Urteil des BFH vom 03.07.2009

BFH: Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls, entlastungsbeweis, beratungsstelle, kontrolle, gefährdung, rechtseinheit, gesellschafter, leiter

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 3.7.2009, VII B 258/08
Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls
Tatbestand
1 I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner
Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--)
durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) als unbegründet abgewiesen.
Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet und die daraus folgende Vermutung des
Vermögensverfalls vom Kläger nicht widerlegt worden sei. Des Weiteren habe sich nicht feststellen lassen, dass eine
Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall des Klägers ausgeschlossen sei. Nach dem
Vertrag mit der Steuerberatungsgesellschaft habe der Kläger die eigenverantwortliche Leitung einer Beratungsstelle
inne; von einem nur "untergeordneten Anstellungsverhältnis" --wie der Kläger vorgebe-- könne daher nicht
ausgegangen werden. Sein Vorbringen zu hinreichenden Kontrollmöglichkeiten seitens der
Steuerberatungsgesellschaft sei völlig unsubstantiiert geblieben.
2 Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er sinngemäß auf die Zulassungsgründe
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs.
2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
3 II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat die Voraussetzungen für keinen der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten
Zulassungsgründe schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
4 1. Die im Zusammenhang mit dem sog. Entlastungsbeweis stehenden Rechtsfragen sind geklärt. Bei einem
Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei
denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des
Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber
gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen ("es sei denn") ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der
Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für
diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt (Senatsurteil vom 22. September
1992 VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; Senatsbeschluss vom 8. Februar 2000 VII B 245/99, BFH/NV
2000, 992). Erforderlich ist ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit
die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der
Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (Senatsurteil vom
6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 741; Senatsbeschluss vom 4. März
2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis
gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse
des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je
nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von
Auftraggeberinteressen sprechen können; diese Tatsachenwürdigung kann revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft
werden, ob das FG von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen, seine Entscheidung insoweit
nachvollziehbar begründet und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist
(ständige Rechtsprechung, Senatsurteile in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203, und in HFR 2000, 741;
Senatsbeschlüsse vom 28. August 2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90, und in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016).
5 Zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätte die Beschwerde
eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den
betreffenden Fragen im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür
substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits
höchstrichterlich beantworteten Fragen umstritten sind, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang
nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die
höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985,
m.w.N.).
6 Diesen Anforderungen wird die Beschwerde jedoch nicht gerecht. Sie vertritt lediglich die Ansicht, dass der Kläger den
Entlastungsbeweis erbracht habe, und würdigt das diesbezügliche klägerische Vorbringen anders, als es das FG getan
hat, das ins Einzelne gehende Ausführungen dazu vermisst hat, welcher Berufsträger in welcher Weise konkret die
Tätigkeit des Klägers in der Beratungsstelle effektiv kontrollieren könne. Auch soweit die Beschwerde bemängelt, dass
das FG eine Kontrolle der Tätigkeit des Klägers durch einen Berufsträger gefordert habe, wird keine klärungsbedürftige
Rechtsfrage bezeichnet. Es entspricht der Rechtsprechung des beschließenden Senats, dass vertragliche
Beschränkungen und Verpflichtungen des angestellten Steuerberaters den Entlastungsbeweis nur erbringen können,
wenn ihre Einhaltung vom Arbeitgeber wirksam kontrolliert werden kann und auch kontrolliert wird (Senatsurteil vom 4.
Dezember 2007 VII R 64/06, BFHE 220, 558, BStBl II 2008, 401). Daher ist es rechtlich nicht zu beanstanden, sondern
eine mögliche tatsächliche Würdigung durch den Tatrichter, wenn das FG eine Kontrolle der Einhaltung der
arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers durch einen Gesellschafter der Steuerberatungsgesellschaft, der nicht
Steuerberater ist, für den Entlastungsbeweis nicht hat ausreichen lassen. Im Übrigen hat das FG seine Würdigung auch
nicht allein auf den Gesichtspunkt der kontrollierenden Person, sondern auch auf das dem Kläger eingeräumte
alleinige Zeichnungsrecht als Leiter der Beratungsstelle sowie auf den insoweit fehlenden substantiierten Klägervortrag
zu effektiven Kontrollmechanismen gestützt.
7 2. Die dargestellten Rechtsgrundsätze entsprechen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hinsichtlich
des von einem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung
zu führenden Entlastungsbeweises. Auch der BGH beurteilt die Frage, ob der Entlastungsbeweis geführt ist, aufgrund
einer Gesamtwürdigung aller Umstände (vgl. BGH-Beschlüsse vom 18. Oktober 2004 AnwZ (B) 43/03, Neue Juristische
Wochenschrift --NJW-- 2005, 511; vom 25. Juni 2007 AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924).
8 Dementsprechend gelingt es der Beschwerde nicht --was zur schlüssigen Darlegung des Zulassungsgrundes der
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich gewesen wäre--, abstrakte Rechtssätze des
vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der angeführten Divergenzentscheidung(en) des BGH so genau zu
bezeichnen und gegenüberzustellen, dass eine Abweichung erkennbar wird. Sie greift lediglich einzelne
Gesichtspunkte aus einem BGH-Beschluss heraus, welche der BGH zu Gunsten des betroffenen Rechtsanwalts
gewürdigt hat, und meint, dass diese auch auf den Kläger zuträfen. Wenn aber der BGH in einem zu entscheidenden
Einzelfall eines Rechtsanwalts im Rahmen der Gesamtwürdigung bestimmte einzelne Umstände zu dessen Gunsten
berücksichtigt, so stellt es keine Abweichung von dieser Entscheidung dar und wirft auch keine grundsätzlich
klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf, wenn in einem anderen Fall diesen Umständen bei der Gesamtwürdigung ein
geringeres Gewicht beigemessen wird und andere Umstände in den Vordergrund rücken.