Urteil des BFH vom 28.04.1997

BFH: stundung, verzicht, zahlungsunfähigkeit, fälligkeit, gegenleistung, steuerpflichtiger, einspruch, aussetzung, vollziehung, käufer

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Gericht:
FG Berlin 8. Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1997
Aktenzeichen:
8 K 8138/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 227 AO 1977, § 240 Abs 1 S 4
AO 1977, § 234 Abs 2 AO 1977
(Vollständiger Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen
Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO bei Geltendmachung eines
Erstattungsanspruchs im Zusammenhang mit der
Umstrukturierung eines Unternehmensverbunds)
Tatbestand
Am 28. April 1997 wurden die Anteile der Klägerin an der Hxxx KG auf die Bxxx xxx
GmbH übertragen, die damit zur Kommanditistin der Hxxx KG wurde. Daneben wurden
am gleichen Tag die Klägerin und die Hxxx GmbH auf die Bxxx GmbH verschmolzen.
Zum 1. Mai 1997 wurde schließlich die Bxxx GmbH auf die Hxxx KG verschmolzen.
Da diese Verschmelzungsvorgänge keinen rückwirkenden Einfluss auf die
Gesellschafterzusammensetzung der Hxxx KG hatten, war die Klägerin bis zur
Übertragung ihrer Anteile an der Hxxx KG deren Kommanditistin und hatte für den
Veranlagungszeitraum 1997 einen Beteiligungsertrag in Höhe von 59 463 998,00 DM zu
versteuern. Mit Bescheid vom 21. April 1999 setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer
der Klägerin für 1997 auf 27 083 263,00 DM und den Solidaritätszuschlag zur
Körperschaftsteuer 1997 auf 2 031 235,72 DM fest. Nach Anrechnung der bereits
geleisteten Zahlungen verblieben eine zu zahlende Körperschaftsteuer in Höhe von 25
888 370,00 DM und ein Solidaritätszuschlag in Höhe von 1 941 627,75 DM, die am 25.
Mai 1999 fällig waren.
Mit Schreiben vom 20. Mai 1999 beantragte die Klägerin die Stundung der offenen
Beträge zur Körperschaftsteuer 1997 und des entsprechenden Solidaritätszuschlags bis
zur Verrechnung mit dem von Herrn Exxx Bxxx zugunsten der Klägerin abgetretenen
Einkommensteuererstattungsanspruchs für 1997.
Diesen Antrag auf Verrechnungsstundung lehnte der Beklagte ab, da das für Herrn Bxxx
zuständige Finanzamt mitteilte, dass mit einer alsbaldigen Einkommensteuererstattung
nicht zu rechnen sei.
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung
vom 3. August 1999 als unbegründet zurück.
Das Steuerkonto der Klägerin zur Körperschaftsteuer 1997 sowie zum entsprechenden
Solidaritätszuschlag war zum 15. Oktober 1999 ausgeglichen. Bis zu diesem Zeitpunkt
waren Säumniszuschläge in Höhe von 1 264 750,00 DM entstanden.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2000 beantragte die Klägerin den Erlass der
Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 1997. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit
Bescheid vom 20. Oktober 2000 ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 24.
Oktober 2000 Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, sie sei zum Zeitpunkt der
Einlegung des Einspruchs nicht in der Lage gewesen, die Säumniszuschläge zu
begleichen. Außerdem ergebe sich aus dem 1999 geführten Schriftverkehr, dass die
Klägerin die aufgelaufenen Steuerforderungen für 1997 nur aus anderweitigen
Steuererstattungen habe begleichen können. Nach ihrer Ansicht sei die Erhebung der
Säumniszuschläge im vorliegenden Fall sachlich unbillig. Innerhalb der Bxxx-Gxxx , zu
der auch die Klägerin gehört habe, seien 1997 umfangreiche
Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt worden. Diese hätten im Ergebnis
einerseits zu Steuererstattungen und andererseits zu Steuernachzahlungen innerhalb
der Unternehmensgruppe geführt. Dem Fiskus sei dadurch kein wirtschaftlicher Schaden
entstanden.
Die sachliche Unbilligkeit sei auch deshalb gegeben, weil die Klägerin am 25. Mai 1999,
dem Fälligkeitstag der Körperschaftsteuer 1997, zahlungsunfähig gewesen sei. Zu
diesem Zeitpunkt sei deswegen eine zinslose Stundung zu gewähren gewesen. Nach der
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diesem Zeitpunkt sei deswegen eine zinslose Stundung zu gewähren gewesen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- sei in derartigen Fällen der Erlass der
Säumniszuschläge gerechtfertigt.
Zum Nachweis ihrer Zahlungsunfähigkeit legte die Klägerin im Einspruchsverfahren
Unterlagen vor, aus denen sich ihre damalige Zahlungsunfähigkeit ergab.
Daraufhin hat der Beklagte mit Verfügung vom 24. Oktober 2001 die Säumniszuschläge
in Höhe eines Teilbetrages von 750 428,50 DM erlassen. Gegen die Ablehnung des
Erlasses der verbleibenden Säumniszuschläge in Höhe von 514 321,50 DM hielt die
Klägerin ihren Einspruch aufrecht.
Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 24. März 2003 als
unbegründet zurück.
Zur Begründung führte im Wesentlichen Folgendes aus:
Gemäß § 227 Abgabenordnung -AO- können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage
des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Erhebung von Säumniszuschlägen ist u. a. dann
sachlich unbillig, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen
Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung von
Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom
16. September 1992, Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -
BFH/NV- 1993, 510 mit weiteren Nachweisen).
Hinsichtlich der Höhe des Erlasses sei jedoch auch der weitere Zweck der
Säumniszuschläge zu berücksichtigen. Nach der Wertung des Gesetzgebers würden
Säumniszuschläge auch eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und
für den entstandenen Verwaltungsaufwand darstellen. Deshalb seien Säumniszuschläge
grundsätzlich nur zur Hälfte zu erlassen, wenn der Steuerpflichtige zahlungsunfähig sei.
Denn ein säumiger Steuerpflichtiger solle grundsätzlich nicht besser gestellt werden als
ein Steuerpflichtiger, dem die Aussetzung der Vollziehung oder die Stundung - gegen
Zinsen - gewährt worden sei (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom 20.
Dezember 1988, BFH/NV 1998).
Nach diesen Grundsätzen komme ein Erlass der verbleibenden Hälfte der
Säumniszuschläge nicht in Betracht. Da die Klägerin nach den vor ihr vorgelegten
Unterlagen aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung nicht in der
Lage gewesen sei, die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag fristgerecht zu
entrichten, seien die Säumniszuschläge zur Hälfte zu erlassen gewesen. Ein Erlass der
verbleibenden Hälfte der Säumniszuschläge komme jedoch nicht in Betracht, weil zum
Fälligkeitszeitpunkt eine Stundung - unter Verzicht auf Stundungszinsen - nicht
gerechtfertigt gewesen wäre. Der BFH habe in seinem Urteil vom 7. Juli 1999
(Aktenzeichen X R 87/96) festgestellt, dass der Erlass von Säumniszuschlägen, auch
soweit sie Zinscharakter haben und die durch die Säumnis bedingten
Verwaltungsaufwendungen abgelten, aufgrund der wirtschaftlichen Lage des
Steuerpflichtigen dann gerechtfertigt sein kann, wenn die Voraussetzungen für einen
Verzicht auf die Festsetzung von Stundungszinsen aus Billigkeitsgründen (§ 234 Abs. 2
AO) erfüllt gewesen wären (vgl. BFH, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1998, 7). Zweck der
Stundungszinsen sei es, eine Gegenleistung für die verspätete Zahlung zu erlangen. Aus
diesem Grund sei ihre Erhebung auch bei einer Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung
des Steuerpflichtigen jedenfalls nicht sachlich unbillig. Ein Verzicht auf Stundungszinsen
käme allenfalls bei einer Verrechnungsstundung in Betracht. Diese Voraussetzungen
seien bei der Klägerin im Fälligkeitszeitpunkt jedoch nicht gegeben gewesen. Der
Einspruch gegen die Ablehnung der Verrechnungsstundung sei bereits mit
Einspruchsentscheidung vom 3. August 1999 als unbegründet zurückgewiesen worden.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin im Wesentlichen
Folgendes vorträgt:
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH seien Säumniszuschläge ein Druckmittel
eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten solle. Darüber
hinaus verfolge die Vorschrift des § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine
Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch
Säumniszuschläge sollen schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten
werden, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, das
Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen (BFH, Urteil vom
29. August 1991, BStBl II 1991, 906).
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Ein Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen sei dann geboten,
wenn ihre Einziehung im Einzelfall, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der
Säumniszuschläge nicht mehr zu rechtfertigen sei, weil deren Erhebung - obwohl der
Sachverhalt den gesetzlichen Tatbestand erfülle - den Wertungen des Gesetzgebers
zuwiderlaufe.
Sachlich unbillig sei die Erhebung von Säumniszuschlägen stets dann, wenn dem
Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und
Zahlungsunfähigkeit unmöglich sei und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung
ihren Sinn verliere. Für die Höhe des Erlasses sei jedoch auch der weitere Zweck der
Säumniszuschläge zu berücksichtigen, da Umstände, die der Gesetzgeber bei der
Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer steuerrechtlichen Vorschrift bewusst
in Kauf genommen habe, grundsätzlich keinen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen
rechtfertigen würden.
Ausgehend von den Wertungen des Gesetzgebers, wonach Säumniszuschläge auch als
Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und zur Abgeltung des
Verwaltungsaufwands dienen sollen, kommt - wenn sie ihren Zweck als Druckmittel
eigener Art verfehlen - in der Regel nur ein Teilerlass in Betracht. Die Säumniszuschläge
sind dann regelmäßig nur zur Hälfte zu erlassen, denn ein Säumiger soll grundsätzlich
nicht besser stehen als ein Steuerpflichtiger, dem Aussetzung der Vollziehung oder
Stundung gewährt wurde (BFH, Beschluss vom 20. Dezember 1999, BFH/NV 1989, 761).
Dementsprechend habe der Beklagte die Hälfte der entstandenen Säumniszuschläge
erlassen. Dabei habe er die Überschuldung der Klägerin berücksichtigt. Unberücksichtigt
geblieben sei aber, dass im vorliegenden Fall die Klägerin einen Anspruch auf eine
Verrechnungsstundung gehabt habe und deswegen der Beklagte die streitigen Steuern
unter Verzicht auf Stundungszinsen hätte stunden müssen.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH sei der Erlass der vollen Säumniszuschläge
insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die
Festsetzung von Stundungszinsen nach § 234 Abs. 2 AO erfüllt gewesen wären (BFH,
Urteile vom 23. Mai 1985, BStBl II 1985, 489 und vom 18. April 1996, BStBl II 1996, 561).
Voraussetzung für den Erlass der Säumniszuschläge sei lediglich, dass im Zeitpunkt der
Fälligkeit der Hauptforderung ein Verzicht auf die Stundungszinsen gerechtfertigt wäre
(BFH, Urteile vom 16. Juli 1997, BStBl II 1998, 7). Nicht erforderlich sei dagegen, dass ein
solcher Verzicht tatsächlich vom Finanzamt auch ausgesprochen worden sei. Es komme
nur auf das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür an (vgl. BFH, Urteil vom 23. Mai 1995,
BStBl II 1985, 489 sowie vom 7. Juli 1999, BFH/NV 2000, 161). Aus diesem Grund gehe
der Hinweis des Beklagten auf die Bestandkraft der Stundungsablehnung in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 3. August 1999 ins Leere.
Wie der Beklagte mit Recht ausführe, liege ein klassischer Fall für einen Verzicht auf
Stundungszinsen nach § 234 Abs. 2 AO im Fall der so genannten Verrechnungsstundung
vor. Der Steuerpflichtige habe deshalb einen Anspruch zinslose Stundung, wenn er
demnächst mit einer Steuererstattung in entsprechender Höhe rechnen könne oder ihm
noch nicht aufrechenbaren Ansprüche gegen den Fiskus nach § 226 Abs. 1 AO
zustünden.
Im vorliegenden Fall hätten die Voraussetzungen für eine solche Verrechnungsstundung
vorgelegen.
Dies ergibt sich nach Ansicht der Klägerin im Übrigen daraus, dass die von dem
Beklagten zunächst negierten Gegenansprüche im nachfolgenden Verfahren tatsächlich
zur Tilgung der ursprünglichen Steuerforderungen geführt hätten. Dieser tatsächliche
Geschehensablauf dokumentiere auffällig, dass die Voraussetzungen für eine
Verrechnungsstundung vorgelegen hätten.
Aus dem Inhalt der Steuerakten und hier insbesondere aus dem Schriftwechsel vom 3.
und 4. Juni 1999 ergebe sich zweifelsfrei, dass der Beklagte zunächst vom Vorliegen der
Voraussetzungen für die Verrechnungsstundung ausgegangen sei und lediglich wegen
der besonderen Höhe auf einer schriftlichen Bestätigung des Finanzamts Bxxx
bestanden habe. Dieses Finanzamt habe zunächst eine positive telefonische Antwort
erteilt. Erst mit seinem Schreiben vom 15. Juni 1999 habe das Finanzamt B mitgeteilt,
dass nach derzeitigem Stand der Einkommensteuerveranlagung 1997 nicht mit einer
Erstattung zu rechnen sei.
Zu berücksichtigen sei, dass die Zweifel des Finanzamts Bxxx auf einen
Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid der
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Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid der
Eheleute Bxxx beruht hätten. Gegen diesen Feststellungsbescheid sei jedoch ein
Einspruch eingelegt worden und ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt
worden. Aus dem Gesamtbild heraus habe sich jedoch ergeben, dass der
Erstattungsanspruch bei einer positiven Entscheidung im Aussetzungsverfahren
bestehen geblieben sei. Es könne jedoch nicht sein, dass sich der Beklagte
ausschließlich auf die Bescheidlage im Juni 1999 zurückziehe und sich nicht nach dem
Argumentationsstand in diesem Rechtsbehelfsverfahren erkundigt habe. Der vom
Finanzamt Bxxx angeführte Feststellungsbescheid eines Berliner Finanzamtes treffe die
Verschmelzungsproblematik, an der auch die Klägerin beteiligt gewesen sei. Da der
gesamte Sachverhalt äußerst komplex gewesen sei, hätte der Beklagte sich nicht damit
begnügen dürfen, sich auf die schriftliche Darstellung des Finanzamts Bxxx zu beziehen.
Vielmehr hätte der Beklagte der Klägerin Gelegenheit geben müssen, entsprechende
Unterlagen vorzulegen. Dies ergebe sich schon daraus, dass kurze Zeit später die
besagten Erstattungsansprüche des Finanzamts Bxxx zur Tilgung der Steuerschulden
geführt hätten. Zur Berücksichtigung dieser tatsächlichen Gegebenheiten sei dem
Begehren der Klägerin dadurch Rechnung zu tragen, dass diese so gestellt werde, als
habe der Beklagte eine Verrechnungsstundung gewährt.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 20. Oktober 2000 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 24. März 2003 aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, die Körperschaftsteuer 1997 in Höhe von 476 064,00 DM und den
Solidaritätszuschlag 1997 in Höhe von 38 257,50 DM in vollem Umfang zu erlassen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Ansicht, die von der Klägerin seinerzeit beantragte
Verrechnungsstundung sei von ihm zu Recht abgelehnt worden. Im Einzelnen verweist er
insofern auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 6. August 1999.
Mit Schreiben vom 20. Mai 1999 habe die Klägerin die Stundung der offenen Beträge bis
zur Verrechnung mit dem von Herrn Exxx Bxxx zugunsten der Klägerin abgetretenen
Einkommensteuererstattungsanspruch für 1997 beantragt. Da das für die
Einkommensteuerveranlagung von Herrn Bxxx zuständige Finanzamt Bxxx mitgeteilt
habe, dass mit einer Erstattung aufgrund der Einkommensteuerveranlagung 1997 nicht
zu rechnen sei, sei der Stundungsantrag durch Bescheid vom 23. Juni 1999 abgelehnt
worden. Eine Verrechnungsstundung setze insbesondere voraus, dass der
Gegenanspruch rechtlich und tatsächlich schlüssig dargelegt worden sei. Eine schwierige
und zeitraubende Überprüfung der angeblichen Gegenforderung brauche das Finanzamt
im Rahmen des Stundungsverfahrens nicht vorzunehmen. Danach hätten hier die
Voraussetzungen für eine Verrechnungsstundung nicht vorgelegen. Denn die von der
Klägerin eingereichten Unterlagen seien nicht gleich nachprüfbar gewesen. Es habe
anhand dieser Unterlagen nicht beurteilt werden können, ob der behauptete
Erstattungsanspruch tatsächlich bestehe. Vielmehr habe das Finanzamt Bxxx mitgeteilt,
dass mit einem solchen Steuererstattungsanspruch nicht zu rechnen sei.
Die Tatsache, dass diese Gegenforderung zu einem späteren Zeitpunkt dennoch
tatsächlich entstanden sei, ändere an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der
Verrechnungsstundung nichts, da deren Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit
der Steuerforderungen des Beklagten zu beurteilen gewesen wären.
Dem Gericht haben vier Bände der von dem Beklagten für die Klägerin zur
Steuernummer 27/421/02320 geführten Steuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet, weil die Ablehnung des Beklagten, auch den
restlichen Teil der Säumniszuschläge zu erlassen, nicht rechtswidrig war.
Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis
ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einzug nach Lage des einzelnen Falles unbillig
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ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einzug nach Lage des einzelnen Falles unbillig
wäre. Im vorliegenden Fall begehrte die Klägerin einen Erlass aus sachlichen
Billigkeitsgründen. Ein solcher Erlass ist nach der Rechtsprechung des BFH insbesondere
dann geboten, wenn die Einziehung der Säumniszuschläge im Einzelfall, insbesondere
mit Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck, nicht mehr zu rechtfertigen ist, weil deren
Erhebung - obwohl der Sachverhalt den gesetzlichen Tatbestand erfüllt - den Wertungen
des Gesetzgebers zuwiderläuft.
Sachlich unbillig ist die Erhebung von Säumniszuschlägen stets dann, wenn dem
Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und
Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung
ihren Sinn verliert. Wie die Beteiligten mit Recht vortragen, ist bei der Entscheidung über
den Erlass der Säumniszuschläge jedoch auch der weitere Zweck der Säumniszuschläge
zu berücksichtigen, da Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des
gesetzlichen Tatbestandes einer steuerrechtlichen Vorschrift bewusst in Kauf
genommen hat, grundsätzlich keinen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen
rechtfertigt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Säumniszuschläge ein
Druckmittel eigener Art, dass den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten
soll. Darüber hinaus verfolgt die Vorschrift des § 240 AO den Zweck, vom
Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger
Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die
Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften
dadurch entstehen, das Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß
zahlen (BFH, Urteil vom 29. August 1991, BStBl II 1991, 906).
Berücksichtigt man den Umstand, dass Säumniszuschläge auch als Gegenleistung für
das Hinausschieben der Fälligkeit und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands dienen
sollen, kommt in der Regel nur ein Teilerlass in Betracht. Stellt das Finanzamt fest, dass
der Steuerpflichtige nicht in der Lage war, die Steuern rechtzeitig zu bezahlen, so sollen
die Säumniszuschläge nur zur Hälfte erlassen werden, weil ein säumiger
Steuerpflichtiger grundsätzlich nicht besser stehen soll, als ein Steuerpflichtiger, dem die
Aussetzung der Vollziehung oder die Stundung gewährt worden ist (vgl. insbesondere
BFH, Beschluss vom 20. Dezember 1998, BFH/NV 1989, 761).
Dementsprechend hat der Beklagte im vorliegenden Fall auch etwa die Hälfte der
entstandenen Säumniszuschläge erlassen, weil er zu der Feststellung gelangt ist, dass
die Klägerin im Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Steuern nicht zahlungsfähig war.
Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Beklagte jedoch nicht verpflichtet, auch die
übrigen Säumniszuschläge zu erlassen. Ein Erlass sämtlicher Säumniszuschläge käme
nach der Rechtsprechung des BFH nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für
einen Verzicht auf die Festsetzung von Stundungszinsen nach § 234 Abs. 2 AO erfüllt
gewesen wären (BFH, Urteile vom 23. Mai 1985, BStBl II 1985, 489 und vom 18. April
1996, BStBl II 1996, 561).
Wie die Beteiligten übereinstimmend ausführen, liegt ein typischer Fall, in dem das
Finanzamt verpflichtet ist, auf Stundungszinsen nach § 234 Abs. 2 AO zu verzichten, in
den Fällen der so genannten Verrechnungsstundung oder technischen Stundung vor. Ein
derartiger Fall ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige demnächst mit einer
Steuererstattung in Höhe des gestundeten Betrages rechnen kann oder wenn ihm ein
entsprechender Anspruch gegen das Finanzamt zusteht und es lediglich an der
Aufrechnungslage fehlt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin lagen im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der
Fälligkeit der streitigen Steuern die Voraussetzungen für eine derartige
Verrechnungsstundung jedoch nicht vor. Denn zu einer derartigen Stundung unter
Verzicht auf Stundungszinsen ist das Finanzamt nur dann verpflichtet, wenn der
Gegenanspruch, den der Steuerpflichtige geltend macht, in rechtlicher und tatsächlicher
Hinsicht zweifelsfrei feststeht. Diese Voraussetzung war hier jedoch nicht gegeben, weil
das für die Einkommensteuerveranlagung von Herrn Bxxx zuständige Finanzamt Bxxx
dem Beklagten mitgeteilt hatte, dass mit einer Erstattung aufgrund der
Einkommensteuerveranlagung 1997 nicht zu rechnen sei. Entgegen der Ansicht der
Klägerin war der Beklagte nicht verpflichtet, eigene Nachforschungen und Prüfungen
darüber anzustellen, ob der betreffende Erstattungsanspruch dennoch bestand. Denn
grundsätzlich ist das für die Stundung zuständige Finanzamt nicht verpflichtet, eigene
Nachforschungen und Prüfungen hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs des
Steuerpflichtigen anzustellen. Dies muss im vorliegenden Fall umso mehr deshalb
gelten, weil der geltend gemachte Erstattungsanspruch im Zusammenhang mit der
Umstrukturierung des gesamten Unternehmensverbands stand und deshalb dessen
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Umstrukturierung des gesamten Unternehmensverbands stand und deshalb dessen
Prüfung einen erheblichen Arbeitsaufwand verursacht hätte. In derartigen Fällen darf das
Finanzamt sich auf die in der Abgabenordnung geregelten Zuständigkeiten berufen und
die Prüfung des geltend gemachten Anspruchs dem dafür zuständigen Finanzamt
überlassen. Einen Anspruch auf Verrechnungsstundung hat der Steuerpflichtige in
diesen Fällen erst zu dem Zeitpunkt, indem das zuständige Finanzamt mitteilt, dass es
den betreffenden Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen anerkenne.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich schließlich ein Anspruch auf Erlass der
restlichen noch streitigen Säumniszuschläge auch nicht daraus, dass der von der
Klägerin behauptete Erstattungsanspruch des Herrn Bxxx sich später tatsächlich als
richtig erwiesen hat. Denn eine solche Erstattung wird vom Finanzamt nicht mit einer
"rückwirkenden Wertstellung" gutgeschrieben. Die Frage, ob dem Steuerpflichtigen
wegen einer späteren Erstattung von Steuern irgendwelche Ansprüche auf Zinsen
zustehen, richtet sich vielmehr ausschließlich nach der Regelung in § 233 a AO. Dass
dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich beispielsweise auch aus der
Vorschrift des § 240 Abs. 1 Satz 4 AO, wonach sogar die spätere Aufhebung oder
Änderung einer Steuerfestsetzung nicht zur Aufhebung der bis dahin verwirkten
Säumniszuschläge führt.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus dem Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 23. Oktober 2003 (Aktenzeichen 6 K 843/03,
Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2005, 1239). Allerdings hat der Richter in dem
betreffenden Fall entschieden, dass die Erhebung von Nachzahlungszinsen aus
sachlichen Gründen unbillig ist, wenn zweifelsfrei feststehe, dass ein Steuerpflichtiger
durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hatte. Dabei lässt das
Gericht ausdrücklich dahinstehen, ob es den Rechtsausführungen dieses Urteils im
Einzelnen folgen würde. Das Urteil kann nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall
schon deshalb keine Bedeutung haben, weil es auf einer anderen und besonderen
Problemlage beruht. In dem vom Hessischen Finanzgericht entschiedenen Fall ging es
nämlich darum, dass die Vertragsparteien einer Grundstücksveräußerung irrtümlich
davon ausgegangen sind, es handele sich nicht um eine nicht steuerbare
Geschäftsveräußerung im Ganzen, sondern um eine steuerbare Lieferung und der
Verkäufer deswegen auf die Umsatzsteuerfreiheit der Lieferung verzichtet hat. Später
hat sich im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung herausgestellt, dass es sich bei
der Grundstücksveräußerung in Wahrheit um eine nicht steuerbare
Grundstücksveräußerung im Ganzen handelte. Aus diesem Grund hat in dem
betreffenden Fall das Finanzamt dem Käufer des Grundstücks den Vorsteuerabzug
versagt und zugleich die streitigen Nachzahlungszinsen festgesetzt. Daraufhin hat der
Verkäufer die Rechnung berichtigt, indem er den Kaufpreis nunmehr ohne Umsatzsteuer
auswies. Den daraus entstehenden Erstattungsanspruch trat der Verkäufer an den
Käufer zur Tilgung von dessen Steuerschuld ab.
Aufgrund der besonderen Fallkonstellation vertrat der Richter des Hessischen
Finanzgerichts die Auffassung, dass die Nachzahlungszinsen erlassen werden müssten.
Zur Begründung wies er darauf hin, dass nach § 233 a Abs. 1 Satz 1 AO Zinsen
festzusetzen sind, wenn die Festsetzung einer Steuer zu einer Nachforderung führt.
Zweck der Vorschrift sei es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei dem
einzelnen Steuerpflichtigen aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen
Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Durch die so genannte Vollverzinsung sollen
die Zinsvorteile des Steuerpflichtigen und die Zinsnachteile ausgeglichen, die aufseiten
des Steuergläubigers objektiv entstehen. Da im vorliegenden Fall der Käufer des
Grundstücks aufgrund der Abtretung der Umsatzsteuererstattung an den Verkäufer
keinen Zinsvorteil erlangt habe, sei die Erhebung von Zinsen seitens des Finanzamts
unbillig.
Davon unterscheidet sich der hier zu entscheidende Fall schon dadurch, dass es hier
nicht um Zinsen nach § 233 Abs. 1 Satz 1 AO geht, sondern um die Erhebung von
Säumniszuschlägen. Darüber hinaus beruht die Entscheidung des Finanzgerichts
Hessen erkennbar im Wesentlichen auf der besonderen umsatzsteuerlichen Situation,
die sich früher ergab, wenn die Beteiligten zu Unrecht davon ausgegangen sind, bei
einer Grundstücksveräußerung handele es sich um eine steuerbare Lieferung.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- .
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