Urteil des BFH vom 13.03.2017

BFH (wesentliche beteiligung, auflösung der gesellschaft, kapitalvermögen, beteiligung, privatvermögen, kläger, einkünfte, aufgabe, kapitalanlage, gemischte schenkung)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 16.3.2010, VIII R 20/08
Nachträgliche Schuldzinsen - Wesentliche Beteiligung - Berücksichtigung von Schuldzinsen als Werbungskosten nach
Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle
Leitsätze
Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S. von § 17 EStG, die auf Zeiträume nach
Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, können ab dem Veranlagungszeitraum 1999 wie
nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden
(Änderung der Rechtsprechung) .
Tatbestand
1
I. Streitig ist, ob Schuldzinsen für den Erwerb einer wesentlichen Beteiligung als nachträgliche Werbungskosten bei
den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden können. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden
als Ehegatten im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.
2
Der Kläger war zu 50 % an einer GmbH (Stammkapital 51.000 DM) beteiligt. 1997 erwarb er die restlichen 50 %
(Geschäftsanteile im Nennwert von 17.000 DM und 8.500 DM) für 300.000 DM. Dafür nahm er ein Darlehen über
225.000 DM auf. Von den später hinzuerworbenen Geschäftsanteilen veräußerte der Kläger im Dezember 2000 den
Geschäftsanteil im Nennwert von 17.000 DM sowie einen durch Teilung neu gebildeten Geschäftsanteil im Nennwert
von 8.000 DM (zusammen 25.000 DM) an seinen Sohn zum Preis von 5.000 DM. Den bei der Teilung des
Geschäftsanteils entstandenen Zwerganteil im Nennwert von 500 DM behielt der Kläger ebenso wie seine hälftige
Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft. Danach waren der Kläger zu etwa 51 % und der Sohn des Klägers zu
49 % an der GmbH beteiligt. Im Streitjahr (2001) erklärte der Kläger Schuldzinsen für das Darlehen von 9.492,10 DM
sowie sonstige Kosten in Höhe von 100 DM, die er bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machte.
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Zinszahlungen im
Einkommensteuerbescheid für 2001 nicht und wies den dagegen gerichteten Einspruch zurück. Nach einer bei der
Klägerin durchgeführten Außenprüfung änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2001 und erkannte
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 200 DM an.
4
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) hat sich das FA bereit erklärt, 2 % der streitigen
Schuldzinsen anzuerkennen, da die mit Fremdmitteln erworbene Beteiligung nicht vollständig, sondern nur zu 98 %
weiterveräußert worden sei. Danach hat das FG die Klage insgesamt abgewiesen. Tatbestand und
Entscheidungsgründe des Urteil vom 17. April 2008 6 K 461/04 E sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2008, 1283 veröffentlicht.
5
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 20 des
Einkommensteuergesetzes --EStG--).
6
Die Kläger haben ursprünglich beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 17. April 2008 6 K 461/04 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 23.
Januar 2004 dahingehend zu ändern, dass Zinsaufwendungen von 9.492,10 DM (4.853,23 EUR) als Werbungskosten
bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers berücksichtigt werden und die Einkommensteuer entsprechend
niedriger festzusetzen.
7
Nach Einlegung der Revision hat das FA den streitigen Einkommensteuerbescheid entsprechend seiner Zusage in
der mündlichen Verhandlung vor dem FG geändert und darin Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen des Klägers von nunmehr 290 DM anerkannt.
8
Die Kläger beantragen danach nur noch,
den Einkommensteuerbescheid 2001 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten von 9.302,10 DM
(4.756,09 EUR) bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen zum Abzug zugelassen werden und die
Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen.
9
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10 Die Beteiligten haben auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung übereinstimmend verzichtet.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--).
12 1. Die Vorentscheidung ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG hat über den ursprünglich
angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2001 entschieden, an dessen Stelle während des Revisionsverfahrens
gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 16. Juli 2008 getreten ist.
Damit liegt dem FG-Urteil ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-
Urteil insoweit keinen Bestand mehr haben kann (ständige Rechtsprechung, Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH--
vom 12. September 2007 VIII R 38/04, BFH/NV 2008, 37; vom 13. Dezember 2006 VIII R 62/04, BFHE 216, 199, BStBl
II 2007, 568, m.w.N.). Die vom FG verfahrensfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor
die Grundlage für die Entscheidung des Senats (BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 37, und in BFHE 216, 199, BStBl II
2007, 568).
13 2. Das FG hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, nach nahezu vollständiger Veräußerung
der mit Fremdmitteln erworbenen Geschäftsanteile seien die für ihre Anschaffung anfallenden Schuldzinsen nicht
mehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar; insoweit sei die Veranlassung der
Aufwendungen zur Einkünfteerzielung entfallen. Das entspreche der ständigen Rechtsprechung. Etwas anderes
ergebe sich auch nicht aus der Absenkung der Beteiligungsschwelle in § 17 EStG auf 1 %, denn dadurch werde eine
im Privatvermögen gehaltene Beteiligung nicht zu Betriebsvermögen. Auch der Zweck der Absenkung der
Beteiligungsgrenze gebiete keine Änderung der Rechtsprechung. Eine Änderung der Rechtsprechung würde
außerdem zu unterschiedlicher Behandlung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
einerseits und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung andererseits sowie zu einem Bruch im System der
Überschusseinkünfte führen.
14 3. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat hält an seiner bisherigen
Rechtsprechung zum Ausschluss des nachträglichen Werbungskostenabzugs nach Veräußerung oder Aufgabe einer
im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 EStG a.F. für die ab
1999 geltenden Gesetzesfassungen nicht mehr fest. Schuldzinsen, die für die Anschaffung einer im Privatvermögen
gehaltenen Beteiligung i.S. von § 17 EStG anfallen, können danach unter den gleichen Voraussetzungen wie
nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden,
wenn sie auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen.
15 a) Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger
Einnahmen veranlasst sind.
16 aa) Nach dem Regelungsziel des EStG sind Aufwendungen als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn
sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Das ist der Fall, wenn
sie objektiv mit einer Einkunftsart zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind (vgl. Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2., m.w.N.).
Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die --wertende-- Beurteilung des die
betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich
relevanten Erwerbssphäre (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE
227, 1, unter C.III.1.a).
17 bb) Im Anwendungsbereich von § 4 Abs. 4 EStG sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Schuldzinsen auf
Betriebsschulden auch nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs grundsätzlich als Betriebsausgaben abziehbar.
Das gilt aber nur, soweit sie nicht auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis und die
Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätten getilgt werden können (vgl. z.B. BFH-Urteil vom
28. März 2007 X R 15/04, BFHE 217, 507, BStBl II 2007, 642; Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., § 16 Rz 371, m.w.N.).
18 cc) Demgegenüber hat der Senat für die Einkünfte aus Kapitalvermögen in ständiger Rechtsprechung einen solchen
Zusammenhang grundsätzlich verneint und deshalb den Abzug von (nachträglichen) Schuldzinsen abgelehnt, die für
die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Kapitalanlage anfallen, soweit sie auf Zeiträume nach
Veräußerung oder Aufgabe der Kapitalanlage entfallen (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 27. März 2007 VIII R 64/05, BFHE
217, 497, BStBl II 2007, 639; VIII R 28/04, BFHE 217, 460, BStBl II 2007, 699, jeweils m.w.N.). Daran hat er auch für
den Fall festgehalten, dass es sich bei der Kapitalanlage um eine wesentliche Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG
handelt, obwohl insofern --ausnahmsweise-- auch Wertsteigerungen auf der privaten Vermögensebene der
Besteuerung unterliegen (vgl. Senatsurteile vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29; vom
8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654).
19 (1) Die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in der bis zur Einführung der Abgeltungssteuer geltenden
Fassung wurde von dem Grundsatz beherrscht, dass zwischen dem Kapitalvermögen als solchem und dem Ertrag als
Frucht des Kapitals zu unterscheiden ist; grundsätzlich wirken sich deshalb Wertänderungen der Kapitalanlage als
solche auf die Besteuerung der erzielten Erträge im Rahmen des § 20 EStG nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober
2000 VIII R 28/99, BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, m.w.N.). Auf dieser Grundlage hat der Senat einen steuerlich
anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang der für die Anschaffung einer Kapitalanlage aufgewandten Zinsen
mit der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen bejaht, wenn bei der Kapitalanlage nicht die Absicht der
Erzielung steuerfreier Vermögensvorteile im Vordergrund stand (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76,
BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37; vom 23. März 1982 VIII R 132/80, BFHE 135, 320, BStBl II 1982, 463; vom 7.
Dezember 1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825). Hat der Steuerpflichtige neben der Absicht, auf Dauer gesehen einen
Überschuss der Einnahmen zu erzielen, auch die Erwartung oder Hoffnung, mit der Kapitalanlage steuerfreie
Vermögensvorteile zu realisieren, so steht dies dem vollumfänglichen Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten
nicht entgegen, sofern die Absicht, steuerfreie Wertsteigerungen zu realisieren, nur mitursächlich für die Anschaffung
der Ertrag bringenden Kapitalanlage ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juli 2003 VIII R 43/01, BFHE 203, 65, BStBl II 2003,
937, m.w.N.).
20 (2) Die Rechtsprechung zur Nichtabziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Überschusseinkünften beruht
letztlich auf der rechtlichen Zuweisung der Finanzierungsaufwendungen zur nicht steuerbaren, privaten
Vermögensebene (vgl. etwa BFH-Urteil vom 4. September 2000 IX R 44/97, BFH/NV 2001, 310 zu Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung). Mit Veräußerung oder Aufgabe der Einkunftsquelle entfalle der wirtschaftliche
Zusammenhang der Aufwendungen mit einer Einkunftsart; die Aufwendungen seien danach nur noch Gegenleistung
für die Überlassung eines Kapitals, das nicht mehr der Erzielung von steuerbaren Einnahmen diene (vgl. BFH-Urteile
vom 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966; vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II
1983, 373; vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48).
21 (3) Trotz des für Betriebsausgaben wie für Werbungskosten in gleicher Weise geltenden Veranlassungsprinzips (vgl.
nur Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rz 7, m.w.N.) hat der Senat in der Vergangenheit eine Gleichstellung nachträglicher
Werbungskosten mit nachträglichen Betriebsausgaben wegen der unterschiedlichen rechtlichen Ausgangslage (d.h.
wegen rechtlicher Besonderheiten der Einkünfte aus § 17 EStG) stets abgelehnt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 1993
VIII R 74/91, BFH/NV 1993, 714). Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, bei den Einkünften aus § 17
EStG bestehe kein vom Privatvermögen getrenntes Betriebsvermögen, das nach Veräußerung der Beteiligung
zurückbleiben könne. Und auch die anderen Besonderheiten der Einkünfte aus § 17 EStG rechtfertigten keine
vollständige Gleichstellung der wesentlichen Beteiligung mit der steuerlichen Behandlung von
Mitunternehmeranteilen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1993, 714, m.w.N.).
22 (4) In zwei neueren Entscheidungen hat der Senat ausdrücklich offengelassen, ob er an dieser Rechtsprechung für
die Zeit nach Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsgrenze in § 17 Abs. 1 EStG auf 1 % festhalte (vgl. Senatsurteil
in BFHE 217, 497, BStBl II 2007, 639; in BFHE 217, 460, BStBl II 2007, 699). Gleiches gelte für die Frage, ob
möglicherweise bereits für die Zeit nach Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle auf 10 % eine Änderung der
Rechtsprechung zum nachträglichen Schuldzinsenabzug in Betracht zu ziehen sei.
23 b) Nach Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle von mehr als 25 % auf 10 % durch das Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) für
Veranlagungszeiträume ab 1999 und erst recht für die Zeit nach Absenkung der für die Anwendung des § 17 Abs. 1
Satz 1 EStG maßgeblichen Beteiligungsgrenze auf 1 % durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur
Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) für
Veranlagungszeiträume ab 2001 und der damit, vorbehaltlich der "Bagatellgrenze", einhergehenden konzeptionellen
Gleichbehandlung von Gewinnausschüttung und Veräußerung besteht für die Einkünfte aus Kapitalvermögen
jedenfalls bei einer Beteiligung i.S. von § 17 EStG keine sachliche Rechtfertigung mehr für die rechtliche Zuweisung
der nachträglichen Finanzierungskosten zur (grundsätzlich) nicht steuerbaren Vermögensebene.
24 aa) Die Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle in § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG ab Veranlagungszeitraum 1999 auf
zunächst 10 % diente in erster Linie der Verbreiterung der Besteuerungsgrundlage (BTDrucks 14/23, S. 178). Bereits
damit hat der Gesetzgeber ungeachtet dessen, dass er an dem Begriff der "wesentlichen Beteiligung" zunächst
festgehalten hat, zum Ausdruck gebracht, dass er bezüglich der steuerlichen Erfassung von Wertsteigerungen im
Privatvermögen durch das StEntlG 1999/2000/2002 einen Paradigmenwechsel eingeleitet hat. Denn er hat
gleichzeitig die Voraussetzungen für die steuerliche Erfassung von Gewinnen aus Veräußerungsgeschäften von
sonstigen Wirtschaftsgütern des Privatvermögens erweitert, was durch die Änderung der bisherigen Überschrift des §
23 EStG von "Spekulationsgeschäfte" in "Private Veräußerungsgeschäfte" durch das StEntlG 1999/2000/2002
besonders augenscheinlich wird. Der Gesetzgeber hat den Weg einer breiteren steuerlichen Erfassung von
Wertsteigerungen im Privatvermögen auch fortgesetzt, indem er durch das StSenkG die Grenze für die Steuerpflicht
von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften auf 1 % abgesenkt hat (vgl. Senatsurteil
vom 1. März 2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398).
25 bb) Für die Konzeption der Einkünfte aus § 17 EStG bedeutet dies zumindest eine Abkehr vom Leitbild des
Mitunternehmers. Auf die Frage, ob und inwieweit die maßgebliche Beteiligung der steuerlichen Behandlung von
Mitunternehmeranteilen gleichzustellen ist, kommt es danach nicht mehr an. Mit der schrittweisen, konsequenten
Ausweitung der Besteuerung im Privatvermögen erzielter Vermögenszuwächse hat der Gesetzgeber der bisherigen
Senatsrechtsprechung zur Nichtabziehbarkeit nachträglicher Finanzierungsaufwendungen die Grundlage entzogen.
26 cc) Vor diesem Hintergrund ist der Veranlassungszusammenhang der nachträglichen Schuldzinsen mit den
Einkünften aus Kapitalvermögen bei Aufgabe oder Veräußerung einer Beteiligung i.S. von § 17 EStG nicht mehr
anders zu beurteilen als im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 EStG bei den Gewinneinkünften. Denn ebenso wie
nachträgliche Schuldzinsen betrieblich veranlasst sind, wenn sie nach der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs
weiterhin der Finanzierung der nicht ablösbaren betrieblichen Verbindlichkeiten dienen, sind nachträgliche
Schuldzinsen nach der Veräußerung oder Aufgabe einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG in den ab 1999
geltenden Fassungen durch die früheren Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) veranlasst. Durch
die Beendigung der Einkünfteerzielung aus Kapitalvermögen ist der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang
nicht unterbrochen, weil die nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die zur Erzielung von Einkünften aus
Kapitalvermögen aufgenommenen Schulden ausgelöst sind, die bei Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung nicht
abgelöst werden konnten. Die nachträglichen Schuldzinsen dienen mithin --ebenso wie im betrieblichen Bereich-- der
Finanzierung eines steuerrechtlich erheblichen Veräußerungs- oder Aufgabeverlusts.
27 dd) Dem steht nicht entgegen, dass bei § 17 EStG kein Betriebsvermögen gebildet wird, das nach Beendigung der
Einkunftserzielung zurückbehalten werden kann (a.A. FG Münster, Urteil in EFG 2008, 1283); an dem entsprechenden
Begründungsansatz hält der Senat nicht mehr fest. Ein Darlehen, das zur Finanzierung von Anschaffungskosten für
eine wesentliche Beteiligung aufgenommen wird, ist stets, auch während der Erzielung laufender Einkünfte, dem
Privatvermögen zuzurechnen. Gleichwohl können die Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen zu berücksichtigen sein. Das ist der Fall, soweit sie (noch) durch die Erzielung von Einkünften
veranlasst sind. Die Veräußerung oder Aufgabe der Einkunftsquelle lässt den Veranlassungszusammenhang --wie
bei den Gewinneinkünften-- nicht ohne weiteres entfallen. Ein den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang
überlagerndes nachträgliches Ereignis kann nach dem Vorstehenden auch nicht darin gesehen werden, dass das zur
Einkünfteerzielung eingesetzte Vermögen privat war, jedenfalls soweit es --wie bei § 17 EStG-- wie Betriebsvermögen
dem Besteuerungszugriff unterliegt.
28 c) Unerheblich ist entgegen der Auffassung des FG auch, dass durch die Änderung der Rechtsprechung nur für
bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen die bisher geltende steuerrechtliche Gleichbehandlung nachlaufender
Finanzierungsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einerseits und den Einkünften aus
Kapitalvermögen andererseits möglicherweise entfällt. Dies beruht auf den Entscheidungen des Gesetzgebers, den
Besteuerungszugriff auf die im Privatvermögen erzielten Vermögenszuwächse gemäß § 17 EStG in der ab 1999
geltenden Fassung in systemverändernder Weise auszudehnen.
29 Der Gesetzgeber hat im Übrigen mit der Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei Grundstücken von zwei auf zehn
Jahre in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zumindest für einen Teilbereich auch bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung die Besteuerung von im Privatvermögen erzielten Wertzuwächsen erheblich ausgedehnt. Es bedarf hier
keiner Entscheidung --für die der erkennende Senat auch nicht zuständig wäre--, ob und inwieweit die Ausdehnung
der Steuerbarkeit von privaten Veräußerungsgewinnen aus dem Verkauf von Grundstücken zu einer anderen
Beurteilung des Abzugs nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zwingt
(vgl. Spindler in Spiegelberger/Spindler/Wälzholz, Die Immobilie im Zivil- und Steuerrecht, Köln 2008, S. 681 f.). Die
bisherige Rechtsprechung des IX. Senats zur Nichtabziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen beruht noch auf der
ursprünglichen gesetzlichen Grundlage, nach der das nach Veräußerung einer vermieteten Immobilie fortbestehende
(Rest-)Darlehen seine Ursache in dem im privaten Vermögensbereich erlittenen, nicht steuerbaren
Veräußerungsverlust hat (BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 966; BFH-Beschluss vom 28. Juli 2009 IX B 37/09, Zeitschrift für
Steuern und Recht 2009, R 1019). Dies ist bei nachträglichen Schuldzinsen im Zusammenhang mit einer Beteiligung
gemäß § 17 EStG gerade nicht der Fall. Insofern weicht der erkennende Senat mit dem vorliegenden Urteil nicht von
der Rechtsprechung des IX. Senats ab.
30 4. Die Sache ist nicht spruchreif. Da das FG zur Höhe der geltend gemachten Zinsaufwendungen von seinem
Standpunkt aus zu Recht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, kann der Senat nicht in der Sache selbst
entscheiden. Die Sache wird deshalb zur Nachholung der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen an das FG
zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
31 Ohne Bindungswirkung weist der Senat darauf hin, dass sich aus den bisherigen Feststellungen des FG weder positiv
noch negativ ergibt, ob die streitgegenständlichen Anteilsveräußerungen einem Fremdvergleich vor allem hinsichtlich
der Höhe der Gegenleistung standhalten. Sollte es sich, worauf das Verwandtschaftsverhältnis der Vertragspartner
hindeuten könnte, um eine gemischte Schenkung gehandelt haben, hätte das FG diesen Umstand ebenfalls in
tatsächlicher Hinsicht noch aufzuklären und das Ergebnis bei Anwendung der Grundsätze zur Abziehbarkeit
nachträglicher Betriebsausgaben nach Maßgabe der dazu ergangenen Rechtsprechung zu berücksichtigen. Rein
vorsorglich weist der Senat auch noch auf § 3c Abs. 2 EStG hin.