Urteil des BFH vom 28.10.2008

Zufluss von "(Schein-)Renditen" bei Schneeballsystem - Berücksichtigung eines auf den typischen stillen Gesellschafter entfallenden Verlustanteils als Werbungskosten - Wiedereinsetzung: Vertrauen auf Brieflaufzeiten bei Beförderung durch privat lizenziert

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 28.10.2008, VIII R 36/04
Zufluss von "(Schein-)Renditen" bei Schneeballsystem - Berücksichtigung eines auf den typischen stillen Gesellschafter
entfallenden Verlustanteils als Werbungskosten - Wiedereinsetzung: Vertrauen auf Brieflaufzeiten bei Beförderung durch
privat lizenzierte Postdienstleistungsunternehmen
Leitsätze
1. Stellt ein Kapitalanleger einem Unternehmer unter Gewährung einer Erfolgsbeteiligung von 30 % Geldbeträge zur
Verfügung, die der Unternehmer an Brokerfirmen für Börsentermingeschäfte oder an Fonds weiterleiten soll, so kann eine
solche Vereinbarung eine typische stille Gesellschaft i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG begründen.
2. Für die Annahme einer stillen Gesellschaft kommt es darauf an, was die Vertragsparteien wirtschaftlich gewollt haben und
ob der --unter Heranziehung aller Umstände zu ermittelnde-- Vertragswille auf die Merkmale einer stillen Gesellschaft
gerichtet ist.
3. Auch Renditen aus Gutschriften aus sog. "Schneeballsystemen" können zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20
Abs. 1 Nr. 4 EStG führen, wenn der Unternehmer bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der
gutgeschriebenen "Renditen" fähig gewesen wäre (Bestätigung der Rechtsprechung).
4. Es kommt nicht darauf an, ob der Initiator eines Schneeballsystems bei einem etwaigen Auszahlungsbegehren eines
Anlegers im Stande gewesen wäre, seine sämtlichen Verbindlichkeiten auf einmal auszuzahlen. Ein Missverhältnis zwischen
den tatsächlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und den tatsächlich bestehenden Forderungen ändert daran
nichts (Bestätigung der Rechtsprechung).
Tatbestand
1
A. Die Beteiligten streiten um die steuerliche Berücksichtigung von Kapitalerträgen in den Jahren 1996 bis 2001.
2
Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte
Eheleute und standen seit 1991 in Geschäftsbeziehung zu der Firma C GmbH in B (im Folgenden: C). Die 1985
gegründete C befasste sich u.a. mit der Vermittlung von Kapitalanlagen. Alleiniger Gesellschafter/Geschäftsführer war
Herr K (im Folgenden: K). Im Oktober 2001 wurde durch Ermittlungsmaßnahmen gegen die C und Anordnung der
Untersuchungshaft gegen K bekannt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen diesen wegen Verstoßes gegen das
Kreditwesengesetz (KWG) eingeleitet worden war. Im November 2001 wurde über das Vermögen der C das
Insolvenzverfahren eröffnet; K wurde wegen Betruges zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
3
Die C warb insgesamt ca. 2 800 Kunden als Kapitalanleger an, davon allein im Raum A ca. 2 000 Anleger. Nach
Darstellung des K betätigte sich die C mit der Vermittlung von Kontrakten im Termingeschäft (angeboten als
nichtsteuerbare Differenzgeschäfte), später handelte sie mit Finanzterminkontrakten an verschiedenen US-Börsen. Bis
1998 wurden zum Teil reale Geschäfte von der C abgewickelt; das Handelsvolumen betrug in den Jahren 1993 bis
1998 ca. 8 Mio. US-$. Soweit tatsächlich Börsentermingeschäfte durch die C getätigt wurden, erfolgte dies bis 1993
durch das Brokerhaus X. Nach Angaben des K konnte die C durch Börsentermingeschäfte bis 1993 einen Gewinn in
Höhe von 1 Mio. US-$ realisieren. Nach 1993 wickelte die C die Geschäfte über das Brokerhaus Y ab, wo K 1993 zwei
Konten für die C eröffnete, ein Aktien- bzw. Commoditykonto und ein Konto, auf dem Treasury Bills verbucht wurden.
Vollmacht für beide Konten hatte ausschließlich K, der auch allein die Anlageentscheidungen traf. Für beide Konten
wurden Unterkonten nicht geführt.
4
Da sowohl erwirtschaftete Gewinne als auch angelegte Kundengelder durch Verluste des Jahres 1993 größtenteils
aufgebraucht waren, begann K, zur Vertuschung der Verluste Abrechnungen zu fingieren. Zwischen 1993 und 1998
zahlte er daher den Anlegern von diesen zuvor eingezahlte Gelder im Rahmen eines Schneeballsystems als Rendite
aus. Reale Börsengeschäfte führte die C letztmals 1998 aus; danach wurden sämtliche Vorgänge, die reale Geschäfte
vortäuschen sollten, fingiert.
5
1998 kam es wegen einer geplanten Änderung der Steuergesetze in den USA ab 1999 zu erheblichen
Rückforderungen seitens der Anleger. Diese wurden durch Privateinlagen des K (u.a. aus der Beleihung mehrerer
Lebensversicherungen) befriedigt.
6
Nachdem mit Wirkung ab 1998 eine Novellierung des KWG stattgefunden hatte, aufgrund derer nicht nur das
Einlagegeschäft als typisches Bankgeschäft, sondern auch Finanzdienstleistungen einer Erlaubnis durch das
Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen bedurften, strebte K das Angebot von Finanzinnovationen an, um eine nach
vorläufiger Erteilung der Genehmigung anstehende Prüfung zu umgehen. Die Finanzinnovationen sollten über einen
Fonds im Ausland abgewickelt werden, den Anlegern gegenüber wurde das mit geänderten Regeln zur Besteuerung
begründet. Die Kläger wurden daher im Laufe des Jahres 1999 veranlasst, ihre Anlagen auf einen sog. "I Futures
Pool" der "I Incorporation" zu übertragen. Die Anteile dieser Gesellschaft gehörten sämtlich K unter Zwischenschaltung
zweier von ihm erworbener und mittels Generalvollmacht geführter US-Briefkastenfirmen, der A Incorporation und der
B Incorporation. Das Aktienkapital der I Incorporation (1 Mio. US-$) wurde durch Anlagegelder der Kunden
aufgebracht. Im Rahmen dieser Umschichtung forderte K die Anleger auf, eine auf den 4. Januar 1999 datierende
Umschreibung ihrer Kapitalanlagen vorzunehmen. Die Kundengelder wurden auf ein Konto der C eingezahlt und
später auf andere Konten umgeschichtet, die bei der Kreissparkasse ... für unterschiedliche Firmen eingerichtet
worden waren. Verfügungsberechtigt war jeweils K.
7
In der Folge wurden reale Börsengeschäfte über die I Incorporation nicht abgewickelt. Es erfolgte ausschließlich eine
Umschichtung im Rahmen eines Schneeballsystems, indem Gelder auf den verschiedenen Konten bei der
Kreissparkasse verschoben wurden. K bediente sich für diese Zwecke eines Softwareprogramms, mit Hilfe dessen der
monatliche Abrechnungslauf für den Pool so gesteuert wurde, dass K mit einem von ihm gesetzten Index Gewinne
oder Verluste betreffend die bis dahin eingezahlten und durch Buchgewinne aufgelaufenen Kapitalanlagen
bestimmte. Wegen der Einzelheiten des Geschehensablaufs wird Bezug genommen auf den Tatbestand des
finanzgerichtlichen Urteils.
8
An den Angeboten der C beteiligten sich auch die Kläger. Aus ihrer Sicht wurden u.a. folgende
Geschäftsbedingungen der C Grundlage ihrer Anlagen:
9
"1.
Der Kunde ermächtigt die Fa. C, Terminkontrakte an US-Börsen in seinem Namen und für
seine Rechnung zu handeln. Die Ausführung des Handelns obliegt während der
gesamten Anlagezeit einzig und allein dem entsprechenden Brokerhaus.
2.
Der Kunde verpflichtet sich, folgende Zahlungen zu leisten:
a) Mindesteinlage:
Zahlung einer Mindesteinlagesumme. In diesem Falle teilt der Kunde das entsprechende
Sammelkonto anteilig mit weiteren Anlegern,
b) oder Zahlung der vollen Summe, die für eine Kontoeröffnung beim Broker erforderlich
ist. In diesem Falle wird für den Kunden beim Broker ein Einzelkonto unterhalten.
c) ...
d) ...
e) 30 % Beteiligung am erwirtschafteten Gewinn. Die Gewinnbeteiligung wird vor
Auszahlung an den Kunden in Abzug gebracht.
3.
Alle Terminkontrakte werden im Namen und für Rechnung des Kunden erworben.
4.
...
a) Der Anlagebetrag ist vom Kunden direkt an den erwünschten Broker zu übersenden.
...
Vertragsausführung:
5.
Die C wickelt alle Verträge nur über Brokerhäuser ab, die Mitglied bedeutender und
wichtiger Commodity- bzw. Devisenbörsen sind.
...
Ausführungsbestätigung, Kontoauszug, Kontoauflösung:
8.
a) Nach Ausführung der Erst- oder Folgeorder erhält der Kunde unverzüglich eine
schriftliche Vertragsausführungsbestätigung. Gleichzeitig erhält der Kunde jeweils einen
monatlichen schriftlichen Kontoauszug, aus dem die entsprechenden Bewegungen und
der Kontostand, bzw. der jeweilige Anteil bekannt gegeben werden.
b) ...
c) Durch schriftliche Anweisung kann der Kunde jederzeit die Auflösung seines Anteils
und die Auszahlung seines Guthabens verlangen, und zwar zum Monatsende des
Kündigungseingangs.
...
Haftung
9.
Die C ist nicht berechtigt, Kundengelder (Barzahlungsmittel, Schecks, Überweisungen)
entgegen zu nehmen. Sollten bei der C versehentlich Kundengelder eingehen, so werden
diese Anlagebeträge sofort an den entsprechenden Broker weitergeleitet."
10 Die Kläger stellten der C ausweislich der als "Antrag auf Kontoeröffnung und Kontoführung" bezeichneten
Kapitalanlageverträge insgesamt 110 000 DM zur Verfügung (am 14. März 1991 15 000 DM, am 22. Juli 1994 75 000
DM und am 5. November 1998 20 000 DM). Die 15 000 DM aus der 1991 getätigten Anlage wurden bar an den
Vermittler N der C übergeben; sodann erging eine Auftragsbestätigung über den Handel über "Kontrakte US-
Commodities" vom 15. März 1991. Als Verwendungsgrund war auf der Auftragsbestätigung "Treuhandkonto
TZ011981" angegeben. Nach dem Inhalt der Bestätigung soll das Geld durch N, einen Vermittler der C, an das
Brokerhaus X überwiesen worden sein. Auf der Einzahlungsquittung war als Verwendungszweck angegeben:
"Treuhandkonto TZ011981-4-08". Unter dem Datum 26. März 1991 bestätigte die C den Klägern, ihre Einzahlung sei
beim Broker gutgeschrieben worden. In der Folgezeit erhielten die Kläger periodische Abrechnungen über ihre
jeweilige Kontraktsumme mit den gutgeschriebenen Gewinnen/Verlusten.
11 Entsprechend wurde auch bei der zweiten Beauftragung der C durch die Kläger am 22. Juli 1994 verfahren. Sowohl
die im Juli 1994 getätigte Anlage als auch die weitere Anlage im November 1998 erfolgte in bar durch Aushändigung
an den Vermittler N.
12 Nach der Umstellung auf die I Incorporation beteiligten sich die Kläger ausweislich eines als Kundenregistrierung
beschriebenen und nicht datierten Formblattes des "I Futures Pools" an einem sog. "Pool 2 ..." in Höhe von 339 492,90
US-$. Insoweit erfolgte eine Umschichtung der von der C verwalteten Anlagegelder auf den Pool; nämliches gilt für
eine Anlage der Klägerin in Höhe von 18 768,84 US-$.
13 Die Kläger waren von der Umstellung auf den I Futures Pool insoweit betroffen, als alte C-Anlagen darauf
umgeschichtet wurden. Weitere tatsächliche Einzahlungen auf diese neue Anlageform tätigten sie nicht. Nach
Angaben des K wurden die von den Anlegern eingebrachten Gelder lediglich auf Konten der Kreissparkasse ...
verwaltet bzw. zur Unterhaltung der C, zu ausländischen Kapitalbeteiligungen in seinem Namen und zum Kauf von
Immobilien verwandt.
14 In den Streitjahren 1996 bis 2001 erzielten die Kläger in Form von Gutschriften Renditen von insgesamt 1 404 284
DM. Davon entfallen 64 111 DM auf 1996, 94 267 DM auf 1997, 120 221 DM auf 1998, 250 411 DM auf 1999, 443 052
DM auf 2000 und 432 222 DM auf 2001. Tatsächlich ausgezahlt wurden den Klägern davon 1998 70 000 DM,
1999 117 000 DM, 2000 154 500 DM und 2001 315 000 DM.
15 Die in den einzelnen Streitjahren gutgeschriebenen Erträge erfasste der Beklagte, Revisionskläger und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in den Änderungsbescheiden für die Jahre 1996 bis 2000 vom 14. Juni
2002 sowie für 2001 vom 16. Juli 2002 als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Das FA ging davon aus, es handele sich
um Einkünfte aus einer stillen Beteiligung der Kläger an der C nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes
(EStG).
16 Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1211 veröffentlichten Urteil vom 10. Februar 2004 2 K 1550/03 zum
Teil statt. Es entschied, die Klage sei begründet, soweit das FA den Klägern die nicht ausgezahlten Beträge von
insgesamt 747 784 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet habe. Soweit die Kläger tatsächlich
Auszahlungen erhalten hätten (insgesamt 656 500 DM) sei die Klage unbegründet. Bei der Anlage der Kläger
handele es sich um eine typische stille Gesellschaft nach § 230 des Handelsgesetzbuchs (HGB), so dass die Kläger
Einkünfte i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4 Alternative 1 EStG erzielt hätten. Der Wortlaut der getroffenen Vereinbarungen,
insbesondere die fehlende Erwähnung des Begriffs der stillen Gesellschaft, stehe dem nicht entgegen. Damit sei
zugleich zu verneinen, dass die von der C getätigten Geschäfte den Klägern im Rahmen einer Treuhandabrede direkt
zuzurechnen seien. Soweit die C tatsächlich Gelder an die Kläger ausgeschüttet habe, lägen steuerpflichtige
Kapitalerträge vor. Das gelte aber nicht, soweit die Erträge den Klägern lediglich gutgeschrieben worden seien. Hier
fehle es am Zufluss i.S. des § 11 Abs. 1 EStG.
17 Gegen das Urteil richten sich die Revisionen beider Beteiligten.
18 Das FA, dem das Urteil der Vorinstanz am 30. April 2004 zugestellt wurde und dem für die Begründung der Revision
Fristverlängerung bis zum 2. August 2004 bewilligt worden ist, hat sein Rechtsmittel mit am 4. August 2004 --mithin
nach Ablauf der gemäß § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) am 2. August 2004 endenden
Revisionsbegründungsfrist-- eingegangenem Schriftsatz begründet und zugleich wegen der Fristversäumung
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs trägt es vor, die
erst am 4. August 2004 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangene Revisionsbegründung sei lt. Abgangsvermerk
des zuständigen Bediensteten der Poststelle des FA am 29. Juli 2004 abgesandt worden und an diesem Tag von
einem Bediensteten der für die Postbeförderung des FA zuständigen R Post beim FA abgeholt worden. Der
Einlieferungsvermerk des Frankierservice der R Post bei der Deutschen Post ... trage das Datum 30. Juli 2004. Die
Fristversäumnis sei damit allein auf Verzögerungen in der Postübermittlung zurückzuführen.
19 Im Übrigen rügt das FA die Verletzung von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, § 11 Abs. 1 EStG. Das FG-Urteil entspreche nicht
den vom BFH aufgestellten Rechtsgrundsätzen zur Besteuerung von Gutschriften aus betrügerischen
Schneeballsystemen. Danach sei selbst bei nicht ausgezahlten Erträgen ein Zufluss i.S. von § 11 Abs. 1 EStG
anzunehmen.
20 Das FA beantragt,
21 das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 2004 2 K 1550/03 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
22 Die Kläger beantragen,
23 das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 2004 2 K 1550/03 insoweit aufzuheben, als dem Klageantrag
bezüglich der Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2000 vom 14. Juni 2002 und 2001 vom 16. Juli 2002 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. März 2003 nicht vollumfänglich entsprochen wurde.
24 Die Kläger rügen die Verletzung von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG und machen geltend, das FG habe nicht hinreichend
differenziert zwischen den Vertragsverhältnissen der Kläger mit der C einerseits und der I Incorporation andererseits.
Das FG verkenne die Bedeutung des Zivilrechts für das Steuerrecht sowie den zivilrechtlichen Inhalt des
Tatgeschehens. Die Vereinbarungen der Kläger mit der C bzw. der I Incorporation ließen nicht den hinreichenden
Schluss auf eine Beteiligung der Kläger in Form einer stillen Gesellschaft zu.
25 Beide Beteiligten beantragen, die Revision der jeweils anderen Seite zurückzuweisen, wobei die Kläger das
Wiedereinsetzungsgesuch des FA für unbegründet halten.
Entscheidungsgründe
26 B. Die Revision des FA ist begründet, während die Revision der Kläger unbegründet ist.
I.
27 Die Revision des FA ist zulässig. Ihm ist gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der
Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.
28 1. Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist
gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BFH-Beschlüsse vom 11. Oktober 1991 VII R 32/90, BFH/NV 1994, 553;
vom 25. April 2005 VIII B 42/02, BFH/NV 2005, 1821; vom 18. Januar 2007 III R 65/05, BFH/NV 2007, 945). Der
Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs.
2 der Zivilprozessordnung --ZPO--).
29 2. Im Streitfall hat das FA die Frist zur Begründung der Revision nicht schuldhaft versäumt. Denn der verspätete
Eingang der Revisionsbegründung beruht auf einer verzögerten Postzustellung, die das FA nicht zu vertreten hat.
30 Das FA hat glaubhaft gemacht, dass es die Revisionsbegründung am 29. Juli 2004 zur Post aufgegeben hat. Es hat
hierzu die Ablichtung eines auf der ersten Seite des Aktenstücks der Revisionsbegründung befindlichen, von einem
Bediensteten der Poststelle abgezeichneten Vermerks vorgelegt, ausweislich dessen die Begründungsschrift an
diesem Tag beim FA abgegangen ist, indem ein Bediensteter der für die Postbeförderung des FA zuständigen R Post
Deutschland das Schriftstück dort abgeholt hat. Außerdem trägt das bei den Gerichtsakten befindliche Briefkuvert für
die Revisionsbegründung einen Einlieferungsvermerk des Frankierservice der R Post Deutschland vom 30. Juli 2004.
Unter diesen Umständen bestand für das FA kein Grund zu der Annahme, dass die Revisionsbegründungsschrift dem
BFH erst nach dem Ablauf der Revisionsbegründungsfrist, dem 2. August 2004, zugehen werde.
31 Der Bürger wie auch die Behörde, denen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den gleichen Grundsätzen zu
gewähren ist, dürfen darauf vertrauen, dass die von der Post nach ihren organisatorischen und betrieblichen
Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten auch eingehalten werden. Versagen sie, so darf ihnen
das, da sie darauf keinen Einfluss haben, im Rahmen der Wiedereinsetzung nicht als Verschulden zur Last gelegt
werden (vgl. BFH-Urteile vom 24. Juni 1988 III R 177/85, BFH/NV 1989, 351; vom 24. Januar 2002 III R 5/01, BFH/NV
2002, 778; Senatsurteil vom 11. Juli 2006 VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96, jeweils m.w.N.). Das gilt
gleichermaßen für private lizenzierte Postdienstleistungsunternehmen wie hier z.B. die R Post Deutschland. Auch
nach Erlass der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2418)
dürfen die Beteiligten darauf vertrauen, dass werktags im Bundesgebiet aufgegebene Postsendungen unabhängig
davon, ob sie bei der Deutschen Post AG oder bei privaten lizenzierten Postdienstleistungsunternehmen aufgegeben
werden (vgl. dazu Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 122 AO Rz 48;
Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 122 Nr. 1. 8.2), am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert
werden. Denn nach müssen die Briefbeförderungsunternehmen sicherstellen, dass sie an Werktagen aufgegebene
Inlandssendungen im gesamten Bundesgebiet im Jahresdurchschnitt mindestens zu 80 % am ersten und zu 95 % am
zweiten Tag nach der Einlieferung ausliefern. Diese Quoten lassen die Einhaltung der Postlaufzeiten erwarten (vgl.
Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 13. Mai 2004 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2005, 67;
ähnlich auch BGH-Beschluss vom 23. Januar 2008 XII ZB 155/07, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 2008,
583). Konkrete Anhaltspunkte, welche im Streitfall gleichwohl bei einer am 29. oder 30. Juli 2004 aufgegebenen
Briefsendung die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung für das FA begründeten, sind nicht ersichtlich.
II.
32 Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Zu Recht geht das FA davon aus, dass sowohl die tatsächlichen Auszahlungen an die
Kläger in Höhe von 656 500 DM als auch die ihnen erteilten Gutschriften über 747 784 DM Kapitaleinnahmen aus
einer stillen Beteiligung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind. Die Revision der Kläger ist demzufolge als unbegründet
zurückzuweisen.
33 1. Mit ihrer Anlage bei der C haben sich die Kläger an einer stillen Gesellschaft gemäß § 230 HGB beteiligt und daher
Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erzielt.
34 Eine stille Gesellschaft setzt nach HGB den vertraglichen Zusammenschluss zwischen einem Unternehmensträger
("Inhaber eines Handelsgeschäfts") und einem anderen voraus, kraft dessen sich der andere ohne Bildung eines
Gesellschaftsvermögens mit einer Einlage an dem Unternehmen beteiligt und eine Gewinnbeteiligung erhält (vgl.
dazu ausführlich BFH-Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II.1.a bis c der
Gründe, VIII R 12/96, BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761, unter II.1.a bis c der Gründe, VIII R 13/96, BFHE 184, 46, BStBl
II 1997, 767, unter II.1.a bis c der Gründe; vom 19. Juni 2007 VIII R 63/03, BFH/NV 2008, 194; ferner z.B. Dötsch, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz F 2). Da die stille Gesellschaft nur als Innengesellschaft existiert und nach
außen hin nicht in Erscheinung tritt (vgl. BFH-Urteil vom 2. Mai 1984 VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820),
muss die Einlage nach § 230 HGB so geleistet werden, dass sie in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts
übergeht; die Einlage wird daher kein Gesamthandsvermögen. Ferner erfordert die stille Gesellschaft --wie jede
andere Gesellschaft auch-- einen gemeinsamen Zweck, was bedeutet, dass das gemeinsame Streben zur Erreichung
gemeinsamer Ziele im Vordergrund stehen muss (vgl. BGH-Urteil vom 11. Juli 1951 II ZR 45/50, BGHZ 3, 75; Blaurock,
Handbuch der Stillen Gesellschaft, 6. Aufl., S. 154; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 59 I 3.b;
MünchKommHGB/Karsten Schmidt, 2. Aufl., § 230 Rz 19 f.; MünchKommBGB/Ulmer, 3. Aufl., § 705 Rz 109 f., 229 f.;
differenzierend Schulze-Osterloh, Der gemeinsame Zweck der Personengesellschaften, 1973, S. 25 f., wonach der
verfolgte Zweck nur für diejenigen Beteiligten ein gemeinsamer ist, die das jeweils erzielte Ergebnis sowohl in
positiver als auch in negativer Hinsicht gleichartig trifft). Mit der Einigung auf den gemeinsamen Zweck werden die
gemeinsamen Vorstellungen der Parteien über Grundlagen und Ziele des Vertrags zum Vertragsinhalt erhoben; diese
dürfen indes nicht mit den Motiven der Parteien für ihre Beteiligung an der Gesellschaft vermengt werden (vgl.
MünchKommBGB/Ulmer, a.a.O., § 705 Rz 15 ff.). Letztlich unterscheidet daher die "Gemeinsamkeit des Zwecks" die
Gesellschaft von den reinen Austauschverhältnissen.
35 2. Nach den vorstehend genannten Grundsätzen ist das FG im Streitfall in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise zutreffend von einer stillen Gesellschaft ausgegangen. Der Wortlaut der getroffenen Vereinbarungen,
insbesondere die fehlende Erwähnung des Begriffs "stille Gesellschaft", stehen dem nicht entgegen. Denn
entscheidend ist, was die Vertragsparteien wirtschaftlich gewollt haben und ob dieser --unter Heranziehung aller
Umstände zu ermittelnde-- Vertragswille dem objektiven Rechtsbild der (stillen) Gesellschaft entspricht (Dötsch, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz F 52, m.w.N.). Ergibt sich danach, dass sich die Vertragspartner zur
Erreichung eines gemeinsamen Zwecks verbunden haben und nicht lediglich jeweils ihre eigenen Interessen
verfolgen, so ist die Vereinbarung als Gesellschaftsvertrag i.S. des ) zu qualifizieren (Dötsch, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz F 3, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 25. März 1992 I R 41/91, BFHE 168,
239, 242, BStBl II 1992, 889, 890, betreffend die Abgrenzung der stillen Beteiligung vom partiarischen Darlehen).
36 Die Würdigung des FG, die Verträge zwischen den Klägern und der C dienten dem gemeinsam verfolgten Zweck, ein
Handelsgewerbe durch die nach außen in Erscheinung tretende C zu betreiben, ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761). Dass die C als Anbieterin von Kapitalanlagen
ein Handelsgewerbe i.S. von § 1 Abs. 2 HGB betrieben hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Kläger haben
zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks dadurch beigetragen, dass sie der C auf unbestimmte Zeit 110 000 DM als
Kapital überließen, mit dem die C ihre Handelsgeschäfte betreiben sollte. Dieses Kapital verkörperte zugleich den
Gesellschafterbeitrag sowie die stille Einlage der Kläger und ging in das Vermögen der C über. Deren Beitrag zur
stillen Gesellschaft bestand in der Übernahme der Verpflichtung, die Handelsgeschäfte unter Einsatz des von den
Anlegern als stillen Gesellschaftern bereitgestellten Kapitals zu betreiben. Für die Annahme eines
Gesellschaftsverhältnisses (in Form einer Risikogemeinschaft) spricht insbesondere, dass den Anlegern eine
erhebliche Erfolgsbeteiligung (70 % des Gewinns erhielten die Kläger, 30 % die C) an den durchgeführten Geschäften
zugesagt war und sie überdies --bis zur Höhe ihres Anlagekapitals-- an den Verlusten aus den getätigten
Handelsgeschäften beteiligt waren (Nr. 12 a und b der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der C). Die
Kapitalanlagen bargen daher sowohl erhebliche Gewinnchancen als auch beträchtliche Risiken, die nicht nur in der
erwähnten Verlustbeteiligung, sondern auch im Fehlen jeglicher Sicherheiten begründet waren (zum Fehlen von
Sicherheiten als Indiz für ein Gesellschaftsverhältnis vgl. z.B. Dötsch, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz F
67). Eine derartige Risikogemeinschaft, vor allem die Vereinbarung der Verlustbeteiligung, bildet ein typisches
Merkmal eines Gesellschaftsverhältnisses (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Senatsurteile in BFHE 184, 34, BStBl II
1997, 761; vom 7. Oktober 1997 VIII R 40/97, BFH/NV 1998, 958; in BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755; vom 10. Juli
2001 VIII R 35/00, BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646). Aufgrund der zwischen den Vertragsparteien vereinbarten
Erfolgsbeteiligung (70 % für die Kläger, 30 % für die C) ist das FG auch zu Recht davon ausgegangen, dass sowohl
die Kläger als auch die C ein Interesse am Unternehmenserfolg der Gesellschaft gehabt haben.
37 Dass die Vereinbarungen zwischen den Klägern und der C keine ausdrücklichen Regelungen über Kontrollrechte der
Anleger enthielten, spricht nicht gegen das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE
184, 34, BStBl II 1997, 761). Wie vom FG zutreffend angemerkt, sind Kontrollrechte keine Voraussetzung für das
Vorliegen einer stillen Gesellschaft, sondern deren Rechtsfolge. Der Geschäftsinhaber ist dem stillen Gesellschafter
zur Führung des Handelsgeschäfts für gemeinsame Rechnung verpflichtet, er muss dessen Einlage
bestimmungsgemäß verwenden und darf dem Unternehmen nicht bestimmungswidrig Vermögen entziehen. Die hier
zu beurteilenden Vertragsbeziehungen genügten diesem Erfordernis, da jedenfalls die Kontrollrechte nach § 233 Abs.
1 HGB nach den tatsächlichen Feststellungen des FG bestanden haben. Ob die Anleger von diesen Rechten auch
tatsächlich Gebrauch machten, ist ohne Belang (vgl. BFH-Urteil in BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761).
38 Die 1999 auf Veranlassung der C erfolgte Umschichtung der Kapitalanlagen auf den "I Futures Pool" ändert an der
steuerlichen Bewertung des Vertragsverhältnisses nichts. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und
daher den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG hat sich dadurch an der
tatsächlichen Abwicklung der Geschäfte nichts geändert. Die C hat wie zuvor aufgrund eigener
Entscheidungskompetenz über die Anlagen der Kläger verfügt und ihnen Abrechnungen erteilt. Der Senat kann
insoweit offenlassen, ob aufgrund des nicht datierten Formblattes des "I Futures Pools" überhaupt eine rechtlich
wirksame Umschichtung der Kapitalanlagen erfolgt ist und falls ja, mit welchem Inhalt, denn aufgrund des weiterhin
unveränderten tatsächlichen Geschehensablaufes ist die Würdigung des FG, es handele sich bei dem hier zu
beurteilenden Vertragsverhältnis in jedem Falle um eine stille Gesellschaft, nicht zu beanstanden. Die tatrichterliche
Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die
Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung,
Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 FGO Rz 87, m.w.N.).
Solche Verstöße sind jedoch im Streitfall nicht erkennbar. Im Übrigen binden die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen
den BFH als Revisionsgericht schon dann, wenn sie nur möglich, d.h. vertretbar sind; sie müssen nicht zwingend sein
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462;
BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488).
39 3. Mit der Annahme einer typischen stillen Gesellschaft i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 230 HGB hat das FG
zugleich die Annahme eines Treuhandverhältnisses i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) zwischen
den Klägern und der C hinsichtlich des von den Klägern angelegten Kapitals verneint. Auch insoweit handelt es sich
um eine tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO), die nur insoweit revisibel ist, als
Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (ständige
Rechtsprechung, Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 FGO Rz 87, m.w.N.). Solche
Verstöße sind hier nicht erkennbar. Aus revisionsrechtlicher Sicht ist es --wie vorstehend bereits erörtert-- nicht zu
beanstanden, wenn das FG aus den ihm vorliegenden Umständen abgeleitet hat, bei dem hier zu beurteilenden
Vertragsverhältnis handele es sich nicht um ein Treuhandverhältnis, sondern um eine typische stille Gesellschaft i.S.
von § 230 HGB. Zudem gilt auch hier der Grundsatz, dass die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen den BFH als
Revisionsgericht schon dann binden, wenn sie nur möglich, d.h. vertretbar sind; sie müssen nicht zwingend sein
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462; BFH-Beschluss in BFHE 209, 211,
BStBl II 2005, 488).
40 4. a) Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die in den Streitjahren tatsächlich an die Kläger ausgezahlten
Zinsen in Höhe von 656 500 DM diesen als Kapitaleinnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Alternative 1 EStG zuflossen (Abs. 1 i.V.m. ) und nicht etwa nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen
bildeten. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die sinngemäß geltenden Ausführungen in
seinen Urteilen in BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761 sowie in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767 und in BFHE 196, 112,
BStBl II 2001, 646. An den dort formulierten Grundsätzen hält der Senat uneingeschränkt fest. Gewichtige Gründe, die
der Senat noch nicht erwogen hätte und die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnten, sind insoweit
nicht ersichtlich.
41 b) Der Senat hält auch daran fest, dass die den Klägern von der C gutgeschriebenen und von ihnen
stehengelassenen, d.h. wiederangelegten (Schein-)Renditen für sämtliche Streitjahre zu Kapitaleinkünften i.S. von §
20 Abs. 1 Nr. 4 Alternative 1 EStG führten. Denn auch Renditen aus Gutschriften aus sog. "Schneeballsystemen"
können zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG führen (ständige Rechtsprechung, vgl.
BFH-Urteile in BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761; in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767; in BFHE 196, 112, BStBl II 2001,
646; kritisch Schmidt-Liebig, Zufluss von Scheinrenditen, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2008, Fach 3, S. 15105;
Hackenberg, Scheinrenditen: Abschied von Ambros, SteuerConsultant 2008 7/08, S. 29).
42 aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen (vgl. ) i.S. von zugeflossen, sobald der
Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch
zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch
die Hingabe eines (gedeckten) Schecks führt zum Zufluss des entsprechenden Geldbetrages (vgl. z.B. BFH-Urteil in
BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II.2.a der Gründe).
43 bb) Ebenso kann eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift
nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck
gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Allerdings muss
der Gläubiger in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und
leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (vgl. z.B. Senatsurteile vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140,
542, BStBl II 1984, 480, unter 2.a der Gründe, und in , , unter II.2.a aa der Gründe).
44 cc) Ein Zufluss kann zudem durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden,
dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In dieser Schuldumwandlung (Novation)
kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerlich so zu werten
ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung beglichen (= Zufluss beim Gläubiger) und der
Gläubiger den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort
wieder zur Verfügung gestellt hätte (= Wiederabfluss des Geldbetrages beim Gläubiger). Der zuletzt beschriebene
lange Leistungsweg wird durch die Novationsvereinbarung lediglich verkürzt, indem auf den überflüssigen Umweg
der Aus- und Rückzahlung des Geldbetrages verzichtet wird.
45 Von einem Zufluss des aufgrund der Altforderung geschuldeten Betrags i.S. von kann in derartigen Fällen der
Schuldumschaffung nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn sich die
Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Steuerpflichtigen) über den
Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht (vgl. BFH-Urteile vom
17. Juli 1984 VIII R 69/84, BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48, unter 2.d der Gründe; in BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755,
unter II.2.a bb der Gründe). Für die Beantwortung der Frage, ob dies zutrifft, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu,
in wessen Interesse die Novation lag. Lag sie im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers, indiziert
dies dessen Verfügungsmacht über den Gegenstand der Altforderung (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 2008, 194; in
BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II.2.a bb der Gründe, m.w.N.).
46 dd) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zufluss der gutgeschriebenen "Renditen" i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
Abs. 1, bei den Klägern im Zeitpunkt der Gutschrift und Wiederanlage zu bejahen.
47 Die "Renditen" wurden den Klägern von der C nach Ablauf des jeweiligen Geschäfts per Abrechnung mitgeteilt und
ihnen gutgeschrieben. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG hatten sie die freie Wahl, sich die
ihnen gutgeschriebenen "Renditen" auszahlen zu lassen oder aber wiederanzulegen, d.h. zum Zwecke der Erhöhung
ihrer Kapitalanlagen zu verwenden. Wenn sich die Kläger angesichts dieser Umstände in Ausübung ihrer
Dispositionsbefugnis über die gutgeschriebenen und fälligen Geldbeträge dafür entschieden, auf die sofortige
Auszahlung der Gelder zu verzichten und die Beträge stattdessen zur ertragbringenden Wiederanlage zu verwenden,
steht dies einem Zufluss der Renditen i.S. von § 11 EStG nicht entgegen. In der Wahl einer solchen Wiederanlage lag
zivilrechtlich eine Novation.
48 Die Kläger haben die ihnen zu Gebote stehende freie Wahl zwischen Auszahlung der Renditen und deren
Wiederanlage im eigenen Interesse --um fortan höhere Renditen erzielen zu können-- im Sinne der letztgenannten
Alternative ausgeübt (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761, m.w.N.).
49 Ohne Belang ist dabei, dass die Kläger diese Wahl nicht getroffen hätten, wenn ihnen die Täuschungsmanöver der C
bekannt gewesen wären. Hierbei handelt es sich um einen für die einkommensteuerrechtliche Wertung
unbeachtlichen Motivirrtum. Unbeachtlich ist auch, dass die Wahl der Kläger zur Wiederanlage der "Renditen"
zugleich dem nach außen hin nicht bekundeten Interesse der C entsprach, zwecks Aufrechterhaltung ihres
Schneeballsystems möglichst wenige "Renditen" und Kapitalbeträge auszahlen zu müssen. Entscheidend ist, dass
die C es den Klägern freigestellt hatte, statt der Wiederanlage die sofortige Auszahlung der gutgeschriebenen
"Renditen" zu verlangen, und ihnen damit die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Renditebeträge eingeräumt
hatte (Senatsurteil in BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646).
50 ee) Die C wäre --hätten die Kläger statt der Wiederanlage der "Renditen" deren Auszahlung gewählt-- an den
betreffenden Zeitpunkten zu den entsprechenden Zahlungen auch bereit und fähig gewesen.
51 Angesichts der unbedingten Leistungsbereitschaft der C spielt es keine Rolle, ob diese tatsächlich entsprechende
Netto-Wertzuwächse in Höhe der den Anlegern gutgeschriebenen Renditebeträge erwirtschaftet hatte und daher
zivilrechtlich zu entsprechenden Leistungen verpflichtet war oder nicht (vgl. auch schon Senatsurteile vom 21. Juli
1987 VIII R 211/82, BFH/NV 1988, 224, 225; in BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646, m.w.N.). Zwar setzt der Zufluss
eines Geldbetrages im Falle dessen bloßer Gutschrift in den Büchern des Schuldners im Regelfall voraus, dass
insoweit eine eindeutige und unbestrittene Leistungsverpflichtung des Schuldners besteht, diesem also insbesondere
kein Leistungsverweigerungsrecht zusteht (vgl. Senatsurteil vom 16. November 1993 VIII R 33/92, BFHE 174, 322,
BStBl II 1994, 632). Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich der Schuldner erkennbar auf zivilrechtliche
Einwendungen und Einreden gegen die Forderung des Gläubigers nicht berufen will (vgl. § 41 Abs. 1 AO; vgl. auch
Senatsurteile vom 10. Juni 1975 VIII R 71/71, BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847, und vom 6. April 1993 VIII R 68/90,
BFHE 172, 25, BStBl II 1993, 825). So lag es im Streitfall. Die C schrieb den Anlegern Renditen gut und zahlte diese
nach Eintritt der vereinbarten Fälligkeit an die Anleger aus oder räumte ihnen im Wege der Novation neue (Kapital-
)Forderungen ein, unabhängig davon, ob sie zu diesen Leistungen zivilrechtlich verpflichtet war oder nicht.
52 ff) Entgegen der Auffassung des FG wäre die C in den maßgeblichen Wiederanlagezeitpunkten zur Auszahlung der
gutgeschriebenen "Renditen" auch fähig gewesen.
53 Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist ein Zufluss i.S. des sowohl in den Fällen der bloßen Gutschrift des
betreffenden Betrages in den Büchern des Schuldners als auch in den Fällen der Novation grundsätzlich nur
anzunehmen, wenn der Schuldner --hier also die C-- in dem betreffenden Zeitpunkt zur Zahlung des Betrages in der
Lage gewesen wäre, also nicht zahlungsunfähig war (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. Mai 1973 VIII R 97/70, BFHE 109,
573, BStBl II 1973, 815, betreffend Buchgutschrift; in BFH/NV 1988, 224, 225, unter I.2.b der Gründe, betreffend
Novation). Als Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde
Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu
berichtigen (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteile in BFH/NV 2008, 194, m.w.N.; vom 8. Mai 2007 VIII R 13/06,
BFH/NV 2007, 2249). Dies ist vor dem "Zusammenbruch" des Schuldners im Regelfall zu verneinen, so lange ein
Antrag auf Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners noch nicht gestellt
wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 2249, m.w.N.).
54 Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, dass die C in den maßgebenden Zeitpunkten der
jeweiligen Wiederanlagen der "Renditen" objektiv zahlungsfähig war. Dies folgt schon aus der Tatsache, dass sie im
hier zu beurteilenden Zeitraum (1996 bis 2001) allen Auszahlungsverlangen sowohl in Bezug auf "Renditen" als auch
in Hinsicht auf gekündigte Kapitaleinlagen prompt nachkam. Die C hat auf die Auszahlungsverlangen der Kläger nach
den bindenden Feststellungen des FG stets umgehend reagiert und sogar Mitte Juli 2001 noch eine Auszahlung von
immerhin 300 000 DM an die Kläger geleistet; Unregelmäßigkeiten bei der Bedienung von Rückzahlungsforderungen
haben sich weder bei Ansprüchen der Kläger noch bei anderen Anlegern ergeben. Angesichts dieser Konstellation
bestand auch für die nach Juli 2001 vorgespiegelten Geschäfte und die daraufhin erteilten Gutschriften in Höhe von
117 222 DM kein Anlass, an der Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft der C zu zweifeln. Dafür spricht nicht nur der
Umfang der an die Kläger geleisteten Zahlungen, sondern auch die Tatsache, dass die staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen im Zusammenhang mit den Geschäftsaktivitäten der C eher zufällig, nämlich im Zuge der Ermittlungen
wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen den Sohn eines Kapitalanlegers, aufgenommen wurden, was letztlich in
die Verhaftung des K und den Antrag der C auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 31. Oktober 2001 mündete.
55 c) Dem Argument des FG, bei Scheinerträgen werde das Vorhandensein eines wirtschaftlichen Erfolges nur
vorgespiegelt, es dürften letztlich nur tatsächliche Vermögensmehrungen besteuert werden und ein Zufluss bzw.
Abfluss bei den Beteiligten sei erst zu bejahen, wenn der Empfänger das Geld tatsächlich in dem Sinne besitze, dass
er hiervon selbst Zahlungen bestreiten könne (so auch FG Saarland, Urteil vom 6. Dezember 2006 1 K 165/03, EFG
2007, 506), vermag der Senat nicht zu folgen. Gleiches gilt für die Überlegung, der Anlagebetrüger sei gar nicht
leistungswillig (vgl. Schmidt-Liebig, Zufluss von Scheinrenditen, NWB 2008, Fach 3, S. 15105). Beide Erwägungen hat
der Senat bereits mehrfach geprüft und im Ergebnis verworfen. Zum einen widerstreitet das den vorstehend
genannten BFH-Grundsätzen zum Zufluss- und Abflussprinzip. Zum anderen kommt es in diesem Zusammenhang
gerade nicht darauf an, ob der Initiator des Schneeballsystems --hier die C-- im fraglichen Zeitraum auch im Stande
gewesen wäre, alle seine Verbindlichkeiten, also auch die noch nicht innerhalb eines absehbaren Zeitraums (von drei
bis sechs Monaten; vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1984 I R 44/80, BFHE 140, 421, BStBl II 1984, 415, unter II.1.a der
Gründe) fällig werdenden Renditen und gekündigten Kapitaleinlagen, auf einmal auszuzahlen. Denn mit einer
solchen Konstellation musste die C bei verständiger und objektiver Beurteilung der gegebenen Sachlage nicht
rechnen, solange sie den an sie gestellten Auszahlungsverlangen --wie hier geschehen-- nachkam (vgl. auch BFH-
Urteile in BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II.2.b cc bbb der Gründe, und in BFH/NV 1988, 224, 225, sowie in
BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646). Daran ändert auch eine Diskrepanz zwischen den tatsächlich zur Verfügung
stehenden finanziellen Mitteln und den tatsächlich bestehenden Forderungen nichts. Daraus lässt sich für die Frage
des Zuflusses bzw. Abflusses von Erträgen jedenfalls solange nichts herleiten, wie das Schneeballsystem als solches
funktioniert, d.h. die Auszahlungsverlangen der Anleger bedient werden. Dass Schneeballsysteme
zusammenbrechen, wenn alle Anleger gleichzeitig die Rückzahlung ihrer Gelder verlangen, sagt über den Abfluss
bzw. Zufluss beim einzelnen Anleger nichts aus. Demgemäß kann auch bei Gutschriften nicht davon ausgegangen
werden, dass ein Zufluss erst erfolgt, wenn das Guthaben zur Auszahlung kommt.
56 d) Ob den Klägern als typisch stillen Gesellschaftern --bis zur Höhe ihrer Einlage-- für ggf. auf sie entfallende Anteile
an den laufenden Verlusten der C der Werbungskostenabzug zusteht, kann der Senat offenlassen. Denn die
Berücksichtigung eines auf den typischen stillen Gesellschafter entfallenden Verlustanteils als Werbungskosten setzt
voraus, dass der Verlustanteil im Jahresabschluss des Unternehmens festgestellt oder vom FA geschätzt worden und
im Streitjahr von der Kapitaleinlage des stillen Gesellschafters abgebucht worden ist (vgl. Senatsurteile in BFHE 184,
21, BStBl II 1997, 755; vom 28. Mai 1997 VIII R 25/96, BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 724). Da diese Voraussetzungen
nicht erfüllt sind, können die Kläger --wenn überhaupt-- mit laufenden Verlusten frühestens in späteren Jahren (nach
Ablauf der Streitjahre) belastet werden.