Urteil des BFH vom 16.01.2014

Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots für Gewerbesteuer - Keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. - Kein subjektives Nettoprinzip bei Kapitalgesellschaften

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 16.1.2014, I R 21/12
Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots für Gewerbesteuer - Keine ernstlichen Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. - Kein subjektives
Nettoprinzip bei Kapitalgesellschaften
Leitsätze
Die Nichtabzugsfähigkeit der Gewerbesteuer von der Bemessungsgrundlage der
Körperschaftsteuer ist verfassungsgemäß.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2008
Tankstellen mit Shops und Waschstraßen. Die zum Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen
pachtete sie. In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr ermittelte die Klägerin ein
zu versteuerndes Einkommen von 15.839 EUR. Hierbei berücksichtigte sie gemäß § 4
Abs. 5b des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes
2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) --EStG 2002 n.F.-- i.V.m.
§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) als nichtabziehbare Aufwendungen
u.a. Gewerbesteuer in Höhe von 10.264 EUR. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt --FA--) setzte erklärungsgemäß für das Streitjahr die Körperschaftsteuer auf
2.375 EUR, den Gewerbesteuermessbetrag auf 2.184 EUR und die Gewerbesteuer auf
10.264,80 EUR fest.
2 Die Klägerin ist der Auffassung, die mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008
eingeführte Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer im Rahmen der Gewinnermittlung für die
Körperschaftsteuer sei verfassungswidrig. Sie verstoße insbesondere bei "pachtintensiven"
Betrieben sowohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) als auch gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Ihre
deswegen u.a. gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2008 erhobene Klage blieb ohne
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat sie als unbegründet abgewiesen; sein Urteil vom
29. Februar 2012 1 K 48/12 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 933
abgedruckt.
3 Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der
Klägerin.
4 Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil hinsichtlich der Körperschaftsteuer
aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass die Körperschaftsteuer
auf 836 EUR herabgesetzt wird.
5 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
6 II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) zurückzuweisen. Die Festsetzung der Körperschaftsteuer in dem angefochtenen
Bescheid entspricht --was auch die Klägerin nicht anders sieht-- den gesetzlichen Vorgaben.
Wie schon die Vorinstanz ist auch der erkennende Senat nicht davon überzeugt, dass die im
Streitfall über § 8 Abs. 1 KStG 2002 zur Anwendung kommende Regelung des § 4 Abs. 5b
EStG 2002 n.F., nach der die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen
keine Betriebsausgaben sind, für den hier in Rede stehenden Bereich der
Körperschaftsteuer verfassungswidrig ist (ebenso Tiede in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 4
EStG Rz 1969; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 922; Frotscher, EStG, § 4 Rz 889; Seifert in Korn,
§ 4 EStG Rz 1223.6; anderer Auffassung Schlotter/von Freeden in Schaumburg/Rödder,
Unternehmensteuerreform 2008, S. 398; Rossa/Malzkorn, Der Betrieb 2012, 1169). Die
Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG sind
daher nicht gegeben.
7 1. Das Abzugsverbot verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1
GG.
8 a) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ist für die direkten Steuern sowohl ein
systemtragendes Prinzip abzuleiten --die Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts-- als auch das Gebot, dieses Prinzip bei der
Ausgestaltung des einfachen Rechts folgerichtig umzusetzen (BVerfG-Beschluss vom
12. Oktober 2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, m.w.N.). Zur Ermittlung der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts bedarf es eines Ausgleichs zwischen
den von ihm erwirtschafteten besteuerbaren Einnahmen und den zur Erzielung dieser
Einnahmen aufgewendeten Ausgaben. Das damit beschriebene ("objektive") Nettoprinzip ist
jedenfalls einfachgesetzlich in § 2 Abs. 2 EStG 2002 n.F. angelegt (s. BVerfG-Beschluss
vom 12. Mai 2009 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111) und auf der Grundlage der Verweisung in
§ 8 Abs. 1 KStG 2002 auch im Bereich der Körperschaftsteuer anzuwenden (BVerfG-
Beschluss in BVerfGE 127, 224; Senatsurteil vom 22. August 2012 I R 9/11, BFHE 238, 419,
BStBl II 2013, 512, m.w.N.).
9 b) Die Regelung des § 4 Abs. 5b EStG 2002 n.F. schränkt das objektive Nettoprinzip ein.
10 aa) Zu Recht hat das FG die Gewerbesteuer trotz des Wortlauts des § 4 Abs. 5b EStG 2002
n.F., dem zufolge Gewerbesteuer und Nebenleistungen "keine Betriebsausgaben" seien, der
Sache nach als betrieblich veranlasste Aufwendung i.S. von § 4 Abs. 4 EStG 2002 n.F.
angesehen. Denn die Gewerbesteuer als ertragsorientierte Objektsteuer (vgl. dazu z.B.
BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; Senatsbeschluss vom
16. Oktober 2012 I B 128/12, BFHE 238, 452, BStBl II 2013, 30) knüpft unabhängig von den
persönlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers an den Gewerbebetrieb als Steuerobjekt
an und berührt nicht die Privatsphäre des Steuersubjekts und auch nicht --wenn
Betriebsinhaber eine Gesellschaft ist-- diejenige der Anteilseigner. Die Wirkweise des § 4
Abs. 5b EStG 2002 n.F. ist mithin dahin zu verstehen, dass dadurch --vergleichbar z.B. den
Tatbeständen des § 4 Abs. 5 und § 4h EStG 2002 n.F.-- ein steuerliches Abzugsverbot für
die Betriebsausgabe Gewerbesteuer angeordnet wird (so auch Tiede in Herrmann/
Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1966; Bode in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 4 Rz 237;
Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 4 Rz 618; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 923; Seifert in
Korn, § 4 EStG Rz 1223.6; indirekt auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen
vom 11. August 2008, BStBl I 2008, 838, Rz 16).
11 bb) Das Abzugsverbot schränkt das objektive Nettoprinzip ein, indem die mit der
Gewerbesteuerpflicht verbundene Verminderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei
der Bemessung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nicht berücksichtigt wird.
12 c) Die sonach vorhandene Beeinträchtigung des objektiven Nettoprinzips durch § 4 Abs. 5b
EStG 2002 n.F. lässt sich für Körperschaften sachlich hinreichend begründen und verstößt
nicht gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit.
13 aa) Es bestehen im Ausgangspunkt keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen
Bedenken dagegen, dass neben der Einkommen- oder Körperschaftsteuer zusätzlich auch
Gewerbesteuer erhoben wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04,
BVerfGE 120, 1, m.w.N.). Auch ist kein zwingendes verfassungsrechtliches Gebot erkennbar,
dem zufolge die mit einer dieser Steuerarten verbundenen Lasten im Rahmen der
Bemessungsgrundlage der jeweils anderen Steuerart berücksichtigt werden müssten. Der
bis zum Jahr 2007 mögliche Abzug der Gewerbesteuer von der Bemessungsgrundlage der
Körperschaftsteuer beruhte mithin nicht auf einer verfassungsrechtlichen Vorgabe, sondern
auf einer Entscheidung des (einfachen) Gesetzgebers. Dieser war folglich
verfassungsrechtlich auch nicht grundsätzlich gehindert, die Abzugsfähigkeit zu modifizieren
oder ganz abzuschaffen.
14 bb) Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurde der Körperschaftsteuersatz von
25 v.H. auf 15 v.H. gesenkt und die Gewerbesteuermesszahl von maximal 5 v.H. auf
einheitlich 3,5 v.H. verringert, so dass die nominale Belastung der Unternehmensgewinne --
bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 v.H.-- nur noch bei 29,83 v.H. lag. Damit sollte
ausweislich der Begründung des Fraktionsentwurfs eines
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (BTDrucks 16/4841, S. 31) der fiskalische Anreiz,
Gewinne ins Ausland zu verlagern, gemindert und die Bundesrepublik Deutschland
attraktiver für ausländische Direktinvestitionen werden. Zugleich sollte zur Kompensation der
geringeren nominalen Steuerbelastung die steuerliche Bemessungsgrundlage durch
verschiedene Maßnahmen vergrößert und verstetigt werden, wie insbesondere die
Einführung der sog. Zinsschranke (§ 4h EStG 2002 n.F.), die Erweiterung der
gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestände und eben die Abschaffung der
Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer gemäß § 4 Abs. 5b EStG 2002 n.F. von den
Bemessungsgrundlagen der Einkommen- und Körperschaftsteuer als auch jener der
Gewerbesteuer selbst. Bei Personenunternehmen, die von der Absenkung des
Körperschaftsteuersatzes nicht profitierten, wurde das Abzugsverbot für die Gewerbesteuer
wiederum mit der Erhöhung des Anrechnungsfaktors der Gewerbesteuer auf die
Einkommensteuer von 1,8 auf 3,8 kompensiert, was ausweislich der Gesetzesbegründung
bei einem bundesweit durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz von 400 v.H. zu einer
vollständigen Entlastung der Personenunternehmen von der Gewerbesteuerschuld führen
sollte (BTDrucks 16/4841, S. 32).
15 Das Abzugsverbot für die Gewerbesteuer ist vom Gesetzgeber zudem damit begründet
worden, dass das bis dahin bestehende System der Unternehmensbesteuerung
unübersichtlich und reformbedürftig sei: Die Gewerbesteuer sei als Betriebsausgabe bei der
Bemessung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu berücksichtigen und mindere damit
auch ihre eigene Bemessungsgrundlage; zudem werde bei Personenunternehmen die
Gewerbesteuer pauschal auf die Einkommensteuerschuld angerechnet; insgesamt zeige
sich somit ein intransparentes Zusammenwirken der unterschiedlichen Steuern. Weiterhin
führe die Abzugsfähigkeit der Steuern untereinander dazu, dass die Einnahmenströme der
Gebietskörperschaften miteinander vermischt würden; dadurch werde eine genaue
Zurechnung der Steuerbelastung auf die verschiedenen Gebietskörperschaften erschwert.
Dies sei eine Folge des Betriebsausgabenabzugs, dessen Wirkung von der Höhe des
Körperschaftsteuersatzes abhänge; werde der Gewerbesteuerhebesatz erhöht, werde ein
Teil dieser kommunalen Steuererhöhung wiederum über den Betriebsausgabenabzug bei
der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf andere Gebietskörperschaften übertragen
(BTDrucks 16/4841, S. 30).
16 Mit den Neuregelungen werde die Transparenz der Besteuerung erhöht, weil die nominale
Belastung etwa bei Kapitalgesellschaften einfach durch Addition der nominalen Belastung
durch Gewerbesteuer einerseits und Körperschaftsteuer sowie Solidaritätszuschlag
andererseits ermittelt werden könne. Bei Personenunternehmen werde die entlastende
Wirkung der pauschalen Gewerbesteueranrechnung ebenfalls klarer; statt die
Gewerbesteuerschuld von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abzuziehen
und später auch noch in pauschaler Form von der Einkommensteuerschuld, gebe es nur
noch den pauschalierten, auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer begrenzten Abzug von
der Einkommensteuerschuld (BTDrucks 16/4841, S. 32).
17 cc) Die Abschaffung des Gewerbesteuerabzugs (auch) von der körperschaftsteuerlichen
Bemessungsgrundlage ist demnach Bestandteil einer Reform der
Unternehmensbesteuerung mit für den Steuerpflichtigen teilweise belastenden, teilweise
aber auch entlastenden Wirkungen. Soweit die Körperschaftsteuer betroffen ist, war
Hauptziel der Reform eine Herabsetzung des Steuersatzes um 40 v.H. bei gleichzeitiger
Vergrößerung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Zur Überzeugung des Senats ist der
Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen daran gehindert, im Rahmen eines solchen
steuerpolitischen Vorhabens einzelne betriebliche Aufwendungen unter Einschränkung des
objektiven Nettoprinzips bei der Bemessung der Körperschaftsteuer unbeachtet zu lassen.
Das gilt jedenfalls insoweit, als die betreffenden Aufwendungen --wie bei der Gewerbesteuer
grundsätzlich der Fall-- annähernd gleichmäßig bei allen Körperschaftsteuersubjekten
anfallen. Es kann insoweit nicht isoliert auf einen rein fiskalisch motivierten Einzelzweck des
Abzugsverbots abgestellt werden; vielmehr ist insoweit der Gesamtzusammenhang der
beabsichtigten Reform zu betrachten.
18 Soweit die Klägerin geltend macht, in ihrem Fall nehme die Gewerbesteuer wegen der
Hinzurechnungen von Pachtentgelten nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e des
Gewerbesteuergesetzes 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (GewStG
2002 n.F.) einen Umfang an, der durch die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes von
25 v.H. auf 15 v.H. nicht aufgefangen werde, ändert das nichts an der Bewertung der
Reformzwecke als sachliche Gründe für eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips.
Die Rechtfertigung setzt nicht voraus, dass die verschiedenen vorgesehenen
Kompensationswirkungen innerhalb der Gesamtreform in jedem Einzelfall vollständig zur
Geltung kommen und somit sämtliche Steuerpflichtigen nach der Reform nicht schlechter
dastehen als vorher. Der Gesetzgeber ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen
vielmehr grundsätzlich befugt, generalisierende, typisierende und pauschalierende
Regelungen zu treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen
Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (z.B. BVerfG-Beschluss vom
8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348). Ohnehin geht es im vorliegenden Verfahren
nicht um die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer als solche, sondern lediglich um die
fehlende Abzugsmöglichkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe bei der Ermittlung der
Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer.
19 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber das Abzugsverbot mit den beschriebenen
steuersystematischen Erwägungen begründet; auch diese sind --unabhängig von einer
steuerpolitischen Bewertung-- als sachlicher Grund geeignet, die Einschränkung des
objektiven Nettoprinzips zu rechtfertigen. Sie bieten insbesondere eine (von der Revision
vermisste) Begründung dafür, warum der Gesetzgeber ausgerechnet den Ausschluss des
Gewerbesteuerabzugs als Instrument zur Verbreiterung der steuerlichen
Bemessungsgrundlage ausgewählt hat.
20 dd) Die von der Revision geltend gemachten Zweifel an der folgerichtigen Ausgestaltung
des Abzugsverbots sind unbegründet.
21 Sie beruft sich zum einen auf eine Ungleichbehandlung zwischen einerseits
"pachtintensiven" Betrieben wie jenem der Klägerin, die aufgrund der
Hinzurechnungsbestimmungen für Pachtentgelte nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG
2002 n.F. verhältnismäßig mehr Gewerbesteuer zahlen und andererseits Betrieben mit
geringerem gewerbesteuerlichem Hinzurechnungspotential. Insoweit ist jedoch im Rahmen
des Abzugsverbots bei der Körperschaftsteuer eine Ungleichbehandlung der jeweiligen
Betriebsformen bezüglich der Höhe der Gewerbesteuer hinzunehmen, wenn die
Ungleichbehandlung schon bei der Bemessung der Gewerbesteuer selbst nicht zu einem
Verstoß gegen Art. 3 GG führt. Und dass der Senat --anders als das FG in seinem den
Gewerbesteuermessbescheid der Klägerin für das Streitjahr betreffenden
Normenkontrollersuchen an das BVerfG vom 29. Februar 2012 1 K 138/10 (EFG 2012, 960)-
- keine ernstlichen Zweifel daran hat, dass die Gewerbesteuer auch in Ansehung der durch
das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 veränderten Hinzurechnungstatbestände für
Mieten und Pachten nicht verfassungswidrig ist, hat er in seinem Beschluss in BFHE 238,
452, BStBl II 2013, 30 ausgeführt, auf den insoweit verwiesen wird.
22 Zum anderen hält die Revision eine Ungleichbehandlung von pachtintensiven
Körperschaften im Vergleich zu pachtintensiven Personenunternehmen für gegeben, weil
bei Körperschaften die aus der Anwendung des § 4 Abs. 5b EStG 2002 n.F. resultierende
Belastung nicht durch eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer --wie
sie § 35 EStG 2002 n.F. vorsieht-- kompensiert werde. Die erweiterten
Anrechnungsmöglichkeiten für Personenunternehmen nach § 35 EStG 2002 n.F. lassen sich
jedoch damit rechtfertigen, dass diese von der Herabsetzung der Körperschaftsteuer auf
15 v.H. durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 nicht profitieren. Ob die
Behauptung der Klägerin zutrifft, pachtintensive Körperschaften stünden nunmehr im
Hinblick auf die Berücksichtigung der Gewerbesteuern im Ergebnis schlechter da als
pachtintensive Personenunternehmen, kann offen bleiben. Denn Körperschaften einerseits
und Personenunternehmen (natürliche Personen und Mitunternehmerschaften) andererseits
unterliegen grundlegend verschiedenen Besteuerungskonzepten. Der Gesetzgeber ist
aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes nicht zu einer rechtsformneutralen
Ausgestaltung der Besteuerungsvorschriften verpflichtet (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE
116, 164; Senatsurteil vom 6. Oktober 2009 I R 39/09, BFH/NV 2010, 470; Senatsbeschluss
vom 15. Februar 2012 I B 97/11, BFHE 236, 458, BStBl II 2012, 697).
23 d) Soweit die Revision sich wegen der Höhe ihrer Gesamtsteuerbelastung auch auf eine
Verletzung des sog. subjektiven Nettoprinzips beruft, welches die Sicherstellung des
Existenzminimums erfordere, greift dieses für Kapitalgesellschaften nicht. Das subjektive
Nettoprinzip besagt, dass nur der Teil des Erwerbseinkommens, der für den
Steuerpflichtigen disponibel ist, der Einkommensteuer unterliegen darf, weshalb die
unvermeidbaren Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung und der Unterhalt der
Familienangehörigen von der Besteuerung freigestellt sein müssen (z.B. BVerfG-Beschluss
vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60; Hey in
Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 8 Rz 71 ff., m.w.N.). Dieser Gedanke ist indes auf die
Berücksichtigung unvermeidbarer Privataufwendungen zugeschnitten und lässt sich auf
Kapitalgesellschaften, die über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen (dazu z.B.
Senatsurteil vom 22. August 2007 I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961, m.w.N.),
nicht übertragen.
24 2. Der Senat hält auch keinen Verstoß des § 4 Abs. 5b EStG 2002 n.F. gegen die
verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG für gegeben. Der
Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG dürfte allerdings betroffen sein, weil die Gewährleistung
des Art. 14 Abs. 1 GG den Grundrechtsträger auch dann schützt, wenn Steuerpflichten --wie
im Körperschaftsteuerrecht-- an den Hinzuerwerb von Eigentum anknüpfen (BVerfG-
Beschluss vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Jedoch liegt in der
Regelung des § 4 Abs. 5b EStG 2002 n.F. aus den vorgenannten Gründen jedenfalls eine
verfassungsrechtlich zulässige Bestimmung der Schranken jenes Eigentumsrechts i.S. des
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
25 Soweit sich die Revision mit Blick auf die von ihr mit 79,8 v.H. des zu versteuernden
Einkommens bezifferte Gesamt-Steuerquote für das Streitjahr auf eine Verletzung des
Verhältnismäßigkeitsprinzips beruft ("Übermaßbesteuerung"), wäre hierfür --wie die Revision
selbst betont-- in erster Linie die Gewerbesteuer selbst, nicht aber die hier nur
verfahrensgegenständliche Körperschaftsteuer verantwortlich. Die Gesamtsteuerbelastung
würde sich durch den angestrebten Abzug der Gewerbesteuer von der
Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer nicht wesentlich ändern. Im Übrigen muss die
Möglichkeit, dass es in Sonderkonstellationen zu Übermaßbesteuerungen kommen kann,
nicht zwingend zur Verfassungswidrigkeit der betreffenden Steuergesetze führen; denkbar
wäre auch, dem im Wege eines Billigkeitserweises zu begegnen (vgl. zur Gewerbesteuer
Senatsbeschluss in BFHE 238, 452, BStBl II 2013, 30).