Urteil des BFH vom 16.02.2010

Weder Nichtigkeit noch Steuererlass bei unionsrechtswidriger Festsetzung der Umsatzsteuer aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 3.8.2010, XI B 104/09
Weder Nichtigkeit noch Steuererlass bei unionsrechtswidriger Festsetzung der Umsatzsteuer aus dem Betrieb von
Glücksspielautomaten
Gründe
1
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen
Erfolg. Zum Teil sind die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht den Anforderungen entsprechend dargelegt; im
Übrigen liegt der hinreichend dargelegte und geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vor.
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1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist erfolglos, soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift auf eine
Verfassungsbeschwerde, die inzwischen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung
angenommenen wurde (Beschluss vom 16. Februar 2010 1 BvR 2218/09, nicht veröffentlicht --n.v.--) beruft, sich unter
Beifügung einer Kopie der Beschwerdeschrift in jenem Verfahren auf deren Inhalt bezieht und diesen zum
Gegenstand ihres Vorbringens macht. Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) müssen sich die Beteiligten durch
Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (§ 62 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dies gilt auch für
Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem BFH eingeleitet wird (§ 62 Abs. 4 Satz 2 FGO). Der
Vertretungszwang bedeutet, dass der jeweilige Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Einlegung und
die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übernehmen muss. Die Begründung der
Nichtzulassungsbeschwerde muss daher von dem Prozessbevollmächtigten selbst stammen (vgl. zu § 62a FGO a.F.
BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2003 XI B 145/02, BFH/NV 2004, 348, m.w.N.). Im Streitfall hat der nach § 62 Abs. 4
Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO zur Vertretung vor dem BFH berechtigte Prozessvertreter der Klägerin die
Beschwerde, soweit er sich auf den Inhalt einer Beschwerdeschrift in einem anderen Verfahren von einem anderen
Prozessbevollmächtigten bezieht und diesen zum Vortrag seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht, nicht selbst
begründet. Daraus wird deutlich, dass sich der Prozessvertreter der Klägerin insoweit nicht selbst mit dem Streitstoff
befasst, ihn insbesondere nicht im Hinblick auf das Vorliegen und die Darlegung etwaiger Zulassungsgründe
überprüft hat.
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2. Die Klägerin hat die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) sowie der
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) nicht entsprechend den
gesetzlichen Anforderungen i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
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a) Stützt sich eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Streitfall auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.
des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, setzt eine ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes voraus, dass der
Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt,
der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist hierzu ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus
welchen Gründen im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung im
Allgemeininteresse liegt (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. April 2010 VI B 167/09, BFH/NV
2010, 1351, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.). Die bloße Behauptung, die
Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt nicht. Hat der BFH bereits früher über die Rechtsfrage
entschieden, muss der Beschwerdeführer darüber hinaus begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute
Entscheidung zu dieser Frage für erforderlich hält. Er muss substantiiert vortragen, inwiefern und aus welchen
Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere, welche neuen und
gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente gegen die Rechtsauffassung des BFH in der Rechtsprechung
der Finanzgerichte oder in der Literatur vorgebracht worden sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. März 2007 I B
72/06, n.v., juris; vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985; vom 28. Juli 1997 VIII B 68/96, BFH/NV 1998, 29;
Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 33, m.w.N.). Wenn eine höchstrichterliche Entscheidung zu der aufgeworfenen
Rechtsfrage nicht vorliegt, genügt dies für sich allein nicht für eine Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. z.B.
BFH-Beschlüsse vom 27. März 2007 I B 72/06, n.v., juris; vom 26. Mai 2004 III B 89/03, BFH/NV 2004, 1221; vom 18.
April 2005 II B 98/04, BFH/NV 2005, 1310). In jedem Fall muss dargelegt werden, in welchem Umfang und aus
welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und ggf. streitig ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27.
März 2007 I B 72/06, n.v., juris; vom 26. August 2004 II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625; vom 7. Oktober 2004 VIII B
76/04, BFH/NV 2005, 337; vom 3. November 2004 X B 121/03, BFH/NV 2005, 350).
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Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hat zwar die Rechtsfragen
aufgeworfen, ob erstens ein bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheid, der unstreitig gegen Art. 13 Teil B Buchst. f der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) verstoße, zur Nichtigkeit der Festsetzung nach § 125
Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) führe, und ob zweitens in diesem Fall --wenn dies nicht die Nichtigkeit zur Folge hat-
- die festgesetzte Umsatzsteuer nach § 227 AO zu erlassen sei. Die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfragen wurde
jedoch nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.
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aa) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass ein unionsrechtswidriger Bescheid, dessen Rechtswidrigkeit
allein auf der unterschiedlichen Auslegung einer Rechtsnorm beruht und der zum Zeitpunkt seines Ergehens der
nationalen Rechtsprechung entsprach, nicht nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI
R 36/95, BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399). Dies trifft im Streitfall zu. Es entsprach der Rechtsprechung des BFH, die
Steuerbefreiung gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG auf die Umsätze aus dem Betrieb von
Glücksspielautomaten nicht unmittelbar anzuwenden (vgl. BFH-Beschluss vom 6. November 2002 V R 7/02, BFHE
200, 149, BFHE/NV 2003, 275).
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In der Beschwerdeschrift geht die Klägerin weder auf die in der Literatur vertretenen Meinungen zur Rechtsfolge
unionsrechtswidriger Verwaltungsakte (z.B. de Weerth, Deutsches Steuerrecht 2008, 1368; Rozek in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 125 AO Rz 45, m.w.N.) ein, noch legt sie dar, weshalb die Frage auf der Grundlage der
bereits ergangenen Rechtsprechung nicht zu entscheiden wäre. Es genügt den vorgenannten Anforderungen an die
Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nicht, wenn sich die Klägerin in ihrer
Beschwerdeschrift im Kern auf den Hinweis stützt, eine Entscheidung des BFH zur Frage, ob die vorsätzliche
Nichtumsetzung einer europäischen Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber zur Nichtigkeit des Steuerbescheids
führe, sei bislang nicht vorhanden.
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Ein Ausnahmefall, in dem auf die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verzichtet werden kann,
wenn diese offenkundig ist, weil z.B. die streitige Rechtsfrage seit längerer Zeit in der Literatur kontrovers diskutiert
wird, für eine Vielzahl von Steuerfällen bedeutsam und vom BFH noch nicht geklärt ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., §
116 Rz 32, m.w.N.), ist im Hinblick auf die vorgenannte Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht ersichtlich.
Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erfordern würden, hat die Klägerin nicht
vorgetragen. Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift auf die Verpflichtung der
Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit (Art. 10 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft;
nunmehr Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union) in Gestalt des Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips
beruft. Der BFH hat hierzu bereits entschieden, dass die Aufhebung eines rechtswidrigen belastenden
bestandskräftigen Verwaltungsakts nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nur
dann in Betracht kommt, wenn sie durch eine nationale Regelung ermöglicht wird. Ein bestandskräftiger
Steuerbescheid ist deshalb nicht änderbar, wenn das nationale Recht hierfür keine Rechtsgrundlage vorsieht (vgl.
BFH-Urteil vom 23. November 2006 V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436; die gegen dieses Urteil erhobene
Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 4. September 2008 2
BvR 1321/07, BFH/NV 2009, 110).
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bb) Durch die Rechtsprechung des BFH ist ebenso bereits geklärt, dass bestandskräftig festgesetzte Steuern nur dann
im Billigkeitsverfahren nach § 227 AO zu erlassen sind, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig
unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich hiergegen in dem dafür vorgesehenen
Festsetzungsverfahren rechtzeitig zu wehren. Der BFH hat in diesem Zusammenhang wiederholt entschieden, dass
die Vorgaben in Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG vor Ergehen des EuGH-Urteils vom 17. Februar
2005 Rs. C-453/02 und C-462/02, --Linneweber und Akritidis-- (Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94) nicht
eindeutig waren und dass es angesichts mangelnder Erfolgsaussichten nicht unzumutbar war, rechtzeitig gegen eine
Umsatzsteuerfestsetzung Einspruch einzulegen (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2009 V B 52/08, BFH/NV 2009,
1593, m.w.N.; die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung
angenommen, BVerfG-Beschluss vom 16. Februar 2010 1 BvR 2218/09, n.v.).
10 Die Klägerin trägt in ihrer Beschwerdeschrift hierzu keinen Gesichtspunkt vor, der eine erneute Prüfung dieser
Rechtsprechung erforderlich erscheinen lässt. Mit ihrem Vorbringen, der vorliegende Fall biete erstmalig die
Gelegenheit zu beantworten, ob trotz einer nachgewiesenen Kenntnis der zuständigen Organe der Gesetzgebung im
Jahr 1973 über die Steuerbefreiung von Umsätzen aus Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit das
Tatbestandsmerkmal "offenkundig und eindeutig unrichtig" verneint werden könne, stellt sie im Kern die materielle
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage und rügt die ihres Erachtens fehlerhafte
Rechtsanwendung, also materiell-rechtliche Fehler. Einen Revisionszulassungsgrund begründet dies jedoch nicht
(vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2008 IX B 249/07, BFH/NV 2008, 1512, m.w.N.).
11 cc) Die Klägerin legt mit ihrem Hinweis auf bereits anhängige Revisionsverfahren, die die aufgeworfenen
Rechtsfragen betreffen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dar. Der Hinweis, beim BFH seien in
ähnlich gelagerten Fällen bereits Revisionsverfahren anhängig, reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache nicht aus (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. August 2007 X B 32/07, BFH/NV 2007, 2279, m.w.N.;
vom 18. März 2005 IX B 193/04, BFH/NV 2005, 1342, m.w.N.).
12 b) Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des
Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO hat die Klägerin ebenfalls nicht dargelegt. Dazu wären in gleicher
Weise konkrete Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der herausgestellten Rechtsfragen
erforderlich gewesen (vgl. BFH-Beschluss vom 27. März 2007 I B 72/06, n.v., juris, m.w.N.). Gesichtspunkte, die eine
erneute Prüfung der die aufgeworfenen Rechtsfragen betreffenden Rechtsprechung des BFH zur Rechtsfortbildung
erfordern würden, hat die Klägerin auch zu diesem Zulassungsgrund nicht vorgetragen.
13 c) Wird als Zulassungsgrund --wie im Streitfall-- nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geltend gemacht, die
Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des BFH, muss mit der Begründung der
Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage
unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder das angefochtene Urteil willkürlich und deshalb
geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 40, 45).
Ausführungen dazu, dass das Finanzgericht (FG) in einer Rechtsfrage von der Rechtsprechung des BFH oder eines
anderen Gerichts abgewichen ist, sind der Beschwerdeschrift nicht zu entnehmen. Weder hat die Klägerin dargelegt,
in welcher abstrakt zu formulierenden Rechtsfrage ihrer Ansicht nach eine solche Abweichung vorliegen soll, noch hat
sie Entscheidungen des BFH oder eines anderen Gerichts hierzu benannt. Ebenso wenig macht sie geltend, das
angefochtene Urteil sei willkürlich. Der Hinweis auf bereits anhängige Revisionsverfahren in vergleichbaren Fällen,
auf die sich die Klägerin stützt, genügt nicht zur Darlegung des Revisionsgrundes der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung. Anhängige Revisionsverfahren in gleichgelagerten Fällen allein machen eine Entscheidung des
BFH im Streitfall nicht erforderlich.
14 3. Die Revision ist nicht wegen eines Verstoßes gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör zuzulassen.
15 Wird die Zulassung der Revision auf die Versagung des rechtlichen Gehörs i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3
FGO gestützt, ist substantiiert darzulegen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen sich der Beteiligte vor dem FG nicht
äußern konnte oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. April 2008 X B 154/07, BFH/NV 2008, 1361, m.w.N.; vom 5. August
2004 II B 159/02, BFH/NV 2004, 1665, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 14, m.w.N.). Im Streitfall begründet die
Klägerin ihre Nichtzulassungsbeschwerde in diesem Punkt damit, das FG habe ihren Vortrag, ob ein Verwaltungsakt,
der nur aufgrund einer vorsätzlichen Nichtumsetzung einer europäischen Richtlinie zu Stande gekommen sei, an
einem besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden
Umstände offenkundig sei, zwar im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung erwähnt, jedoch in den
Entscheidungsgründen nicht aufgegriffen. Dort finde sich nicht ein einziges Wort dazu, weshalb trotz der im Verfahren
durch Urkunden nachgewiesenen Kenntnis der zuständigen Organe der Gesetzgebung seit 1973, die vorsätzliche
Nichtumsetzung der Steuerbefreiung, die zu der vorliegenden falschen Besteuerung geführt habe, nicht zur Nichtigkeit
nach § 125 Abs. 1 AO führe.
16 Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel in Gestalt der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt im
Streitfall nicht vor. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des
Einzelfalls deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis
genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Die richterliche Pflicht geht
jedoch nicht soweit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen
müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat.
Es darf das Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist (vgl. BFH-
Beschluss in BFH/NV 2008, 1361, m.w.N.). Das FG führt in den Entscheidungsgründen der angefochtenen
Entscheidung aus, dass die nicht ordnungsgemäße Umsetzung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG
allenfalls zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung, nicht aber zu deren Nichtigkeit führe (FG-
Urteil Seite 6), und der von der Klägerin angeführte "qualifizierte Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht" keine
Voraussetzung für die unmittelbare Wirkung einer Richtlinienvorschrift, sondern für einen gemeinschaftsrechtlichen
Entschädigungsanspruch sei (FG-Urteil Seite 7). Das FG hat somit entgegen der Ansicht der Klägerin deren
tatsächliches Vorbringen im finanzgerichtlichen Verfahren nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern bei seiner
Entscheidung ersichtlich auch in Erwägung gezogen. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liegt
nicht deshalb vor, weil das FG der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die Klägerin nicht gefolgt ist. Das
Gericht ist nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht dazu verpflichtet, sich den Ausführungen eines Beteiligten in
tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht anzuschließen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV
2009, 1593, m.w.N.).