Urteil des BFH vom 12.03.2009

BFH: XI S 18/08, XI S 19/08, XI S 20/08, Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2008  3 AZN 584/08 (F), Neue Juristische Wochenschrift 2009, 541, zu § 78a des Arbeitsgerichtsgesetzes

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 12.3.2009, XI S 17-21/08; XI S 17/08; XI S 18/08; XI S 19/08; XI S 20/08; XI
S 21/08
Anhörungsrüge gegen Entscheidung über Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit: Besetzung des
Spruchkörpers - Keine außerordentliche Beschwerde gegen Beschluss wegen Richterablehnung
Gründe
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1. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie erscheint
zweckmäßig, da mit den Anhörungsrügen dieselben Gründe vorgebracht worden sind und deshalb über dieselben
Fragen zu entscheiden ist.
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2. Der Senat entscheidet über die vom Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) jeweils eingelegte
"sofortige Beschwerde in Form einer Gehörsrüge" in der geschäftsplanmäßigen Besetzung (vgl. Beschluss des Senats
vom 17. Dezember 2008 XI ER-S 5/08, Tz. II.3. i.V.m. I.2.b dd, nicht veröffentlicht --n.v.--).
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a) Die Rügen richten sich gegen die Entscheidungen des Senats, mit denen verschiedene Ablehnungsgesuche
gegen mehrere Richter des Senats für unzulässig erklärt bzw. als unbegründet zurückgewiesen wurden. Dagegen ist
im Gesetz eine Beschwerde nicht vorgesehen. Eine außerordentliche Beschwerde neben den gesetzlich normierten
Rechtsmitteln kommt nicht in Betracht (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH--- vom 8. November 2004 II ZB
24/03, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2005, 294). Die eingelegten Rechtsbehelfe
sind daher ausschließlich als Anhörungsrügen i.S. des § 133a FGO zu verstehen.
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b) Über die Anhörungsrügen ist mangels einer speziellen Regelung in der regulären Besetzung laut
Geschäftsverteilungsplan des Senats zu entscheiden (vgl. BGH-Beschluss vom 28. Juli 2005 III ZR 443/04,
Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 206, zur vergleichbaren Regelung in § 321a der Zivilprozessordnung
--ZPO--; Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2008 3 AZN 584/08 (F), Neue Juristische Wochenschrift
2009, 541, zu § 78a des Arbeitsgerichtsgesetzes; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November
2007 8 C 17/07, n.v., zu § 152a der Verwaltungsgerichtsordnung).
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Die Vorschrift des § 133a FGO trifft keine Regelung dahingehend, dass über eine Anhörungsrüge nur die Richter
entscheiden, die bei der gerügten Entscheidung mitgewirkt haben. Das hat zur Folge, dass bei der Entscheidung über
eine Anhörungsrüge, die sich gegen die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen richtet, auch Richter mitwirken
können, die von den Ablehnungsgesuchen betroffen waren. Die Mitwirkung dieser Richter ist nicht nach anderen
Verfahrensvorschriften ausgeschlossen. Denn mit der Ablehnung der Befangenheitsanträge durch unanfechtbaren
Beschluss eines letztinstanzlichen Gerichts ist das Verfahren über das Ablehnungsgesuch abgeschlossen. Damit
endet für die betroffenen Richter das sog. Enthaltungsgebot des § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO (vgl.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2007 1 BvR 1273/07, Neue Zeitschrift für
Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report 2008, 289, unter III.4. der Gründe; Beschluss des Bundesfinanzhofs --
BFH-- vom 17. Juli 2008 I B 22/08, n.v.).
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3. Die Anhörungsrügen sind jedenfalls unbegründet.
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a) Nach § 133a Abs. 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das
Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den
Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Rüge muss das
Vorliegen der genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO).
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Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG-- und § 96 Abs. 2 FGO)
verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen
Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in
Erwägung zieht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2005 VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614; vom 27. Dezember 2006 V
S 24/06, BFH/NV 2007, 1667).
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b) Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ist durch die Entscheidungen über die Ablehnungsgesuche nicht
verletzt worden. Der Senat hat bei seinen Entscheidungen keine Tatsachen berücksichtigt, zu denen der Kläger nicht
gehört worden ist.
10 aa) Der Einwand, die Beschlüsse vom 13. November 2008 seien wegen fehlerhafter Besetzung der Richterbank und
damit wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nichtig, weil die Geschäftsverteilungspläne des BFH
keine Regelungen für den Fall von Richterablehnungen wegen Besorgnis der Befangenheit vorsähen, ist im Rahmen
der Anhörungsrüge ausgeschlossen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 2007 V S 6/07, BFHE 217, 230, BStBl II 2007,
653; vom 10. September 2008 I S 14/08, n.v.).
11 bb) Soweit der Kläger rügt, die Richter am BFH X und Y hätten unzulässig in eigener Sache und dann auch noch zu
ihren Gunsten durch eine gezielt falsche Rechtsanwendung entschieden, macht er zum einen geltend, der Senat
habe das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt. Er hat hierzu vorgetragen, die
Befangenheitsanträge seien ausführlich begründet worden. Die Richter könnten aufgrund ihrer kommerziellen
Nebentätigkeit und ihrer Einbindung in Netzwerke nicht die Gewähr dafür bieten, gemäß Art. 97 GG unabhängig und
unparteiisch den Verfahrensbeteiligten gegenüberzustehen. Deshalb müsse die Ablehnung der Anträge unter
Mitwirkung der Richter als willkürlich bezeichnet werden. Damit kann der Kläger im Anhörungsrügeverfahren nicht
gehört werden.
12 Zum anderen beruft er sich vor allem darauf, dass seine Einkünfte als filmschaffender Künstler und Grundrechtsträger
i.S. von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in den Schutzbereich dieser Norm fielen, § 18 des Einkommensteuergesetzes nicht
angewendet werden dürfe, das Umsatzsteuergesetz (UStG) seit 1. Januar 2002 aufgrund des eingefügten § 27b UStG
(Umsatzsteuer-Nachschau) nichtig und eine Besteuerung seiner Einkünfte bzw. seiner Tätigkeit ausgeschlossen sei.
Soweit der Kläger daraus ableiten sollte, dass die Entscheidungen über die Ablehnungsgesuche materiell-rechtlich
fehlerhaft seien, kann dies mit den Anhörungsrügen nicht geltend gemacht werden. Eine Anhörungsrüge dient nicht
dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache zu überprüfen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Mai 2006 VI S 5/06,
BFH/NV 2006, 1337; vom 6. Mai 2008 IX S 12/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R752), selbst wenn eine
Verletzung von Grundrechten behauptet wird (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Juli 2008 IX B 54/08, n.v.). Gerügt werden
kann nur die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
13 cc) Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei deshalb verletzt worden,
weil der Spruchkörper in den Entscheidungen über die Ablehnungsgesuche die tatsächlich angeführten Gründe für
die Ablehnung der Richter nicht unverändert auf ihre Tauglichkeit geprüft, sondern der eigenen Auffassung
entsprechend modifiziert und mit den Entscheidungen angeblich den Tatbestand der Rechtsbeugung gemäß § 339
des Strafgesetzbuchs erfüllt habe. Soweit sich der Kläger damit gegen die Auffassung des Gerichts wendet, dass
Ablehnungsgründe hinsichtlich der Richter am BFH X und Y wegen eines fehlenden Bezugs zum vorliegenden
Rechtsstreit nicht schlüssig dargelegt worden seien und hinsichtlich des Richters am BFH Z nicht vorgelegen hätten,
ist die Rüge im vorliegenden Verfahren nicht statthaft. Eine andere Rechtsauffassung des Senats führt nicht zu einer
Verletzung des rechtlichen Gehörs.
14 4. Eine Berichtigung des in den gerügten Beschlüssen vom 13. November 2008 jeweils dargestellten Sachverhalts
(unter I. der Gründe) ist nicht veranlasst.