Urteil des BFH vom 17.12.2009

BFH: Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls, gesetzliche vermutung, rechtliches gehör, bereinigung, treuhänder, abtretung, entlastungsbeweis, urteilsbegründung, gefährdung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 17.12.2009, VII B 71/09
Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls
Tatbestand
1 I. Nachdem die Beklagte und Beschwerdegegnerin (die Steuerberaterkammer) Kenntnis erhalten hatte, dass im
Dezember 2005 über das Vermögen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) das Insolvenzverfahren eröffnet
worden war, widerrief sie mit Bescheid vom … deren Bestellung als Steuerberaterin wegen Vermögensverfalls (§ 46
Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--). Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.
Das FG urteilte, dass der Vermögensverfall der Klägerin wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu vermuten sei
und sich im Übrigen aus dem Gutachten sowie dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters ergebe, wonach bei zu
berücksichtigenden Verbindlichkeiten von mehr als … EUR keine zu verteilende Masse zu Verfügung stehe. Es habe
sich auch nicht feststellen lassen, dass trotz des Vermögensverfalls die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet
seien. Insoweit sei zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen, dass ihre Steuerschulden teilweise auf Schätzungen
beruhten, sie also in der Vergangenheit ihren steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen sei.
2 Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf sämtliche Zulassungsgründe des §
115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt
sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
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1. Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage, ob nach Ankündigung der
Restschuldbefreiung die Vermögensverhältnisse des Schuldners als geordnet anzusehen sind, so dass der gesetzlich
vermutete Vermögensverfall nicht mehr gegeben ist, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie sich anhand der
Rechtsprechung des beschließenden Senats beantworten lässt.
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Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wird ein Vermögensverfall des Steuerberaters u.a. dann vermutet, wenn ein
Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist. Es liegt daher auf der Hand und bedarf keiner weiteren
Erörterung, dass die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters nach der
Insolvenzordnung (InsO) eintretenden Rechtsfolgen nicht geeignet sein können, die Vermutung des
Vermögensverfalls zu widerlegen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass das Inkrafttreten der
InsO nichts an der gesetzlichen Grundentscheidung geändert hat, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben
dürfen soll, wer in geordneten Vermögensverhältnissen lebt (Senatsbeschlüsse vom 28. August 2003 VII B 79/02,
BFH/NV 2004, 90; vom 28. August 2003 VII B 159/02, BFH/NV 2004, 91; vom 4. März 2004 VII R 21/02, BFHE 204,
563, BStBl II 2004, 1016; Senatsurteil vom 30. März 2004 VII R 56/03, BFH/NV 2004, 1426). Allein die Möglichkeit, die
wirtschaftliche Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens,
insbesondere durch Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO), zu bereinigen, ist für das Vorliegen des
Widerrufstatbestands des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG unerheblich. Zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines
Insolvenzplans (§§ 235 ff. InsO) ist es ungewiss, ob das Ziel der Bereinigung der Vermögensverhältnisse erreicht
werden kann. Solange dies aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, sondern offen ist, ob die Bereinigung der
desolaten wirtschaftlichen Situation letztlich gelingen wird, kann von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen im
Sinne des StBerG und mithin von einer Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls nicht ausgegangen
werden (Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs --BGH-- für den Bereich der Bundesrechtsanwaltsordnung --BRAO--).
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Dass das FG im Streitfall die wegen des Insolvenzverfahrens bestehende gesetzliche Vermutung des
Vermögensverfalls als nicht widerlegt angesehen hat, steht daher im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des
beschließenden Senats und wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf, weshalb die Revision weder wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch zur Fortbildung des Rechts zuzulassen ist.
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2. Die ordnungsgemäße Erhebung einer Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und
abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten
Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen
(vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482, und vom 11.
September 2003 X B 103/02, BFH/NV 2004, 180). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht
gerecht.
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Darüber hinaus ist aber auch nicht erkennbar, dass das FG-Urteil von den seitens der Beschwerde angeführten
Entscheidungen abweicht. Die Ansicht der Klägerin, mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch das
Insolvenzgericht seien geordnete wirtschaftliche Verhältnisse wiederhergestellt, wird weder durch die angeführten
Senatsbeschlüsse noch durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2005 6 C 15.04 (BVerwGE
124, 110) oder die in der Beschwerde angegebenen Beschlüsse des BGH bestätigt. Insbesondere lag dem BGH-
Beschluss vom 7. Dezember 2004 AnwZ (B) 40/04 (Neue Juristische Wochenschrift 2005, 1271), aus dem die
Beschwerde zitiert, ein Fall der Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft zugrunde, in welchem das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts bereits aufgehoben worden war und deshalb --was der
BGH hervorhebt-- keine gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls mehr bestand, der betroffene Rechtsanwalt
also wieder frei über sein Vermögen verfügen durfte und im Rahmen der sog. Wohlverhaltensphase zur Erlangung
der Restschuldbefreiung seine pfändbaren Bezüge an einen Treuhänder abgetreten hatte und diese Abtretung auch
regelmäßig bediente.
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Dass solche Voraussetzungen auch im Streitfall vorliegen, hat das FG indes nicht festgestellt. Danach befand sich
nämlich die Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach wie vor im Insolvenzverfahren und sie tilgte auch
nicht ihre Verbindlichkeiten durch an den Treuhänder abgetretene Bezüge, sondern bezog --was nach dem
Beschwerdevorbringen weiterhin zutrifft-- öffentliche Sozialleistungen, weil durch die von ihr ausgeübte
steuerberatende Tätigkeit keine zum Lebensunterhalt ausreichenden Einkünfte erzielt wurden und werden. Wenn das
FG unter diesen Umständen die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls als nicht widerlegt angesehen hat, so
widerspricht dies nicht der BGH-Rechtsprechung für den Bereich der BRAO.
10 3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt. Das FG ist nicht verpflichtet, sich in der
Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich
davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (BFH-Beschluss
vom 18. Juni 2001 II B 129/00, BFH/NV 2001, 1292). Daher liegt in derartigen Fällen eine Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das FG
Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in
Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 19. November 2002 X B 78/01, BFH/NV 2003, 335, m.w.N.).
11 Hierfür ergibt das Beschwerdevorbringen im Streitfall jedoch nichts. Vielmehr findet sich --was auch die Beschwerde
einräumt-- das klägerische Vorbringen zu Einnahmen und Ausgaben sowie zur angekündigten Restschuldbefreiung
im FG-Urteil. Die Beschwerde rügt in Wahrheit lediglich, dass das FG dieses Vorbringen nicht im Sinne der Klägerin
gewürdigt hat. Das FG war auch nicht gehalten, auf das Vorbringen der Klägerin bezüglich der ihrer Ansicht nach
auszuschließenden Gefährdung von Mandanteninteressen näher einzugehen, da es nach seiner --insoweit
maßgeblichen-- Rechtsauffassung, die mit derjenigen des beschließenden Senats übereinstimmt, schon wegen der
festgestellten Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten den sog. Entlastungsbeweis als nicht erbracht angesehen
hat. Verfahrensmängel ergeben sich daraus nicht.