Urteil des BFH vom 08.04.2009
BFH: Keine Wiedereinsetzung wegen Vertrauens auf Rechtsansicht der Finanzbehörde, Keine Revisionszulassung wegen Rechtsfehlern des FG, wiedereinsetzung in den vorigen stand, partiarisches darlehen
BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 8.4.2009, I B 124/08
Keine Wiedereinsetzung wegen Vertrauens auf Rechtsansicht der Finanzbehörde - Keine Revisionszulassung wegen
Rechtsfehlern des FG - Beginn der Frist für den Antrag auf Erstattung von Kapitalertragsteuer
Tatbestand
1 Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Stiftung und wegen der Förderung gemeinnütziger Zwecke
von der Körperschaftsteuer befreit. Sie hatte im Jahr 1993 einer anderen Stiftung (X-Stiftung) ein partiarisches Darlehen
gewährt. Für die Kapitalüberlassung zahlte die X-Stiftung in den Streitjahren (1996 bis 1999) an die Klägerin
Vergütungen, ohne Kapitalertragsteuer einzubehalten oder abzuführen. Ebenso stellte die Klägerin zunächst keinen
Antrag auf Erstattung von Kapitalertragsteuer.
2 Im Rahmen nachfolgender Betriebsprüfungen wurde dieser Vorgang festgestellt. Die X-Stiftung meldete daraufhin im
Dezember 2001 für die Streitjahre die auf die Darlehensvergütungen entfallende Kapitalertragsteuer an und führte sie
an das zuständige Finanzamt ab. Ebenfalls noch im Dezember 2001 beantragte die Klägerin daraufhin eine Erstattung
von Kapitalertragsteuer, dies allerdings nicht hinsichtlich der nunmehr streitgegenständlichen Beträge. Es kam in der
Folge wiederholt zu Schriftwechsel und Besprechungen, in denen der Beklagte und Beschwerdegegner (das damalige
Bundesamt für Finanzen und heutige Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--) stets die Ansicht vertrat, dass die
beantragte Erstattung am Ablauf der maßgeblichen Frist scheiterte. Die nach Aktenlage letzte Besprechung fand am 24.
Januar 2002 statt. Im Dezember 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erstattung der hier streitigen
Kapitalertragsteuerbeträge.
3 Das BZSt lehnte den Antrag ab und wies den deshalb eingelegten Einspruch zurück. Die daraufhin erhobene Klage
legte das Finanzgericht (FG) dahin aus, dass sie sowohl die Erstattung der Kapitalertragsteuer gemäß § 44b des
Einkommensteuergesetzes als auch eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen betreffe; es wies
jedoch die Klage unter beiden Gesichtspunkten ab und ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
4 Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und
3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
5 Das BZSt beantragt sinngemäß, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für eine Zulassung
der Revision liegen, soweit sie ordnungsgemäß dargelegt worden sind, nicht vor.
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1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2) oder das Urteil auf einem geltend gemachten und vorliegenden
Verfahrensmangel beruhen kann (Nr. 3). Wird auf einen dieser Gründe eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so
muss der Grund in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Bei der Entscheidung
über die Nichtzulassungsbeschwerde können nur die ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsgründe berücksichtigt
werden.
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2. Der Streitfall hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Klägerin macht insoweit zwar
geltend, dass klärungsbedürftig sei, ob der Lauf der Frist für den Antrag auf Erstattung von Kapitalertragsteuer
beginnen könne, bevor die Steuer angemeldet und abgeführt worden sei. Diese Frage kann aber im Streitfall nicht
geklärt werden.
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Denn das FG hat sie, seiner bisherigen Rechtsprechung (FG Köln, Urteil vom 18. November 2004 2 K 2067/02,
Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 610) folgend, zu Gunsten der Klägerin beantwortet. Es hat auf dieser Basis
angenommen, dass im Streitfall die Antragsfrist am 31. Dezember 2002 geendet habe und durch den im Dezember
2003 gestellten Antrag nicht gewahrt worden sei. Es ist nicht erkennbar, inwieweit diese Beurteilung eine im Interesse
der Allgemeinheit klärungsbedürftige Frage aufwerfen könnte. Dessen bedürfte es aber für eine Zulassung der
Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
10 Eine solche kann auch nicht aus den Ausführungen des FG zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgeleitet
werden. Denn eine solche könnte die Klägerin gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung nur dann erhalten,
wenn sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Antragsfrist verhindert gewesen wäre. Diese Voraussetzung hat
das FG nicht für gegeben erachtet, und seine dazu angestellten Erwägungen werfen keine klärungsbedürftige
Rechtsfrage auf. Das gilt insbesondere für die Annahme des FG, dass die Versäumung der Antragsfrist nicht schon
deshalb als unverschuldet anzusehen sei, weil das BZSt bis in das Jahr 2002 hinein einen Erstattungsanspruch der
Klägerin bestritten und einen entsprechenden Antrag als aussichtslos bezeichnet habe. Es bedarf keiner Klärung
durch ein Revisionsverfahren, dass aus einem solchen Verhalten der Behörde jedenfalls dann kein
Wiedereinsetzungsgrund abgeleitet werden kann, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten. Vielmehr wäre es in
dieser Situation Sache der --zudem sachkundig vertretenen-- Klägerin gewesen, einen von ihr selbst eingenommenen
abweichenden Rechtsstandpunkt ggf. mit Rechtsbehelfen durchzusetzen. Das FG hat zu Recht darauf hingewiesen,
dass bei einer abweichenden Beurteilung die im Gesetz bestimmten Rechtsbehelfsfristen leer liefen, was zweifelsfrei
nicht rechtens sein kann.
11 3. Einen Grund für eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO hat die Klägerin nicht dargelegt. Unter dem
Gesichtspunkt der Divergenz gilt dies schon deshalb, weil sie nicht zwei einander widerstreitende tragende
Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus einer anderen Entscheidung andererseits formuliert
hat. Ihre Ausführungen lassen auch nicht erkennen, inwieweit dem FG ein Rechtsfehler unterlaufen sein könnte,
dessen Gewicht die Entscheidung als willkürlich und ihr Fortbestehen als unerträglich erscheinen lassen könnte; das
wäre Voraussetzung für die Darlegung eines besonders schweren Fehlers, der ebenfalls die Zulassung der Revision
nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO rechtfertigen könnte (BFH-Beschluss vom 12. November 2008 V B 41/08, BFH/NV 2009,
402, m.w.N.). Letztlich rügt die Klägerin nur das FG-Urteil als fehlerhaft, was zur Darlegung eines Zulassungsgrundes
nicht genügt (BFH-Beschlüsse vom 25. November 2008 I B 99/08, BFH/NV 2009, 405; vom 28. November 2008 VIII B
206/07, BFH/NV 2009, 601). Auf weitere Ausführungen dazu wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO verzichtet.
12 4. Zur Darlegung des geltend gemachten Sachaufklärungsmangels hätte die Klägerin u.a. vortragen müssen, dass
und in welcher Weise sie in der ersten Instanz auf die nunmehr vermisste Aufklärung hingewirkt hat oder weshalb ihr
dies nicht möglich war (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2008 I B 62/08, BFH/NV 2009, 181, m.w.N.). Dazu enthält die
Beschwerdebegründung keine Ausführungen, weshalb es insoweit ebenfalls an einer beachtlichen Rüge fehlt.