Urteil des BFH vom 06.06.2006

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BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 9.10.2008, VII B 3/08
Zum Nachweis des Jahresnutzungsgrades einer KWK-Anlage
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Landwirt und betreibt auf seinem Hof eine Kraft-Wärme-Kopplungs-
Anlage (KWK-Anlage). Antragsgemäß erteilte ihm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) die
Erlaubnis zur Verwendung von steuerbegünstigtem leichtem Heizöl. Anlässlich einer Neufassung der Erlaubnis am 7.
Juli 2004 gab das HZA dem Kläger auf, zur Feststellung des durchschnittlichen Jahresnutzungsgrades der KWK-
Anlage den Stand vorhandener Zähler und den Bestand an Heizöl zum 1. Tag eines jeden Monats durch
Anschreibungen aufzuzeichnen. Eine Ende August 2004 durchgeführte Prüfung des Betriebs durch einen Prüfer des
HZA führte zu dem Ergebnis, dass der Kläger keine schriftlichen Aufzeichnungen geführt hatte. Der Heizölzähler
verfügte nur über ein mechanisches Zählwerk, das beim Erreichen des Endzählerstandes wieder auf Null sprang.
2 Im Februar 2005 beantragte der Kläger für das Kalenderjahr 2004 eine Mineralölsteuervergütung nach § 25 Abs. 1 Satz
1 Nr. 5 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) in Höhe von insgesamt … EUR. Für die Zeiträume vor Juli 2004
enthielten die dabei vorgelegten Anschreibungen keine Angaben zum erzeugten Strom. Anschreibungen zur
produzierten Wärmemenge fehlten für das Jahr 2004 vollständig. Weiter gab der Kläger an, dass die KWK-Anlage nach
Angaben des Herstellers pro Stunde 80 kW Wärme und 50 kW Strom erzeuge. Seinen Berechnungen zufolge erreichte
die Anlage einen Jahresnutzungsgrad von 87,96 %.
3 Die begehrte Mineralölsteuervergütung lehnte das HZA mit Bescheid vom 6. Juni 2006 mit der Begründung ab, dass
der Jahresnutzungsrad lediglich 51,09 % betragen habe. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht
(FG) urteilte, dass der Kläger den geforderten Nachweis eines Jahresnutzungsgrades von mindestens 60 % nicht
geführt habe. Alle für die Ermittlung des Jahresnutzungsgrades bedeutsamen Messgrößen seien infolge der
unvollständigen Aufzeichnungen unbekannt geblieben und vom Kläger weder im Verwaltungsverfahren noch im
Klageverfahren präzise benannt worden. Weder die Menge der genutzten erzeugten mechanischen Energie, noch die
Menge der erzeugten thermischen Energie, noch die Summe der zugeführten Energie aus Mineralöl stünden fest.
Allein anhand der Herstellerangaben lasse sich der im Jahr 2004 tatsächlich erreichte Jahresnutzungsgrad nicht
ermitteln.
4 Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1 FGO).
Verfahrensfehlerhaft habe das FG den Beweisantrag über die Einholung eines Sachverständigengutachtens
übergangen. Für den Nachweis des Jahresnutzungsgrades genüge es, dass es sich bei der KWK-Anlage um eine in
sich geschlossene Anlage ohne Notkühler handle und sämtliche im Betrieb erzeugte Energie entweder zur
Stromerzeugung oder zu Heizzwecken tatsächlich genutzt werde. Durch eine Besichtigung der Anlage und
Berücksichtigung der Angaben des Herstellers hätte ein Sachverständiger einen Jahresnutzungsgrad von über 70 %
feststellen können, der bei dieser Anlage allein aus technischen Gründen nicht unterschritten werden könne. Eines
konkreten Nachweises der Mengen der jeweils erzeugten und genutzten Energien bedürfe es deshalb nicht.
Entscheidungsgründe
5 II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob das Vorbringen des Klägers den
Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, jedenfalls liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht
vor.
6 1. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das FG durch die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens nicht
gegen die ihm obliegende Pflicht zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verstoßen. Zwar hat das
Gericht nach § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, doch hängt der zumutbare Inhalt und die
gebotene Intensität der richterlichen Ermittlungen vom Vorbringen der Beteiligten ab. Eine gesteigerte
Mitwirkungspflicht trifft einen Steuerpflichtigen, der wie im Streitfall eine Steuerbegünstigung begehrt, die an bestimmte,
von ihm geltend zu machende und von ihm darzulegende Umstände oder Tatsachen anknüpft (Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juli 1976 IV A 1.75, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1977, 298).
7 Im Streitfall setzt die Anwendung des vom Kläger begehrten Vergütungssatzes nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG
1993 den Betrieb einer KWK-Anlage voraus, die einen Jahresnutzungsgrad von mindestens 60 % aufweist. Nach § 25
Abs. 3b MinöStG 1993 bestimmt sich der Jahresnutzungsgrad nach dem Quotienten aus der Summe der genutzten
erzeugten mechanischen und thermischen Energie in einem Kalenderjahr und der Summe der zugeführten Energie
aus Mineralöl in derselben Berichtszeitspanne. In seinem Antrag hat der Vergütungsberechtigte den Vergütungsbetrag
selbst zu berechnen und darüber hinaus alle Angaben zu machen, die für die Bemessung der Vergütung erforderlich
sind (§ 47 Abs. 2 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung). Hierzu gehören auch Angaben zur Berechnung des
Nutzungsgrades. Die Daten hat der Vergütungsberechtigte der Finanzbehörde in einer Weise zur Verfügung zu stellen,
die eine zuverlässige Überprüfung der Vergütungsvoraussetzungen ermöglicht. Dabei erstreckt sich die
Mitwirkungspflicht des Vergütungsberechtigten nicht nur auf das Verwaltungsverfahren, sondern auch auf das
Klageverfahren, mit dem er seinen Anspruch nach dem erfolglos angestrengten Einspruchsverfahren weiterverfolgt
(Beschluss des Bundesfinanzhof vom 2. Februar 2008 VII B 123/07, BFH/NV 2008, 993).
8 Aus der maßgeblichen Sicht des FG kam es für die Berechnung des Jahresnutzungsgrades entscheidend auf die
Menge der von der KWK-Anlage tatsächlich erzeugten mechanischen und thermischen Energie an. Ausdrücklich hat
das FG darauf hingewiesen, dass sich der Jahresnutzungsgrad einer KWK-Anlage nicht durch abstrakte Berechnungen
und Versuchsreihen des Herstellers nachweisen lässt und dass es nicht auf das technische Potential, sondern auf die
tatsächliche --und vom Begünstigten nachzuweisende-- Effizienz ankommt. Aus der Sicht des FG hätte die Einholung
eines Sachverständigengutachtens nur beim Vorliegen von gesicherten und ausreichenden Daten einen Sinn ergeben.
In Anbetracht der unzureichenden Angaben über die erforderlichen Messgrößen, auf denen ein Sachverständiger nach
Ansicht des FG sein Gutachten hätte stützen müssen, begegnet die mit der Entscheidung konkludent zum Ausdruck
gebrachte Ablehnung des Beweisantrages keinen rechtlichen Bedenken.
9 2. Sofern die Beschwerde vorbringt, dass es im Streitfall überhaupt keines Nachweises über die Mengen der erzeugten
und genutzten Energie bedürfe, wendet sie sich gegen die materiell-rechtliche Auffassung des FG, das eine solche
Berechnung zur Überprüfung der Vergütungsvoraussetzungen für notwendig erachtet und aufgrund dieser Annahme
die angefochtene Entscheidung des HZA bestätigt hat. Einen Verfahrensmangel vermag der Kläger mit diesem
Vorbringen jedenfalls nicht schlüssig darzulegen.