und Hochschulunterricht" die Gefahr einer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen
Anwendung des Mehrwertsteuersystems hervorrufen, weil die jeweiligen Unterrichtssysteme der Mitgliedstaaten
unterschiedlich gestaltet seien (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 Rs. C-445/05, Haderer, BFH/NV Beilage 2007,
394, UR 2007, 592 Randnr. 24).
49 Der EuGH hat davon ausgehend den gemeinschaftlichen Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" i.S. des Art. 13 Teil
A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG nicht genau definiert, sondern festgestellt, "dass sich dieser Begriff nicht
auf den Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine
Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern dass er andere Tätigkeiten
einschließt, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten
der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung
haben (vgl. EuGH-Urteil Haderer in BFH/NV Beilage 2007, 394, UR 2007, 592 Randnr. 26).
50 Der EuGH hat ferner betont, dass der Wortlaut des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG eng
auszulegen ist und sich nur auf die Tätigkeiten bezieht, die in dieser Bestimmung einzeln aufgeführt und genau
beschrieben sind (vgl. EuGH-Urteil Haderer in BFH/NV Beilage 2007, 394, UR 2007, 592 Randnr. 37).
51 bb) Davon ausgehend kann die Tätigkeit des Klägers --unabhängig von dessen Qualifikation als Hochschullehrer--
nicht als "Schul- und Hochschulunterricht" i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG qualifiziert
werden.
52 Die Bundessteuerberaterkammer als (vertraglicher) Leistungsempfänger des Klägers ist keine Schule oder
Hochschule. Die an verschiedenen Orten in großer Zahl durchgeführten Veranstaltungen richteten sich weder an
Schüler oder Hochschüler, sondern an praktizierende Steuerberater, die die Seminare gegen Entgelt zu ihrer
Fortbildung besuchten.
53 Bei den eintägigen Fortbildungsseminaren handelt es sich ferner nicht um einen in einen Lehr- oder Studienplan
eingebetteten Unterricht. Es gibt --anders als bei Kursen mit dem Gegenstand "Sofortmaßnahmen am Unfallort"-- auch
keine Stellungnahme von Kultusministerien, wonach es erforderlich oder zumindest wünschenswert ist, den Inhalt der
streitigen Kurse in den Schul- bzw. Hochschulunterricht zu integrieren (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Januar 2008 V R
52/06, BFH/NV 2008, 725, unter II. 2. a dd).
54 c) Auch wenn die beiden in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Arten der
Steuerbefreiung u.a. auf die Förderung des "Schul- und Hochschulunterrichts" als Tätigkeit von allgemeinem Interesse
gerichtet sind, kann daraus nicht gefolgert werden, dass die beiden Vorschriften zusammen ein System bildeten, mit
dem eine Umsatzsteuerbefreiung für Tätigkeiten gewährt werden soll, die nicht jeweils die Voraussetzungen nach der
einen oder nach der anderen Vorschrift erfüllen. Der Wortlaut der Bestimmungen ist vielmehr eng auszulegen und
bezieht sich nur auf die Tätigkeiten, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt und genau beschrieben sind (vgl. EuGH-
Urteil Haderer in BFH/NV Beilage 2007, 394, UR 2007, 592 Randnrn. 16 bis 19 und 37).
55 Eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass die vom Kläger abgehaltenen Seminare aufgrund des
Regelungsgehalts der Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG gleichwohl von der
Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG erfasst werden, scheidet daher ebenfalls
aus (vgl. BFH-Urteile in BFHE 217, 327, und in BFHE 217, 332).
56 d) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers berührt Art. 14 VO Nr. 1777/2005 diese Auslegung nicht.
57 Danach umfassen die Dienstleistungen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung, die unter den
Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG erbracht werden,
Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche
Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung,
Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich.
58 Die Regelung des Art. 14 VO Nr. 1777/2005 betrifft zum einen lediglich die im Streitfall nicht eingreifende Bestimmung
des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG. Zum anderen sind die Durchführungsvorschriften --wie
es in der Präambel ausdrücklich heißt-- "ausschließlich vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung an
rechtsverbindlich; sie berühren nicht die Gültigkeit der von den Mitgliedstaaten in der Vergangenheit angenommenen
Rechtsvorschriften und Auslegungen". Gemäß Art. 23 VO Nr. 1777/2005 ist die Verordnung erst am 1. Juli 2006 in
Kraft getreten und somit in den Streitjahren (1995 bis 1999) nicht anwendbar. Im Übrigen spricht die Regelung des Art.
14 VO Nr. 1777/2005 aufgrund des Wortlauts des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG für die
Annahme, dass die Fortbildung aufgrund ihres in der Verordnung spezifisch geregelten Anwendungsbereichs,
jedenfalls in dem dort definierten Umfang, nicht vom gemeinschaftsrechtlichen Begriff "Schul- und
Hochschulunterricht" umfasst wird.
59 4. Auf Abschn. 112a UStR 1992 und 1996 kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.
60 Wie der BFH bereits in seinem Urteil in BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376 entschieden hat, haben diese
Verwaltungsregelungen zum einen keine Grundlage im UStG 1993 und entsprechen zum anderen nicht Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG, soweit sie nicht nur den von Privatlehrern erteilten Schul- und
Hochschulunterricht begünstigen.
61 5. Einen Anspruch darauf, abweichend vom Gesetz besteuert zu werden, hat der Kläger nicht (vgl. dazu BFH-
Beschluss vom 18. Juli 2002 V B 112/01, BFHE 199, 77, BStBl II 2003, 675).
62 Auf das BMF-Schreiben in StEK, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr. 21, Rechtsspruch 36 kann sich der Kläger
ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. In diesem Schreiben hat das BMF im Einvernehmen mit den obersten
Finanzbehörden der Länder die folgende Auffassung vertreten:
63 "Eine staatliche Einrichtung, z.B. eine Behörde, die Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für ihre Mitarbeiter durchführt,
kann insoweit als allgemein- bzw. berufsbildende Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 21 UStG angesehen werden.
Wirken bei den im Rahmen der Aus- und Fortbildungsmaßnahmen erbrachten Unterrichtsleistungen externe
Dozenten mit, so kommt auch für diese Personen die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG in Betracht, wenn
die nach Buchst. b dieser Vorschrift erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass auf einen
Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß
vorbereitet wird,
64 - entweder dem Dozenten (vgl. Abschn. 112a Abs. 1 i.V.m.
65 Abs. 3 Satz 1 UStR)
66 - oder der Einrichtung selbst erteilt worden ist (vgl.
67 Abschn. 112a Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 UStR)."
68 Das BMF-Schreiben findet keine Stütze in § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 --dazu bereits unter II. 2. b--. Auch hat der
Kläger keine solche Bescheinigung --wie bereits unter II. 2. c ausgeführt-- vorgelegt.
69 Gleiches gilt für das BdF-Schreiben in StEK, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr. 21, Rechtsspruch 21, das eine
Ausnahme vom Bescheinigungsverfahren für selbständig tätige Dozenten an der Bundesfinanzakademie vorsieht. § 4
Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 verlangt, dass die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass die unmittelbar dem
Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder
berufsbildender Einrichtungen --mit Ausnahme der Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes-- auf einen
Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß
vorbereiten. Eine Ausnahme von dem erforderlichen Bescheinigungsverfahren --wie sie das o.g. BdF-Schreiben
zulässt-- ist im Gesetz nicht vorgesehen.
70 6. Der Hilfsantrag des Klägers, in Anwendung der allgemeinen Billigkeitsregelung des Abschn. 112a UStR 1992 und
1996 entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre zu erlassen, ist unzulässig, da eine
Verpflichtungsklage (§§ 40 Abs. 1 Alt. 2, 101 FGO) nicht in zulässiger Weise erhoben worden ist.
71 Der BFH darf im Streitfall zwar auch über den Hilfsantrag des Klägers entscheiden, der aufgrund der Abweisung der
Klage im Hauptantrag wieder auflebt. Die Steuerfestsetzung einerseits und der Erlass einer Billigkeitsmaßnahme
andererseits bilden aber selbständige Verfahren. Solange die zuständige Finanzbehörde --wie im Streitfall-- über den
Erlass einer Billigkeitsmaßnahme nicht entschieden hat, fehlt es an dem notwendigen Verwaltungsverfahren und
damit an einer Sachurteilsvoraussetzung für das Klageverfahren (vgl. BFH-Urteile vom 4. Februar 1987 I R 252/83,
BFHE 149, 50, BStBl II 1987, 682, unter II. 3. der Gründe, und vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II
2004, 862, unter II. 4. der Gründe). Der BFH hat von Amts wegen auch noch im Revisionsverfahren in jeder
Verfahrenslage das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen im finanzgerichtlichen Klageverfahren ohne
Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 36/02, BFH/NV
2004, 1655; Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 33 Rz 3).
72 7. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann in der Sache selbst erkennen und weist die Klage ab. Die vom Kläger im
Jahr 1995 bis zum 30. März 1999 durch seine Referententätigkeit ausgeführten sonstigen Leistungen sind nicht
gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 steuerfrei. Im Übrigen ist die Höhe der für die Streitjahre festgesetzten
Umsatzsteuer unstreitig.
73 8. Der Senat folgt nicht der Anregung des Klägers, gemäß Art. 234 Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung des EuGH
einzuholen.
74 Die vom Kläger insoweit sinngemäß aufgeworfene Frage, ob der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" in Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auch die berufliche Fortbildung umfasse, stellt sich unter
Berücksichtigung der wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH --wie dargelegt-- bei dem hier gegebenen
Sachverhalt nicht. Jedenfalls besteht im Streitfall kein gemeinschaftsrechtlicher Klärungsbedarf.