Urteil des BFH vom 19.11.2008

BFH: Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot durch Grundpfandrechtsgläubiger, Verwertung zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen, eigene mittel, wertsteigerung, rückzahlung, eigentümer

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 19.11.2008, II R 24/07
Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot durch Grundpfandrechtsgläubiger - Verwertung zum Nutzen der eigenen
wirtschaftlichen Interessen
Tatbestand
1
I. Die B-Bank (B), deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist, hatte dem Kaufmann S
ein Darlehen über 4,5 Mio. DM zur Errichtung eines Gebäudes, das bereits in 18 Wohnungseigentumsrechte aufgeteilt
war, gewährt. Das Darlehen war an allen Wohnungseigentumsrechten dinglich gesichert. Über das Vermögen des S
wurde Ende 1997 das Konkursverfahren eröffnet; die Eigentumswohnungen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht
vollständig fertig gestellt. Der Konkursverwalter gab das Gesamtobjekt aufgrund der Höhe der dinglichen Belastungen
frei.
2
Durch notariell beurkundete Erklärung vom 6. März 1998 bot S der B unwiderruflich und zunächst befristet bis zum 31.
Dezember 2002 den Abschluss eines Kaufvertrags über die neun noch in seinem Eigentum befindlichen
Eigentumswohnungen an. Das Angebot sollte auch von einer durch die B zu benennenden dritten Person zu einem
höheren als dem im Vertrag genannten Kaufpreis (2 000 DM/qm, insgesamt 1 390 540 DM) und auf einzelne
Eigentumswohnungen beschränkt angenommen werden können. Zur Sicherung der B oder der durch diese zu
benennenden Person sollte eine Auflassungsvormerkung eingetragen werden, die tatsächlich zugunsten der B
eingetragen wurde. Der Kaufpreisanspruch wurde --unabhängig davon, ob die B das Angebot selbst annehmen oder
durch Dritte annehmen lassen würde-- vorweg an die B abgetreten.
3
Im Zeitpunkt der Unterbreitung dieses Angebots befanden sich die Wohnungen noch im Zustand der Bebauung. Zur
Fertigstellung des Objekts hatte B für von April 1998 bis November 1999 dauernde Bauarbeiten insgesamt
umgerechnet 214 428,42 EUR aufgewendet. Darüber hinaus fielen Kosten für (fremde) Maklerprovisionen, die
Ablösung von Sicherungshypotheken und Nebenkosten an, sowie ab dem Jahre 1999 auch Hausverwalterkosten, die
ebenfalls von der B beglichen wurden.
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Am 1. Dezember 1998 schloss B mit den Eheleuten K einen notariell beurkundeten, als "Kaufvertrag" bezeichneten
Vertrag. Darin nahmen die Eheleute K als die von B Benannten das Angebot des S auf Abschluss eines Kaufvertrags
hinsichtlich der Wohnung Nr. 4 an. Der Kaufpreis für die 61 qm große Wohnung sollte 215 000 DM (3 525 DM/qm)
betragen. B trat ihre Rechte aus der Auflassungsvormerkung an die Eheleute K ab. Am 8. August 2000 erteilte die B
der X-Bank den Auftrag, die restlichen 8 Wohneinheiten zu vermitteln. Dabei wurde ein Preisrahmen von 3 000 bis 3
250 DM pro qm inklusive Vermittlungsgebühr vereinbart. Bis Mitte des Jahres 2002 gelang es der X-Bank, Käufer für
diese 8 Wohnungen zu finden.
5
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte die Rechtsstellung der B als die einer
Zwischenhändlerin i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und setzte gegen B
durch Bescheid vom 4. Mai 1999 für die gegenüber S erfolgte Benennung der Eheleute K als Grundstückserwerber
Grunderwerbsteuer --bemessen nach dem zwischenzeitlich festgestellten Grundstückswert-- fest. Der hiergegen
gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
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Die daraufhin erhobene Klage hatte das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang abgewiesen. Der erkennende
Senat hatte auf die Revision der B das klageabweisende Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das FG
zurückverwiesen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 2005 II R 30/03, BFH/NV 2005, 2050). Der Senat
hatte im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GrEStG ausgeführt, dass die Klägerin ihr Benennungsrecht nur dann in
Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen ausgenutzt haben könnte, wenn sie mit den Grundstückskäufern
Kreditgeschäfte bzw. anderweitige Zusatzgeschäfte angestrebt oder zumindest erhofft habe. Die Stellung als
Grundpfandgläubiger vermittele keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG, wenn die Verwertung nicht für
Rechnung des Gläubigers, sondern für Rechnung des Eigentümers (Schuldners) erfolge.
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Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1189
veröffentlichten Urteil wiederum ab. B habe aufgrund ihres Benennungsrechts uneingeschränkt über die Grundstücke
des S verfügen können. Die darin liegende Indizwirkung eines den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7
GrEStG erfüllenden Handelns der B in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen sei nicht ausgeräumt. Zwar habe
B ihre Rechtsstellung nicht dazu ausnutzen wollen, Finanzierungen zu vermitteln; sie bzw. die Klägerin hätten den
Kauf der Eheleute K nicht finanziert und auch kein Finanzierungsangebot unterbreitet. B habe aber wie ein
Grundstückshändler auf das Verkaufsobjekt selbst Einfluss genommen und ihr Benennungsrecht zu ihrem eigenen
wirtschaftlichen Vorteil ausgenutzt, indem sie auf die Fertigstellung des Bauobjekts hingewirkt, hierfür eigene Mittel
aufgewendet und insoweit auf eigene Rechnung gehandelt habe. Die dadurch erfolgte Wertsteigerung des Objekts
und ihre Realisierung sowie der Ersatz der nach der Freigabe der Eigentumsanlage von B aufgewendeten weiteren
Baukosten hätten der Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen gedient. Derartige Aktivitäten seien typisch für
einen Bauunternehmer bzw. Zwischenhändler oder Eigentümer eines Grundstücks. Auch der Tatbestand des § 1 Abs.
2 GrEStG sei erfüllt, weil B aufgrund der durch die Fertigstellung des Bauvorhabens erzielten Wertsteigerung und der
höheren Verkaufspreise wie ein Eigentümer an einem Teil des Substanzwerts des Grundstücks beteiligt gewesen sei.
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Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG, den Grunderwerbsteuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung
aufzuheben.
10 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des
angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG
hat zu Unrecht angenommen, B habe mit der Benennung der Eheleute K als Erwerber der Eigentumswohnung in
Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG gehandelt. Die Klägerin hat auch keine
Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) an dem Verkaufsobjekt erlangt.
12 1. Die vom FG im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen tragen nicht das von ihm gefundene Ergebnis, B
habe das Kaufangebot in einer den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GrEStG genügenden Weise zum
Nutzen ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet.
13 a) Nach dem die Zurückverweisung aussprechenden Urteil des Senats ist unter dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GrEStG
enthaltenen ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Verwertung des Kaufangebots zum Nutzen der eigenen
wirtschaftlichen Interessen die Möglichkeit zu verstehen, bei der Weitergabe des Grundstücks unter Ausnutzung der
Rechtsstellung als Benennungsberechtigter wirtschaftliche Vorteile aus dem Handel mit einem Grundstück zu ziehen.
Das allgemeine Interesse eines Grundpfandgläubigers an einem Mittelzufluss beim Schuldner allein reicht nicht aus,
um einen Grundstückshandel i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GrEStG zu bejahen.
14 b) Das FG hat seine Entscheidung zu Unrecht auf den Rechtssatz gestützt, wonach die dem Benennungsberechtigten
vertraglich eingeräumte uneingeschränkte Möglichkeit, das Grundstück zu seinem Vorteil weiterzugeben,
grundsätzlich ein Handeln in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen indiziert und der Benennungsberechtigte
für einen diese Indizwirkung ausschließenden Sachverhalt die Feststellungslast trägt (BFH-Urteile vom 22. Januar
1997 II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411; vom 18. Dezember 2002 II R 12/00, BFHE 201, 319, BStBl II 2003,
356). Diese Indizwirkung kommt nämlich Sachverhalten, in denen sich das wirtschaftliche Interesse des
benennungsberechtigten Grundpfandrechtsgläubigers von vornherein auf einen Mittelzufluss beim Schuldner zur
Bedienung eines möglichst großen Teils ausstehender Darlehensverbindlichkeiten beschränkt, nicht zu. In solchen
Fällen verbleibt es vielmehr hinsichtlich der die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GrEStG begründenden
Tatsachen bei der Feststellungslast des FA.
15 c) Nach den vom FG getroffenen Feststellungen hat B bei der Ausübung ihres Benennungsrechts nicht in Verfolgung
eigener wirtschaftlicher Interessen gehandelt.
16 aa) Die B hat keine Kreditgeschäfte mit den Grundstückskäufern angestrebt oder den Abschluss solcher Geschäfte
wenigstens erhofft. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass B aufgrund des
Kaufangebots etwa anderweitige Zusatzgeschäfte --so etwa durch den Ankauf der fraglichen Wohnungen und deren
spätere Veräußerung mit Gewinn-- erhofft oder angestrebt hat.
17 bb) Entgegen der Ansicht des FG hat B das Kaufangebot nicht deshalb zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen
Interessen verwertet, weil sie mit eigenen Mitteln die Fertigstellung des Objekts veranlasst und die dadurch bewirkte
Wertsteigerung auch durch die erzielten Kaufpreise realisiert hat.
18 Das FG hat nicht beachtet, dass das Interesse eines Grundpfandgläubigers, seine Forderungen auf Rückzahlung der
Kreditbeträge aus den bestehenden Darlehensverträgen zu realisieren, für einen Grundstückshandel i.S. des § 1 Abs.
1 Satz 1 Nr. 7 GrEStG nicht ausreicht. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Grundpfandrechtsgläubiger aus
eigenen Mitteln --und damit für ihn wirtschaftlich (zunächst) unvorteilhaft-- Baumaßnahmen an einem ansonsten nicht
oder nur eingeschränkt absetzbaren Objekt mit dem Ziel veranlasst, die wirtschaftliche Chance auf Rückzahlung der
ausgereichten Kreditbeträge zu erhöhen. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.
19 2. Entgegen der Auffassung des FG hat B auch keine Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) an dem Objekt erlangt.
Der Senat hat in seinem zurückverweisenden Urteil unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 27. Juli 1994 II R
67/91 (BFH/NV 1995, 269) ausgeführt, dass die Stellung als Grundpfandrechtsgläubiger keine Verwertungsbefugnis
i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG vermittelt, wenn die Verwertung nicht für Rechnung des Gläubigers, sondern für Rechnung
des Eigentümers (Schuldners) erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn der Grundpfandrechtsgläubiger mit eigenen Mitteln
die Fertigstellung des Objekts allein deshalb betreibt, um die wirtschaftliche Chance auf Rückzahlung der
ausgereichten Kreditbeträge zu erhöhen. Ob die Durchführung der auf Fertigstellung des Objekts gerichteten
Baumaßnahmen für Rechnung des Grundpfandrechtsgläubigers oder des Eigentümers (Schuldners) erfolgt, ist
insoweit unerheblich.
20 3. Nach alledem war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Auf der Grundlage der vom FG
getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat B im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Käuferbenennungsrechts
weder den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 noch den des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt. Der
Grunderwerbsteuerbescheid vom 4. Mai 1999 und die Einspruchsentscheidung vom 15. April 2002 waren daher
ebenfalls aufzuheben.