Urteil des BFH vom 29.08.2012

Voraussetzungen für eine nicht umsatzsteuerbare Veräußerung eines Teilvermögens - Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG setzt keine Beendigung der unternehmerischen Betätigung des Veräußerers voraus

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 29.8.2012, XI R 10/12
Voraussetzungen für eine nicht umsatzsteuerbare Veräußerung eines Teilvermögens -
Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG setzt keine Beendigung der
unternehmerischen Betätigung des Veräußerers voraus
Leitsätze
Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG setzt keine Beendigung der
unternehmerischen Betätigung des Veräußerers voraus.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der W-GmbH, die im
Streitjahr 2000 die Errichtung und Erhaltung sowie die Führung von Kliniken, ...
insbesondere zur Behandlung von Gefäßerkrankungen sowie zur Durchführung von
Laseroperationen, zum Gegenstand hatte. Gesellschafter (jeweils zur Hälfte) und
Geschäftsführer der W-GmbH waren die Ärzte Y und Z. Die W-GmbH hat ihren
Geschäftsbetrieb in gemieteten Räumen auf dem Grundstück U-Straße ... in X ausgeübt.
Mieter waren die W-GmbH, Y und Z.
2
Mit einem am 28. Februar 2000 notariell beurkundeten Vertrag veräußerten
- die W-GmbH zum Buchwert an Z "ihren gesamten Bestand an technischen Anlagen und
Maschinen, anderen Anlagen und Betriebs- und Geschäftsausstattung, wie diese aus der
(...) Anlage hervorgehen" und
- Z an Y zu einem Kaufpreis von 1 DM seine Geschäftsanteile an der W-GmbH.
Außerdem vereinbarten die W-GmbH und Y einerseits und Z andererseits, dass "sämtliche
Rechte und Pflichten aus ... (dem vorstehend erwähnten) Mietverhältnis ... auf ... (Z)
übergehen und von diesem im Innenverhältnis übernommen werden". Die Vertragsparteien
waren sich ferner "einig, dass die Konzession zum Betrieb der ... Klinik (§ 30 GewO) auf den
Käufer übergeht". Zudem trat Z in die Rechte und Pflichten aus den mit der W-GmbH
bestehenden Arbeitsverhältnissen und weiteren Dauerschuldverhältnissen ein.
3 Nicht mitveräußert wurden ein Farbstofflaser und ein "EpiLight gepulstes Lichtsystem".
4 Z betrieb unter der bisherigen Anschrift mit den erworbenen Wirtschaftsgütern und dem von
der W-GmbH übernommenen Personal eine Klinik für Venenmedizin in der Rechtsform
eines Einzelunternehmens. Die W-GmbH führte ihr Unternehmen an anderer Stelle in X fort.
5 Im Rahmen einer Außenprüfung bei der W-GmbH kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die
Veräußerung des Anlagevermögens im Streitfall nicht als eine Geschäftsveräußerung i.S.
von § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzusehen sei. Die
Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sei daher um ... DM zu erhöhen. Die W-GmbH
habe ihr Unternehmen in X fortgeführt, wenn auch unter anderer Anschrift. Auch seien nach
der am 28. Februar 2000 notariell beurkundeten Veräußerung die aufgeführten Gegenstände
und auch ein "Epilight Upgrade" im Anlagevermögen der W-GmbH verblieben. Der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem Bericht mit seinem
Umsatzsteuerbescheid für 2000 vom 24. Februar 2006. Der Einspruch blieb erfolglos.
6 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus,
die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sei eine
Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG, denn Z habe mit Wirtschaftsgütern und
Rechtsverhältnissen, die er aufgrund des am 28. Februar 2000 notariell beurkundeten
Vertrags erworben habe bzw. in die er aufgrund dieses Vertrags eingetreten sei, sowohl
Vermögensgegenstände übernommen, die ein hinreichendes Ganzes bildeten, die ihm die
Fortsetzung einer bisher durch die Klägerin ausgeübten Tätigkeit ermöglichten, als auch
diese Tätigkeit anschließend ausgeübt.
7 Kein anderes Ergebnis folge daraus, dass die W-GmbH ihr Unternehmen auch nach dem
28. Februar 2000 in ihrem bisherigen Umfang, also auch die Tätigkeit auf dem Gebiet der
Venenmedizin, fortgeführt habe. Jedenfalls habe Z von der W-GmbH Wirtschaftsgüter und
Rechtsverhältnisse in einem Umfang übernommen, der es ihm, was unter den Beteiligten
auch unstreitig sei, ermöglicht habe, das bisherige Unternehmen auf dem Gebiet der
Venenmedizin fortzuführen.
8 Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1192.
9 Das FA stützt seine Revision auf die Verletzung von § 1 Abs. 1a UStG. Das FG habe
rechtsfehlerhaft der Tatsache der durchgängigen Unternehmensfortführung durch den
Veräußerer keine Bedeutung beigemessen. Eine Fortführung komme schon logisch nicht in
Betracht, wenn das Unternehmen bei dem Veräußerer verbleibe. Im Rahmen der
erforderlichen Gesamtwürdigung, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gegeben sei,
könne dies nicht ohne Auswirkung sein. Zwar habe der Erwerber mit den erworbenen
Gegenständen eine wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen und ein Unternehmen führen
können, er habe aber nicht das ganze Unternehmen des Veräußerers erworben. Das
Unternehmen des Veräußerers existiere auch nach der Übertragung der Wirtschaftsgüter
unter seinem bisherigen Namen, mit seinem bisherigen Patientenstamm und Firmenwert fort.
10 Die in § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG und in Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des
Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) geregelte Rechtsfolge einer
Geschäftsveräußerung im Ganzen, dass der Erwerber an die Stelle des Veräußerers trete
bzw. dessen Rechtsnachfolger werde, habe somit nicht eintreten können.
11 Da es nach Auffassung des FG im Rahmen des § 1 Abs. 1a UStG nur auf die Verhältnisse
beim Erwerber ankommen solle, könne bereits der Verkauf einzelner Wirtschaftsgüter eine
Geschäftsveräußerung im Ganzen sein. Das aber widerspreche dem Sinn und Zweck der
gesetzlichen Regelung. Die Entscheidung des FG führe in der Praxis dazu, dass in jedem
Fall des Verkaufs von Anlagevermögen zu ermitteln sei, wie der Käufer mit dem Erwerb
verfahre. Es könne zu erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten kommen.
"Aus einem Betrieb heraus" könnten zwei oder mehr Geschäftsveräußerungen erfolgen, was
gegen § 1 Abs. 1a UStG verstoßen würde. Schließlich wäre die gesetzliche Unterscheidung
in § 1 Abs. 1a UStG zwischen dem Unternehmen als solchem und einem in seiner
Gliederung gesondert geführten Betrieb gegenstandslos.
12 Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13 Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
14 Die Klägerin teilt die Ansicht des FG. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe wiederholt
entschieden, dass die Nichtübertragung betriebswesentlicher Wirtschaftsgüter der Annahme
einer Geschäftsveräußerung nicht entgegenstehe, wenn der Erwerber unabhängig davon
eine fortführungsfähige Sachgesamtheit erwerbe und ein hinreichend ähnliches
Unternehmen mittels des erworbenen Substrats auch tatsächlich fortführe. Im Streitfall sei
der Erwerber auf dem Gebiet der Lasermedizin nicht tätig gewesen. Daher sei es für ihn
wirtschaftlich sinnlos gewesen, Einzelwirtschaftsgüter zu erwerben, die er nicht benötige.
Eine Geschäftsveräußerung könne nicht davon abhängen, dass der Erwerber
Wirtschaftsgüter übernehme, die für ihn wirtschaftlich sinnlos seien.
15 Die Ansicht des FA, dass der Veräußerer seine unternehmerische Betätigung beenden
müsse, finde nirgendwo eine Stütze und widerspreche dem Wortlaut und der Intention der
Richtlinie 77/388/EWG. Ferner genüge für eine Geschäftsveräußerung die Veräußerung
eines fortführungsfähigen Unternehmensteils. Die veräußerten Vermögensgegenstände
umfassten sämtliche Wirtschaftsgüter, die für die Fortführung des Unternehmensbereichs
"Venenmedizin" erforderlich gewesen seien.
Entscheidungsgründe
16 II. Die Revision des FA ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend die Voraussetzungen einer
Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG angenommen.
17 1. Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer
Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der
Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der
Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder
unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2
UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3
UStG).
18 a) § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie
77/388/EWG in nationales Recht und ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform
auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Januar 2005 V R 53/02, BFHE 208, 491, BStBl II
2007, 730).
19 Nach Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 19 der Richtlinie 2006/112/EG
des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --
MwStSystRL--) können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder
Teilvermögens, die entgeltlich erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung vorliegt, und den
Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.
20 Die Bestimmung bezweckt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union (EuGH), die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern
und zu vereinfachen (EuGH-Urteile vom 27. November 2003 C-497/01 --Zita Modes--, Slg.
2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 39; vom 10. November 2011 C-444/10 --
Schriever--, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 937, Deutsches Steuerrecht --DStR--
2011, 2196, Rz 23), und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben
und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und
immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem
eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (EuGH-Urteile in Slg.
2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 40; in UR 2011, 937, DStR 2011, 2196,
Rz 25; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 XI R 27/08, BFHE 235, 571, BFH/NV 2012, 677).
21 Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder
Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der
übernommenen Geschäftstätigkeit (EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage
2004, 128, Rz 44; BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009,
863; in BFHE 235, 571, BFH/NV 2012, 677).
22 b) Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist es für die Geschäftsveräußerung entscheidend, ob
das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer
wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht (BFH-Urteil in BFHE 235, 571, BFH/NV 2012, 677), und
ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich
hinreichend ähneln. Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die
Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist nicht
erforderlich (BFH-Urteile vom 1. August 2002 V R 17/01, BFHE 200, 97, BStBl II 2004, 626;
vom 28. November 2002 V R 3/01, BFHE 200, 160, BStBl II 2004, 665, und vom 23. August
2007 V R 14/05, BFHE 219, 229, BStBl II 2008, 165; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 235, 571,
BFH/NV 2012, 677). Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit
steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in
seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert (BFH-Urteile in BFHE 219, 229, BStBl II 2008,
165; in BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863).
23 2. Das FG hat nach diesen Grundsätzen zu Recht die Anwendung von § 1 Abs. 1a UStG
bejaht.
24 Bei der im Streitfall erfolgten Übertragung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens
einschließlich des Übergangs der Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis und weiteren
Dauerschuldverhältnissen, dem gewollten Übergang der Konzession zum Betrieb einer
Klinik und der im Zeitpunkt der Übertragung bestehenden Arbeitsverhältnisse handelt es
sich um Teilvermögen i.S. des Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG und in
richtlinienkonformer Auslegung um einen in der Gliederung eines Unternehmens gesondert
geführten Betrieb i.S. des § 1 Abs. 1a UStG.
25 a) Der Begriff des Teilvermögens bezieht sich nicht auf einen oder mehrere lose
Bestandteile eines Unternehmens, sondern auf eine Kombination von ihnen, die zur
Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines
größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde (Schlussanträge des
Generalanwalts Jacobs vom 26. September 2002 --Zita Modes--, Slg. 2003, I-14393, Rz 36).
Der EuGH stellt dementsprechend in Anbetracht des Zwecks, die Übertragung von
Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vermeiden, dass die Mittel des Begünstigten
übermäßig steuerlich belastet werden, für die Übertragung eines Unternehmensteils darauf
ab, dass die Bestandteile erfasst werden, mit denen eine selbständige wirtschaftliche
Tätigkeit fortgeführt werden kann (EuGH-Urteile in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage
2004, 128, Rz 39 f.; in UR 2011, 937, DStR 2011, 2196, Rz 25). Dies ist hier der Fall.
26 b) Die für die Bejahung einer Teilvermögensveräußerung erforderliche Sachgesamtheit
ergibt sich im Streitfall aus der einheitlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des
Anlagevermögens, der Nachfolge in das bestehende Mietverhältnis für die Geschäftsräume
U-Straße ... in X sowie in weitere Dauerschuldverhältnisse, dem vereinbarten Übergang der
Konzession zum Betrieb einer Klinik und des Übergangs der im Zeitpunkt der Übertragung
bestehenden Arbeitsverhältnisse auf Z. Er führte die Klinik auf dem Gebiet der
Venenmedizin in den Geschäftsräumen fort. Die übernommenen Vermögensgegenstände
umfassten alle Bestandteile, mit denen Z den Unternehmensteil "Venenmedizin" der W-
GmbH fortführen konnte. Es ist daher unerheblich, dass Z für seine Tätigkeit unwesentliche
Wirtschaftsgüter nicht übernommen hat (vgl. BFH-Urteile in BFHE 200, 97, BStBl II 2004,
626; in BFHE 219, 229, BStBl II 2008, 165; ebenso Abschn. 1.5. Abs. 3 Satz 1 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Die vor und nach der Übertragung ausgeübten
Tätigkeiten des Z im Unternehmensteil "Venenmedizin" stimmten überein.
27 aa) Aus den Urteilen des EuGH in den Rechtssachen --Abbey National-- (Urteil vom
22. Februar 2001 C-408/98, Slg. 2001, I-1361, BFH/NV Beilage 2001, 48), --Zita Modes--
(Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 32 bis 40) und --Schriever-- (UR 2011,
937, DStR 2011, 2196, Rz 22 bis 25) sowie dem geschilderten Vereinfachungszweck des
Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG folgt, dass die im Rahmen der
Geschäftsveräußerung im Ganzen erforderliche Möglichkeit der Fortführung aus der Sicht
des Erwerbers zu bestimmen ist.
28 Auch ohne Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit durch die veräußernde W-GmbH
konnte Z den Klinikbetrieb fortführen. Dies schließt es im Streitfall aus, eine
Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG von der Beendigung der
unternehmerischen Betätigung bei dem Veräußerer abhängig zu machen (im Erg. ebenso
Büchter-Hole, EFG 2012, 1194; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch,
§ 34 Rz 111).
29 bb) Aufgrund der unionsrechtlich (Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 19
MwStSystRL) vorzunehmenden Abgrenzung der begünstigten Teilvermögensveräußerung
in § 1 Abs. 1a UStG kommt die Heranziehung ertragsteuerrechtlicher Definitionen zum
Vorliegen der Veräußerung eines Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes nicht in Betracht (gl.A. Wäger, UR 2004, 26; Meyer in
Offerhaus/Söhn/ Lange, § 1 UStG Rz 378). Deshalb ist es umsatzsteuerrechtlich
unerheblich, dass ertragsteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung nur angenommen wird,
wenn der veräußernde Gewerbetreibende die bisher in diesem Teilbetrieb entfaltete
Tätigkeit endgültig einstellt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 20. Januar 2005 IV R 14/03, BFHE
209, 95, BStBl II 2005, 395; vom 4. Juli 2007 X R 49/06, BFHE 218, 316, BStBl II 2007, 772;
BFH-Beschluss vom 24. September 2008 X B 192/07, BFH/NV 2009, 43).
30 c) Auch mit seinen weiteren Einwendungen dringt das FA im Streitfall nicht durch.
31 aa) Da eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG vorliegt, trat der erwerbende Z
gemäß § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG an die Stelle der veräußernden W-GmbH, soweit die
Teilvermögensveräußerung reichte. Die, z.B. für eine etwaige Fortführung von
Vorsteuerberichtigungsverpflichtungen der Veräußerin relevanten, von der Übertragung
erfassten Wirtschaftsgüter ergeben sich aus der der notariellen Urkunde beigefügten Anlage.
32 bb) Soweit das FA vorträgt, dass unter Zugrundelegung der Vorentscheidung bereits der
Verkauf einzelner Wirtschaftsgüter eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG
sein könne, folgt der Senat dem nicht. Wie dargelegt, liegt im Streitfall eine für eine
begünstigte Teilvermögensveräußerung erforderliche Sachgesamtheit vor. Dies ist nicht mit
der bloßen Übertragung einzelner Gegenstände, mit denen keine unternehmerische
Tätigkeit ausgeführt wird, vergleichbar oder gleichzusetzen.
33 cc) Entgegen den Bedenken des FA können --sofern die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a
UStG erfüllt sind-- aus einem Unternehmen auch mehrere Teilvermögen jeweils nicht
steuerbar auf mehrere Erwerber übertragen werden.
34 Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Urteil des Hessischen
FG vom 29. Dezember 2011 1 K 3828/05 (juris). Denn dessen Sachverhalt ist nicht mit dem
des Streitfalls vergleichbar. Dort hat die Erwerberin von der Veräußerin nur den
Warenbestand erworben. Die Erwerberin hat diesen Warenbestand auch nicht in der Absicht
erworben, den Geschäftsbetrieb selbst weiter fortzuführen. Überdies wurde sie nicht in die
Lage versetzt, den Geschäftsbetrieb fortzuführen (vgl. unter I.2.d und e des Urteils).