Urteil des BFH vom 28.02.2007

BFH (kläger, berechtigte person, zpo, zulassung, antrag, prüfung, aussicht, beschwerdeführer, eröffnung, beschwerde)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 15.2.2008, X S 27/07 (PKH)
Unterbrechung des finanzgerichtlichen Verfahrens im Rahmen eines Insolvenzeröffnungsverfahrens
Tatbestand
1 I. Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger), ein in der Immobilienbranche tätiger Geschäftsmann, erhielt
für den Nachweis eines Kaufinteressenten eine Vermittlungsprovision in Höhe von 500 000 DM zuzüglich
Umsatzsteuer. Die Hälfte dieses Betrages machte er in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 als
Betriebsausgabe mit der Begründung geltend, er habe die Summe an die Fa. B, die bei der Vermittlung des
Grundstücksgeschäfts für den Verkäufer tätig geworden sei, weitergeleitet.
2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte die behauptete Zahlung nicht als
Betriebsausgabe an. Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage
abgewiesen. Die betriebliche Veranlassung der Zahlung stehe nicht zur Überzeugung des Senats fest. Das Gericht
habe nicht feststellen können, dass die Fa. B an dem vom Kläger vermittelten Grundstücksgeschäft beteiligt gewesen
sei. Eine schriftliche Vereinbarung über die gemeinsame Vermittlung des Grundstücksgeschäfts sei nach dem Vortrag
des Klägers nicht getroffen worden. Gegen die vorgelegte Provisionsrechnung und Quittung der Fa. B habe das FA
Einwendungen erhoben, die erhebliche Zweifel an der Beweiskraft der Urkunden begründeten. Die Rechnung sei auf
einem abgeänderten Kopfbogen der Fa. B erstellt und nicht unterschrieben worden. Die Quittung trage eine
Unterschrift, die mit dem Namen des neuen Geschäftsführers der Fa. B ersichtlich nicht übereinstimme. Beide Urkunden
seien in S ausgestellt worden, obwohl die Verlegung des Sitzes der Fa. B nach S offenbar nicht vollzogen worden sei.
Zudem habe die Fa. B die Umsatzsteuer nicht an das FA abgeführt. Entscheidend gegen eine Tätigkeit der Fa. B
spreche, dass der vom Kläger benannte Zeuge G den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht nur nicht bestätigt,
sondern völlig anders dargestellt habe. Nach dessen Einlassung sei die Fa. B nicht vom Grundstücksveräußerer mit der
provisionsauslösenden Vermittlung betraut worden. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
3 Nach Erhebung der Klage hat das Amtsgericht (AG) X am 11. Oktober 2006 in dem Insolvenzeröffnungsverfahren des
Klägers Maßnahmen zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 3, 88 der Insolvenzordnung
(InsO) angeordnet. Mit Beschluss vom 28. Februar 2007 und damit vor Erlass des FG-Urteils hat das AG in dem
Insolvenzeröffnungsverfahren festgestellt, dass der Schuldenbereinigungsplan als angenommen gilt, weil die
Gläubiger mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt haben und das Gericht durch rechtskräftigen Beschluss vom
22. Januar 2007 die Einwendungen ablehnender Gläubiger durch eine Zustimmung ersetzt hat (§§ 308 Abs. 1 Satz 1,
309 InsO). Der Schuldenbereinigungsplan hat die Wirkung eines Vergleichs i.S. des § 794 Abs. 1 Nr. 1 der
Zivilprozessordnung --ZPO-- (vgl. § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen des Klägers und auf Erteilung einer Restschuldbefreiung gelten als zurückgenommen (§ 308 Abs. 2
InsO).
4 Gegen das dem Kläger am 18. Juni 2007 zugestellte FG-Urteil wendet sich dieser fristgemäß mit der
Nichtzulassungsbeschwerde und beantragt die Zulassung der Revision. Er trägt vor, das FG habe übersehen, dass das
AG über das Vermögens des Klägers das Insolvenzeröffnungsverfahren eröffnet und erste Sicherungsmaßnahmen
zugunsten der Insolvenzmasse getroffen habe. Gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 240 ZPO sei
das FG-Verfahren unterbrochen worden, weil die vom FA mit dem Einkommensteuerbescheid 1993 geltend gemachten
Steuerforderungen Gegenstand der Insolvenzanmeldung gewesen seien. Im Ergebnis hätte das FG nach Abschluss
des Insolvenzverfahrens die Erledigung des Rechtsstreits feststellen müssen. Zudem habe das FG entgegen seiner
sich aus § 76 Abs. 1 FGO ergebenden Feststellungspflicht den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig
aufgeklärt. Zeitgleich beantragt der Kläger Prozesskostenhilfe (PKH).
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag auf Gewährung von PKH ist unbegründet und deshalb abzulehnen.
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1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH,
wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem
beim Prozessgericht zu stellenden Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO).
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Ist, wie im Streitfall, das Ziel der Rechtsverfolgung die Zulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil und
hat der Beteiligte bereits durch eine vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Vertretung berechtigte Person als
Bevollmächtigten fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese auch fristgerecht begründet, erstreckt
sich die gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten durch den BFH darauf, ob in der
Beschwerde(begründungs-)schrift ein Grund für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO
ordnungsgemäß dargelegt worden ist (BFH-Beschluss vom 1. April 2003 VII S 25/02 (PKH), BFH/NV 2003, 1077).
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2. Nach diesen Maßstäben kann dem Kläger PKH nicht bewilligt werden, weil die mit der Nichtzulassungsbeschwerde
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
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Der Kläger hat die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe bei summarischer Prüfung nicht in der nach § 116
Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt. Die gerügte Verfahrensunterbrechung ist nicht eingetreten.
10 a) Die Rüge des Klägers, das FG habe die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt, rechtfertigt die
Zulassung der Revision nicht.
11 Rügt der Beschwerdeführer die Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG mit der Begründung, das FG habe
Zeugen nicht vernommen, obwohl er selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, so muss er u.a.
darlegen, weshalb sich die Zeugenvernehmung dem FG auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen und dass der
Mangel der unterlassenen Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt worden sei (ständige
Rechtsprechung des BFH, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70, m.w.N.). Ein solches
Vorbringen hat der im Klageverfahren rechtskundig vertretene Kläger unterlassen.
12 Die Beschwerdebegründung erschöpft sich im Kern in der Kritik, dass das FG den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt
habe. Damit kann jedoch ein Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründet werden; denn die Grundsätze der
Tatsachen- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der
Prüfung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen (vgl. hierzu die Nachweise der höchstrichterlichen
Rechtsprechung bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 82).
13 b) Der Einwand des Klägers, das FG-Verfahren sei gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO wegen des
Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unterbrochen gewesen und ein Urteil hätte nicht ergehen dürfen, geht fehl.
Tatsächlich hat das AG Maßnahmen zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse im Rahmen des
Insolvenzeröffnungsverfahrens nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 3, 88 InsO angeordnet. Mangels eines allgemeinen
Verfügungsverbots (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 1, 2 InsO) hat das Insolvenzeröffnungsverfahren das
finanzgerichtliche Verfahren im vorliegenden Streitfall nicht unterbrochen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 31. Mai 2005
VIII B 294/03, BFH/NV 2005, 1832). Das Insolvenzverfahren selbst ist niemals eröffnet worden. Vielmehr gelten nach
dem im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens ergangenen Beschluss des AG die Anträge auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers und auf Erteilung der Restschuldbefreiung als
zurückgenommen (§ 308 Abs. 2 InsO).
14 3. Insgesamt ist somit bei der gebotenen summarischen Prüfung kein Grund für eine Zulassung der Revision
erkennbar, so dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Entscheidung über die
eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde stellt der Senat bis vier Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses
zurück, um dem Kläger die Möglichkeit einzuräumen zu prüfen, ob er ggf. seine Beschwerde zur Vermeidung höherer
Gerichtskosten zurücknehmen möchte.
15 4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.