Urteil des BFH vom 28.10.2008

Anwendung der Abfärberegelung bei einer neben ihrer freiberuflichen Ingenieurtätigkeit auch als Holdinggesellschaft für mehrere Konzerngesellschaften geschäftsführend und koordinierend tätigen Partnerschaftsgesellschaft

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 28.10.2008, VIII R 73/06
Anwendung der Abfärberegelung bei einer neben ihrer freiberuflichen Ingenieurtätigkeit auch als Holdinggesellschaft für
mehrere Konzerngesellschaften geschäftsführend und koordinierend tätigen Partnerschaftsgesellschaft
Leitsätze
Eine Personengesellschaft entfaltet keine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
darstellt, wenn sie als Holdinggesellschaft geschäftsleitende Funktionen innerhalb einer Gruppe von Unternehmen
wahrnimmt, die an verschiedenen Standorten Ingenieurbüros unterhalten.
Tatbestand
1
I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) freiberuflich oder gewerblich tätig war.
2
Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Partnerschaftsregister eingetragene Partnerschaftsgesellschaft. Nach
dem Gesellschaftsvertrag ist Gegenstand der Partnerschaft die gemeinschaftliche Berufsausübung der Partner als
Ingenieure und Unternehmensberater. Als Gesellschafter waren an der Klägerin X und Y mit jeweils 40 % beteiligt.
Jeweils 5 %-ige Beteiligungen hielten U, V, W und S (im Folgenden: S). Letzterer hat erfolgreich ein
Universitätsstudium der Betriebswirtschaftslehre absolviert. Die anderen Gesellschafter sind Ingenieure.
3
Die Klägerin war im Streitjahr mehrheitlich an den Unternehmen E GdbR mbH, A GdbR mbH, C GmbH, D GmbH, E
GmbH, F GmbH, G GmbH und H GmbH (so genannte Standortgesellschaften) beteiligt. Die Klägerin fungierte als
Holding, die Standortgesellschaften unterhielten Ingenieurbüros und erledigten das operative Geschäft. Die
Ingenieur-Gesellschafter arbeiteten im Rahmen der Standortgesellschaften bei der Bearbeitung der diesen erteilten
Ingenieuraufträge mit.
4
Zwischen der Klägerin und den Standortgesellschaften besteht eine schriftliche "Vereinbarung über die Erbringung
von Dienstleistungen im Konzern und deren Vergütung" (Dienstleistungsvereinbarung). Nach deren Präambel haben
die Umstrukturierung der ehemaligen K GdbR mbH in ein Konzerngebilde mit einer Holding und verschiedenen
operativen Gesellschaften und die sich daraus ergebenden Leistungsbeziehungen untereinander den Abschluss
einer entsprechenden Vereinbarung erforderlich gemacht. Nach § 1 der Dienstleistungsvereinbarung übernimmt die
Holding bestimmte in einer Anlage zur Vereinbarung aufgelistete Leistungen im Interesse und zum Nutzen der
Gesellschaften, um ihnen insoweit eigene Aufwendungen zu ersparen.
5
Nach dem Inhalt der Liste, auf deren Wiedergabe im angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) im Übrigen Bezug
genommen wird, soll die Holding im Tätigkeitsbereich "Vorgaben Management" Leistungen in den Aufgabengebieten
Strategische Ziele (u.a. neue Geschäftsfelder, Auslandstätigkeit, Unternehmensstruktur, wichtige
Personalentscheidungen, Koordination bei Personalaustausch), Buchhaltung und Controlling (u.a.
Rahmenbedingungen/Richtlinien), Akquisition (u.a. zentrale Bewerbungsunterlagen, übergeordnete Akquisition,
Firmenbroschüre, Vorbereitung und Durchführung von Messen), EDV (u.a. Vorgaben für Standards, Kauf, Erstellung,
Pflege, Schulung übergeordneter Programme), übergeordnete Tätigkeit (u.a. Verbands- und Kammertätigkeit,
Verhandlungen mit Betriebsrat, übergreifende Arbeitsanweisungen, Klärung übergeordneter Rechtsangelegenheiten)
erbringen. Ferner sieht die Liste im Bereich "Ausführung Personal Holding" Leistungen in den Aufgabengebieten
Buchhaltung und Controlling (u.a. Prüfung der Einzelbilanzen, der Wochenzahlen und der quartalsweisen
Controllingergebnisse, Beratung in den Bereichen Finanzmanagement, Abstimmung mit Versicherungen, Konditionen
von Investitionen und Dienstleistungen, Personalwesen) und übergeordnete Tätigkeit (u.a. Verhandlungen mit
Betriebsrat, übergreifende Festlegung zu Arbeitsabläufen, übergreifende Arbeitsanweisungen, Organisation von
Feierlichkeiten) vor. Sämtliche Leistungen werden von der Holding laufend erbracht und erfordern keinen speziellen
Auftrag durch die Standortgesellschaften. Sie erfolgen gegen Kostenerstattung im Wege einer Umlage (§§ 2 und 3 der
Dienstleistungsvereinbarung). Daneben ist die Bildung von Arbeitskreisen vorgesehen und deren Kostentragung
durch eine weitere Umlage im Einzelnen geregelt.
6
Die Umsatzerlöse der Klägerin bestehen im Wesentlichen aus den Umlagen der Standortgesellschaften. Daneben
erzielt sie Einnahmen aus der Beteiligung an den Standortgesellschaften.
7
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die
Auffassung, dass S nicht freiberuflich tätig gewesen sei. Denkbar sei allenfalls eine Tätigkeit als beratender
Betriebswirt. Zwar verfüge S über einen entsprechenden Abschluss, eine beratende Tätigkeit sei aber nicht ausgeübt
worden. Vielmehr habe er als Mitunternehmer sein eigenes Unternehmen kaufmännisch geleitet. Weil nicht alle
Gesellschafter freiberuflich tätig gewesen seien, müssten die Einkünfte der Klägerin insgesamt als solche aus
Gewerbebetrieb qualifiziert werden.
8
Im Einspruchs- und im Klageverfahren machte die Klägerin erfolglos geltend, dass S Freiberufler sei. Dieser habe
nicht nur die Aufgabe wahrgenommen, die Klägerin intern kaufmännisch zu leiten. Er habe zusätzlich die Leistungen
auf dem Gebiet der Beratung externer Unternehmen übernommen. Bei den externen Unternehmen habe es sich um
die einzelnen Standortgesellschaften gehandelt.
9
Das FG ging in seinem angegriffenen Urteil davon aus, dass die Klägerin originär gewerblich tätig geworden sei,
soweit sie aufgrund der Dienstleistungsvereinbarung Tätigkeiten geschäftsführender und koordinierender Art für die
Standortgesellschaften ausgeübt habe. Dies gelte sowohl für das Tätigkeitsfeld "Vorgaben/Management" als auch für
den Bereich "Ausführung Personal Holding". Die Ausübung geschäftsleitender Funktionen sei für sich genommen
ausreichend, um die Klägerin insgesamt zur Gewerbetreibenden zu machen. Unerheblich sei, welcher Gesellschafter
konkret tätig geworden sei. Da die Klägerin somit zumindest auch gewerbliche Aktivitäten entfaltet habe, gelte ihre
Tätigkeit gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) insgesamt als Gewerbebetrieb.
10 Mit ihrer --vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen-- Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und
materiellen Rechts.
11 In verfahrensrechtlicher Hinsicht habe es das FG pflichtwidrig unterlassen, ausreichende Feststellungen zur
eigenverantwortlichen und leitenden Tätigkeit des S, zur Fremdüblichkeit der Leistungen an die
Standortgesellschaften, zu den Beratungsleistungen und zum Umfang der angeblich infektiösen gewerblichen
Managementleistungen zu treffen.
12 In materiell-rechtlicher Hinsicht sei § 18 Abs. 1 EStG unzutreffend angewandt worden. Was die Tätigkeiten des S
angehe, sei zu differenzieren. Soweit er intern die kaufmännische Leitung ausgeübt habe, habe er lediglich seinen
Gesellschafterbeitrag erbracht. Diesbezüglich liege ein reiner Innenumsatz vor, der die Gewerblichkeit nicht
begründen könne. Aber auch die Beratungsleistungen des S gegenüber den Standortgesellschaften führten nicht zur
Gewerblichkeit. Das FG irre, wenn es davon ausgehe, dass S nur zu einem geringen Teil beratend, im Wesentlichen
aber geschäftsführend und koordinierend tätig geworden sei. Aus dem im Klageverfahren vorgelegten Gutachten des
Instituts der freien Berufe ergebe sich, dass S umfangreiche Beratungsleistungen auf Hauptgebieten der
Betriebswirtschaft, etwa dem Controlling und dem Qualitätsmanagement, vorgenommen habe. Im Übrigen habe sich
das Berufsbild des beratenden Betriebswirts dahingehend fortentwickelt, dass die Übernahme von
Managementaufgaben durch den Berater nicht mehr als wesensfremd anzusehen sei.
13 Das FG habe rechtsfehlerhaft die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zur Anwendung gebracht. Die
Tätigkeiten des S für die Klägerin und die Standortgesellschaften bildeten ein nicht aufteilbares Konglomerat
verschiedener Leistungsbestandteile. Selbst wenn man davon ausginge, dass gewerbliche Elemente hierin enthalten
seien, führten diese wegen ihrer untergeordneten Bedeutung nicht zur gewerblichen Prägung. Auch im Übrigen sei
die Annahme der Abfärbung rechtswidrig. Eine solche käme nämlich nicht in Betracht, wenn S lediglich als
Arbeitnehmer tätig geworden sei. Zudem sei das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass es stets zu einer
Abfärbung komme, selbst wenn die gewerbliche Tätigkeit nur geringfügig sei. Bei gewerblichen Bagatelleinkünften
greife die Abfärberegelung nach der Rechtsprechung des BFH aber nicht ein. Schließlich führe auch ihre Beteiligung
an der Standortgesellschaft E nicht zu einer Infektion. Zum einen sei diese Personengesellschaft freiberuflich und
nicht gewerblich tätig. Zum anderen stelle das Halten einer Beteiligung nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom
6. Oktober 2004 IX R 53/01, BFHE 207, 466, BStBl II 2005, 383) ohnehin keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 EStG dar.
14 Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Nürnberg vom 22. Februar 2006 V 280/2004 und den
Gewerbesteuermessbescheid 1998 vom 1. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004
aufzuheben.
15 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
16 Die Konzentration der Revisionsbegründung auf die Tätigkeit des S greife zu kurz. Nach den Feststellungen des FG
sei nämlich die Klägerin als Mitunternehmerschaft selbst aufgrund ihres Tätigkeitsbereichs "Dienstleistungen im
Konzern" gegenüber den Standortgesellschaften gewerblich tätig geworden. Der Bereich "Dienstleistungen im
Konzern" umfasse im Wesentlichen zwei Aufgabenbereiche, die beide als gewerblich zu beurteilen seien. Die
Tätigkeiten im Bereich "Vorgaben/Management" stünden nicht in direktem Bezug zur freiberuflichen Tätigkeit der
Standortgesellschaften. Es handele sich um eine geschäftsleitende Tätigkeit und damit nicht um eine freiberufliche
Beratungstätigkeit. Auch im Bereich "Ausführung Personal Holding" sei die Klägerin hauptsächlich geschäftsleitend
tätig geworden. Da die im Bereich "Dienstleistungen im Konzern" erbrachten Leistungen von den daneben
ausgeführten Ingenieurleistungen klar zu trennen seien, habe das Gericht zutreffend § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zur
Anwendung gebracht und die gesamte Tätigkeit der Klägerin als gewerblich qualifiziert. Eine Bagatellgrenze der
gewerblichen Abfärbung finde im Gesetz keine Stütze. Die Frage, ob durch die Beteiligung der Klägerin an der
Standortgesellschaft E eine Abfärbung eintrete, stelle sich im Streitfall nicht. Dieser Punkt sei für das FG nicht
entscheidungserheblich gewesen.
Entscheidungsgründe
17 II. Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das
FG ist im Ergebnis zu Recht (§ 126 Abs. 4 FGO) davon ausgegangen, dass die Klägerin insgesamt gewerbliche
Einkünfte erzielt hat.
18 1. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Er sieht
insoweit von einer Begründung gemäß § 126 Abs. 6 Satz 1 FGO ab.
19 2. Unter Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ein gewerbliches
Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbstständige
nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und
Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbstständige Tätigkeit anzusehen ist.
20 a) Eine Personengesellschaft entfaltet mit ihren am Markt erbrachten Umsatzleistungen nur dann eine Tätigkeit, die
die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter-Mitunternehmer mit ihrer
gemeinschaftlichen, zur Erstellung dieser Umsatzleistungen entfalteten Tätigkeit die Merkmale eines freien Berufs
erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft
selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden. Das Handeln der Gesellschafter in ihrer
gesamthänderischen Verbundenheit und damit das Handeln der Gesellschaft darf kein Element einer
nichtfreiberuflichen Tätigkeit enthalten (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80,
BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; vom 8. April 2008 VIII R 73/05, BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681, m.w.N.).
21 b) Jeder Gesellschafter muss die beiden Hauptmerkmale des freien Berufs in eigener Person positiv erfüllen. Er muss
über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich
qualifiziert ist, tatsächlich auch entfalten. Bedient er sich hierbei der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte, dann
muss er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sein (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
Weil die freiberufliche Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers
geprägt ist (vgl. BFH-Urteile vom 4. Juli 2007 VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53; in BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681),
reicht die bloße Zugehörigkeit zu einer der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Berufsgruppen nicht aus (BFH-
Urteil vom 18. Oktober 2006 XI R 9/06, BFHE 215, 210, BStBl II 2007, 266).
22 c) Empfänger freiberuflicher Leistungen können auch konzernangehörige Schwester- oder Tochtergesellschaften
sein. Voraussetzung ist allerdings, dass die Leistungen an den Auftraggeber fremdüblich vergütet werden (vgl. BFH-
Urteil vom 10. Juni 1987 I R 301/83, BFHE 150, 441, BStBl II 1987, 816; BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 IV S
16/06, BFH/NV 2007, 445; Kempermann, Finanz-Rundschau 2007, 577, 582).
23 d) Den Beruf des beratenden Volks- und Betriebswirts übt nach ständiger Rechtsprechung des BFH unter anderem
derjenige aus, der nach einem entsprechenden Studium mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft
(Unternehmensführung, Leistungserstellung, Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und
Rechnungswesen, Personalwesen) --nicht dagegen nur mit einzelnen Spezialgebieten-- vertraut ist und diese
fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Die
an die fachliche Breite der tatsächlich ausgeübten Beratungstätigkeit gestellten Anforderungen sind auch dann noch
erfüllt, wenn die Beratung wenigstens einen betrieblichen Hauptbereich umfasst. Eine noch weiter gehende
Spezialisierung der Beratung ist aber schädlich, wenn sie sich nur noch auf einen Teil eines Hauptbereichs der
Betriebswirtschaft beschränkt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; vom 28. August 2003 IV R 21/02,
BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919; vom 19. September 2002 IV R 74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27). Beratend
im Sinne des Gesetzes ist ein Volks- oder Betriebswirt dann nicht tätig, wenn er kaufmännische Leitungsaufgaben
innerhalb seines eigenen Unternehmens oder innerhalb eines fremden Unternehmens unmittelbar selbst wahrnimmt.
Denn für die Tätigkeiten der beratenden Volks- und Betriebswirte ist typisch, dass die Geschäftsführung eines anderen
Betriebs für einen regelmäßig überschaubaren Zeitraum mit betriebswirtschaftlichem Rat unterstützt wird, nicht aber,
dass dem Auftraggeber die kaufmännische Leitung seines Unternehmens gewissermaßen "vom Berater aus der Hand
genommen" wird (vgl. BFH-Urteil vom 28. August 2003 IV R 1/03, BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112, zur
vergleichbaren Situation einer die Geschäftsführung überwachenden Tätigkeit im Anwendungsbereich des § 18 Abs.
1 Nr. 3 EStG; FG des Saarlandes, Urteil vom 27. August 1991 1 K 64/91, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG--
1992, 70; Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. April 2001 13 K 15/96, EFG 2001, 1146).
24 e) Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht
unternommene Tätigkeit einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen
Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt.
25 3. Die positiven Merkmale des Gewerbebetriebs i.S. der §§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, 15 Abs. 2 EStG sind im Streitfall
erfüllt.
26 Die Klägerin übte innerhalb der Unternehmensgruppe K die Funktion einer Managementholding aus. Mit dieser
Betätigung nahm sie nachhaltig und selbstständig mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen
Verkehr teil.
27 a) Die Klägerin war nachhaltig und selbstständig mit Gewinnerzielungsabsicht tätig. Der durch die
Dienstleistungsvereinbarung abgesteckte Tätigkeitsbereich wird zwar bei isolierter Beurteilung ohne
Gewinnerzielungsabsicht betrieben. Denn die Klägerin ist hier lediglich auf Basis einer Kostenerstattung tätig
geworden. Werden Leistungen aber generell zum Selbstkostenpreis abgegeben, dann fehlt die
Gewinnerzielungsabsicht (BFH-Urteil vom 18. Mai 1995 IV R 31/94, BFHE 178, 69, BStBl II 1995, 718). Im Streitfall ist
es jedoch nicht zulässig, eine Segmentierung der Tätigkeit der Klägerin vorzunehmen und das Vorliegen der
Gewinnerzielungsabsicht für verschiedene Tätigkeitsbereiche gesondert zu prüfen (vgl. zur Bildung der für die
Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgeblichen Beurteilungseinheit bei Personengesellschaften Senatsurteil
vom 25. Juni 1996 VIII R 28/94, BFHE 181, 133, BStBl II 1997, 202). Das Halten und Verwalten der Beteiligungen
einerseits und die Ausübung der Funktion einer Managementholding aufgrund der Dienstleistungsvereinbarung
andererseits sind keine selbstständigen Tätigkeitsbereiche, sondern untrennbare Bestandteile der einheitlichen
geschäftlichen Betätigung der Partnerschaftsgesellschaft. Beide Teilbereiche bedingen sich wechselseitig. So
verlieren im Streitfall die von der Dienstleistungsvereinbarung erfassten Leistungen der Klägerin ihren Sinn, wenn
nicht zugleich Beteiligungen an den Standortgesellschaften gehalten werden. Die Erlöse aus der Beteiligung an
diesen Gesellschaften führen dazu, dass bei der Klägerin als Managementholding die Absicht, durch den Konzern
eigene Gewinne zu erzielen, zu bejahen ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. Dezember 1969 I 252/64, BFHE 98, 152B, BStBl II
1970, 257; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Freiburg 1978 ff., § 14 KStG Rz 53).
28 b) Nach der Rechtsprechung des BFH beteiligt sich eine geschäftsleitende Holding dann am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr, wenn zum einen die Ausübung der einheitlichen Leitung durch äußere Merkmale erkennbar
ist. Es genügt hierfür im Allgemeinen, dass die Konzernleitung die Richtlinien über die Geschäftspolitik aufstellt und
den abhängigen Unternehmen zuleitet oder ihnen sonst schriftliche Weisungen oder schriftlich festgehaltene
Empfehlungen erteilt. Zum anderen muss das herrschende Unternehmen selbst nach außen in Erscheinung treten,
wobei etwa die Eintragung im Handelsregister genügt (BFH-Urteil in BFHE 98, 152B, BStBl II 1970, 257; Schulze zur
Wiesche, Der Betrieb 1988, 252; Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 14 KStG Rz 52 ff.).
29 Überträgt man diese Grundsätze auf den Streitfall, so war die Klägerin am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
beteiligt. Obgleich nicht sie, sondern die jeweilige Standortgesellschaft für das operative Geschäft zuständig war, so
bestimmte sie auf der Grundlage der Dienstleistungsvereinbarung die Geschäftspolitik, indem sie richtlinienartige
Vorgaben mit bindender Wirkung für alle konzernangehörigen Gesellschaften machte. Ihr eigenes Auftreten nach
außen dokumentiert sich nicht nur an der Eintragung im Partnerschaftsregister, sondern, worauf das FG zutreffend
hingewiesen hat, in Vertragsverhandlungen mit außenstehenden Dritten. So hat S etwa für die gesamte Firmengruppe
die Kreditkonditionen mit der Hausbank ausgehandelt.
30 Als Mitunternehmerin der Standortpersonengesellschaften A und E nahm sie überdies selbst am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr teil.
31 c) Die ungeschriebene Voraussetzung des Gewerbebetriebs, wonach sich die Betätigung nicht in der Verwaltung des
eigenen --privaten-- Vermögens erschöpfen darf, wird von der Klägerin ebenfalls erfüllt. Denn sie hielt nicht lediglich
Beteiligungen an den Standortgesellschaften und machte von den "normalen" Gesellschafterrechten Gebrauch (vgl.
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 15 Rz 90; Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 14 KStG Rz 55). Vielmehr
ging ihre Einflussnahme auf die operativ tätigen Firmen weit darüber hinaus. Diesbezüglich ist auf ihre umfangreichen
Aktivitäten auf der Grundlage der Dienstleistungsvereinbarung zu verweisen.
32 4. Auch die negative Voraussetzung des Gewerbebetriebs, wonach die Betätigung nicht als Ausübung eines freien
Berufs anzusehen sein darf, ist gegeben.
33 Entgegen der Rechtsauffassung des FG folgt dieses Ergebnis nicht daraus, dass Ingenieurtätigkeiten der Klägerin
unter Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu gewerblichen Tätigkeiten umqualifiziert worden wären. Vielmehr hat
die Klägerin weder durch ihre eigene unternehmerische Tätigkeit noch durch das Halten von Beteiligungen an den
operativ tätigen Standortgesellschaften eine Betätigung i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG entfaltet. Sie war eine
Holdinggesellschaft, die, ohne selbst operativ tätig zu sein, aufgrund der Dienstleistungsvereinbarung
geschäftsleitende Funktionen innerhalb der Firmengruppe wahrgenommen hat. Mit dieser Holdingtätigkeit konnten
die Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht erfüllt werden.
34 a) Die Klägerin hat keine Ingenieurtätigkeit ausgeübt.
35 aa) Als Holding war sie am operativen Geschäft nicht beteiligt. Sie selbst hat als grundsätzlich eigenständiges Subjekt
der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 1996 VIII R
42/94, BFHE 182, 101, BStBl II 1998, 328, m.w.N.) keine Ingenieuraufträge angenommen, erfüllt, abgerechnet und die
entsprechenden Honorare vereinnahmt.
36 bb) Auch durch das bloße Halten von Mehrheitsbeteiligungen an den operativ tätigen Standortgesellschaften
entfaltete sie keine Tätigkeit, die sich als Ausübung des Ingenieurberufs begreifen lässt.
37 In Bezug auf die Standortkapitalgesellschaften folgt dieses Ergebnis schon daraus, dass diese Firmen
Gewerbebetriebe kraft Rechtsform darstellen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG).
38 Aber auch in Bezug auf die Standortpersonengesellschaften E und A war die Klägerin als Mitunternehmerin nicht
freiberuflich tätig. Denn dies setzt voraus, dass jeder Gesellschafter-Mitunternehmer die Merkmale des § 18 Abs. 1 Nr.
1 EStG erfüllt. Die Klägerin als Personengesellschaft kann diese auf natürliche Personen zugeschnittenen Merkmale
nicht selbst erfüllen. Folglich muss auf sämtliche ihrer Gesellschafter abgestellt werden. Der Obergesellschafter S ist
aber weder Ingenieur noch war er in sonstiger Weise freiberuflich tätig. Insbesondere übte er den Beruf des
beratenden Betriebswirts nicht aus (s. nachfolgend unter II.4.c der Gründe dieses Urteils).
39 b) Die Klägerin hat durch ihre Gesellschafter auch keine eigene Tätigkeit als beratender Betriebs- oder Volkswirt
ausgeübt.
40 Es ist weder vom FG festgestellt noch sonst ersichtlich, dass externe Auftraggeber im Rahmen eines
Beratungsmandats betriebswirtschaftlich unterstützt worden sind. Es ist ferner vom FG nicht festgestellt, dass --
außerhalb des von der Dienstleistungsvereinbarung abgedeckten Tätigkeitsbereichs-- gesonderte Leistungen eines
beratenden Betriebswirts an die Standortgesellschaften gegen ein spezifisches, fremdübliches Entgelt erbracht
wurden.
41 c) Schließlich stellt sich auch die Betätigung der Klägerin auf der Grundlage der mit den Standortgesellschaften
abgeschlossenen Dienstleistungsvereinbarung nicht als Ausübung eines freien Berufs (betriebswirtschaftliche
Beratungstätigkeit) dar. Der Senat teilt insoweit die rechtliche Beurteilung des FG.
42 Aus dem angegriffenen Urteil geht zwar nicht zweifelsfrei hervor, ob das FG die aufgrund der
Dienstleistungsvereinbarung entfalteten Aktivitäten der Klägerin als eine einzige gewerblich geprägte
Gesamtbetätigung betrachtet hat oder ob es von einer Mehrzahl trennbarer Einzelaktivitäten ausging (vgl. BFH-Urteile
vom 30. März 1994 I R 54/93, BFHE 175, 40, BStBl II 1994, 864; vom 24. April 1997 IV R 60/95, BFHE 183, 150, BStBl
II 1997, 567; vom 2. Oktober 2003 IV R 48/01, BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363). Das FG konnte diese Frage jedoch
dahinstehen lassen, da es hierauf für das von ihm gefundene Ergebnis nicht ankam.
43 aa) Die einzelnen Tätigkeiten, die die Klägerin auf der Grundlage der Dienstleistungsvereinbarung ausübte, sind
unlösbar miteinander zu einer rechtlich einheitlich zu würdigenden Gesamtbetätigung verflochten (vgl. BFH-Urteile in
BFHE 183, 150, BStBl II 1997, 567, und in BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363). Die Dienstleistungsvereinbarung zielt
auf die Erreichung eines einheitlichen Gesamterfolgs ab, der darin besteht, den Konzern in zentralen und
grundlegenden Angelegenheiten nach inhaltsgleichen, für alle Konzerngesellschaften verbindlichen Richtlinien und
Vorgaben zu leiten und die Einhaltung der jeweiligen Vorgaben zu kontrollieren (vgl. BFH-Urteile in BFHE 183, 150,
BStBl II 1997, 567, und in BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363, zur Bedeutung des Merkmals des einheitlichen Erfolgs).
Zur Erreichung dieses einheitlichen Gesamterfolgs erbringt die Klägerin als leitende Obergesellschaft aufgrund eines
einzigen Vertrages ein Leistungspaket, das aus einer Vielzahl unselbstständiger Leistungsbestandteile besteht. Für
die Unselbstständigkeit der Einzelbestandteile spricht weiter, dass die Leistungen dauerhaft, ohne speziellen
Einzelauftrag, ohne gesonderte Abrechnung und gegen pauschale Kostenerstattung erbracht werden.
44 Geschäftsleitende, kontrollierende und koordinierende kaufmännische Tätigkeiten fallen nicht unter § 18 Abs. 1 Nr. 1
EStG. Nach der auf tatsächlichem Gebiet liegenden und damit bindenden Würdigung des FG (vgl. BFH-Urteil in BFHE
175, 40, BStBl II 1994, 864, m.w.N.) wird die Betätigung der Klägerin als Holding in den Tätigkeitsbereichen
"Vorgaben Management" und "Ausführung Personal Holding" jeweils durch diese gewerblichen Elemente geprägt.
Etwaige beratende Elemente treten dabei völlig in den Hintergrund.
45 bb) (1) Ginge man jedoch davon aus, dass trennbare Einzeltätigkeiten gegeben sind, dann wären viele dieser
Tätigkeiten nicht als freiberufliche, sondern als gewerbliche zu qualifizieren. Dies gilt etwa für die Festlegung von
Rahmenbedingungen und Richtlinien für Buchhaltung und Controlling, die Prüfung der Controllingergebnisse, den
Kauf und die Pflege übergeordneter EDV-Programme, die Erstellung von Akquisitionsmaterial, die übergeordnete
Akquisition und die Festlegung von Arbeitsabläufen. Gerade auch die von der Klägerin selbst als Beratungsleistungen
des S deklarierten Einzeltätigkeiten, wie etwa die Finanzberatung, stellen sich nach der bindenden
Tatsachenwürdigung des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht als Tätigkeiten eines beratenden Betriebswirts dar. S hat in
seiner Funktion als kaufmännischer Verantwortlicher der Holding für den Gesamtkonzern Kreditverhandlungen mit der
Hausbank geführt. Er hat damit, wie in § 1 Abs. 1 der Dienstleistungsvereinbarung niedergelegt, kaufmännische
Aufgaben der Standortgesellschaften übernommen und an deren Stelle zentral erledigt. Der Sache nach geht es um
die Tätigkeit eines Kreditvermittlers. Von Beratung kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein. Nichts
anderes gilt für die angebliche Beratung des S im Bereich Telefonie (Verhandlungen mit Telefonanbietern wegen
eines einheitlichen Telefonkonzepts und Abschluss eines Rahmenvertrages für alle X-Unternehmen), Versicherungen
(Konzeptionierung einer gesellschaftsrechtlichen, internen Haftungsbegrenzung) und Rating
(Informationsbeschaffung und Umsetzung der nötigen Vorgaben bei den einzelnen Standortgesellschaften).
46 (2) Selbst wenn einzelne von S erbrachte Leistungen als Tätigkeiten eines beratenden Betriebswirts gedeutet werden
könnten, würden die abtrennbaren gewerblichen Aktivitäten unweigerlich den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3
Nr. 1 EStG eröffnen und die Betätigung der Klägerin wäre insgesamt als Gewerbebetrieb zu qualifizieren.
47 (3) In diesem Zusammenhang kann es der Revision im Ergebnis nicht zum Erfolg verhelfen, dass die abtrennbaren
gewerblichen Tätigkeiten nach den Bestimmungen der Dienstleistungsvereinbarung gegen bloßen --pauschalen--
Kostenersatz geleistet werden. Wenn Leistungen zum Selbstkostenpreis erbracht werden, kann zwar die
Gewinnerzielungsabsicht mit der Rechtsfolge entfallen, dass die "gewerbliche" Tätigkeit steuerlich nicht mehr
gegeben ist. Die fehlende Steuerbarkeit führt dann weiter dazu, dass eine gewerbliche Abfärbung auf andere
trennbare Tätigkeiten gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht stattfindet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 178, 69, BStBl II 1995,
718; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 69; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 192). Dieser rechtliche
Aspekt hat aber auch seine Kehrseite. Trennbare freiberufliche Tätigkeiten, die wie die trennbaren gewerblichen
Tätigkeiten zum Selbstkostenpreis erbracht werden, sind ebenfalls mangels Gewinnerzielungsabsicht nicht mehr
steuerbar und daher nicht geeignet, den Tatbestand freier Berufstätigkeit zu erfüllen.
48 (4) Eine einschränkende Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG kommt im Streitfall nicht in Betracht. Nach dem BFH-
Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98 (BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229) führt ein äußerst geringer Anteil originär
gewerblicher Tätigkeit nicht zu einer Abfärbung. Vorliegend sind nicht die gewerblichen, sondern die freiberuflichen
Tätigkeiten von völlig untergeordneter Bedeutung. In einem solchen Fall ist die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1
EStG gerechtfertigt.