Urteil des BFH vom 13.03.2017

Zur Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung und der Festlegung des Prüfungsortes in den Amtsräumen bei einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 26.7.2007, VI R 68/04
Zur Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung und der Festlegung des Prüfungsortes in den Amtsräumen bei einer
Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO
Leitsätze
1. Das für eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO erforderliche Aufklärungsbedürfnis liegt jedenfalls dann vor, wenn
dem Steuerpflichtigen im Prüfungszeitraum aufgrund außerordentlich hoher Einkünfte ("Einkunftsmillionär") erhebliche
Beträge zu Anlagezwecken zur Verfügung standen und der Steuerpflichtige nur Kapitaleinkünfte in geringer Höhe erklärt
sowie keine substantiierten und nachprüfbaren Angaben zur Verwendung der verfügbaren Geldmittel gemacht hat .
2. Die Entscheidung des FA über die Zweckmäßigkeit einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO ist
ermessensfehlerfrei, wenn eine Vielzahl von Belegen zu überprüfen und insoweit mit zahlreichen Rückfragen zu rechnen ist .
3. Die Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO kann auch in den Räumen des FA durchgeführt werden. Sie ist insoweit von
einer Prüfung an Amtsstelle durch Maßnahmen der Einzelermittlung i.S. der §§ 88 ff. AO zu unterscheiden .
4. Die Entscheidung des FA, die Außenprüfung in den eigenen Amtsräumen durchzuführen, ist ermessensfehlerfrei, wenn der
Steuerpflichtige weder über Geschäftsräume noch über einen inländischen Wohnsitz verfügt. Eine Wohnung des
Steuerpflichtigen im Ausland kann das FA bei der Festlegung des Prüfungsortes unberücksichtigt lassen .
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnte in den Jahren 1998 bis 2000 im Inland und erzielte dort als
angestellter Geschäftsführer einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 1 318 129 DM (1998), 877 286 (1999) und 1 804 422
DM (2000).
2 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ordnete am 5. September 2001 bei dem inzwischen in die
USA verzogenen Kläger eine Außenprüfung für die Einkommensteuer 1998 bis 2000 (Prüfungszeitraum) an, die
mangels inländischen Wohnsitzes des Klägers in den Amtsräumen des FA stattfinden sollte. Die auf § 193 Abs. 2 Nr. 2
der Abgabenordnung (AO) gestützte Prüfungsanordnung begründete das FA damit, dass der Kläger aufgrund der in
1998 erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als sogenannter "Einkunftsmillionär" einzustufen sei.
3 Der gegen die Prüfungsanordnung gerichtete Einspruch des Klägers blieb erfolglos. In der am 2. April 2002
abgesandten Einspruchsentscheidung führte das FA aus, dass angesichts der außerordentlich hohen Mittel, die dem
Kläger zur freien Verfügung gestanden hätten, und der im Vergleich hierzu relativ geringen Kapitaleinkünfte
Ermittlungen über die Mittelverwendung erforderlich seien. In diesem Zusammenhang sei auch die Ende 2000 erfolgte
Einlage in die B-GbR zu überprüfen. Eine Außenprüfung sei im Streitfall zweckmäßig, weil eine Vielzahl von Unterlagen
zu überprüfen und insoweit mit wiederholten Rückfragen zu rechnen sei. Auf den Einspruch des Klägers gegen die
Festlegung des Prüfungsortes stellte das FA die abschließende Entscheidung über den Prüfungsort bis zum
Prüfungsbeginn zurück.
4 Die gegen die Prüfungsanordnung und die Festlegung des Prüfungsortes erhobene Klage blieb aus den in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 922 veröffentlichten Gründen ohne Erfolg. Zur Begründung führte das
Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, dass die Klage gegen die Festlegung des Prüfungsortes unzulässig sei. Das
FA habe über den hiergegen eingelegten Einspruch aus zureichenden Gründen noch nicht entschieden. Die
Prüfungsanordnung des FA sei rechtmäßig. Die Aufklärungsbedürftigkeit der steuerlichen Verhältnisse des Klägers
ergebe sich aus dessen außerordentlich hohen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Prüfungszeitraum. Dem
Kläger seien auch bei Zugrundelegung eines hohen Lebensstandards und nach Abzug von Steuern und
Sonderausgaben erfahrungsgemäß noch erhebliche Beträge zu Anlagenzwecken verblieben. Für das FA habe ein
hinreichender Anlass zur Prüfung weiterer einkommensteuerlich relevanter Geldanlagen des Klägers im
Prüfungszeitraum bestanden. Das FA habe auch ohne Ermessensfehler entschieden, dass eine Prüfung an Amtsstelle
nicht zweckmäßig sei. Es habe hierzu nachvollziehbar dargelegt, dass die Prüfung der mit der Prüfungsanordnung
angeforderten Bankbelege und des geltend gemachten Verlustes aus der B-GbR zur Aufklärung der steuerlichen
Verhältnisse des Klägers erfahrungsgemäß einen erheblichen Zeitaufwand erfordern werde.
5 Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
6 Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie die Prüfungsanordnung für Einkommensteuer 1998 bis 2000 und die
Festlegung des Prüfungsortes des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
7 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
8
II. Die Revision ist unbegründet. Soweit das FG die Klage gegen die Festlegung des Prüfungsortes als unzulässig
abgewiesen hat, ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden formellen Rechts; die
Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Die Revision ist daher insoweit gemäß § 126 Abs. 4
der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage nicht unzulässig, sondern
unbegründet ist. Im Übrigen ist die Revision nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
9
1. Die vorgebrachte Verfahrensrüge greift nicht durch.
10 Das rechtliche Gehör ist auch dann verletzt, wenn die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, weil
das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im
Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen ist und mit dem auch ein
gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer
Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 16, Stichwort
"Überraschungsentscheidung", m.w.N.). Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, die für seine Entscheidung
maßgebenden Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern oder im Voraus anzudeuten (Beschluss des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Dezember 2005 IX B 131/05, BFH/NV 2006, 904; Urteile vom 23. Februar 2000 VIII
R 80/98, BFH/NV 2000, 978; vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539, m.w.N.).
11 Das FG hat keine Überraschungsentscheidung getroffen. Die vom FG zur Begründung des Aufklärungsbedürfnisses
herangezogene unklare Mittelverwendung durch den Kläger hat das FA bereits mit Schriftsatz vom 31. Mai 2002
vorgetragen, in dem es die Angaben des Klägers zur Mittelverwendung als unsubstantiiert eingestuft hat.
12 2. Das FG hat die Prüfungsanordnung des FA zu Recht als rechtmäßig angesehen.
13 a) Das FA hat die Prüfungsanordnung zutreffend auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO gestützt. Nach dieser Vorschrift ist eine
Außenprüfung zulässig, wenn die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine
Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist.
14 b) Ob für das FA ein Aufklärungsbedürfnis hinsichtlich der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen besteht,
kann vom Gericht überprüft werden. Das Aufklärungsbedürfnis ist gegeben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
der Steuerpflichtige seine Erklärung unvollständig oder mit unrichtigem Inhalt abgegeben hat (BFH-Urteil vom 7.
November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435; Eckhoff in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 193
AO Rz 145, m.w.N.). Das FA darf die Außenprüfung jedoch nicht "ins Blaue hinein" anordnen (BFH-Urteil vom 17.
November 1992 VIII R 25/89, BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146, m.w.N.).
15 Nach diesen Grundsätzen hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die
steuerlichen Verhältnisse des Klägers im Streitfall der Aufklärung bedurften. Das FG hat sich der Begründung des FA
angeschlossen und das Aufklärungsbedürfnis daraus abgeleitet, dass dem Kläger im Prüfungszeitraum aufgrund
seiner außerordentlich hohen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch unter Zugrundelegung eines gehobenen
Lebensstandards erhebliche Beträge zu Anlagezwecken zur Verfügung gestanden hätten. Vom Kläger und seiner
Ehefrau seien jedoch nur Kapitaleinkünfte in geringer Höhe erklärt und keine substantiierten und nachprüfbaren
Angaben zur Verwendung der verfügbaren Geldmittel gemacht worden.
16 Entgegen der Auffassung des Klägers erging die Prüfungsanordnung damit nicht "ins Blaue hinein", sondern aufgrund
der Unklarheiten bei der Mittelverwendung durch den Kläger, die hinreichende Anhaltspunkte dafür boten, dass der
Kläger seine Steuererklärung unvollständig oder mit unrichtigem Inhalt abgegeben hatte (vgl. BFH-Urteil vom 28.
Oktober 1988 III R 52/86, BFH/NV 1990, 4, unter 3. b der Gründe). Der Senat kann dahinstehen lassen, ob für die
Annahme des Aufklärungsbedürfnisses Anhaltspunkte genügen, die nach den allgemeinen Erfahrungen des FA die
Aufklärung bisher unbekannter steuerlicher Verhältnisse möglich erscheinen lassen (BFH-Urteile vom 5. November
1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208; in BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146, m.w.N.; Tipke in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 193 AO Rz 32; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 193 Rz 40;
Eckhoff in HHSp, a.a.O.), oder ob hierfür konkrete, einzelfallbezogene Umstände vorliegen müssen (Gosch in
Beermann/Gosch, AO § 193 Rz 76; Frotscher in Schwarz, AO, § 193 Rz 43). Denn im Streitfall besteht nicht nur ein --
abstraktes-- Aufklärungsbedürfnis aufgrund der hohen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit und des
geringen Betrags der erklärten Kapitaleinkünfte. Das Aufklärungsbedürfnis ergibt sich vielmehr auch aus den --
konkreten-- Anhaltspunkten für eine unklare Mittelverwendung durch den Kläger.
17 c) Dem FG ist auch darin zu folgen, dass die Entscheidung des FA über die Notwendigkeit einer Außenprüfung keine
Ermessensfehler erkennen lässt.
18 aa) Ob eine Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig, vielmehr eine Außenprüfung angezeigt ist, entscheidet das FA
nach pflichtgemäßem Ermessen (BFH-Urteile in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208; in BFHE 169, 305, BStBl II 1993,
146). Bei seiner Ermessensentscheidung hat es nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO in erster Linie Art und Umfang des zu
prüfenden Sachverhalts zu berücksichtigen. Die Gerichte können die Entscheidung des FA gemäß § 102 Satz 1 FGO
nur darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in
einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
19 bb) Entgegen der Auffassung des Klägers enthält die Einspruchsentscheidung des FA ausreichende
Ermessenserwägungen dazu, dass sich nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts die Außenprüfung
gegenüber der Einzelermittlung als die zweckmäßigere Maßnahme erweist. Die Anordnung einer Außenprüfung ist
insbesondere dann zweckmäßig, wenn zu erwarten ist, dass eine größere Anzahl von Lebensvorgängen mit einem
größeren Zeitaufwand zu prüfen ist (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1994 IX R 128/92, BFHE 176, 298, BStBl II 1995, 291;
in BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146, unter 2. b; Klein/Rüsken, a.a.O., § 193 Rz 43; Frotscher in Schwarz, AO, § 193
Rz 44). Diese Voraussetzung hat das FA hinreichend dargetan, indem es für die Zweckmäßigkeit der Außenprüfung
darauf abgestellt hat, dass bei der Prüfung der Mittelverwendung durch den Kläger eine Vielzahl von Belegen zu
überprüfen und insoweit mit zahlreichen Rückfragen zu rechnen sei (vgl. BFH-Urteile in BFHE 176, 298, BStBl II 1995,
291; in BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146, unter 2. b).
20 Der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung steht auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen.
Danach muss das FA von einer Außenprüfung absehen, wenn die gewünschte Aufklärung auch durch Maßnahmen
der Einzelermittlung erreicht werden kann (BFH-Urteil in BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435, m.w.N.). Derartige
Maßnahmen sind jedoch im Streitfall angesichts des zu erwartenden Prüfungsaufwands kein geeignetes Mittel zur
Aufklärung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers.
21 cc) Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass die Ermessensentscheidung offenkundig widersprüchlich ist, da
als Prüfungsort die Amtsräume des FA vorgesehen seien und damit eine Prüfung an Amtsstelle vorliege. Die Prüfung
an Amtsstelle besteht als Teil des allgemeinen Besteuerungsverfahrens aus Maßnahmen der Einzelermittlung i.S. der
§§ 88 ff. AO durch die Veranlagungsstelle. Sie ist von der Außenprüfung (§§ 193 ff. AO) als formellem Verfahren zur
umfassenden Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse zu unterscheiden. Die Vornahme von Außenprüfungen obliegt
der Betriebsprüfungsstelle, die --wie im Streitfall-- einem anderen FA zugeordnet sein kann als die
Veranlagungsstelle. Die Außenprüfung ist regelmäßig beim Steuerpflichtigen selbst durchzuführen; in
Ausnahmefällen kommt auch eine Durchführung an Amtsstelle in Betracht (vgl. § 200 Abs. 2 Satz 1 AO). Entgegen der
Auffassung des Klägers ist daher auch im Rahmen des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO eine Prüfung in den Amtsräumen des FA
zulässig, wenn beim Steuerpflichtigen kein geeigneter Raum zur Verfügung steht (Frotscher, a.a.O., § 193 Rz 44).
Soweit der Kläger vorträgt, nur eine Prüfung in seiner Wohnung in den USA sei ermessensgerecht, betrifft dies die
Festlegung des Prüfungsortes, die gegenüber der Prüfungsanordnung einen selbständigen Verwaltungsakt bildet
(BFH-Urteile in BFHE 176, 298, BStBl II 1995, 291; in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208).
22 dd) Der Einwand des Klägers, die Übersendung der im Rahmen der Außenprüfung angeforderten Unterlagen sei ihm
unzumutbar, ist für die Ermessensentscheidung des FA über die Zweckmäßigkeit der Außenprüfung unbeachtlich, da
die Anforderung der Unterlagen einen selbständigen Verwaltungsakt darstellt. Abgesehen davon wäre eine
Übersendung von Unterlagen durch den Kläger auch für Maßnahmen der Einzelermittlung im Rahmen einer Prüfung
an Amtsstelle erforderlich.
23 d) Die Prüfungsanordnung begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.
24 aa) Die Prüfungsanordnung des FA ist hinreichend begründet. Eine ausreichende Begründung der
Ermessensentscheidung über die Zweckmäßigkeit der Außenprüfung folgt hierbei jedenfalls aus der
Einspruchsentscheidung als letzter Verwaltungsentscheidung (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 102 Rz 13, m.w.N.). Die
konkreten Anhaltspunkte, aus denen sich das Aufklärungsbedürfnis hinsichtlich der steuerlichen Verhältnisse des
Klägers ergibt, hat das FA ebenfalls in der Einspruchsentscheidung vorgetragen und mit Schriftsatz vom 31. Mai 2002
ergänzt (§ 102 Satz 2 FGO).
25 bb) Entgegen der Auffassung des Klägers war das FA auch für den Erlass der Prüfungsanordnung zuständig.
26 Außenprüfungen werden gemäß § 195 Satz 1 AO von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden
durchgeführt. Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung können einem Finanzamt durch
Rechtsverordnung Zuständigkeiten für die Bezirke mehrerer Finanzämter übertragen werden. Durch die Sechzehnte
Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter --16. Verordnung-- vom 23.
Februar 2001 (BStBl I 2001, 330) ist die Zuständigkeit für die Anordnung und Durchführung von Außenprüfungen der
Personen, deren Summe der positiven Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
über eine Million DM liegt, für den Bezirk des Wohnsitzfinanzamts des Klägers auf das beklagte FA übertragen
worden.
27 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuständigkeit ist die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung (Gosch,
a.a.O., AO § 195 Rz 36; Klein/Rüsken, a.a.O., § 195 Rz 4). Ein späterer Wechsel in der Zuständigkeit führt daher nicht
zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung war das FA
aufgrund der Zuständigkeitsübertragung durch die 16. Verordnung für die Anordnung einer Außenprüfung des
Klägers zuständig.
28 Das FA durfte die Außenprüfung auch für das Jahr 1999 anordnen, obwohl die Summe der positiven Einkünfte des
Klägers i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG in diesem Jahr nicht über einer Million DM lag. Denn im Streitfall wird die
Zuständigkeit des FA zur Anordnung der Außenprüfung für den gesamten Prüfungszeitraum jedenfalls dadurch
begründet, dass der Kläger zumindest im ersten und letzten Jahr des Prüfungszeitraums die nach der 16. Verordnung
vorgegebene Summe der Einkünfte überschritten hat. In diesem Fall darf sich die Prüfungsanordnung des FA auch auf
diejenigen Besteuerungszeiträume erstrecken, in denen der Kläger dieses Merkmal nicht erfüllt hat (vgl. BFH-Urteile
vom 23. Juli 1985 VIII R 197/84, BFHE 144, 9, BStBl II 1986, 36; vom 10. Juni 1992 I R 142/90, BFHE 168, 226, BStBl II
1992, 784).
29 e) Dem Kläger ist schließlich nicht darin zu folgen, dass die Prüfungsanordnung rechtswidrig sei, da hinsichtlich des
Prüfungszeitraums Festsetzungsverjährung bei der Einkommensteuer eingetreten sei. Der Senat kann offenlassen, ob
die Festsetzungsverjährung der Anordnung einer Außenprüfung entgegensteht, wenn die Steueransprüche bereits
zum Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung verjährt sind (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 26. Januar 2006 VI
B 89/05, BFH/NV 2006, 964, m.w.N.). Denn ein --im Streitfall nach Auffassung des Klägers vorliegender-- Eintritt der
Festsetzungsverjährung erst nach Abschluss des Einspruchsverfahrens führt jedenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der
Prüfungsanordnung (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 964).
30 3. Das FA hat als Prüfungsort ermessensfehlerfrei die eigenen Amtsräume festgelegt.
31 a) Das FG hat die Klage gegen die Festlegung des Prüfungsortes allerdings zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.
32 Nach § 46 Abs. 1 FGO ist eine Klage --abweichend von § 44 FGO-- ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens
zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in
angemessener Zeit sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage kann grundsätzlich nicht vor Ablauf von sechs
Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Nach § 46
Abs. 1 Satz 3 FGO kann das Verfahren bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist, die verlängert werden kann,
ausgesetzt werden.
33 Der Senat kann offenlassen, ob das FA im Schriftsatz vom 31. Mai 2002 eine Entscheidung über den Einspruch des
Klägers gegen die Festlegung des Prüfungsortes getroffen hat. Denn die Klage ist nach § 46 Abs. 1 FGO auch ohne
vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, da es an einem zureichenden Grund für die Untätigkeit des FA fehlt
und das FA nicht in angemessener Zeit sachlich entschieden hat.
34 Ein zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 FGO liegt vor, wenn eine Entscheidung nach objektiven Gesichtspunkten
im Einzelfall noch nicht erwartet werden kann (Steinhauff in HHSp, § 46 FGO Rz 136). Der BFH hat von Amts wegen
auch noch im Revisionsverfahren in jeder Verfahrenslage das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen im
finanzgerichtlichen Klageverfahren zu prüfen (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 36/02, BFH/NV 2004, 1655). Eine
zunächst unzulässige Klage kann daher im weiteren Verlauf dadurch zulässig werden, dass der ursprünglich
mitgeteilte zureichende Grund i.S. des § 46 Abs. 1 FGO wegfällt.
35 Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Einspruchsentscheidung einen zureichenden Grund i.S. des § 46 Abs. 1 FGO für
das Hinausschieben der Entscheidung über den Prüfungsort enthält, da der vom FA mitgeteilte Grund jedenfalls durch
die Klagebegründung vom 6. Mai 2002 weggefallen ist. Das FA hat seine Untätigkeit in der Einspruchsentscheidung
damit begründet, dass es zum damaligen Zeitpunkt nicht abschließend habe beurteilen können, ob die Außenprüfung
anstelle der in der Prüfungsanordnung vorgesehenen Amtsräume des FA zweckmäßigerweise in den Büroräumen
des Bevollmächtigten des Klägers stattfinden werde, da ein hierfür erforderlicher Antrag des Klägers noch nicht
gestellt worden sei. In der Klagebegründung vom 6. Mai 2002 hat der Kläger einen solchen Antrag jedoch für das
weitere Verfahren ausgeschlossen, da als Prüfungsort allein seine Wohnung in den USA in Betracht komme. Das FA
hat nach Wegfall des mitgeteilten Grundes in angemessener Zeit sachlich nicht entschieden, da es auch nach Zugang
der Klagebegründung vom 6. Mai 2002 über die in § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO vorgesehene Frist hinaus untätig
geblieben ist.
36 b) Die Revision hat gleichwohl keinen Erfolg, da die Klage gegen die Festlegung des Prüfungsortes unbegründet ist
und sich die Vorentscheidung damit aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO). Der Senat kann auf
der Grundlage der insoweit ausreichenden Feststellungen des FG über die Begründetheit der Klage selbst
entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004 IX R 60/03, BFH/NV 2005, 327, m.w.N.).
37 Die Festlegung des Prüfungsortes ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur darauf überprüft werden
kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck
der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 Satz 1 FGO). Für die Auswahl des
Prüfungsortes ergibt sich aus § 200 Abs. 2 Satz 1 AO, dass die Außenprüfung in den Geschäftsräumen des
Steuerpflichtigen oder, soweit diese nicht vorhanden sind, in dessen Wohnräumen oder an Amtsstelle durchzuführen
ist.
38 Das FA hat als Prüfungsort ermessensfehlerfrei die eigenen Amtsräume festgelegt, da der Kläger weder über
Geschäftsräume noch über einen inländischen Wohnsitz verfügte. Entgegen der Auffassung des Klägers durfte das FA
die Wohnung des Klägers in den USA als Prüfungsort außer Betracht lassen, da eine Außenprüfung auf fremdem
Hoheitsgebiet nur in Ausnahmefällen mit Zustimmung des betroffenen Staates zulässig ist (Söhn in HHSp, § 117 AO
Rz 3; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 117 AO Rz 2). Der Einwand des Klägers, die Durchführung der Außenprüfung in
seiner Wohnung könne im Wege der Amtshilfe durch die USA erfolgen, ist hierbei unbeachtlich. Denn die
Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amtshilfe setzt voraus, dass das FA die steuerlichen Verhältnisse des Klägers
nicht durch eigene Ermittlungen aufklären kann (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 117 AO Rz 9; Wolffgang/Hendricks
in Beermann/Gosch, AO § 117 Rz 28).