Urteil des BFH vom 14.03.2017

BFH: aufwendungen für die anschaffung, erwerb, neues gebäude, rohbau, herstellungskosten, hersteller, verbrauch, bemessungsgrundlage, anschaffungskosten, anspruchsberechtigter

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Gericht:
Finanzgericht des
Landes Brandenburg
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2000
Aktenzeichen:
5 K 1504/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 S 1 Nr 4 InvZulG 1999,
§ 3 Abs 3 InvZulG 1999, § 255
Abs 2 S 1 HGB
Investitionszulage bei Fertigstellung eines im Rohbau
erworbenen Gebäudes: Herstellung eines neuen Gebäudes,
Vorliegen von Teilherstellungskosten und Zeitpunkt ihrer
Entstehung
Tatbestand
Der Kläger erwarb im Jahre 1999 ein Teilstück eines Grundstücks, das mit einem im
Rohbau befindlichen Mehrfamilienhaus und einer ehemaligen Trafostation, die nur zum
geringen Teil auf dem gekauften Teilstück stand, bebaut war. Der Rohbau war bereits im
Jahre 1989 errichtet worden.
Das Mehrfamilienhaus nutzte der Kläger nach Fertigstellung zur Erzielung von Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung.
In seinem Antrag auf Investitionszulage für 2000 nach § 3 InvZulG 1999 begehrte der
Kläger unter anderem Investitionszulage für den Erwerb des Rohbaus, wobei er die
Kosten mit 131.640,- DM (53,74 % des Kaufpreises) bezifferte. Der Beklagte setzte nach
Durchführung einer Investitionszulagensonderprüfung die Investitionszulage auf 0,- DM
fest und vertrat dabei die Auffassung, der Kläger habe die nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG
1999 erforderliche Belegenheitsbescheinigung nicht vorgelegt.
Nachdem der Kläger im Rahmen des Einspruchsverfahrens die
Belegenheitsbescheinigung nachgereicht hatte, erließ der Beklagte am 15. April 2003
einen Änderungsbescheid, berücksichtige dabei jedoch die Aufwendungen für den Erwerb
des Rohbaus nicht.
Der Kläger vertrat die Auffassung, bei den Aufwendungen für den Erwerb des Rohbaus
handle es sich um Teilherstellungskosten, die erst im Jahre 1999 gezahlt worden seien
und deshalb in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Der Fall sei mit dem
Erwerb eines Rohbaus von einem Bauunternehmer vergleichbar, auch hierbei handle es
sich um Anschaffungskosten.
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, die Kosten für die Erstellung des Rohbaus
seien bei dem Veräußerer des Grundstücks entstanden und seien folglich bei diesem
aktivierungspflichtig. Die Kosten, die Dritten entstanden seien, könnten nicht ihm, dem
Kläger, als Teilherstellungskosten angerechnet werden. Er habe mit der Herstellung erst
im Jahre 1999 mit dem Erwerb des Rohbaus begonnen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Investitionszulagenbescheid für 2000 vom 15.4.2003 und die
Einspruchsentscheidung vom 4.6.2004 dahingehend zu ändern, die Investitionszulage
unter Berücksichtigung der Kosten für den Erwerb des Rohbaus in Höhe von 131.640,-
DM festzusetzen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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die Klage abzuweisen.
Er hält an einer Rechtsauffassung, wonach die Teilherstellungskosten wegen § 3 Abs. 3
InvZulG 1999 nicht begünstigt sind, fest.
Entscheidungsgründe
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG 1999 ist unter anderem die Herstellung neuer Gebäude
unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen begünstigt.
Der Kläger hat ein neues Gebäude hergestellt. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen,
dass der Kläger einen Rohbau erwarb, der im Erwerbszeitpunkt bereits 10 Jahre alt war.
Ein Wirtschaftsgut ist nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte neu, wenn es noch
nicht in Gebrauch genommen oder sonst verwendet worden ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom
15. Juli 2004 III R 6/03, BFHE 206, 513, BStBl. II 2004, 1081). Die Frage, ob ein
Wirtschaftsgut neu ist, kann hiernach regelmäßig erst ab dem Zeitpunkt der
Anschaffung bzw. Herstellung beurteilt werden, nur ausnahmsweise kann die
Ingebrauchnahme vor Fertigstellung ein anderes Ergebnis rechtfertigen (dazu im
Einzelnen BFH-Urteil vom 3. August 2000 III R 75/96, BFH/NV 2001, 484). Im Streitfall
erstreckte sich die Herstellung über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Es erfolgte
keine Nutzung des Rohbaus vor Fertigstellung.
Zu den begünstigten Aufwendungen gehören auch die Aufwendungen für den Erwerb
des Rohbaus. Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die den Betrag von
5000 Deutsche Mark übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten
und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten
Investitionen, soweit sie die vor dem 1. Januar 1999 geleisteten Anzahlungen auf
Anschaffungskosten, Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen und entstandenen
Teilherstellungskosten übersteigen, § 3 Abs. 3 InvZulG 1999.
Die Aufwendungen für den Erwerb des Rohbaus stellen Teilherstellungskosten dar.
Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die für den
Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines
Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen
Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Teilherstellungskosten
liegen demnach vor, wenn bei der Herstellung eines noch nicht fertig gestellten
Wirtschaftsgutes Kosten durch den Verbrauch von Wirtschaftsgütern und durch die
Inanspruchnahme von Diensten erwachsen sind, die in das in die Herstellung befindliche
Wirtschaftsgut eingegangen sind (BFH-Urteil vom 15. November 1975 III R 110/80, BFHE
145, 482, BStBl. II 1986, 367). Die Aufwendungen für die Anschaffung eines Rohbaus sind
vor diesem Hintergrund, da sie vergleichbar der Anschaffung von Baumaterial zur
Herstellung eines im Zeitpunkt der Anschaffung noch unfertigen Bauwerks erfolgen, als
Teilherstellungskosten zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Januar 1990 III R 115/84,
BFHE 160, 352, BStBl. II 1993, 136; vom 19. Juli 1979 IV R 235/75, BFHE 128, 448, BStBl.
II 1980, 3).
Diese Teilherstellungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten nicht vor dem
1.1.1999 entstanden. Für die Frage, wann und in welcher Höhe Teilherstellungskosten
entstanden sind, ist auf die Person des Investors abzustellen, da die Frage nach der
Entstehung der Herstellungskosten nur personen- und nicht objektbezogen beantwortet
werden kann. Dies folgt aus der Rechtsprechung des BFH, wonach derjenige Hersteller
eines Gebäudes (und damit Anspruchsberechtigter im Sinne des
Investitionszulagenrechtes) ist, der das Bauwerk fertig gestellt hat (BFH-Urteil vom 19.
Januar 1990 III R 115/84, BFHE 160, 352, BStBl. II 1993, 136 mwN) und aus der dieser
Rechtsprechung zugrunde liegenden Annahme, dass der Erwerb eines unfertigen
Gebäudes der Anschaffung von Baumaterial zur Errichtung eines Gebäudes gleichsteht.
Der Entstehungszeitpunkt der Teilherstellungskosten liegt demnach wie bei dem Erwerb
von Baumaterial im Zeitpunkt der Anschaffung des Rohbaus. Mangels einer
entsprechenden rechtlichen Grundlage können dem Hersteller weder die beim
Rechtsvorgänger entstandenen Teilherstellungskosten noch deren Entstehungszeitpunkt
zugerechnet werden. Etwas anderes gilt nur im Fall der hier nicht einschlägigen
Gesamtrechtsnachfolge.
Gegen die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Herstellungskosten hat der
Beklagte keine Einwendungen vorgebracht.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 1 Nr. 2 FGO, die Kostenentscheidung
auf § 135 Abs. 1 FGO.
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