Urteil des BFH vom 25.11.2003

Unzulässige Klageänderung im Revisionsverfahren und Auslegung des Einspruchs gegen einen Sammelbescheid - Rentenversicherungsbeiträge für Streitjahre vor 2005 als Sonderausgaben

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 11.2.2009, X R 51/06
Unzulässige Klageänderung im Revisionsverfahren und Auslegung des Einspruchs gegen einen Sammelbescheid -
Rentenversicherungsbeiträge für Streitjahre vor 2005 als Sonderausgaben
Tatbestand
1
I. Die im Streitjahr 2002 zusammen veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhoben gegen den
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr Einspruch. Im Schriftsatz zur Einspruchseinlegung vom 25. November
2003 bezogen sich die früheren Bevollmächtigten der Kläger auf die "Einkommensteuer 2002" und führten aus, der
Einspruch richte sich gegen die Höhe der Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, die
nicht vollständig anerkannt worden seien.
2
In der Einspruchsentscheidung half der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) dem Begehren nur
teilweise ab. Die Kläger erhoben mit Schriftsatz vom 5. Juli 2004 Klage. Im Rubrum des Schriftsatzes wurde als
Gegenstand "wegen Einkommensteuer 2002" angeführt.
3
In einem Schreiben der früheren Bevollmächtigten an das Finanzgericht (FG) vom 10. August 2005 teilten diese mit,
zwischen den Beteiligten sei eine tatsächliche Verständigung getroffen worden, die zum Abzug weiterer
Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit führe. Es heißt in diesem
Schreiben, die Kläger wollten im Hinblick auf ein Musterverfahren gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags
"ihren bisherigen Klageantrag diesbezüglich erweitern".
4
Das FA erließ unter dem 13. September 2005 einen Änderungsbescheid und erklärte den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt. Die Steuer wurde nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig
festgesetzt, unter anderem hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10
Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als
vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG.
5
Die Kläger erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt, sondern rügten unter Hinweis auf ein beim
FG Münster anhängiges Musterverfahren (Az. 12 K 6263/03 E) die Verfassungswidrigkeit der Festsetzung des
Solidaritätszuschlags. Der Vorläufigkeitsvermerk des Änderungsbescheids decke ihr Rechtsschutzinteresse nicht ab,
weil er sich nicht auf die einfachgesetzliche Auslegungsfrage erstrecke, ob Beiträge zu Rentenversicherungen nach
Einführung des Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427) als Werbungskosten statt als
Sonderausgaben zu behandeln seien, sondern nur die Frage einer Vereinbarkeit dieser Gesetzesauslegung mit
höherrangigem Recht erfasse (Hinweis auf Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. August 2005 IV A
7 - S 0338 - 81/05, BStBl I 2005, 843, und vom 4. Oktober 2005 IV A 7 - S 0338 - 109/05, Deutsches Steuerrecht 2005,
1901).
6
In der mündlichen Verhandlung beim FG beantragten die Kläger, das Verfahren bis zum Abschluss des
Musterverfahrens auszusetzen, hilfsweise die Festsetzung des Solidaritätszuschlags im Änderungsbescheid vom 13.
September 2005 aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von
Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften vorläufig
festzusetzen.
7
Das FG wies die Klage durch Prozessurteil des Einzelrichters ab. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der
Finanzgerichte 2007, 1187 veröffentlicht. Die Aussetzung des Verfahrens sei nicht geboten, weil das angeführte
Musterverfahren zum Solidaritätszuschlag für den Streitfall nicht vorgreiflich sei. Die Klage sei im Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung nicht mehr zulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nach Erlass des
Änderungsbescheids im Klageverfahren entfallen sei. Der Klageantrag führe zu einer unzulässigen Klageänderung
gemäß § 67 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da die Klageerweiterung erst nach Ablauf der Klagefrist vorgenommen
worden sei. Es fehle auch die Durchführung des Vorverfahrens für das geänderte Klagebegehren.
8
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger. Einspruch und Klage hätten sich gegen den gesamten
Einkommensteuerbescheid und damit auch gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags gerichtet. Das FG habe
zu Unrecht das Klageverfahren nicht ausgesetzt. Das Musterverfahren sei vorgreiflich, weil die Verfassungsmäßigkeit
der Erhebung des Solidaritätszuschlags im Rahmen der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1708/06 beim
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geprüft werde, welche sich gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH)
vom 28. Juni 2006 VII B 324/05 (BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692) richte, der nach dem vorgreiflichen Verfahren
beim FG Münster (12 K 6263/03 E) ergangen sei. Das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht wegen der tatsächlichen
Verständigung und deren Umsetzung im Änderungsbescheid vom 13. September 2005 entfallen. Die Ergänzung des
Klägervortrags sei eine zulässige Klageerweiterung gemäß § 155 FGO i.V.m. § 264 Nr. 1 und Nr. 2 der
Zivilprozessordnung.
9
Erstmals im Revisionsverfahren führen die Kläger aus, bei der Berechnung des Vorwegabzugs sei der Gesamtbetrag
von 6 136 EUR zu Unrecht um die Einkünfte des Klägers gekürzt worden, obwohl die Klägerin im Streitjahr keine
Einkünfte erzielt habe. Es komme nur eine Kürzung in Höhe von 3 068 EUR in Betracht.
10 Die Kläger beantragen,
11 das Urteil des FG Münster vom 18. November 2005 aufzuheben, die Festsetzung des Solidaritätszuschlags im
Einkommensteuerbescheid vom 13. September 2005 aufzuheben und unter Berücksichtigung der tatsächlichen
Verständigung vom 10. August 2005 und der von den Klägern gezahlten Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten die Einkommensteuer 2002 auf 103 578 EUR
herabzusetzen.
12 Das FA beantragt,
13 die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
14 Die Auslegung der Einspruchsschrift ergebe, dass die Festsetzung des Solidaritätszuschlags nicht angefochten
worden sei. Eine Auslegungsregel, dass bei Anfechtung eines Steuerbescheids stets auch die Festsetzung des
Solidaritätszuschlags angefochten werde, existiere nicht und entspreche nicht der Rechtspraxis. Die Festsetzung des
Solidaritätszuschlags sei bestandskräftig geworden, so dass die Aussetzung des Klageverfahrens nicht geboten
gewesen sei. Auch sei kein Vorverfahren durchgeführt worden. Das FG habe zutreffend das Rechtsschutzbedürfnis
verneint.
Entscheidungsgründe
15 II. Die Revision hat keinen Erfolg und wird deshalb als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).
16 1. Unzulässig ist der erstmals im Revisionsverfahren gestellte Antrag der Kläger, die Einkommensteuer 2002 auf 103
578 EUR herabzusetzen, weil die Rentenversicherungsbeiträge als vorweggenommene Werbungskosten bei den
sonstigen Einkünften abzuziehen und ein Vorwegabzug gemäß § 10 Abs. 3 EStG nur in Höhe von 3 068 EUR
vorzunehmen sei. Dieser Antrag führt zu einer unzulässigen Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 123 Abs. 1
FGO).
17 a) Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO sind Klageänderungen im Revisionsverfahren unzulässig. Der Übergang von
einer Anfechtungs- zu einer Verpflichtungsklage ist grundsätzlich eine Klageänderung gemäß § 67 FGO (vgl. BFH-
Entscheidungen vom 19. Mai 1972 III R 138/68, BFHE 106, 8, BStBl II 1972, 703 zum Übergang von einer
Anfechtungsklage gegen einen Vermögensteuerbescheid zu einer Verpflichtungsklage auf Änderung eines
Einheitswertbescheids; vom 23. März 1994 I B 170/93, BFH/NV 1995, 36 zum Übergang von einer Anfechtungsklage
gegen einen Steuerbescheid zu einer Verpflichtungsklage auf Festsetzung der Einkommensteuer aus
Billigkeitsgründen; vom 19. Mai 2004 III R 35/02, BFH/NV 2005, 60 zum Übergang von einer Anfechtungsklage gegen
einen Zusammenveranlagungsbescheid zu einer Verpflichtungsklage auf Durchführung der getrennten Veranlagung;
zu einem Ausnahmefall BFH-Urteil vom 9. August 1989 II R 145/86, BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981; Stöcker in
Beermann/Gosch, FGO § 67 Rz 21).
18 b) Dies gilt auch für die im Streitfall vorliegende umgekehrte Konstellation des Übergangs von einem Verpflichtungs-
zu einem Anfechtungsbegehren.
19 aa) Die Kläger haben im FG-Verfahren beantragt, den Vorläufigkeitsvermerk zum Änderungsbescheid vom 13.
September 2005 wegen der Nichtabziehbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen auf die Frage der Auslegung und
Anwendung des einfachen Gesetzesrechts zu erweitern. Die Klage auf Erlass oder Erweiterung eines
Vorläufigkeitsvermerks ist eine Verpflichtungsklage (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 165 AO Rz 35). Im Revisionsverfahren haben sie die endgültige Herabsetzung der
Einkommensteuer beantragt. Hierin liegt der Übergang von einer Verpflichtungs- zu einer Anfechtungsklage.
20 bb) Zwar ist der Vorläufigkeitsvermerk eine unselbstständige Nebenbestimmung zum Einkommensteuerbescheid
(Senatsurteil vom 25. Oktober 1989 X R 109/87, BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278). Der Vorläufigkeitsvermerk betrifft
unmittelbar den Inhalt (Regelungsgehalt) des Steuerbescheids, dem er beigefügt ist, weil er eine Aussage über die
Verbindlichkeit und Endgültigkeit der Steuerfestsetzung trifft. Dies hat zur Folge, dass ein Streit um die Beifügung oder
Erweiterung eines Vorläufigkeitsvermerks die Rechtmäßigkeit der gesamten Steuerfestsetzung betrifft und demzufolge
bei Streitigkeiten nicht etwa der Vorläufigkeitsvermerk als Verwaltungsakt, sondern der Einkommensteuerbescheid
insgesamt Verfahrensgegenstand ist.
21 Dennoch ist der Übergang vom ursprünglichen Antrag im Klageverfahren, einen Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern,
zum Antrag, die Einkommensteuer im Revisionsverfahren herabzusetzen, eine unzulässige Klageänderung i.S. der §§
67, 123 FGO. Keine Klageänderung läge vor, wenn es sich bei dem Antrag des Klägers um die rein betragsmäßige
Erweiterung oder Herabsetzung des Begehrens, die Einkommensteuerfestsetzung zu ändern oder um die
Erweiterung oder Beschränkung des Begehrens, eine weitere Besteuerungsgrundlage anzugreifen oder den Angriff
hiergegen fallen zu lassen, handeln würde (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 67 Rz 7; Tipke in
Tipke/ Kruse, a.a.O., § 67 FGO Rz 3; Stöcker in Beermann/Gosch, a.a.O., § 67 Rz 28-37). Der Antrag der Kläger, einen
Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, stellt aber ein davon zu unterscheidendes Klageziel dar, selbst wenn hierzu auch
die Einkommensteuerfestsetzung als solche anzufechten ist. Denn die Erweiterung des Vorläufigkeitsvermerks ist ein
"aliud" im Vergleich zu einer Herabsetzung der Steuerfestsetzung. Mit der Ermessensentscheidung, die Steuer
vorläufig festzusetzen, wird die Bestandskraft punktuell hinausgeschoben. Der Antrag, die Steuer auf einen
bestimmten Betrag herabzusetzen, ist eine gebundene Entscheidung, die auf eine endgültige Steuerfestsetzung
gerichtet ist.
22 cc) Eine Änderung des Klagebegehrens ist mit den Grundsätzen des Revisionsrechts unvereinbar. Das Wesen des
Revisionsverfahrens besteht darin, die Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zu überprüfen. Eine solche
Entscheidung liegt aber nur insoweit vor, als sie durch den Klageantrag angestrebt war. Über ein Begehren, das --wie
hier-- erstmals im Revisionsverfahren erhoben wird, ist gerichtlich noch nicht entschieden, so dass es insoweit an
einem Gegenstand der revisionsrichterlichen Nachprüfung fehlt (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile vom 4.
April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522; vom 21. April 1983 IV R 217/82, BFHE 138, 292, BStBl II
1983, 532; vom 25. August 1993 XI R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23; vom 19. Oktober 2006 III R 6/05, BFHE
215, 222, BStBl II 2007, 301).
23 2. Die Revision hinsichtlich des Solidaritätszuschlags ist zurückzuweisen.
24 a) Die Annahme des FG, der von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen den "Einkommensteuerbescheid
2002" eingelegte Einspruch vom 25. November 2003 habe sich ausschließlich gegen die damalige
Einkommensteuerfestsetzung gerichtet, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
25 aa) Die Auslegung eines Einspruchs ist Gegenstand der vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, an die
das Revisionsgericht gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit im Revisionsverfahren keine zulässigen und
begründeten Revisionsrügen erhoben werden. Das Revisionsgericht kann die Auslegung durch das FG nur daraufhin
überprüfen, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteil vom 18. Januar 2007 IV R 35/04, BFH/NV 2007, 1509; vgl. Gräber/Ruban,
a.a.O., § 118 Rz 48). Revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbar ist indes, ob ein Einspruch
auslegungsbedürftig ist. Hieran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat
(vgl. BFH-Urteile vom 28. November 2001 I R 93/00, BFH/NV 2002, 613; vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998,
6; vom 8. Mai 2008 VI R 12/05, BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116).
26 Fehlt es hingegen bei einer Einspruchsschrift an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des tatsächlich
Gewollten, ist der wirkliche Wille des Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner Erklärungen zu ermitteln. Dabei ist
grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der
angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 8.
Mai 2007 X B 43/06, BFH/NV 2007, 1499; vom 24. Juli 2006 IX B 208/05, BFH/NV 2006, 2269; vom 19. Juli 2005 XI B
206/04, BFH/NV 2006, 68; vom 27. Mai 2004 IV R 48/02, BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964; in BFHE 222, 196, BStBl II
2009, 116). Dies gilt grundsätzlich auch für Erklärungen rechtskundiger Personen (vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom
24. August 2006 XI B 149/05, BFH/NV 2006, 2035; vom 6. Juli 2005 XI B 45/03, BFH/NV 2005, 2029; in BFHE 222,
196, BStBl II 2009, 116).
27 bb) Der mit dem Einspruch angefochtene Bescheid vom 30. Oktober 2003 über Einkommensteuer,
Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ist ein sog. Sammelbescheid. Alle Steuerfestsetzungen stehen hierin
selbstständig nebeneinander und sind lediglich in einem Bescheid verbunden. Die Steuerfestsetzungen können je
nach Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unabhängig voneinander angefochten werden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV
2007, 1509; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 347 AO Rz 77). Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 des
Solidaritätszuschlaggesetzes (SolzG) können mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag weder die
Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Die
Einkommensteuerfestsetzung ist Grundlagenbescheid für die Höhe des Solidaritätszuschlags (§ 1 Abs. 5 Satz 2
SolzG). Die Anfechtung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags aus verfassungsrechtlichen Gründen muss sich
hingegen gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags selbst richten (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 213, 573,
BStBl II 2006, 692).
28 cc) Ausgehend von dieser Sachlage ist die vom FG vorgenommene Auslegung, der mit Schreiben vom 25. November
2003 eingelegte Einspruch sei nicht auslegungsbedürftig und habe sich ausschließlich gegen die Festsetzung der
Einkommensteuer und nicht gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags gerichtet, nicht zu beanstanden.
29 Der VI. Senat hat mit Urteil in BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116 für die Frage der Auslegungsbedürftigkeit des
Einspruchs gegen einen Sammelbescheid entscheidend darauf abgestellt, auf welche Beschwer die Begründung des
Einspruchs gestützt wird. Die Auslegungsbedürftigkeit folgt hiernach nicht schon daraus, dass der Einspruch sich
gegen einen Sammelbescheid richtet und theoretisch alle darin enthaltenen Festsetzungen angefochten sein
könnten. Ausgehend von diesem Maßstab, dem der Senat folgt, hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise entschieden, dass der Einspruch vom 25. November 2003 nicht auslegungsbedürftig war. Die
Kläger haben damals zur Begründung vorgetragen, ihr Einspruchsbegehren sei auf die Anerkennung weiterer
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gerichtet und nicht zu erkennen gegeben, dass
sie die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für verfassungswidrig halten und dessen Festsetzung angreifen wollen.
Für den damaligen Willen der Kläger, mit dem Einspruch vom 25. November 2003 nur die
Einkommensteuerfestsetzung anfechten zu wollen, spricht im Übrigen der weitere Geschehensablauf. Die Anfechtung
der Festsetzung des Solidaritätszuschlags wurde erstmals im Schreiben der früheren Bevollmächtigten vom 10.
August 2005 angekündigt mit der Erklärung, der "bisherige" Klageantrag werde erweitert.
30 dd) Die Festsetzung des Solidaritätszuschlags dem Grunde nach war jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits
bestandskräftig (§ 351 Abs. 1 AO i.V.m. § 42 FGO).
31 b) Das FG hat demzufolge zutreffend das Verfahren betreffend Einkommensteuer nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt,
weil das Musterverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags nicht vorgreiflich war. Aufgrund der
eingetretenen Bestandskraft konnte sich der Ausgang des Musterverfahrens nicht mehr auf das Klageverfahren
auswirken (Gräber/Koch, a.a.O., § 74 Rz 12, m.w.N.).
32 c) Zutreffend sind auch die Ausführungen des FG zur Unzulässigkeit der Klageänderung. Die Kläger haben erstmals
vor dem FG neben der Einkommensteuerfestsetzung nach Ergehen des Änderungsbescheids unter dem 13.
September 2005 die Festsetzung des Solidaritätszuschlags dem Grunde nach angefochten. Hierin liegt die erstmalige
Anfechtung einer weiteren selbstständigen Festsetzung dieses Sammelbescheids im Klageverfahren. Eine
Klageänderung gemäß § 67 FGO liegt auch vor, wenn im Wege der Klagehäufung gemäß § 43 FGO ein weiterer
Klagegegenstand in das Verfahren eingeführt wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981; Gräber/von
Groll, a.a.O., § 67 Rz 7; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 67 FGO Rz 2; Stöcker in Beermann/Gosch, a.a.O., § 67 Rz 17).
Die Klageänderung war unzulässig, weil zu diesem Zeitpunkt die Klagefrist bereits abgelaufen war (vgl. zu dieser
Einschränkung Gräber/von Groll, a.a.O., § 67 Rz 11). Es kommt demnach auf die weitere Revisionsrüge, das FG habe
zu Unrecht das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Aufhebung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags
verneint, nicht mehr an.
33 3. Es kann dahinstehen, ob das FG hinsichtlich des ursprünglichen Antrags, den Vorläufigkeitsvermerk zur
Einkommensteuerfestsetzung im Änderungsbescheid vom 13. September 2005 zu erweitern, zutreffend das
Rechtsschutzbedürfnis verneint und die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen hat. Der BFH kann bei
mehreren Streitgegenständen über die Revision zu den einzelnen Streitgegenständen nur entscheiden, wenn sich die
Revisionsrügen gesondert auf die einzelnen Streitgegenstände beziehen und das Revisionsbegehren für jeden
Streitgegenstand zulässig ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 58, und BFH-Urteil vom 8. Februar 1989 II R 85/86,
BFHE 160, 1, BStBl II 1990, 587). Die Revisionsbegründung der Kläger enthält zu dem ursprünglichen Antrag im
Klageverfahren, den Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, keine konkreten Ausführungen zu etwaigen Rechtsfehlern
des FG. Sie führen lediglich an, das FG sei in seiner Urteilsbegründung auf die Abzugsfähigkeit der
Rentenversicherungsbeiträge nicht gesondert eingegangen, ohne dies in der Revisionsbegründung zu vertiefen. Der
Senat versteht die Kläger daher in der Weise, dass sie insoweit keine Revision erhoben haben.
34 4. In der Sache weist der Senat auf die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des BVerfG zu den einzelnen
Begehren der Kläger hin. Die Verfassungsbeschwerde gegen den BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006,
692 im Nachgang zum Musterverfahren zur Festsetzung des Solidaritätszuschlags hat das BVerfG nicht zur
Entscheidung angenommen (Beschluss vom 11. Februar 2008 2 BvR 1708/06, Deutsche Steuerzeitung 2008, 229).
Für Streitjahre vor 2005 und damit auch für das Streitjahr ist einfachgesetzlich und verfassungsrechtlich geklärt, dass
Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben und nicht als vorweggenommene Werbungskosten zu behandeln
sind. Das BVerfG hat auf die verneinende Senatsentscheidung vom 8. November 2006 X R 45/02 (BFHE 216, 47,
BStBl II 2007, 574) die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 25. Februar
2008 2 BvR 325/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2008, 753). Es ist zwar noch das Verfahren 2
BvR 2299/04 beim BVerfG gegen die Senatsentscheidungen vom 21. Juli 2004 X R 72/01 und X R 73/01, BFH/NV
2005, 513) anhängig. Dieses Verfahren ist jedoch wegen der vorgenannten Rechtsfrage nach dem Beschluss des
BVerfG in HFR 2008, 753 als offensichtlich aussichtslos anzusehen. Schließlich hat das BVerfG durch Beschluss vom
25. Februar 2008 2 BvR 587/01 (HFR 2008, 750) auch die von den Klägern zur Höhe des Vorwegabzugs in Bezug
genommene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.