Urteil des BFH vom 09.11.1990

BFH (kläger, rechtliches gehör, verfahrensmangel, rüge, gvg, besetzung, verhandlung, zulassung, verletzung, geschäftsjahr)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 10.12.2007, VI B 88/07
Verfahrensmangel wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des erkennenden Gerichts - Unzureichende Begründung einer
Entscheidung - Verzichtbare Verfahrensrügen
Gründe
1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten
Verfahrensverstöße sind entweder nicht in der nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen Weise schlüssig bezeichnet oder ein geltend gemachter
Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor. Ein Verfahrensmangel ist gegeben, wenn sich aus
der schlüssigen Rüge des Beschwerdeführers ergibt, dass das Finanzgericht (FG) gegen eine oder mehrere genau
bezeichnete Vorschriften des Gerichtsverfahrens verstoßen hat.
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1. Der vom Kläger behauptete absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden
Gerichts (§ 119 Nr. 1 FGO) liegt nicht vor. Das Gericht war vorschriftsmäßig besetzt.
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a) Ein Besetzungsmangel i.S. des § 119 Nr. 1 FGO liegt bei einem Spruchkörper u.a. vor, wenn gegen die Vorschriften
des § 4 FGO i.V.m. §§ 21e bis g des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) verstoßen wurde (Beschluss des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. November 1990 X R 67/89, BFH/NV 1991, 546; Lange in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 119 FGO Rz 57 ff.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 4 f.). Nach
§ 21e Abs. 1 Satz 1 GVG bestimmt das Präsidium des Gerichts die Besetzung der Spruchkörper und verteilt die
Geschäfte. Innerhalb des mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörpers werden die Geschäfte durch Beschluss aller
dem Spruchkörper angehörenden Berufsrichter auf die Mitglieder verteilt (§ 21g Abs. 1 Satz 1 GVG). Maßgebend für
die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des Spruchkörpers ist der für den Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung
geltende Geschäftsverteilungsplan des Gerichts und des Spruchkörpers (BFH-Beschluss vom 14. November 1995 VIII
R 84/93, VIII R 1/94, BFH/NV 1996, 416).
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Nach diesen Grundsätzen ergibt sich im Streitfall, dass die Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am FG X und der
Richter am FG Y und Z an der angefochtenen Entscheidung dem nach § 21g GVG aufgestellten Mitwirkungsplan des
5. Senats des FG Köln vom 20. Dezember 2006 für 2007 entsprach. Denn danach haben, wie geschehen, an den
Entscheidungen des Senats in Sachen der Vorsitzenden Richterin, die für Streitigkeiten der Kläger mit den
Anfangsbuchstaben … bis … zuständig ist, neben dieser die Richter am FG Y und Z mitzuwirken (Beschluss über die
Geschäftsverteilung des 5. Senats des FG Köln für das Geschäftsjahr 2007 vom 20. Dezember 2006 i.V.m. dem
Beschluss über die Geschäftsverteilung für das Geschäftsjahr 2006 vom 14. Dezember 2005 und dem Beschluss für
das Geschäftsjahr 2004 vom 14. November 2003). Da die zur Mitwirkung Verpflichteten offensichtlich nicht verhindert
waren, musste von der im Mitwirkungsplan des Senats geregelten Vertretungsregelung kein Gebrauch gemacht
werden. Ob die Teilnahme des Richters am FG Z vor der mündlichen Verhandlung in Frage stand, wie der Kläger
mutmaßt, kann dahinstehen. Im Übrigen ist der Vorsitzende eines Spruchkörpers entgegen der Auffassung des
Klägers nicht berechtigt, eine "Umbesetzung der Richterbank" anzuordnen oder zu verfügen. Maßgebend ist
ausschließlich der senatsinterne Mitwirkungsplan.
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b) Soweit der Kläger, was insbesondere die Ausführungen in seinem Schriftsatz vom 3. September 2007 nahelegen,
auch rügen will, das FG sei deshalb nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil die von ihm abgelehnte Vorsitzende
Richterin am FG X an der angefochtenen Entscheidung beteiligt war, kann er damit keinen Erfolg haben. Zwar kann
eine Besetzungsrüge begründet sein, wenn der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs
willkürlich ist (BFH-Beschluss vom 14. September 2005 VI B 53/05, BFH/NV 2006, 103, m.w.N.). Ein solches
Vorbringen lässt sich jedoch der Beschwerde nicht entnehmen.
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2. Soweit der Kläger vorträgt, das FG habe sich mit seinem Vorbringen im angefochtenen Urteil nicht oder nicht
genügend auseinandergesetzt, ist ein Verfahrensmangel nicht ersichtlich.
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In Betracht kommt zwar insoweit ein Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 6 FGO, d.h. ein Verstoß gegen § 105 Abs. 2
und 3 FGO. Ein solcher liegt jedoch nur dann vor, wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen und sie den
Prozessbeteiligten keine Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen
Überlegungen das Urteil beruht. Dies erfordert nicht, dass jedes Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen erörtert
werden müsste. Ein Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 6 FGO liegt erst dann vor, wenn den Beteiligten die
Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen; so etwa, wenn die
Begründung des Urteilsausspruchs überhaupt oder in Hinsicht auf einen selbständigen prozessualen Anspruch oder
ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel fehlt. Dagegen ist der Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 6 FGO
nicht gegeben, wenn die Vorentscheidung zwar lückenhaft und widersprüchlich ist, gleichwohl aber noch zu erkennen
ist, welche Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren (BFH-Beschluss vom 5. August 2004 II B 159/02, BFH/NV
2004, 1665, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 23 ff.). Davon ist hier auszugehen. Soweit der Kläger geltend
macht, das FG habe die Nichtzulassung der Revision nicht ausreichend begründet, kann dem nicht gefolgt werden.
Die entsprechende Begründung ("Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben") macht in
ausreichender Weise deutlich, dass nach Auffassung des FG die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht
vorlagen. Im Übrigen kam, wie dargestellt, die Zulassung der Revision zur Überprüfung des Beschlusses über die
Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht in Betracht.
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3. Die weiteren Verfahrensmängel, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des
Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) und Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), hat der
Kläger nicht schlüssig gerügt.
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Die vorgetragenen Rügen zählen zu den verzichtbaren Verfahrensrügen. Soweit auf die Beachtung
verfahrensrechtlicher Vorschriften wirksam verzichtet werden kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung),
gehört nach ständiger Rechtsprechung zur ordnungsmäßigen Rüge des entsprechenden Verfahrensmangels auch
der Vortrag, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz ordnungsgemäß gerügt wurde. Dieses
Vortrags bedarf es ausnahmsweise nur dann nicht, wenn sich die Rüge schon aus dem angegriffenen Urteil ergibt
(BFH-Entscheidungen vom 30. Juli 2003 I B 38/03, I S 3/03, BFH/NV 2004, 60; vom 9. September 2005 I B 40/05,
BFH/NV 2006, 101; vom 19. April 2005 VIII R 73/02, BFH/NV 2006, 66; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 100 ff.).
10 Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er in der mündlichen Verhandlung die Verletzung des rechtlichen Gehörs und
der Sachaufklärungspflicht gerügt hat. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus der Niederschrift über die mündliche
Verhandlung. Es ist zudem nicht ersichtlich, warum dem Kläger, der Jurist ist, eine solche Rüge nicht möglich
gewesen sein soll.
11 4. Im Übrigen erschöpfen sich die Einwände des Klägers --nach Art einer Revisionsbegründung-- in kritischen
Äußerungen darüber, dass und warum die vom FG vorgenommene rechtliche Beurteilung und tatsächliche Würdigung
des Streitfalles unrichtig sei. Etwaige Fehler bei der Anwendung und Auslegung des materiellen Rechts rechtfertigen
jedoch für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision.