Urteil des BFH vom 14.10.2008

Berechnung des Meistgebots - Berücksichtigung bestehen bleibender Rechte - Unbilligkeit der Einziehung der Grunderwerbsteuer - keine Steuerbefreiung von Grundstückserwerben zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft - rechtliches Gehör

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 14.10.2008, II B 65/07
Berechnung des Meistgebots - Berücksichtigung bestehen bleibender Rechte - Unbilligkeit der Einziehung der
Grunderwerbsteuer - keine Steuerbefreiung von Grundstückserwerben zwischen Partnern einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft - rechtliches Gehör
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war zusammen mit ihrem Lebensgefährten (L) zu ½ Miteigentümerin
eines Einfamilienhausgrundstücks. Der hälftige Miteigentumsanteil des L war nach seinem Tod auf dessen Söhne
übergegangen. Die Klägerin betrieb in der Folgezeit aufgrund eines gegen die Söhne des L erstrittenen Urteils die
Zwangsversteigerung deren Miteigentumsanteils. Aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts (AG) Iserlohn vom 18. Juli
2002 wurde der Klägerin als Meistbietender der Miteigentumsanteil zugeschlagen. Das Bargebot betrug 13 981 EUR;
nach den Versteigerungsbedingungen blieben u.a. Grundschulden in Höhe von insgesamt 162 590 EUR bestehen.
2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin durch Bescheid vom 14.
Oktober 2002 Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von 95 276 EUR (Bargebot 13 981 EUR zuzüglich
bestehen bleibende Rechte 162 590 EUR : 2) in Höhe von 3 334 EUR gegen die Klägerin fest. Der Einspruch hatte
keinen Erfolg.
3 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage seien die Grundschulden als
bestehen bleibende Rechte zutreffend mit ihrem Nennwert berücksichtigt worden.
4 Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache, Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts sowie
Verfahrensfehler geltend.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entsprechenden
Weise dargelegt.
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1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO) erfordert substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die
im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Beantwortung einer zweifelhaften
oder umstrittenen Rechtsfrage abhängig ist (BFH-Beschluss vom 10. Juni 2008 I B 211/07, BFH/NV 2008, 1697;
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, jeweils m.w.N.). Wird mit der Beschwerde ein
Verfassungsverstoß geltend gemacht, so ist eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der
dazu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des BFH und des Bundesverfassungsgerichts orientierte rechtliche
Auseinandersetzung erforderlich (BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, BFH/NV 2004, 533; vom 27.
Januar 2006 II B 13/05, BFH/NV 2006, 1299; vom 4. Juli 2007 II B 95/06, BFH/NV 2007, 1829). Diesen Anforderungen
genügt die Beschwerdebegründung nicht.
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a) Aus dem Vorbringen der Klägerin, die Sache bedürfe "für Fälle der Besteuerung des Meistgebots insbesondere bei
erheblichen Abweichungen zwischen dem Ansatz der abstrakten Übernahme alter und sogar löschungsfähiger
Grundbuchlasten gegenüber dem aktuellen Grundbesitz-Wert im Vergleich zum Grundbesitz-Kauf" wegen der
unklaren Gesetzesfassung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 und § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) "einer
eindeutigen fachrichterlichen Auslegung", genügt nicht den Darlegungsanforderungen.
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aa) In der Beschwerdebegründung fehlt jede Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH, nach der die in §
1 Abs. 1 Nr. 4 sowie in § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG verwendeten Begriffe aus dem Recht der Zwangsversteigerung
vorgegeben und im Sinne des Zwangsversteigerungsrechts auszulegen sind (BFH-Entscheidungen vom 19.
November 1968 II 112/65, BFHE 94, 156, BStBl II 1969, 92; vom 23. Januar 1985 II R 36/83, BFHE 143, 158, BStBl II
1985, 339; vom 24. Oktober 2000 II B 38/00, BFH/NV 2001, 482; vom 20. April 2007 II B 69/06, BFH/NV 2007, 1538).
Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, inwieweit ein weiterer Klärungsbedarf bestehen soll.
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bb) Die Klägerin legt auch nicht dar, aus welchen Gründen das als Bemessungsgrundlage anzusetzende Meistgebot
(§ 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) durch einen "aktuellen Grundbesitz-Wert" oder einen Grundstückskaufpreis soll beeinflusst
werden können. Das behauptete Fehlen einer Besteuerungsregelung, sofern "jahrzehntealte abstrakte
Grundbuchlasten" bestehen bleiben, genügt nicht den Darlegungsanforderungen. Die Beschwerdebegründung setzt
sich nicht mit der zu § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG ergangenen ständigen BFH-Rechtsprechung auseinander, nach der
Hypotheken und Grundschulden als bestehen bleibende Rechte mit ihrem Kapitalbetrag, also dem Nennwert,
anzusetzen sind (BFH-Entscheidungen in BFHE 143, 158, BStBl II 1985, 339; in BFH/NV 2007, 1538, jeweils m.w.N.).
Es wird auch nicht substantiiert dargelegt, in welchem Umfang und von welcher Seite diese Rechtsprechung
umstritten ist und es deshalb einer erneuten Entscheidung des BFH bedarf.
10 b) Mit den Einwendungen gegen die Berechnung des in dem Zuschlagsbeschluss des AG angesetzten Bargebots ist
eine klärungsbedürftige Rechtsfrage ebenfalls nicht substantiiert dargetan. Insoweit wäre unter Berücksichtigung der
nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. vorstehend II.1.a aa) gebotenen Auslegung des in § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG
verwendeten Begriffs des Meistgebots im Sinne des Zwangsversteigerungsrechts darzulegen gewesen, weshalb sich
aus dieser Rechtsprechung keine Lösung für die von der Klägerin aufgeworfene Frage ergibt bzw. unter welchem
Gesichtspunkt eine etwa fehlerhafte Berechnung des Bargebots durch das Versteigerungsgericht von
grunderwerbsteuerrechtlicher Relevanz sein soll. An solchem Vorbringen fehlt es. Die Klägerin rügt letztlich nur eine
unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall. Damit kann die Zulassung der Revision jedoch nicht erreicht werden (vgl.
Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, § 116 Rz 34, 42, m.w.N.).
11 c) Die Rüge, es fehle bei der Versteigerung eines Miteigentumsanteils an einer gesetzlichen Besteuerungsregelung
bei bestehen bleibenden Rechten, genügt ebenfalls nicht den Zulässigkeitsanforderungen. Insoweit fehlt jede
Auseinandersetzung mit dem BFH-Urteil vom 12. Oktober 1983 II R 18/82 (BFHE 139, 307, BStBl II 1984, 116).
12 d) Auch der Hinweis auf eine etwaige unbillige Härte der Besteuerung eines Meistgebots genügt nicht den
Zulässigkeitsanforderungen. Nach der BFH-Rechtsprechung (Urteile vom 26. März 1980 II R 143/78, BFHE 130, 426,
BStBl II 1980, 523; vom 25. März 1969 II R 123/68, BFHE 96, 283, BStBl II 1969, 602; in BFHE 94, 156, BStBl II 1969,
92; vom 7. November 1968 II 9/65, BFHE 94, 85, BStBl II 1969, 41) kann zwar die Einziehung der Grunderwerbsteuer
unbillig sein, wenn der Meistbietende das Meistgebot für sich überhaupt nicht gewollt hat und das Grundstück alsbald
an denjenigen weitergibt, in dessen Namen er von Anfang an handeln wollte. Jedoch hat weder die Klägerin
dargelegt noch ist nach Aktenlage ersichtlich, dass vorliegend eine solche Sachverhaltsgestaltung vorlag. Zudem
wäre über die sachliche Unbilligkeit nicht in dem dem FG vorliegenden Verfahren zu entscheiden (BFH-Beschluss
vom 26. Januar 2006 II S 14/05 (PKH), BFH/NV 2006, 979).
13 e) Ferner ist mit dem Vorbringen der Klägerin, sie sei bereits vom Zeitpunkt des Erwerbs des fraglichen
Hausgrundstücks im Jahr 1984 wirtschaftliche Eigentümerin des gesamten Grundstücks gewesen, eine Frage von
grundsätzlicher Bedeutung nicht dargelegt. Es fehlt insoweit an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung
des BFH (z.B. Entscheidungen vom 3. April 1974 II 186/65, BFHE 112, 531, BStBl II 1974, 643; vom 8. August 2000 II B
134/99, BFH/NV 2001, 66), wonach bei der Grunderwerbsteuer eine Zurechnung von Grundstücken nach Maßgabe
einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausscheidet.
14 f) Auch das Vorbringen der Klägerin, im vorliegenden Fall sei die Grunderwerbsteuer im Hinblick auf die weitgehende
Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Gemeinschaften nicht zu erheben, genügt nicht den
Darlegungsanforderungen. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 25. April 2001 II R 72/00, BFHE 194, 462,
BStBl II 2001, 610; vgl. auch BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2002 II B 193/01, BFH/NV 2003, 201) erfasst die
Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG nur Grundstückserwerbe zwischen Partnern einer Ehe im Sinne
des bürgerlichen Rechts. Grundstücksübertragungen zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
sind hingegen nicht von der Grunderwerbsteuer befreit; ein Verstoß gegen das GG liegt nicht vor. Aus der
Beschwerdebegründung ergeben sich keine Gesichtspunkte, die einen erneuten Klärungsbedarf dieser Frage
aufzeigen.
15 g) Soweit die Klägerin schließlich im Hinblick auf die "zumindest zum Teil unberechtigte Erhebung von
Grunderwerbsteuer" eine Verletzung der Garantie des Eigentums und des Vermögens behauptet, ist mangels
näheren Vorbringens ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen genügt.
16 2. Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen. Insoweit
hätte es substantiierter und konkreter Angaben dazu bedurft, weshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu
einer bestimmten Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse
liegt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; vom 11. September 2007 VI B 5/07,
BFH/NV 2007, 2328) und weshalb die aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig und im zu erwartenden
Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich solches Vorbringen nicht.
17 3. Schließlich ist auch der gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) einer Verletzung des rechtlichen
Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) nicht schlüssig dargelegt. Eine ordnungsgemäße Darlegung eines
Verfahrensmangels liegt vor, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt--
einen Verfahrensmangel ergeben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297;
vom 29. Februar 2008 IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974). Aus dem Vorbringen der Klägerin, das FG habe die
aufgezeigten auslegungsbedürftigen Einzelfragen zum Meistgebot "überhaupt nicht mitbeurteilt", ergibt sich kein
Verfahrensmangel.
18 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis
zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht aus formell- oder
materiell-rechtlichen Gründen ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder bleiben kann (BFH-Beschlüsse
vom 20. Juli 2007 VIII B 8/06, BFH/NV 2007, 2069; vom 3. Dezember 2007 II S 11/07, BFH/NV 2008, 529 jeweils
m.w.N.). Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung
ausdrücklich zu befassen (BFH-Beschluss vom 26. November 2007 VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397, m.w.N.).
Insbesondere bedeutet die Gewährung rechtlichen Gehörs nicht, dass das Gericht den Kläger "erhören", sich also
seinen rechtlichen Ansichten anschließen müsste (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2069, m.w.N.).