Urteil des BFH vom 13.05.2009

BFH: Kaskoversicherung für ein auch privat genutztes betriebliches Fahrzeug, Abzug der Prämien als Betriebsausgabe, anteil, aufteilung, versicherungsprämie, unfall, brand, sturm

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.5.2009, VIII R 57/07
Kaskoversicherung für ein auch privat genutztes betriebliches Fahrzeug - Abzug der Prämien als Betriebsausgabe -
Erfassung einer Versicherungsleistung nach Diebstahl des Fahrzeugs als Betriebseinnahme
Tatbestand
1
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Versicherungszahlung für ein gestohlenes Fahrzeug des
Sonderbetriebsvermögens in voller Höhe Betriebseinnahme ist.
2
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war von 1996 bis 2004 Partner einer 1992 gegründeten Anwaltssozietät. Mit
Eintritt in die Sozietät verpflichtete er sich, ihr seinen PKW entgeltlich zu überlassen; darüber wurde ein gesonderter
Nutzungsvertrag geschlossen. Den PKW erfasste die Sozietät im Rahmen der Ermittlung ihrer Einkünfte aus
selbständiger Arbeit als Sonderbetriebsvermögen des Klägers. Das im Oktober 2000 angeschaffte Fahrzeug wurde im
März 2001 aus dessen Privatgarage entwendet; zu diesem Zeitpunkt hatte es einen Buchwert von 113 147,13 DM.
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Der von der Kaskoversicherung für das Fahrzeug erstattete Betrag in Höhe von 144 010,35 DM wurde im Rahmen der
einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Sozietät für das Streitjahr 2001 nicht in voller Höhe als
Sonderbetriebseinnahme erfasst. Vielmehr wurde er in Höhe von 45 881,70 DM der nichtsteuerbaren Privatsphäre
des Klägers mit der Begründung zugerechnet, dieser Anteil (31,86 v.H. der gesamten Versicherungsleistung)
entspreche dem Anteil der Privatnutzung des Kraftfahrzeugs durch den Kläger und sei deshalb nicht bei dessen
Sonderbetriebseinnahmen zu berücksichtigen.
4
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Gewinn der Sozietät zunächst unter
Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß festgestellt hatte, erfasste er die Versicherungsleistung aufgrund einer
Außenprüfung durch Änderungsbescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns für das
Streitjahr in voller Höhe als Sonderbetriebseinnahme.
5
Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage des zwischenzeitlich aus der Sozietät
ausgeschiedenen Klägers wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008,
785 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
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Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts und trägt im Wesentlichen vor:
7
Das angefochtene Urteil stelle allein darauf ab, dass die Versicherungsleistung lediglich an die Stelle des zum
Betriebsvermögen gehörenden --gestohlenen-- Kraftfahrzeugs trete und deshalb als Betriebseinnahme zu erfassen
sei. Damit bleibe zu Unrecht unberücksichtigt, dass die Versicherungsleistung aufgrund eines Kasko-
Versicherungsvertrages erbracht worden sei und die insoweit gezahlten Versicherungsprämien nach Maßgabe des
Betriebsprüfungsberichts im Umfang des Anteils der privaten Kraftfahrzeugnutzung an dessen Gesamtnutzung nicht
als Betriebsausgabe abgezogen werden könnten.
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Der Bundesfinanzhof (BFH) habe die Frage, ob die von einer Kaskoversicherung für ein Wirtschaftsgut des
Betriebsvermögens geleistete Entschädigung auch im Umfang der nichtbetrieblichen Nutzung als Betriebseinnahme
zu erfassen ist, ausdrücklich in seinem Urteil IV R 31/02 vom 20. November 2003 (BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7)
offengelassen.
9
Mit dem Schrifttum sei in einem solchen Fall die Versicherungsleistung --entsprechend dem Verhältnis zwischen
betrieblicher und privater Nutzung-- in einen steuerbaren betrieblichen Teil (= Betriebseinnahme) und einen
nichtsteuerbaren Teil (= Privateinnahme) aufzuteilen, um eine andernfalls entstehende Doppelbesteuerung zu
vermeiden. Sie entstehe nämlich, wenn der auf den Anteil der privaten Nutzung entfallende Teil der
Versicherungsprämie nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden dürfe, andererseits aber der aufgrund der Prämie
erzielte Erstattungsbetrag in voller Höhe als Betriebseinnahme versteuert werden müsse. Diese Besonderheit
schließe es aus, die uneingeschränkte Erfassung der Versicherungsleistung als Betriebseinnahme mit dem Hinweis
auf die grundsätzlich zu trennende Beurteilung von privater Nutzung der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens
einerseits und der steuerlichen Erfassung ihrer Veräußerung andererseits zu begründen.
10 Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es das Jahr 2001 betrifft, und den
Feststellungsänderungsbescheid für 2001 vom 1. Juli 2004 dahin abzuändern, dass der Ansatz der
Sonderbetriebseinnahmen des Klägers um 45 881,70 DM (= 23 458,94 EUR) verringert wird.
11 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und hilfsweise, den Ansatz der
Sonderbetriebseinnahmen des Klägers lediglich um 9 101,45 DM (= 4 653,50 EUR) zu verringern.
Entscheidungsgründe
12 II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
13 Zu Recht hat das FG die streitige Versicherungsleistung für das im Sonderbetriebsvermögen des Klägers gehaltene
Kraftfahrzeug in voller Höhe den Sonderbetriebseinnahmen zugerechnet.
14 1. Wird ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens zerstört oder wie im Streitfall gestohlen, so stellen die zum
Ausgleich gezahlten Versicherungsleistungen grundsätzlich Betriebseinnahmen dar (BFH-Urteile vom 24. Mai 1989 I
R 213/85, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8, unter II.B.5.; in BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7). Diese betriebliche
Veranlassung der Einnahme wird nicht durch eine Nutzung des Fahrzeugs zu privaten Zwecken in Zweifel gezogen.
Denn das Parken vor dem Privathaus wie auch in der Betriebs- oder Privatgarage unterbricht nach ständiger
Rechtsprechung nicht den im Übrigen --hier unstreitigen-- betrieblichen Nutzungszusammenhang und kann deshalb
nicht dem Bereich der privaten Nutzung zugerechnet werden (BFH-Urteile in BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7; vom 18.
April 2007 XI R 60/04, BFHE 218, 56, BStBl II 2007, 762, m.w.N.).
15 2. Die Versicherungsleistung ist nicht nach Maßgabe des Verhältnisses zwischen betrieblicher und privater Nutzung in
Betriebseinnahmen einerseits und Privateinnahmen andererseits aufzuteilen.
16 a) Allerdings wird im Schrifttum eine solche Aufteilung gefordert (vgl. z.B. Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, §
4 Rz E 762; Schmidt/Heinicke, EStG, 28. Aufl., § 4 Rz 274; Tipke, Steuer und Wirtschaft 1979, 193, 202; a.A.: Blümich/
Wied, EStG, KStG, GewStG, § 4 EStG Rz 403 ff.; Meurer, Betriebs-Berater 2002, 503, 505; Scheidel, Deutsches
Steuerrecht 2000, 1890, 1893; Valentin, EFG 2002, 1287).
17 b) Gegen eine solche Aufteilung spricht indessen, dass die Kaskoversicherung für das entwendete Fahrzeug
ausschließlich ein Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens betrifft und der Versicherungsfall --die Entwendung
des Fahrzeugs-- nach den Ausführungen zu 1. betrieblich veranlasst war.
18 Für die ausschließliche Erfassung der Versicherungsleistung als Betriebseinnahme spricht des Weiteren, dass solche
Einnahmen nach ständiger Rechtsprechung des BFH entsprechend der Art des versicherten Risikos zuzuordnen sind.
Bezieht sich die Versicherung auf ein betriebsbedingtes und im Schadensfall verwirklichtes Risiko, führt sie zu
Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen. Ist dagegen ein außerbetriebliches Risiko versichert, können Ausgaben
allenfalls als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden,
während die Einnahmen (die Versicherungsleistung) nicht steuerbar sind (BFH-Urteile vom 6. Februar 1992 IV R
30/91, BFHE 167, 366, BStBl II 1992, 653; vom 26. August 1993 IV R 35/92, BFH/NV 1994, 306).
19 Gefahren, die darin bestehen, dass betrieblich genutzte Gegenstände durch Unfall, Brand, Sturm, Wassereinbruch
oder ähnliche Ereignisse zerstört, beschädigt oder wie hier durch Diebstahl entzogen werden, stellen betriebliche
Risiken dar (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juli 1968 I 224/65, BFHE 93, 233, BStBl II 1968, 737; vom 9. Dezember 1982 IV
R 54/80, BFHE 137, 453, BStBl II 1983, 371; zur betrieblichen Veranlassung von Kaskoversicherungen und der
Vereinnahmung von Versicherungsleistungen durch ein ausschließlich betriebliches Ereignis Meurer in Lademann,
EStG, § 4 Rz 432, 656; entsprechend zu Überschusseinkünften Claßen in Lademann, a.a.O., § 9 Rz 68).
20 c) Dass die vom Kläger abgeschlossene Kaskoversicherung auch das Risiko eines Diebstahls im Zusammenhang mit
einer Privatnutzung abdeckte, rechtfertigt im Streitfall keine andere Entscheidung, weil sich ein solches Risiko hier
nicht verwirklicht hat (weitergehend BFH-Urteil in BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8 zur Zurechnung der Kasko-
Versicherungsleistung für ein bei Privatnutzung entwendetes Kraftfahrzeug allein aufgrund seiner Eigenschaft als
Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens; offengelassen insoweit durch BFH-Urteil in BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7 mit
Nachweisen der ablehnenden Auffassungen im Schrifttum; vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 15. Dezember 1977 IV R
78/74, BFHE 124, 185, BStBl II 1978, 212).
21 3. Nach diesen Grundsätzen ist die streitige Versicherungsleistung zu Recht als Betriebseinnahme erfasst worden,
weil sie unstreitig durch ein betrieblich veranlasstes Schadensereignis ausgelöst wurde und das Risiko eines solchen
Schadens Gegenstand des Versicherungsvertrages (Sachversicherung gegen den Untergang oder Verlust eines
Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens) war.
22 4. Obwohl diese Versicherungsleistung in vollem Umfang als Betriebseinnahme zu beurteilen ist, hat das FA zu Recht
den Sonderbetriebsausgabenabzug für die Versicherungsbeiträge um den Anteil der Privatnutzung gekürzt.
23 Denn auch die Veranlassung der Versicherungsprämien richtet sich nach der Art des versicherten Risikos. Danach
kann die Versicherungsprämie nur in dem Umfang als Betriebausgabe abgezogen werden, in dem sie ein
betriebliches Risiko abdeckt. Im Streitfall waren die Versicherungsprämien dementsprechend aufzuteilen, weil die
Kaskoversicherung auch private Risiken abdeckte.
24 Die Bemessung dieses Teils durch das FG auf der Grundlage der entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des
FA ist nach § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend, nachdem der Kläger dagegen im Revisionsverfahren keine
Verfahrensrügen erhoben hat.