Urteil des BFH vom 17.03.2010

Gewerblicher Grundstückshandel: Zwischenschaltung einer nicht funktionslosen GmbH grundsätzlich nicht missbräuchlich - Erfordernis der unbedingten Veräußerungsabsicht - Gesamtplan - Anforderungen an die Revisionsbegründung bei mehreren Streitgegenständen

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 17.3.2010, IV R 25/08
Gewerblicher Grundstückshandel: Zwischenschaltung einer nicht funktionslosen GmbH grundsätzlich nicht missbräuchlich -
Erfordernis der unbedingten Veräußerungsabsicht - Gesamtplan - Anforderungen an die Revisionsbegründung bei mehreren
Streitgegenständen - Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung
Leitsätze
Im Hinblick auf einen gewerblichen Grundstückshandel ist die Zwischenschaltung einer GmbH grundsätzlich nicht
missbräuchlich, wenn die GmbH nicht funktionslos ist, d.h. wenn sie eine wesentliche --wertschöpfende-- eigene Tätigkeit
(z.B. Bebauung des erworbenen Grundstücks) ausübt.
Tatbestand
1
I. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückhandels.
2
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR. Sie wurde am 15. Oktober 1992 mit Sitz in X gegründet.
Ihre Gesellschafter sind A, B und C. Zweck der Klägerin ist die Errichtung und Verwaltung des Objekts in Y (neue
Bundesländer).
3
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 9. November 1992 erwarb die Klägerin von einer Gesellschaft, deren Anteile
die Treuhandanstalt (THA) hielt, einen mit einem Verwaltungsgebäude sowie diversen Nebengebäuden bebauten
Grundbesitz (7.259 m²), belegen in Y. Dieser bestand aus zwei Flurnummern. Die Klägerin übernahm die
Verpflichtung, eine bestimmte Summe in das Grundstück zu investieren und eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen
auf dem Grundstück zu schaffen.
4
Das Verwaltungsgebäude wurde anschließend saniert und ab Juli 1993 an das Land ... zum Betrieb eines
Grundbuchamtes vermietet.
5
Die Nebengebäude wurden abgerissen. Auf dem frei gewordenen Grundstücksteil plante die Klägerin zunächst die
Errichtung eines Gebäudes, das an Dritte vermietet werden sollte. Geplant waren im Erdgeschoss ein
Einzelhandelsgeschäft und in den Obergeschossen Büroräume. Die entsprechende Baugenehmigung erhielt die
Klägerin am 3. Februar 1994. Die Klägerin bemühte sich vorab erfolglos um die Vermietung der Büros. Daher
entschloss sie sich zu einer Umplanung. Anstelle der in den Obergeschossen vorgesehenen Büros sollten nunmehr
45 Wohnungen errichtet und veräußert werden. Die entsprechend geänderte Baugenehmigung wurde der Klägerin
am 13. Dezember 1994 erteilt.
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Mit Vertrag vom 14. Oktober 1994 gründeten die Gesellschafter der Klägerin die ... mbH mit Sitz in X (nachfolgend
GmbH). Das Stammkapital betrug 50.000 DM. Zu jeweils einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern wurden die
Gesellschafter C und A bestellt. Die GmbH sollte die entsprechenden Baumaßnahmen durchführen bzw. in Auftrag
geben und die Wohnungen vermarkten.
7
Am 7. Dezember 1994 schloss die Klägerin mit der GmbH bezüglich der im Erdgeschoss zu errichtenden
Räumlichkeiten einen Bauvertrag, in welchem ein Pauschalpreis vereinbart wurde. Es sollte sich insoweit um einen
absoluten Festpreis handeln (§ 3 des Vertrages).
8
Mit Vertrag vom 9. Januar 1995 veräußerte die Klägerin an die GmbH einen Miteigentumsanteil an einer Flurnummer.
Nach § 2 dieses Vertrages übernahm die Käuferin (GmbH) die Verpflichtung, "auf dem Kaufgrundstück gemeinsam mit
der Verkäuferin ein Gebäude zu errichten, wobei die Verkäuferin im Erdgeschoss Gewerberäume errichtet, während
die Käuferin im Obergeschoss Wohnungen errichtet und hier insgesamt ... investiert. ..."
9
Mit notarieller Urkunde vom 27. März 1995 gaben die Klägerin und die GmbH die Teilungserklärung nach dem
Wohnungseigentumsgesetz hinsichtlich der zu bebauenden Teilfläche des Gesamtgrundstücks ab. Das
Teilgrundstück wurde in 45 Eigentumswohnungen (Einheiten Nr. 1 bis 45) sowie in ein Teileigentum (Einheit Nr. 46)
geteilt. Das Teileigentum der Einheit Nr. 46 bestand aus einem Sondereigentum an der Gewerbefläche im
Erdgeschoss und einem Sondereigentum an 40 PKW-Stellplätzen. Nach der Teilungserklärung sollten die Einheiten
Nr. 1 bis 45 der GmbH und die Einheit Nr. 46 der Klägerin zustehen.
10 Nach der Fertigstellung des Gesamtobjekts veräußerte die GmbH die 45 Eigentumswohnungen im Zeitraum von Juni
bis Dezember 1996 an diverse Erwerber.
11 Mit Vertrag vom 16. November 1996 veräußerte die Klägerin das Teileigentum der Einheit Nr. 46 an die D GbR.
12 Im September 1997 veräußerten die Gesellschafter der Klägerin ihre Geschäftsanteile an der GmbH. Die GmbH geriet
im Februar 1998 aus zwischen den Beteiligten umstrittenen Gründen in Insolvenz.
im Februar 1998 aus zwischen den Beteiligten umstrittenen Gründen in Insolvenz.
13 Die Klägerin gab in ihren Feststellungserklärungen der Streitjahre (1995 bis 2000) die folgenden Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung an:
1995 - 432.653 DM
1996 - 33.673 DM
1997 - 188.800 DM
1998 - 284.441 DM
1999 -29.112 DM
2000 - 8.850 DM
14 Das ursprünglich zuständige Finanzamt (FA I) erließ entsprechende Feststellungsbescheide unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
15 Im Anschluss an eine Außenprüfung war das FA I der Auffassung, dass die Klägerin aufgrund der vorgenannten
Aktivitäten einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe. Es erfasste den Gewinn aus der Veräußerung des
Miteigentumsanteils an die GmbH als laufenden Gewinn in 1995. Ferner war es der Auffassung, der gewerbliche
Grundstückshandel habe mit dem Verkauf des Teileigentums Nr. 46 an die D GbR geendet. Es ist daher davon
ausgegangen, das Grundstück, auf dem sich das an das Grundbuchamt vermietete Gebäude befand, sei im Jahr 1996
entnommen worden. Den sich hieraus ergebenden Gewinn sah das FA I als gemäß den §§ 16, 34 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) tariflich begünstigt an. Für die Jahre 1997 bis 2000 sei von Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung auszugehen. Wie in allen Streitjahren sei jedoch der Betrag der festgestellten Einkünfte
aufgrund von Kürzungen bei den Absetzungen für Abnutzung (AfA) zu erhöhen.
16 Am 22. April 2002 erließ das FA I gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entsprechend geänderte Bescheide
über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre. Die Bescheide
wurden in der Folgezeit teilweise geändert. Zuletzt wurden folgende Einkünfte festgestellt:
17
1995 Einkünfte aus Gewerbebetrieb
- 96.243 DM
1996 Einkünfte aus Gewerbebetrieb
1.657.120 DM
1997 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - 93.921 DM
1998 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - 253.763 DM
1999 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 138.134 DM
2000 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 158.396 DM
18 Die Einsprüche hiergegen wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA II) zurück.
19 Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass für die GmbH zunächst ein erheblicher Gewinn prognostiziert
worden sei. Die Kosten für die Bebauung hätten sich wegen der Insolvenz von insgesamt vier am Bau beteiligten
Unternehmen erheblich erhöht. Zudem habe sich die Vermarktung verzögert; am 31. Dezember 1996 habe aber der
Förderzeitraum für Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FöGbG) geendet. Die Erwerber hätten
danach keine Sonderabschreibungen mehr geltend machen können. Daher habe man vor diesem Zeitpunkt die
Wohnungen mit Preisnachlässen verkaufen müssen.
20 Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete sein in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008,
1726 veröffentlichtes Urteil vor allem damit, dass die Einschaltung der GmbH ein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO)
sei. Ferner sei die Aktivität der Klägerin auch deswegen gewerblich, weil die Klägerin schon vor Abschluss des
Gesellschaftsvertrages der GmbH am 14. Oktober 1994 eine Vielzahl von Planungs- und Umplanungsaktivitäten
vorgenommen habe und im Außenverhältnis tätig geworden sei.
21 Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil, die
Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2003 und die angegriffenen Bescheide aufzuheben.
22 Das FA II beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
23 II. Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich der Streitjahre 1997 bis 2000 unzulässig; sie ist insoweit zu verwerfen (vgl.
§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). In Bezug auf die Streitjahre 1995 und 1996 ist die Revision der
Klägerin begründet; das FG-Urteil ist insoweit aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung zurückzuverweisen (vgl. § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
24 1. Für die Jahre 1997 bis 2000 hat die Klägerin ihre Revision nicht ordnungsgemäß begründet.
25 a) Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen
Urteils zu begründen; die Frist kann auf Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die
Begründung muss u.a. nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO die Angabe der Revisionsgründe enthalten, und zwar a) die
bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; b) soweit die Revision darauf
gestützt wird, dass ein Verfahrensfehler vorliegt, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
26 Hat das FG --wie im Streitfall-- über die Rechtmäßigkeit mehrerer Steuerbescheide, also über mehrere selbständige
Streitgegenstände, entschieden, so muss der Revisionskläger für jeden Streitgegenstand die verletzte Rechtsnorm
bezeichnen und eine gesonderte Begründung angeben (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Oktober 1991 I
R 88/89, BFHE 166, 297, BStBl II 1992, 257, unter II.A. der Gründe; BFH-Beschluss vom 12. Januar 1998 V R 39/97,
BFH/NV 1998, 979).
27 Ist die Revision nicht begründet worden, so ist sie unzulässig (§ 124 Abs. 1 FGO).
28 b) Die Klägerin hat im Revisionsverfahren lediglich Einwände gegen die Feststellung gewerblicher Einkünfte, gegen
die Annahme einer Entnahme im Jahr 1996 sowie gegen die Höhe des Entnahmegewinns vorgetragen. Demnach
macht die Klägerin eine Rechtsverletzung durch das FG-Urteil hinsichtlich der Jahre 1997 bis 2000 nicht geltend.
Denn das FA I hat in diesen Jahren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt. Darüber hinaus hat die
Klägerin nach Aktenlage weder im Einspruchsverfahren noch im Klageverfahren eine Rechtsverletzung hinsichtlich
der Jahre 1997 bis 2000 behauptet.
29 c) Im Übrigen ist die Revision jedoch hinreichend begründet.
30 2. Das FG hat zutreffend davon abgesehen, die Gesellschafter der Klägerin zum Verfahren nach § 60 Abs. 3 Satz 1
FGO notwendig beizuladen.
31 Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis
derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt nicht für
Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Hinsichtlich der geltend
gemachten Einwände sind die Gesellschafter der Klägerin weder nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 noch nach § 48 Abs. 1 Nr. 5
FGO klagebefugt (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1985 IV R 34/84, BFH/NV 1987, 374).
32 3. Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich der Jahre 1995 und 1996 begründet. Die Klägerin war nicht gewerblich
tätig.
33 a) Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit
Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
darstellt. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung das negative Erfordernis aufgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit
nicht um private Vermögensverwaltung handeln darf (BFH-Urteil vom 19. Februar 2009 IV R 8, 9/07, BFH/NV 2009,
923, unter II.B. der Gründe, m.w.N.).
34 b) Die Klägerin hat mit ihrer Tätigkeit den Bereich der privaten Vermögensverwaltung nicht verlassen.
35 aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum
Gewerbebetrieb überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der
Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von
Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder
Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt. Die typischen gewerblichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der
Veräußerung von Grundstücken unterscheiden sich von der privaten Vermögensverwaltung durch die beim Erwerb
oder zum Zeitpunkt der Bebauung bestehende Veräußerungsabsicht (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH
vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.1., 2. und 4. der Gründe).
36 Die vom BFH für die Beurteilung der Gewerblichkeit von Grundstücksverkäufen aufgestellte Drei-Objekt-Grenze ist ein
gewichtiges Indiz für oder gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht (vgl. BFH-Urteil vom 5.
Dezember 2002 IV R 57/01, BFHE 201, 169, BStBl II 2003, 291, unter 2.a der Gründe). Sie besagt, dass kein
gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, sofern weniger als vier Objekte veräußert werden. Werden innerhalb eines
engen zeitlichen Zusammenhangs --in der Regel fünf Jahre-- zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf
mindestens vier Objekte veräußert, kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden. Dies gilt
auch bei der Bebauung von Grundstücken (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002,
291, unter C.III.2., 3. und 5. der Gründe).
37 Hierauf kommt es aber dann nicht an, wenn sich bereits aus anderen --ganz besonderen-- Umständen zweifelsfrei
eine von Anfang an bestehende oder aber fehlende Veräußerungsabsicht ergibt. So kann beispielsweise auf eine
gewerbliche Betätigung geschlossen werden, wenn das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und
Veräußerung (ggf. auch durch Schenkung) erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung verkauft worden ist
oder wenn ein solches Grundstück von vornherein auf Rechnung oder nach Wünschen des Erwerbers bebaut wird. In
derartigen Gestaltungen kann die Wertung gerechtfertigt sein, dass es sich unabhängig von der Anzahl der Verkäufe
um eine gewerbliche Tätigkeit handelt (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291,
unter C.III.5. der Gründe).
38 Allerdings kann auch ein Grundstück, bei dessen Erwerb die Verkaufsabsicht noch nicht feststeht und das auch nicht
vom Veräußerer bebaut worden ist, Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels sein, wenn aufgrund
objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige mit unbedingter Veräußerungsabsicht ein Wirtschaftsgut
anderer Marktgängigkeit geschaffen hat (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2008 IV R 85/06, BFHE 224, 84, BStBl II 2009,
795, unter II.2.b bb der Gründe, m.w.N.).
39 bb) Vorliegend hat das FG angenommen, die Klägerin sei gewerblich tätig geworden, weil sie bereits vor Abschluss
des GmbH-Gesellschaftsvertrages am 14. Oktober 1994 eine Vielzahl von Planungs- und Umplanungsaktivitäten
entfaltet habe und hierzu auch im Außenverhältnis tätig geworden sei.
40 Dies reicht jedoch nicht für die Annahme aus, die Klägerin sei nicht mehr vermögensverwaltend tätig geworden.
Erforderlich wäre vielmehr eine unbedingte Veräußerungsabsicht gewesen. Dabei kommt es hinsichtlich der
Wohnungen auf den Zeitpunkt des Grundstückserwerbs an, weil die Klägerin der GmbH den Miteigentumsanteil an
einem unbebauten Grundstück verkauft hat und die GmbH die Wohnungen errichtete. In Bezug auf das Teileigentum
an den von der Klägerin errichteten Gewerbeflächen ist der Zeitpunkt der Bebauung maßgeblich.
41 Im Streitfall hat die Klägerin das Grundstück allerdings zunächst in der Absicht erworben, es zu bebauen und zu
vermieten. Den unbedingten Entschluss zur Veräußerung der Wohnungen fasste die Klägerin erst zu einem späteren,
vom FG nicht näher bezeichneten Zeitpunkt. Nach Aktenlage ist dies spätestens der 8. Oktober 1994. Denn mit
Schreiben von diesem Tag an die THA äußerte die Klägerin ihre Absicht, die Wohnungen zu verkaufen. In Bezug auf
die Gewerbeflächen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bis zur Bebauung ihre Vermietungsabsicht
aufgegeben hat.
42 Demnach kommt es nicht darauf an, ob die Veräußerung des Miteigentums an die GmbH nach der Rechtsprechung
des BFH (Urteil vom 13. Dezember 1995 XI R 43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232, unter III.2.a der Gründe) --
abweichend vom Zivilrecht-- ausnahmsweise als Veräußerung von 45 Wohnungen anzusehen wäre. Denn selbst bei
Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze steht aufgrund der Feststellungen des FG fest, dass die Klägerin den
Grundbesitz nicht in unbedingter Veräußerungsabsicht erworben hat, sondern ihn vermieten wollte. Deswegen kommt
es auch nicht darauf an, dass nach dem Urteil vom 24. Juni 2009 X R 36/06 (BFHE 225, 407, BStBl II 2010, 171) die
entgeltliche Übertragung eines Objekts auf eine vom Steuerpflichtigen beherrschte GmbH vor Fertigstellung des
Objekts ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unbedingten Veräußerungsabsicht sein kann.
43 Die Klägerin hat vor der Veräußerung des Miteigentums auch kein Wirtschaftsgut mit anderer Marktgängigkeit
geschaffen; sie hat lediglich die auf dem zu bebauenden Grundstücksteil befindlichen Nebengebäude abgerissen und
eine neue Baugenehmigung beantragt.
44 c) Ferner kann der Klägerin die Verkaufstätigkeit der GmbH nicht nach den Grundsätzen des Urteil des XI. Senats des
BFH in BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232, unter III.2.e der Gründe zugerechnet werden. Der XI. Senat hat danach zum
Merkmal der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr i.S. des § 15 Abs. 2 EStG ausgeführt, dieses sei
nicht immer nach denselben Kriterien zu beurteilen; es komme vielmehr maßgeblich auf die besonderen Umstände
des Einzelfalls an. Ohne dass ein Dritter im Auftrag und für Rechnung oder in Vertretung des Steuerpflichtigen
handele, könne eine Teilhabe des Steuerpflichtigen am Marktgeschehen auch dann gegeben sein, wenn der
Steuerpflichtige nur ein Geschäft mit einem Dritten tätige, dieser aber in Wirklichkeit und nach außen erkennbar in der
Absicht vorgeschaltet sei, sich an den allgemeinen Markt zu wenden. Voraussetzung für eine solche Annahme sei,
dass es sich bei dem Steuerpflichtigen und dem Dritten um nahestehende Personen handele und dass der
Steuerpflichtige rechtlich und tatsächlich in der Lage sei, über die Entscheidungen des Dritten zu bestimmen. Darüber
hinaus müsse ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Geschäft des Steuerpflichtigen mit
dem Dritten und den weiteren Geschäften des Dritten gegeben sein.
45 Diese Entscheidung ist --wie die Begründung zeigt-- von den Besonderheiten des Merkmals der Teilhabe am
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr i.S. des § 15 Abs. 2 EStG geprägt. Sie kann nicht auf das Überschreiten der
privaten Vermögensverwaltung übertragen werden.
46 d) Entgegen der Auffassung des FG können die Verkaufsaktivitäten der GmbH der Klägerin nicht nach § 42 AO in
seiner ursprünglichen Fassung (u.F.) zugerechnet werden.
47 aa) Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 Satz 1 AO u.F. liegt vor, wenn eine rechtliche
Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der
Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonstige beachtliche außersteuerrechtliche Gründe nicht
zu rechtfertigen ist. Eine rechtliche Gestaltung ist dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom
Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zur Erreichung eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht,
sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht
erreichbar sein soll. Die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs erfordert überdies eine zweckgerichtete Handlung
zur Umgehung eines Steuergesetzes (BFH-Urteil vom 18. März 2004 III R 25/02, BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787,
unter II.2.d der Gründe, m.w.N.). Allerdings ist es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht verwehrt, seine rechtlichen
Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergibt (Beschluss des Großen
Senats des BFH vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272, unter C.III. der Gründe).
48 bb) Nach der Rechtsprechung kann die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft zur Vermeidung eines
gewerblichen Grundstückshandels missbräuchlich sein, wenn die erwerbende Gesellschaft im Wesentlichen zum
Zwecke des Kaufs und des Weiterverkaufs gegründet worden ist, oder wenn sie in Bezug auf die in Rede stehenden
Veräußerungsgeschäfte funktionslos ist und besondere Umstände hinzutreten, dass z.B. die Mittel für den Kaufpreis
ganz oder zu einem erheblichen Teil von dem Steuerpflichtigen stammen oder erst aus den Erlösen des
Weiterverkaufs zu erbringen sind (BFH-Urteil in BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787, unter II.2.d der Gründe, m.w.N.).
Dies ist auch möglich, wenn eine vom Steuerpflichtigen beherrschte Zwischengesellschaft in der Weise eingeschaltet
wird, dass der Verwertungsgewinn in fremdunüblicher Weise in einem einzigen --nicht nachhaltigen-- Verkaufsakt an
diese Gesellschaft abgeschöpft wird, während die zwischengeschaltete Gesellschaft bei der nachhaltigen
Vermarktung der Grundstücke keinen oder nur einen geringen Gewinn erzielt (BFH-Urteil vom 15. März 2005 X R
39/03, BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817, unter B.II.2.b der Gründe, m.w.N. und weiteren Beispielen für die
Zwischenschaltung naher Angehöriger).
49 Diesen Fällen ist typischerweise gemein, dass die zwischengeschaltete GmbH selbst "funktionslos" ist, sie also im
Wesentlichen lediglich an- und verkauft.
50 cc) Entfaltet die GmbH aber darüber hinaus eine wesentliche --wertschöpfende-- eigene Tätigkeit (z.B. Bebauung des
erworbenen Grundstücks), ist sie nicht funktionslos. In diesen Fällen ist die Zwischenschaltung der GmbH in der Regel
nicht ungewöhnlich, weil dem Steuerpflichtigen die Wahl der Rechtsform, in der er eine Tätigkeit entfalten will,
freigestellt ist (BFH-Urteil in BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787, unter II.3. der Gründe). Darüber hinaus besteht in
diesen Fällen auch grundsätzlich ein wirtschaftliches Interesse an der Auslagerung auf die GmbH: Da diese eine
eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, besteht auch ein Bedürfnis für eine Haftungsbeschränkung. Schließlich kann
in diesen Fällen daraus, dass die zwischengeschaltete GmbH tatsächlich keinen Gewinn erzielt hat, nicht ohne
Weiteres auf einen Missbrauch geschlossen werden. Denn im wirtschaftlichen Misserfolg kann sich auch das
unternehmerische Risiko der von der GmbH selbst ausgeübten Tätigkeit realisiert haben; in diesem Fall die
persönliche Haftung der Gesellschafter zu verhindern, ist gerade Zweck der GmbH.
51 dd) Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 42 AO im Streitfall nicht vor. Das FG hat nicht
hinreichend berücksichtigt, dass die GmbH im Streitfall nicht funktionslos war, weil sie die Wohnungen nicht nur
veräußert, sondern selbst errichtet hat. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben.
52 (1) Dass der GmbH kein Gewinn verblieben ist und sie in Insolvenz geriet, während für die Klägerin die Bebauung
wirtschaftlich erfolgreich verlief, ist hier kein Indiz dafür, dass von Anfang an beabsichtigt war, der wirtschaftliche Erfolg
solle nur bei der Klägerin eintreten. Denn darin kann sich auch lediglich das wirtschaftliche Risiko der GmbH realisiert
haben. So hat die Klägerin vorgetragen, dass für die GmbH zunächst ein erheblicher Gewinn prognostiziert worden
sei. Die Kosten für die Bebauung hätten sich wegen der Insolvenz von insgesamt vier am Bau beteiligten
Unternehmen erheblich erhöht. Zudem habe sich die Vermarktung verzögert; am 31. Dezember 1996 habe aber der
Förderzeitraum für Sonderabschreibungen nach dem FöGbG geendet. Die Erwerber hätten danach keine
Sonderabschreibungen mehr geltend machen können. Daher habe man vor diesem Zeitpunkt die Wohnungen mit
Preisnachlässen verkaufen müssen. Das FG hat --entgegen der Auffassung des FA II-- auch keine Feststellungen
getroffen, die den Schluss zulassen, dass von Vornherein mit der Insolvenz der GmbH zu rechnen war.
53 Auch wenn die Umstände der Veräußerung der GmbH-Geschäftsanteile und die Sitzverlegung der GmbH --nach
Veräußerung sämtlicher Wohnungen-- auffällig erscheinen, lässt sich hieraus nicht ableiten, die GmbH sei von Anfang
an auf ein Scheitern angelegt gewesen.
54 Die Klägerin hatte zwar aufgrund ihrer Investitionsverpflichtung ein eigenes Interesse am Bau der Wohnungen. Dem
hat die Klägerin im Vertrag über den Verkauf des Miteigentumsanteils durch die Verpflichtung der GmbH zur
Errichtung der Wohnungen Rechnung getragen. Dies reicht aber für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs
nicht aus.
55 (2) Darüber hinaus rechtfertigen auch wirtschaftliche Gründe --entgegen der Auffassung des FG--, dass die GmbH den
Miteigentumsanteil erwarb, die Wohnungen errichtete und dann veräußerte. Die Klägerin führt hierzu an, diese
Tätigkeiten habe eine GmbH ausführen sollen, weil der Bau und der Verkauf mit erheblichen Risiken verbunden
gewesen seien. Wie bereits dargelegt, ist die Haftungsbeschränkung bei einer GmbH, die eine eigene wirtschaftliche
Tätigkeit ausübt, grundsätzlich ein beachtlicher wirtschaftlicher, außersteuerlicher Grund für die Gestaltung. Das FG
hat zwar ausgeführt, die GmbH habe der Klägerin keine "Preis- und oder sonstigen Marktrisiken" abnehmen können,
weil sie nicht über ausreichend Eigenkapital verfügt habe. Außerdem habe eine Haftung der Klägerin in ihrer
Eigenschaft als Bauherrin, welche über das Preis- und Marktrisiko hinausging, nicht ernsthaft im Raum gestanden.
Allerdings weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass vorliegend das wirtschaftliche Scheitern der GmbH und deren
Insolvenz die von der GmbH getragenen Risiken verdeutlichen.
56 (3) Das Urteil des X. Senats des BFH vom 17. Juni 1998 X R 68/95 (BFHE 186, 288, BStBl II 1998, 667, unter II.3.b und
II.3.c der Gründe) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Danach indizieren insbesondere eine den tatsächlichen
Verkehrswerten nicht entsprechende Gestaltung des Kaufpreises und die zeitnahe Weiterveräußerung durch den
Dritten einen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Gesellschaft abgesprochenen Gesamtplan, der die in eigener
Person und die "mittelbar" durch den anderen Rechtsträger verwirklichten Tatbestandsmerkmale zu dem vom
Steuerpflichtigen selbst zurechenbar verwirklichten Steuertatbestand verklammere. Der Senat lässt offen, ob er sich
diesen Ausführungen des X. Senats anschließen könnte. Jedenfalls beziehen sie sich erkennbar auf eine
funktionslose GmbH. Eine solche liegt hier aber nicht vor.
57 4. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann nicht abschließend über die Höhe der Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung in den Streitjahren 1995 und 1996 entscheiden. Das FA I hat nach Abschluss der Außenprüfung die AfA
zu Lasten der Klägerin verändert. Das FG wird festzustellen haben, ob dies zu Recht geschah.
58 5. Die Übertragung der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 143 Abs. 2 FGO. Auch bei nur teilweiser
Zurückverweisung der Sache muss dem FG die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens übertragen
werden (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung).