Urteil des BFH vom 30.07.2008

BFH: wiedereinsetzung in den vorigen stand, gesetzliche frist, au pair, eigenes verschulden, zustellung, fristversäumnis, rechtsmittelfrist, prozessvertreter, sorgfalt, abgabenordnung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 30.7.2008, III B 173/07
Keine Ingangsetzung neuer Rechtsmittelfristen nach Zustellung eines Korrekturbeschlusses
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt Kindergeld für seine Tochter (T), die nach Beendigung ihrer
Schulausbildung von September 2002 bis Oktober 2003 an einem Au-pair-Programm in den USA teilgenommen hat.
2 Das Finanzgericht (FG) sah die Klage überwiegend als unbegründet an, da T Sprachkurse nicht in dem von der
Rechtsprechung geforderten Umfang von zehn Wochenstunden besucht hatte. Das Urteil wurde dem Kläger am 18.
Oktober 2007 zugestellt.
3 Der Kläger legte am 15. November 2007 Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein und kündigte an, die
Begründung der Beschwerde innerhalb der gesetzlichen Frist nachzureichen. Die Begründung ging aber erst am 24.
Dezember 2007, d.h. nach Ablauf der Begründungsfrist am 18. Dezember 2007, ein. Mit Schreiben vom 1. April 2008
teilte die Vorsitzende des III. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, die
Begründung sei verspätet eingegangen und wies auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin. Der
Prozessbevollmächtigte erwiderte hierauf mit am 10. April 2008 beim BFH eingegangenen Schreiben, nach seiner
Auffassung habe der endgültige Lauf der Begründungsfrist erst mit Zustellung des Berichtigungsbeschlusses des FG
vom 26. Oktober 2007 begonnen, so dass der Zugang der Beschwerde am 26. Dezember 2007 noch rechtzeitig
gewesen sei, denn die Zustellung des Korrekturbeschlusses habe erneut eine Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt.
Entscheidungsgründe
4 II. Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 132 FGO). Das Rechtsmittel wurde nicht
fristgerecht begründet. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.
5 1. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO innerhalb von zwei
Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils des FG zu begründen. Die Begründung ist beim BFH einzureichen
(§ 116 Abs. 3 Satz 2 FGO). Im Streitfall lief die --nicht verlängerte-- Begründungsfrist am 18. Dezember 2007 ab. Die
Beschwerdebegründung ist jedoch erst am 24. Dezember 2007 und damit verspätet beim BFH eingegangen.
6 2. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat keinen ausdrücklichen Antrag auf Wiedereinsetzung in die
Beschwerdebegründungsfrist nach § 56 FGO gestellt. Selbst wenn man sein Schreiben vom 8. April 2008 zu seinen
Gunsten als Wiedereinsetzungsantrag auslegen sollte, lägen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung wegen
schuldhafter Fristversäumnis durch den Prozessbevollmächtigten nicht vor.
7 Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Kläger ohne
Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei ist das Verschulden des
Prozessbevollmächtigten einem Kläger als sein eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der
Zivilprozessordnung; ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 4. Dezember 2003 XI B 181/01, BFH/NV
2004, 526). Die Fristversäumnis durch einen rechtskundigen Prozessvertreter kann nur dann als entschuldigt
angesehen werden, wenn sie durch die den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu
erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (BFH-Beschluss vom 29. März 2007 VIII R 52/06, BFH/NV 2007,
1515).
8 Nach ständiger Rechtsprechung wird aber durch die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses i.S. des § 107 FGO
keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt (z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. August 1989 IV R 44/88, BFH/NV 1990, 306,
und vom 10. Juli 1996 XI B 134/95, BFH/NV 1997, 48), d.h. der Lauf der Frist wird durch das Berichtigungsverfahren
nicht berührt (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 107 FGO Rz 7, m.w.N. zur
Rechtsprechung). Von einem rechtskundigen Prozessbevollmächtigten ist zu erwarten, dass er den Lauf der
Rechtsmittelfristen zutreffend beurteilt.