Urteil des BFH vom 09.10.2006

BFH (mutter, kläger, pflege, person, aufhebung, verfügung, sache, aufteilung, auslagenersatz, verhandlung)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 17.7.2008, III R 98/06
Entgeltlichkeit von Pflegeleistungen - Aufteilung des Pflegepauschbetrags
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) pflegte zusammen mit seiner Mutter den Vater, für den das zuständige
Versorgungsamt einen Grad der Behinderung von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das
Merkzeichen "H" (Hilflosigkeit) festgestellt hatte. Die Pflegekasse leistete ein monatliches Pflegegeld von 400 DM,
welches auf das gemeinsame Konto der Eltern des Klägers überwiesen wurde und auf dem Kontoauszug als Gutschrift
für die Mutter bezeichnet ist.
2 In der Einkommensteuererklärung beantragte der Kläger die Gewährung eines Pflegepauschbetrages von 1 800 DM
nach § 33b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 2001 geltenden Fassung (EStG). Der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) kam dem nicht nach und berücksichtigte nur den halben
Pauschbetrag.
3 Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Hessische Finanzgericht (FG) gewährte dem Kläger mit Urteil vom 9.
Oktober 2006 11 K 1760/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 589) den ungekürzten
Pflegepauschbetrag, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aufteilung nicht vorgelegen hätten (§ 33b Abs. 6
Satz 5 EStG, seit 20. Dezember 2003 Satz 6). Die Mutter des Klägers habe Einnahmen i.S. von § 33b Abs. 6 Satz 1
EStG für die Pflege erhalten. Anhaltspunkte für eine nur treuhänderische Verfügung über das Pflegegeld oder für
bloßen Auslagenersatz lägen nicht vor.
4 Zur Begründung der Revision trägt das FA im Wesentlichen vor, die Gewährung des Pflegepauschbetrages werde
durch Einnahmen der Pflegeperson ausgeschlossen. Dieser Ausschluss greife lediglich dann nicht ein, wenn das
Pflegegeld treuhänderisch für den Pflegebedürftigen verwaltet werde und damit ausschließlich Aufwendungen für den
Pflegebedürftigen bestritten würden. Wirke sich ein Pflegepauschbetrag bei einer weiteren Pflegeperson steuerlich
nicht aus, so habe diese kein Interesse daran, nachzuweisen, dass sie das Geld ausschließlich für Aufwendungen des
Pflegebedürftigen verwendet habe. Da Pflegegeld für erhöhte Aufwendungen des Pflegebedürftigen gezahlt werde,
müsse davon ausgegangen werden, dass es zumindest bei Ehegatten für den erhöhten Aufwand eingesetzt werde, so
dass im Streitfall die Mutter des Klägers keine Einnahmen i.S. von § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG erhalten habe.
5 Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6 Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der
Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Den Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, ob dem Kläger der volle Pflegepauschbetrag zusteht.
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1. Nach § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm
durch die Pflege einer Person erwachsen, die nicht nur vorübergehend hilflos ist, an Stelle einer Steuerermäßigung
nach § 33 EStG einen Pauschbetrag von 1 800 DM (Streitjahr 2001) geltend machen, wenn er dafür keine Einnahmen
erhält. Wird ein Pflegebedürftiger von mehreren Personen gepflegt, so wird der Pauschbetrag gemäß § 33b Abs. 6
Satz 5 EStG nach der Zahl der Pflegepersonen geteilt, bei denen die Voraussetzungen des § 33b Abs. 6 Sätze 1 bis 4
EStG vorliegen.
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Eine Pflegeperson hat Anspruch auf den vollen Pauschbetrag, wenn eine weitere Pflegeperson für ihre
Pflegeleistungen Einnahmen erhält. Zu solchen Einnahmen kann auch das einem Pflegebedürftigen zustehende
Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch zählen, das an eine Pflegeperson weitergeleitet
wird (Senatsurteil vom 21. März 2002 III R 42/00, BFHE 198, 526, BStBl II 2002, 417). Die Weiterleitung führt allerdings
dann nicht zu Einnahmen, wenn das Pflegegeld ausschließlich dazu verwendet wird, Aufwendungen des
Pflegebedürftigen zu ersetzen, wenn also Auslagen für den Gepflegten erstattet werden oder der Pflegeperson Mittel
für die Begleichung von Aufwendungen der pflegebedürftigen Person treuhänderisch zur Verfügung gestellt werden
(Senatsurteil in BFHE 198, 526, BStBl II 2002, 417). Hiernach kommt es entscheidend darauf an, wie die an die
Pflegeperson weitergeleiteten Beträge tatsächlich verwendet werden. Werden sie ausschließlich für an sich vom
Pflegebedürftigen selbst zu tätigende Aufwendungen eingesetzt, so fehlt es an Einnahmen der Pflegeperson für die
Pflege. Rücklagen für spätere Aufwendungen zugunsten des Pflegebedürftigen zur Deckung nicht typischen
Unterhalts können gebildet werden (Senatsurteil in BFHE 198, 526, BStBl II 2002, 417, unter Hinweis auf das Urteil
des Schleswig-Holsteinischen FG vom 8. Dezember 1999 V 557/98, EFG 2000, 1131).
10 2. Das FG ist im vorliegenden Fall zutreffend davon ausgegangen, dass der Pauschbetrag von 1 800 DM dann nicht
aufzuteilen ist, wenn die Mutter des Klägers für die Pflege Einnahmen erhielt. Den Feststellungen des angefochtenen
Urteils lässt sich jedoch nicht entnehmen, ob die Mutter das Pflegegeld ausschließlich dazu verwendete,
Aufwendungen des Pflegebedürftigen zu bestreiten oder ob sie es ganz oder zum Teil für eigene Zwecke einsetzte.
Das FG hat hierzu lediglich ausgeführt, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass das Pflegegeld nur
treuhänderisch verwendet worden sei oder dass bloßer Auslagenersatz vorliege. Es hat jedoch keine Feststellungen
zur tatsächlichen Verwendung getroffen. Dies ist ein materieller Fehler, der zur Aufhebung des Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG führt (Senatsurteil vom 2. Dezember 2004 III R 77/03, BFHE 208, 215, BStBl II
2005, 340).