Urteil des BFH vom 26.09.2012

Ausfuhrerstattung nach VO Nr. 1255/1999 ist kein Entgelt eines Dritten i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG - Begriff der Ausfuhr - Zweck der Ausfuhrerstattung - zusätzliches Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 26.9.2012, V R 22/11
Ausfuhrerstattung nach VO Nr. 1255/1999 ist kein Entgelt eines Dritten i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 3
UStG - Begriff der Ausfuhr - Zweck der Ausfuhrerstattung - zusätzliches Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1
Satz 2 UStG
Leitsätze
Die dem Ausführer auf seinen Antrag ausgezahlte Ausfuhrerstattung nach der VO Nr. 1255/1999 ist
kein Entgelt eines Dritten nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG.
Tatbestand
1 I. Streitig ist, ob die der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ausgezahlten
Ausfuhrerstattungen der Europäischen Union (EU) für Milchprodukte nach der Verordnung
(EG) Nr. 1255/1999 (VO Nr. 1255/1999) des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame
Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 160 S. 48) als Teil des Entgelts eines Zwischenhändlers
i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) oder als Entgelt eines
Dritten i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG die Bemessungsgrundlage erhöhen.
2 Die Klägerin stellte im Streitjahr 2000 Milchprodukte her. Sie veräußerte diese an
inländische Zwischenhändler, die die Ware durch Frachtführer unmittelbar bei der Klägerin
abholten und ins Drittland (Russland) exportierten. Nach den mit den Zwischenhändlern
geschlossenen Verträgen verstand sich das für die Milchproduktlieferungen an die Klägerin
zu zahlende Entgelt "netto/netto inclusive Exportsubventionen bzw. Ausfuhrerstattung",
sodass die Exportsubventionen Teil des Kaufpreises waren. Hierbei wurde es der Klägerin
von den Zwischenhändlern jedoch selbst überlassen, die Ausfuhrerstattung bei der EU zu
beantragen. Die Klägerin verfügte über eine Ausfuhrlizenz und war Erstattungsberechtigte
gemäß § 15 der Ausfuhrerstattungsverordnung.
3 In ihrer Umsatzsteuererklärung 2000 erklärte die Klägerin die für die Milchprodukte
berechneten Entgelte zum ermäßigten Steuersatz von 7 %. Die hierfür erhaltenen
Ausfuhrerstattungen der EU in Höhe von 213.323 DM ließ sie dabei unberücksichtigt.
4 Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt --FA--) am 10. April 2007 den Umsatzsteuerjahresbescheid 2000, in dem es u.a.
die Umsatzsteuer um 7.135,48 EUR (7/107 aus 213.323 DM = 13.955,78 DM) erhöhte.
5 Nach vergeblichem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Das
Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 87 veröffentlicht. Zur Begründung
führte es aus, es handele sich nicht um steuerfreie Ausfuhrlieferungen, da bei Versendung
durch den Abnehmer der Lieferung die Steuerbefreiung nur dann greife, wenn der Abnehmer
seinen Sitz im Ausland habe (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG), woran es fehle.
6 Die gezahlten Exportsubventionen habe das FA zu Recht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG
als Entgelt Dritter angesehen. Zum Entgelt gehöre gemäß Art. 73 der Richtlinie des Rates
vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG
(MwStSystRL) auch, was ein Dritter dem Unternehmer für seine Leistung gewähre
"einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden
Subventionen". Die Klägerin habe im unmittelbaren Zusammenhang mit den Lieferungen der
Milchprodukte an die Zwischenhändler den Anspruch auf Ausfuhrerstattung erworben.
Hierbei könne offen bleiben, ob nach der Vertragsgestaltung der Klägerin die
Exportsubventionen von den Zwischenhändlern im Wege der Abtretung als Teil des
Kaufpreises überlassen wurden oder ob die Klägerin selbst Gläubigerin der
Ausfuhrerstattungen gewesen sei. Denn im ersten Falle (Abtretung) bestehe das von den
Zwischenhändlern erhaltene Gesamtentgelt aus Kaufpreis plus Ausfuhrerstattung, während
bei Annahme einer eigenen Erstattungsberechtigung der Klägerin gegenüber der EU die
Subventionen zur Bemessungsgrundlage zählten. Denn Zweck der Ausfuhrerstattung sei es
gewesen, den Preisunterschied zwischen dem innerhalb der EU künstlich erhöhten
Richtpreis und dem Weltmarktpreis wieder auszugleichen, und es der Klägerin damit zu
ermöglichen, ihre für den Export bestimmten Produkte zu einem niedrigeren Preis an die
Zwischenhändler zu verkaufen und damit den Absatz der Produkte auf dem Weltmarkt
sicherzustellen. Im Unterschied zu den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union
(EuGH) in der Rechtssache Mohr vom 29. Februar 1996 C-215/94 (Slg. 1996, I-959) und
Landboden Agrardienste vom 18. Dezember 1997 C-384/95 (Slg. 1997, I-7387) sei es nicht
um die Aufgabe einer Milcherzeugung oder Minderung der Kartoffelernte gegangen, bei der
es keinen identifizierbaren Leistungsempfänger gebe, son-dern um Verkaufsförderung. Die
Ausfuhrerstattung verfolge den Zweck, die innerhalb der EU produzierten Milchwaren im
Dritt-land absetzen zu können; sie diene nicht nur der Förderung der Klägerin.
7 Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der auf Verletzung materiellen Rechts gestützten
Revision und führt zur Begründung aus: Bei der Ausfuhrerstattung handele es sich nicht um
Entgelt der Zwischenhändler an die Klägerin, das diese im Wege der Abtretung an die
Klägerin geleistet hätten, denn nicht die Zwischenhändler seien Inhaber der
Ausfuhrerstattungsansprüche gewesen, sondern die Klägerin. In den Formularen für die
Ausfuhranmeldungen sei die Klägerin als Anmelder benannt. Die Zahlung der EU sei
vielmehr aus allgemeinen strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder
allgemeinpolitischen Gründen erfolgt. Schließlich handele es sich auch nicht um Entgelt in
Form der Zahlung eines Dritten oder einer "unmittelbar mit dem Preis zusammenhängenden
Subvention" i.S. des Art. 73 der MwStSystRL, weil das Förderungsziel nicht die Subvention
der Preise zugunsten des Abnehmers, sondern die Subvention des leistenden
Unternehmers sei. Dementsprechend habe der EuGH bei Beihilfezahlungen für
Trockenfutter die Beihilfen nicht zur Bemessungsgrundlage gezählt, weil es sich nicht um
eine Verkaufsförderung handele (EuGH-Urteil vom 15. Juli 2004 C-463/02,
Kommission/Schweden, Slg. 2004, I-7335). Bei der Ausfuhrerstattung liege keine Zahlung
für eine bestimmte Leistung vor, weil sie nicht unmittelbar mit dem Preis des steuerpflichtigen
Umsatzes zwischen Klägerin und Zwischenhändler zusammenhänge, sondern mit der
Ausfuhr. Die Ausfuhrerstattungen würden daher entgegen der Ansicht des FG nicht im
Interesse der Zwischenhändler, sondern der inländischen Landwirte gezahlt.
8 Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2008 den
Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 10. April 2007 dahingehend zu ändern, dass die
Umsatzsteuer um 7.135,48 EUR auf -12.142.187,61 EUR vermindert wird.
9 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10 Es verteidigt die Vorentscheidung. Es handele sich um Entgelt Dritter, weil die Subventionen
der Preisauffüllung dienten. Der Sachverhalt des Urteils des EuGH Kommission/Schweden
in Slg. 2004, I-7335 (Trockenfutterbeihilfe) sei nicht vergleichbar.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung
der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
12 Die dem Ausführer aufgrund einer ihm erteilten Ausfuhrlizenz und auf seinen Antrag
ausgezahlte Ausfuhrerstattung nach der VO Nr. 1255/1999 ist entgegen der Auffassung des
FG kein Ent-gelt eines Dritten nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG. Der Senat kann nicht
abschließend entscheiden, denn den Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, ob
nach den vertraglichen Vereinbarungen die Klägerin die Erstattungszahlungen erfül-
lungshalber oder an Erfüllungs statt als Entgelt des Leis-tungsempfängers nach § 10 Abs. 1
Satz 2 UStG erhalten hat.
13 1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG gehört "zum Entgelt auch, was ein anderer als der
Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt". Diese Vorschrift setzt
Art. 11 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG; jetzt Art. 73 MwStSyStRL) um, wonach zur
Besteuerungsgrundlage alles zählt, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer
oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder
von einem Dritten erhält oder erhalten soll, "einschließlich der unmittelbar mit dem Preis
dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen". Diese Regelung zielt darauf ab, den
gesamten Wert der Gegenstände und Dienstleistungen der Mehrwertsteuer zu unterwerfen
und somit zu vermeiden, dass die Zahlung einer Subvention zu einem geringeren
Steuerbetrag führt (EuGH-Urteil Kommission/Schweden in Slg. 2004, I-7335 zur
Trockenfutterbeihilfe).
14 2. Nach dem Senatsurteil vom 9. Oktober 2003 V R 51/02 (BFHE 203, 515, BStBl II 2004,
322), mit der sich der Bundesfinanzhof (BFH) der EuGH-Rechtsprechung angeschlossen
hat, gehören Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer, der Lieferungen oder
sonstige Leistungen an Dritte erbringt, --un-abhängig von der Bezeichnung als "Zuschuss"--
dann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG zum Entgelt für diese Umsätze, wenn
- der Zuschuss dem Abnehmer des Gegenstands oder dem Dienstleistungsempfänger
zugutekommt,
- der Zuschuss gerade für die Lieferung eines bestimmten Gegenstands oder die Erbringung
einer bestimmten sonstigen Leistung gezahlt wird, und
- mit der Verpflichtung der den Zuschuss gewährenden Stelle zur Zuschusszahlung das
Recht des Zahlungsempfängers (Unternehmers) auf Auszahlung des Zuschusses
einhergeht, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt hat.
15 Nicht zum Entgelt gehören die Zahlungen des Dritten, wenn sie zur allgemeinen Förderung
des leistenden Unternehmers und nicht überwiegend im Interesse des Leistungsempfängers
für eine bestimmte Leistung bewirkt werden. An einem Leistungsaustausch kann es
insbesondere dann fehlen, wenn die Zahlung aus öffentlichen Kassen lediglich der
Förderung der Tätigkeit des Empfängers aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder
allgemeinpolitischen Gründen dient und nicht der Gegenwert für eine Leistung des
Zahlungsempfängers an den Geldgeber ist (BFH-Urteile in BFHE 203, 515, BStBl II 2004,
322, unter II.2.c, und vom 18. Dezember 2008 V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II 2009,
749). Die Abgrenzung zwischen Entgelt eines Dritten und nicht steuerbarem "echten"
Zuschuss wird somit vor allem nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel
vorgenommen (BFH-Urteile in BFHE 203, 515, BStBl II 2004, 322, unter II.2.c, und in BFHE
225, 155, BStBl II 2009, 749).
16 3. Die Ausfuhrerstattung nach der VO Nr. 1255/1999 ist kein Entgelt von dritter Seite i.S. des
§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG, weil es insoweit am unmittelbarem Zusammenhang mit einer
Lieferung oder sonstigen Leistung fehlt.
17 a) Nach Art. 31 Abs. 1 der VO Nr. 1255/1999 kann eine Ausfuhrerstattung gewährt werden
für "die Ausfuhr der in Artikel 1 ausgeführten Erzeugnisse in unverändertem Zustand oder in
Form von Waren des Anhangs II, wenn es sich um Erzeugnisse des Artikels 1
Buchstaben a), b), c), d), e) und g) handelt". Nach den Feststellungen des FG wurden im
Streitfall Erstattungen für die Ausfuhr derartiger Waren gewährt.
18 Nach Art. 46 Abs. 1 der VO Nr. 1255/1999 hebt diese Verordnung die zuvor geltende
Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABlEG Nr. L 148) vom 27. Juni 1968 in der Fassung der VO
Nr. 1587/96, vom 30. Juli 1996 (ABlEG Nr. L 206/21) auf; nach Art. 46 Abs. 2 der VO
Nr. 1255/1999 gelten Bezugnahmen auf die VO Nr. 804/68 als Bezugnahmen auf die VO
Nr. 1255/1999. Hieraus ergibt sich im Streitfall die Anwendung der VO Nr. 800/1999 vom
15. April 1999 (ABlEG Nr. L 102 S. 11) über gemeinsame Durchführungsvorschriften für
Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, denn nach Art. 1 der VO
Nr. 800/1999 gilt diese Verordnung für Ausfuhrerstattung nach Art. 17 der VO Nr. 804/68.
Gemäß der Entsprechungstabelle zur VO Nr. 1255/1999 (Anhang III zu dieser Tabelle) hat
Art. 31 der VO Nr. 1255/1999 den Art. 17 der VO Nr. 804/68 ersetzt.
19 Für den Begriff der Ausfuhr i.S. der VO Nr. 1255/1999 ergibt sich, dass nach Art. 2 Abs. 1
Buchst. g der VO Nr. 800/1999 "Ausfuhr die Erfüllung der Ausfuhrförmlichkeiten, gefolgt
durch das Verlassen des Zollgebietes der Gemeinschaft durch die Erzeugnisse" ist.
20 Ausfuhr im Sinne des Ausfuhrerstattungsrechts ist daher ein tatsächlicher Vorgang, der mit
dem Verlassen des Zollgebietes unter Beachtung der hierfür geltenden Zollförmlichkeiten
beendet ist. Dies entspricht der zollrechtlichen Definition der Ausfuhr, für die es gleichfalls
auf einen tatsächlichen Vorgang, auf das Verbringen von Waren aus dem Zollgebiet,
ankommt (Witte, Zollkodex, Art. 4 Rdnr. 2).
21 Der erstattungsrechtliche Ausfuhrbegriff knüpft somit nicht an eine der Ausfuhr
zugrundeliegende Rechtsbeziehung an, die die Voraussetzung eines steuerbaren
Leistungsaustauschs i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG (Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG)
erfüllt. Da die Zahlung der Ausfuhrerstattung somit keine Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG voraussetzt und die Zahlung nicht im umsatzsteuerrechtlichen Sinn für eine Leistung
des Unternehmers an einen Empfänger gewährt wird (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001
V R 48/00, BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c), fehlt der Zahlung der
Entgeltcharakter für eine Lieferung.
22 b) Bestätigt wird dies durch den Zweck der Ausfuhrerstattung. Diese dient nicht in erster
Linie dem Leistungsempfänger.
23 aa) Nach Art. 31 der VO Nr. 1255/1999 wird die Ausfuhrerstattung gezahlt, um die Ausfuhr
der genannten Erzeugnisse auf der Grundlage der im internationalen Handel geltenden
Preise zu ermöglichen. Innerhalb der Union werden die Preise für diese Produkte durch ein
Prämien- und Interventionssystem künstlich hoch gehalten, um der landwirtschaftlich tätigen
Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu ermöglichen, die Märkte zu stabilisieren
(Nr. 2 der Begründungserwägungen der VO Nr. 1255/1999) und "den Anteil der
Gemeinschaft am Welthandel mit Milch und Milcherzeugnissen zu wahren"
(Begründungserwägung Nr. 21 der VO Nr. 1255/1999). Der Verkauf dieser Produkte in
Drittländer, die ihren Bedarf zum günstigeren Weltmarktpreis decken können, ist aufgrund
dieser Preise nur mit Verlust möglich. Daher soll die Ausfuhrerstattung den Preisunterschied
ausgleichen, der sich aufgrund der Richtpreise (Art. 3 der VO Nr. 1255/1999) zwischen dem
Preis innerhalb der EU und demjenigen im internationalen Handel ergibt. Die
Ausfuhrerstattung kommt jedoch nicht --wie für die Berücksichtigung als zusätzliches Entgelt
erforderlich-- in erster Linie den Abnehmern von Milchprodukten in einem Drittland zugute,
sondern sie dient allgemeinen strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder
allgemeinpolitischen Marktregelungszwecken, nämlich der Stützung der inländischen
Landwirte und der Sicherung eines ausreichenden Mindestbestandes an Milchprodukten.
24 bb) Hinzukommt, dass --ebenso wie die Subvention für die Herstellung von Trockenfutter, die
Gegenstand der Entscheidung des EuGH Kommission/Schweden in Slg. 2004, I-7335
Rdnrn. 42 f.) war-- die Beihilfe trotz der gegenüber dem Weltmarkt höheren
Produktionskosten die Erzeugung in der Gemeinschaft fördern und nicht Dritte zum Kauf von
Milchprodukten veranlassen soll, deren Preis aufgrund der Beihilfe unter dem Weltmarktpreis
läge, was zur Folge hätte, dass eine auf den gezahlten Preis beschränkte
Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer nicht dem gesamten Wert des gelieferten
Gegenstands entspräche. Die Regelung soll vielmehr Abnehmern in Drittländern
ermöglichen, sich in der Gemeinschaft zu einem dem Weltmarktpreis entsprechenden
(Normal)Preis zu versorgen, zu dem sie sich außerhalb der Gemeinschaft auch dann
versorgen könnten, wenn ohne Beihilfe innerhalb der Gemeinschaft kein oder kein
ausreichendes Angebot vorhanden wäre. Die auf diesen Preis --d.h. den Preis ohne
Berücksichtigung der Beihilfe-- erhobene Mehrwertsteuer erfasst daher --ebenso wie in dem
vom EuGH Kommission/Schweden in Slg. 2004, I-7335 entschiedenen Sachverhalt-- den
gesamten Marktwert des Gegenstands.
25 Hierzu führt der EuGH in seinem Urteil Kommission/Schweden in Slg. 2004, I-7335 zur
Trockenfutterbeihilfe aus (Rdnr. 43):
"In diesem Kontext stellt sich die Beihilferegelung nicht als Verbrauchsförderung dar. Sie soll
nicht Dritte zum Kauf von Trockenfutter veranlassen, dessen Preis aufgrund der Beihilfe
unter dem Weltmarktpreis läge, was zur Folge hätte, dass eine auf den gezahlten Preis
beschränkte Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer nicht den Wert der gelieferten
Gegenstände entspräche. Die Regelung soll Dritten vielmehr ermöglichen, sich in der
Gemeinschaft zu einem dem Weltmarktpreis entsprechenden Preis zu versorgen, zu dem sie
sich zudem außerhalb der Gemeinschaft versorgen könnten, wenn ohne die Beihilfe
innerhalb der Gemeinschaft kein oder kein ausreichendes Angebot vorhanden wäre. Die auf
diesen Preis erhobene Mehrwertsteuer erfasst also den gesamten Marktwert des
Gegenstandes." Dies gilt auch für den Streitfall.
26 Entgegen der Rechtsauffassung des FA stellt somit die Ausfuhrerstattung für Milchprodukte
keine im Interesse der Abnehmer liegende Preisauffüllung dar, die dazu bestimmt ist, das
Entgelt auf den Normalpreis (Weltmarktpreis) aufzufüllen, sondern --im Gegenteil-- sie dient
dazu, eine künstliche Verteuerung abzubauen.
27 4. Der Senat kann jedoch nicht selbst entscheiden, da das FG keine ausreichenden
Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Ausfuhrerstattung aufgrund der Vereinbarungen mit
den Zwischenhändlern Entgelt i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG waren.
28 Hierzu sind die Feststellungen des FG widersprüchlich. Während das FG zunächst (auf
Seite 3 seines Urteils) ausführt, dass die Ausfuhrerstattungen "Teil des Kaufpreises waren",
lässt es in den Gründen (Seite 5 des Urteils) ausdrücklich offen, "ob die mit den
Zwischenhändlern vereinbarte Preisklausel eine Abtretung etwaiger Ansprüche auf
Ausfuhrerstattungen der Zwischenhändler an die Klägerin darstellen". Hierzu sind daher
weiter gehende Feststellungen zu treffen. Hierbei wird das FG von Folgendem auszugehen
haben:
29 a) Liegt --wie im Streitfall zwischen der Klägerin und den Zwischenhändlern-- eine
entgeltliche Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor, ist für deren Besteuerung
unerheblich, ob der Leistungsempfänger die Entgeltsverpflichtung in eigener Person erfüllt
oder ob ein anderer vereinbarungsgemäß den vom Leistungsempfänger für die Leistung
geschuldeten Betrag bezahlt (z.B. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001 V R 75/98, BFH/NV
2002, 547, unter II.3.d). Ohne Bedeutung für die Umsatzsteuer ist deshalb, ob der
Leistungsempfänger seine Entgeltforderung vereinbarungsgemäß durch Abtretung einer
Forderung erfüllt, die er, der Leistungsempfänger, selbst gegenüber einem Dritten besitzt
(vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Mai 1993 C-18/92, Bally, Slg. 1993, I-2871 Rdnr. 17) und
diesen insoweit in die Erfüllung seiner Entgeltsverpflichtung einschaltet. Dass der Zahlende
zugleich eine eigene Verpflichtung gegenüber dem Leistungsempfänger und/oder dem
leistenden Unternehmer erfüllt, steht der Beurteilung der Zahlung als Entgelt in einem
anderen Rechtsverhältnis nicht entgegen (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 547, unter II.3.d; vgl.
z.B. EuGH-Urteil vom 15. Mai 2001 C-34/99, Primback Ltd., Slg. 2001, I-3833 Rdnr. 43,
m.w.N.). Ist daher der Ausfuhrerstattungsanspruch als Teil des Entgelts für die Lieferungen
an den Zwischenhändler vereinbart worden, ist die Zahlung Teil der Bemessungsgrundlage
für die Lieferungen. Für einen Entgeltcharakter der Ausfuhrerstattung im Verhältnis zum
Zwischenhändler würde sprechen, dass im Falle einer Leistungsstörung der
Zwischenhändler zur Nachzahlung einer ausgebliebenen Ausfuhrerstattung verpflichtet
wäre, wenn z.B. die Erstattung aus Gründen, die die Klägerin nicht zu vertreten hätte, ganz
oder teilweise ausbleiben sollte.
30 b) Zu keinem zusätzlichen Entgelt in Form der Abtretung geldwerter Ansprüche oder Vorteile
führt es, wenn die Zwischenhändler lediglich die Mithilfe und Unterstützung bei der
Verfolgung eigener Rechtsansprüche der Klägerin an der Durchsetzung von
Ausfuhrerstattungsansprüchen vereinbart hätten, z.B. durch die Übergabe von
Ausfuhrdokumenten oder weiterer Nach-weisunterlagen. Denn nicht die Erfüllung jedweder
Nebenpflich-ten aus einem Vertrag (wie z.B. die Rechnungslegung) stellt bereits ein
zusätzliches Entgelt i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG dar.
31 c) Das FG wird dabei berücksichtigen, dass gemäß Art. 31 Abs. 6 der VO Nr. 1255/1999
sowie der im Streitjahr geltenden Durchführungsbestimmungen (VO Nr. 800/1999 vom
15. April 1999) der "Ausführer" erstattungsberechtigt nach Art. 2 Buchst. i ist. Nach dem
EuGH-Urteil vom 12. Juli 2012 in den verbundenen Rechtssachen C-608/10 Südzucker AG,
C-10/11 WEGO Landwirtschaftliche Schlachtstellen GmbH und C-23/11 Fleischkontor
Moksel GmbH (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 1000) hat der Inhaber einer
Ausfuhrlizenz grundsätzlich dann Anspruch auf Ausfuhrerstattung, wenn er in Feld 2 der bei
der zuständigen Zollstelle abgegebenen Ausfuhranmeldung als Ausführer eingetragen ist
(Rdnr. 44).
32 5. Eine Vorlage an den EuGH zur Klärung der Frage, "ob die im vorliegenden Fall der
Klägerin gewährten Ausfuhrerstattungen Entgelt von dritter Seite sind", ist nicht erforderlich,
da die Grundsätze geklärt sind und es nach der Rechtsprechung des EuGH Sache der
nationalen Gerichte ist, "anhand der ihm unterbreiteten Tatsachen festzustellen, ob die
Subvention eine solche Gegenleistung darstellt" (z.B. EuGH-Urteil vom 22. November 2001
C-184/00, Office des produits wallons, Slg. 2001, I-9115 Rdnr. 18).