Urteil des BFH vom 27.02.2008

BFH: Leistungen, die sich auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen, unmittelbarer Zusammenhang, Bezug der Leistung zum Transportmittel nicht ausreichend, gemeinschaftsrecht, zollabfertigung, nebenleistung

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 27.2.2008, XI R 55/07
Leistungen, die sich auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen - unmittelbarer Zusammenhang - Bezug der Leistung zum
Transportmittel nicht ausreichend
Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) organisierte und bewirtschaftete in den Streitjahren 1996 bis 2004
eine Park- und Staufläche für an- und abfahrende Kfz jeder Art für Zwecke der zolltechnischen Abwicklung an der
polnisch-deutschen Grenze. Die Leistungen dienten der Vorsortierung der Fahrzeuge für die Zollabfertigung der mit
diesen Beförderungsmitteln transportierten Waren.
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Die Klägerin erbrachte ihre Leistung zunächst aufgrund der Übernahme eines Bewirtschaftungsvertrags gegenüber
einer Oberfinanzdirektion (OFD). Mit Wirkung zum 1. September 1998 wurde sie aufgrund eines mit der OFD neu
abgeschlossenen Vertrags tätig.
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Aufgrund der Leistungen der Klägerin staute sich der zur Grenze fahrende internationale Güterverkehr Richtung Polen
nicht mehr auf der Straße oder Autobahn, sondern auf einem Auffangplatz. Die Tätigkeit der Klägerin bestand
zunächst ähnlich einer Lotsentätigkeit darin, die Lkws aufzustellen und abzurufen. Mitarbeiter der Klägerin brachten
die ankommenden Fahrzeuge mit ihrer Ware auf den Abstellplatz und holten sie dort wieder ab, sobald die
Zollabfertigung einsetzte. Ab September 1998 übernahm es die Klägerin aufgrund des neuen Vertrags darüber hinaus
Laufzettel auszugeben, Fahrzeug- und Frachtpapiere vorzuprüfen, Passagierscheine und Begleitpapiere auszustellen
sowie Statistiken zu erstellen. Sie prüfte und sortierte insbesondere ankommende Lkws nach Länge, Größe, Gewicht
und Inhalt wie z.B. Gefahrgut.
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Die Klägerin versteuerte ihre Umsätze zunächst nach dem Regelsteuersatz. Rechnungen wurden nicht gestellt. Mit
Schreiben vom 27. März 2002 machte sie geltend, dass ihre Umsätze nach § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst.
aa des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) steuerfrei seien. Demgegenüber ging der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) von der Steuerpflicht der durch die Klägerin erbrachten Leistungen aus. Die
Einsprüche der Klägerin für die Streitjahre 1996 bis 2004 wurden als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass die Voraussetzungen nach § 4 Nr. 3 Satz
1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG nicht vorliegen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Art. 15 Nr. 13 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) berufen. Zwar komme es für die Steuerfreiheit nach der Richtlinie nur
darauf an, ob es sich um Dienstleistungen handele, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr stünden. Im
Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz der engen Auslegung von Steuerbefreiungen nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften käme eine Steuerfreiheit jedoch nur in Betracht, wenn die Klägerin
ihre Leistungen gegenüber den Ausfuhrunternehmern erbracht hätte. Die gegenüber den Behörden
umsatzsteuerpflichtig erbrachten Leistungen würden demgegenüber für die Ausfuhrunternehmer nicht zu einer
Verteuerung ihrer Leistungen führen.
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Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1377 veröffentlicht.
7
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG und beruft
sich hierfür auch auf das Gemeinschaftsrecht.
8
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 1996 bis 2004 dahin
zu ändern, dass ihre Leistungen aus der Bewirtschaftung der Staufläche steuerfrei belassen werden.
9
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
10 Die Leistungen seien nicht nach § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG steuerfrei, da der direkte Bezug zu
körperlichen Gegenständen fehle. Im Hinblick auf die Beurteilung nach Gemeinschaftsrecht verweist es auf das FG-
Urteil.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die
Leistungen der Klägerin sind nicht steuerfrei.
12 1. Nach § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG sind sonstige Leistungen, die sich unmittelbar auf
Gegenstände der Ausfuhr beziehen, steuerfrei. Zwar kommt es entgegen der von der Vorinstanz vertretenen
Auffassung nicht darauf an, ob es sich bei der nach dieser Vorschrift steuerfreien Leistung um eine "handelsübliche
Nebenleistung" zu einer Güterbeförderung als Hauptleistung handelt. Denn für eine derartige Einschränkung besteht
nach dem Wortlaut der Regelung kein Anhaltspunkt. Erforderlich ist jedoch ein unmittelbarer Bezug der Leistung zu
Gegenständen der Ausfuhr. Wie das FG insoweit zu Recht ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 3
Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG nicht vor, da sich die Leistungen der Klägerin unmittelbar nur auf
Beförderungsmittel beziehen, die Gegenstände der Ausfuhr transportieren, nicht aber auf die mit diesen Fahrzeugen
beförderten Ausfuhrgegenstände.
13 2. Die Leistungen der Klägerin sind auch nicht nach Art. 15 Nr. 13 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. Diese
Bestimmung befreit Dienstleistungen, einschließlich der Beförderungsleistungen und der dazugehörigen Leistungen,
wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gütern stehen. Der Richtlinie kommt kein
weitergehender Bedeutungsinhalt als der Steuerbefreiung im nationalen Recht zu. So wie die Steuerfreiheit der
Leistung nach dem UStG voraussetzt, dass sie sich unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr bezieht, kommt es nach
der Richtlinie auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Leistung und der Ausfuhr von Gütern an.
Entscheidend ist somit sowohl nach nationalem als auch nach Gemeinschaftsrecht die Unmittelbarkeit zwischen
Leistung und Ausfuhrgegenständen oder Ausfuhrgütern. Muss somit auch der von Art. 15 Nr. 13 der Richtlinie
77/388/EWG vorausgesetzte unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Ausfuhrgut bestehen, reicht ein nur
unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Beförderungsmitteln, die Ausfuhrgüter transportieren, nicht aus.