Urteil des BFH vom 23.02.2010

Mitunternehmerinitiative bei Übertragung eines Kommanditanteils auf einen anderen Kommanditisten unter Vorbehalt eines Nießbrauchs sowie der Stimm- und Verwaltungsrechte? - Grundsatz der unteilbaren Mitgliedschaft eines Personengesellschafters

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 23.2.2010, II R 42/08
Mitunternehmerinitiative bei Übertragung eines Kommanditanteils auf einen anderen Kommanditisten unter Vorbehalt eines
Nießbrauchs sowie der Stimm- und Verwaltungsrechte? - Grundsatz der unteilbaren Mitgliedschaft eines
Personengesellschafters
Leitsätze
1. Der schenkweise Erwerb eines Kommanditanteils unterfällt nur dann dem § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009 i.V.m. § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG, wenn die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen Gesellschaftsanteil vermittelt
wird.
2. Es reichte daher nicht aus, wenn dem Erwerber hinsichtlich des erworbenen Kommanditanteils nur deshalb
Mitunternehmerinitiative zukäme, weil er bereits Kommanditist der KG war, - d.h. wenn sich seine bisherige
Mitunternehmereigenschaft wegen Unteilbarkeit der Mitgliedschaft auf den hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) sowie ihre Mutter (M) waren zwei von sechs Kommanditisten der X-
GmbH & Co. KG (KG), die sich mit der Verwaltung von Grundbesitz und der Errichtung von Wohngebäuden befasste.
Die Beteiligung der M belief sich auf 11,25 % und die der Klägerin auf 42,40 %. Die KG hatte zwei nicht am
Gesellschaftsvermögen beteiligte persönlich haftende Gesellschafter, nämlich eine natürliche Person sowie die
Grundstücksgesellschaft Y-mbH (GmbH). Nur die GmbH war zur Vertretung der KG und zur Führung ihrer Geschäfte
berufen. Neben den festen Kapitalkonten und einem gesamthänderisch gebundenen offenen Rücklagenkonto wurden
für die Kommanditisten Darlehenskonten geführt. Die GmbH war als Geschäftsführerin berechtigt, bis zu 25 % des
Jahresüberschusses dem Rücklagenkonto zuzuführen. Der restliche Gewinn wurde nach weiteren Abzügen
entsprechend den festen Kapitalanteilen verteilt. Für Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehen,
benötigte die GmbH einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss. In der Gesellschafterversammlung gewährte
jeweils 1 EUR eines festen Kapitalkontos eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse konnten mit einfacher Mehrheit der
abgegebenen Stimmen gefasst werden. In bestimmten Angelegenheiten war eine Mehrheit von 75 % sämtlicher
Stimmen erforderlich.
2 Gesellschafter der GmbH waren die sechs Kommanditisten der KG mit Geschäftsanteilen in unterschiedlicher Höhe. Mit
einer Ausnahme (Vorzugsstimmrecht) vermittelten je 100 DM eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterversammlung
eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse kamen mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande.
Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedurften einer Mehrheit von 75 % sämtlicher Stimmen.
3 Mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 4. Dezember 2002 übertrug M ihren Kommanditanteil an der KG
einschließlich ihres Anteils an den offenen Rücklagen und zuzüglich der Forderung aus ihrem Darlehenskonto sowie
ihren Geschäftsanteil an der GmbH auf die Klägerin. Dabei behielt sie sich einen lebenslänglichen Nießbrauch an den
übertragenen Beteiligungen vor. Der M sollten die Ergebnisanteile aus der übertragenen Kommanditbeteiligung nebst
den Zinsen auf die Darlehensforderung sowie die anteiligen Gewinnausschüttungen der GmbH zugerechnet werden.
Außerdem sollten der M die mit der übertragenen Beteiligung an der KG verbundenen "Stimm- und sonstigen
Verwaltungsrechte" zustehen. Im Falle einer Veräußerung der Beteiligungen sollte sich der Nießbrauch am "Netto-
Veräußerungserlös" und ggf. an dessen Wiederanlage fortsetzen.
4 M erklärte, dass der Freibetrag gemäß § 13a Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der 2002
geltenden Fassung (ErbStG) in voller Höhe von 256.000 EUR in Anspruch genommen werde. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte jedoch die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG und setzte
durch Bescheid vom 25. März 2004 bei einem Erwerb von 666.612 EUR und einer Vorschenkung aus dem Jahr 2000
in Höhe von 72.603 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Schenkungsteuer von 87.900 EUR fest. Davon
stundete er wegen der Nießbrauchsbelastung einen Teilbetrag von 23.220 EUR, so dass zunächst nur 64.680 EUR zu
zahlen waren. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin auf den Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG bestand,
blieben erfolglos.
5 Das Finanzgericht (FG) war mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1733 veröffentlichten Urteil der
Ansicht, die Klägerin sei wegen der Ausgestaltung des vorbehaltenen Nießbrauchs nicht Mitunternehmerin geworden.
Zwar habe sie ein Mitunternehmerrisiko getragen --ihr stehe ein etwaiger Veräußerungserlös zu; auch liege das Risiko
eines Untergangs der Beteiligung bei ihr--; sie könne jedoch wegen der M vorbehaltenen Stimm- und
Verwaltungsrechte keine Mitunternehmerinitiative entfalten. Dem stehe die Einheitlichkeit ihrer durch den Hinzuerwerb
vergrößerten Kommanditbeteiligung nicht entgegen. Ein Gesellschafter könne schuldrechtlich gehindert sein, "über
Teile seines Anteils frei zu verfügen". Im Übrigen sei Erwerbsgegenstand eine Kommanditbeteiligung ohne die sonst
damit verbundene Möglichkeit, Mitunternehmerinitiative zu entfalten.
6 Mit der Revision rügt die Klägerin die fehlerhafte Anwendung des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Ihr komme auch
Mitunternehmerinitiative zu. Wegen der Einheitlichkeit des vergrößerten Kommanditanteils in ihrer, der Klägerin, Hand
könne M die dem Nießbraucher sonst zustehenden Stimmrechte nicht ausüben. Vielmehr könnten die
Mitgliedschaftsrechte aus dem einheitlichen Gesellschaftsanteil nur einheitlich ausgeübt werden. Daher sei der
Vorbehalt der Stimm- und Verwaltungsrechte bezüglich des hinzuerworbenen Anteils durch M unwirksam oder
zumindest undurchführbar. Sie, die Klägerin, sei allerdings verpflichtet, bei Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte
die Interessen der M als Nießbraucherin zu berücksichtigen. Unabhängig davon müsse ohnehin in allen Fällen eines
dinglichen Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil dem Gesellschafter ein Kernbereich von Mitwirkungsrechten zur
eigenen Ausübung verbleiben. Deshalb sei ein Vorbehalt der Stimm- und Verwaltungsrechte dahin auszulegen, dass
das Stimmrecht dem Nießbraucher nur in laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft zustehen solle.
7 Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Schenkungsteuerbescheid vom 25. März 2004 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2006 dergestalt zu ändern, dass die Steuervergünstigungen des §
13a ErbStG gewährt werden.
8 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9
II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin die Steuervergünstigungen des § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG zu
gewähren.
10 1. Gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kommen die Vergünstigungen der Abs. 1 und 2 der Vorschrift in Betracht für
inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb u.a. eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei sind die genannten Steuervergünstigungen nur zu
gewähren, wenn das von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworbene Vermögen
durchgehend sowohl beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand des Abs. 4 Nr. 1 der
Vorschrift erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Dezember 2008 II R 34/07, BFHE 224, 144, BStBl II
2009, 312, sowie vom 14. Februar 2007 II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443).
11 a) Dass das Vermögen auch beim Erwerber den Anforderungen des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG genügen muss, ergibt
sich nicht nur aus dem Begünstigungszweck der Norm in Verbindung mit den Nachversteuerungstatbeständen des
Abs. 5 der Vorschrift, sondern auch aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Bevorzugung des
Betriebsvermögens gegenüber anderen Vermögensarten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer bedarf nämlich im
Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung, wie sie der Gesetzgeber dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter
C.I.2.b bb) entnommen hat. Das BVerfG hat aber die Milderung des Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen ausdrücklich
auf solche Erwerber beschränkt, die den Betrieb "weiterführen", "aufrechterhalten" und "fortführen". Diese Wortwahl
zeigt, dass das BVerfG einen Erwerber im Blick hatte, bei dem das erworbene Vermögen Betriebsvermögen geblieben
ist. Beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils bedeutet "fortführen", dass auch der Erwerber Mitunternehmer
geworden sein muss (so BFH-Urteil in BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312, unter II.2.b).
12 b) Ist der Erwerber eines Anteils an einer Personengesellschaft bereits vor dem Erwerb Gesellschafter der
Gesellschaft gewesen, geht der erworbene Anteil nach herkömmlicher Meinung in einer einheitlichen Mitgliedschaft
mit der bisherigen Beteiligung des Erwerbers auf (vgl. dazu Koller in Koller/Roth/ Morck, Handelsgesetzbuch,
Kommentar, 6. Aufl. 2007, § 124 Rz 2, m.w.N.). Daraus wird abgeleitet, dass der Erwerber zwangsläufig
Mitunternehmer auch bezüglich des in der einheitlichen Beteiligung aufgegangenen Hinzuerwerbs wird (so Jülicher in
Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1998, 1977, 1978).
13 Ob an dem Grundsatz der unteilbaren Mitgliedschaft eines Personengesellschafters auch dann noch festgehalten
werden kann, wenn sich der Schenker einen Nießbrauch an dem zugewendeten Gesellschaftsanteil vorbehalten hat,
ist jedoch fraglich. Zur Wahrung der Rechte des Nießbrauchers ist die Meinung im Vordringen, dass beim Erwerb
eines nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils eine mehrfache Beteiligung des erwerbenden Gesellschafters
zugelassen werden müsse (so Ulmer in Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Bd. 167, S. 103,
114; Kanzleiter in Freundesgabe für Willi Weichler, 1997, S. 50; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, §
45 I.2.b bb). Für den Erbenerwerb eines der Testamentsvollstreckung unterliegenden Gesellschaftsanteils durch einen
zuvor schon an der Personengesellschaft Beteiligten hat bereits der Bundesgerichtshof ausgesprochen, die
Testamentsvollstreckung verhindere die uneingeschränkte Vereinigung der bisher schon gehaltenen und der
hinzuerworbenen Anteile (Beschluss vom 10. Januar 1996 IV ZB 21/94, Zeitschrift für Erbrecht und
Vermögensnachfolge 1996, 110, unter II.2.b).
14 c) Für die Anwendung des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kann letztlich offen bleiben, ob auch beim Erwerb eines
Gesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt von der Unteilbarkeit der Mitgliedschaft abzurücken ist; der Vorschrift
ist nämlich nur Genüge getan, wenn die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen Gesellschaftsanteil vermittelt
worden ist. Nur dann kann angenommen werden, der erworbene Gesellschaftsanteil habe im Sinne eines "Weiter-
oder Fortführen des Betriebes" durchgehend den Tatbestand des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Es reichte daher
nicht aus, wenn dem Erwerber hinsichtlich des erworbenen Gesellschaftsanteils nur deshalb eine
Mitunternehmerstellung zukäme, weil er bereits Gesellschafter der Personengesellschaft war, - d.h. wenn sich seine
bisherige Mitunternehmereigenschaft aufgrund der angenommenen Unteilbarkeit der Mitgliedschaft auf den
hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte. Dem BVerfG ging es nicht um die Sozialgebundenheit des (Betriebs-
)Vermögens, das sich schon vor dem Erwerb des Betriebs bzw. hier des Gesellschaftsanteils in der Hand des
Erwerbers befand (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443, unter II.2.b), sondern um die
Sozialgebundenheit des übertragenen Vermögens. Hat der Gesellschaftsanteil beim Übergang vom Schenker auf den
Beschenkten seine Fähigkeit verloren, kraft eigener Beschaffenheit dem neuen Inhaber eine Mitunternehmerstellung
zu vermitteln, fehlt es an einem durchgehend vorhandenen Gesellschaftsanteil i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG
i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG.
15 2. Im Streitfall ist der für M bestellte Vorbehaltsnießbrauch so ausgestaltet, dass die Mitunternehmerstellung bezüglich
des übertragenen Kommanditanteils bei M verblieben und insoweit nicht auf die Klägerin übergegangen ist. Damit
fehlt es an einem durchgehend vorhandenen Gesellschaftsanteil, der als solcher eine Mitunternehmerinitiative
vermittelt.
16 Ein nach den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausgestalteter Nießbrauch lässt die
Mitunternehmerinitiative des Nießbrauchsbestellers nicht entfallen (so BFH-Urteil vom 1. März 1994 VIII R 35/92,
BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, 245). Im Streitfall haben aber die Vertragspartner über die Vorgaben des BGB
hinaus bestimmt, dass die mit der übertragenen Beteiligung an der KG verbundenen "Stimm- und Verwaltungsrechte"
der M als Nießbraucherin zustehen sollen. Damit hat M sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur die Ausübung
der nach ihrem anteiligen Festkapital zu ermittelnden Stimmrechte in laufenden Angelegenheiten vorbehalten --
solche Rechte stehen einem Kommanditisten ohnehin nur begrenzt zu--, sondern auch im Bereich der
Grundlagengeschäfte (vgl. zur Stimmrechtsproblematik: Karsten Schmidt in Münchener Kommentar zum
Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., Bd. 3, 2007, vor § 230 Rdnr. 21). Verfahren die Gesellschafter danach, ist dies
ungeachtet der Gesellschaftsrechtslage zumindest gemäß § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung steuerrechtlich
beachtlich, zumal die Klägerin aufgrund ihrer schon zuvor gehaltenen Kommanditbeteiligung an den
Grundlagengeschäften mitwirken kann und muss. Sie ist durch den Stimmrechtsvorbehalt zugunsten der M nicht von
der Mitwirkung an den Grundlagengeschäften ausgeschlossen. Die anderen vier stimmberechtigten Kommanditisten
der KG haben dazu im Rahmen der erforderlichen Zustimmung zur schenkweisen Anteilsübertragung ihr
Einverständnis erklärt.