Urteil des BFH vom 13.03.2017

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BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 30.6.2010, VI R 45/09
Aufwendungen eines Polizei-Hundeführers für den Diensthund sind Werbungskosten
Leitsätze
Aufwendungen eines Diensthundeführers für den ihm anvertrauten Diensthund sind keine nicht abziehbaren Aufwendungen
der privaten Lebensführung, sondern in vollem Umfang Werbungskosten .
Tatbestand
1 I. Streitig ist, ob Aufwendungen eines Polizei-Hundeführers für den ihm zugewiesenen landeseigenen Diensthund als
Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
2 Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr als Diensthundeführer im Polizeidienst des Landes
Niedersachsen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er führt einen Diensthund, der als Schutzhund und als
Sprengstoffspürhund eingesetzt wird. Die Ausbildung des Hundes, der im Eigentum des Landes steht, erfolgte durch
den Kläger. Nach einem Schreiben der Polizeidirektion X vom 1. Oktober 2007 war der Kläger verpflichtet, den ihm
zugewiesenen Diensthund außerhalb der Dienstzeit mit nach Hause zu nehmen und dort zu pflegen. Eine Möglichkeit
der dienstlichen Unterbringung und Pflege des Hundes bestand nicht. Für die Pflege des Hundes im privaten Haushalt
wurde dem Kläger pro Tag pauschal eine Stunde Dienstzeit angerechnet. Außerdem erhielt der Kläger vom Land
Niedersachsen für Fütterung und Pflege des Hundes eine Pauschale von jährlich 792 EUR. Eine private Nutzung des
Hundes war dem Kläger untersagt.
3 In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger erfolglos Aufwendungen für den Diensthund
in Höhe von 3.430,94 EUR (4.222,94 EUR - der Kostenerstattung von 792 EUR) als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Auch der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
4 Der daraufhin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1924
veröffentlichten Gründen insoweit statt, als es weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 2.422,64 EUR anerkannte. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
5 Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Verletzung materiellen Rechts (§ 9
Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--, § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG).
6 Das FA beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 29. Juli 2009 14 K 20/08 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision
für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden
und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Aufwendungen des Klägers für den Diensthund in Höhe von 2.422,64
EUR als weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen
sind.
10 a) Werbungskosten sind nach der Rechtsprechung des Senats alle Aufwendungen, die durch den Beruf des
Steuerpflichtigen veranlasst sind (z.B. Urteil vom 23. März 2001 VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585,
m.w.N.). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die
Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.
Dezember 2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, m.w.N.). Zu den Werbungskosten gehören auch
Aufwendungen für Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG). Arbeitsmittel sind alle Wirtschaftsgüter, die
ausschließlich --oder doch nahezu ausschließlich-- und unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 23. Oktober 1992 VI R 31/92, BFHE 169, 350, BStBl II 1993, 193, und
vom 8. November 1996 VI R 22/96, BFH/NV 1997, 341, beide m.w.N.).
11 Zutreffend hat das FG erkannt, dass es sich bei dem Diensthund um ein Arbeitsmittel des Klägers handelt. Denn das
Tier dient unmittelbar der Erledigung der dienstlichen Aufgaben des Klägers als Diensthundeführer.
12 b) Allerdings ist bei Gegenständen, die auch im Rahmen der allgemeinen Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG)
genutzt werden können, für die Einordnung als Arbeitsmittel der tatsächliche Verwendungszweck im Einzelfall
entscheidend (BFH-Urteile vom 19. Februar 2004 VI R 135/01, BFHE 205, 220, BStBl II 2004, 958, und vom 20. Juli
2005 VI R 50/03, BFH/NV 2005, 2185). Die Güter müssen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend nur zur
Einnahmeerzielung beruflich genutzt werden. Eine geringfügige private Mitbenutzung ist unschädlich. Ob diese
Voraussetzungen gegeben sind, ist unter Würdigung aller Umstände nach der tatsächlichen Zweckbestimmung, d.h.
nach der Funktion des Wirtschaftsgutes im Einzelfall, festzustellen (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1988 VI R 18/86, BFHE
155, 310, BStBl II 1989, 356). Entsprechendes gilt für die Nutzung von Tieren (vgl. § 90a des Bürgerlichen
Gesetzbuchs --BGB-- sowie BFH-Urteil vom 10. September 1990 VI R 101/86, BFH/NV 1991, 234).
13 c) Das FG hat nach Würdigung aller Umstände des Streitfalles festgestellt, dass der Diensthund des Klägers neben
der beruflichen keine private Verwendung gefunden hat. Diese Würdigung ist rechtlich möglich. Der Senat ist an sie
gebunden, weil das FA hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2
FGO). Der BFH ist als Revisionsgericht grundsätzlich nicht befugt, eine eigene Tatsachen- oder Beweiswürdigung an
die Stelle der Würdigung des FG zu setzen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 16.
Aufl., § 118 FGO Rz 54 ff., 64 ff., sowie BFH-Beschluss vom 18. Juni 2007 VI B 28/07, BFH/NV 2007, 1869).
14 Entgegen der Auffassung der Revision zwingt der Umstand, dass der Kläger einen --möglicherweise auch einen
erheblichen-- Teil seiner Freizeit und ca. 12 v.H. seiner Bruttobezüge für die Betreuung und Versorgung des
Diensthundes aufgewendet hat, nicht zu dem Schluss, dass der Hund auch privaten Zwecken des Klägers gedient
habe. Insbesondere lässt sich aus der Höhe des erwerbsbezogenen Aufwands regelmäßig nicht auf die Verwendung
eines Wirtschaftsguts schließen. Auch der Zeitaufwand für die Pflege oder Wartung eines Arbeitsmittels erlaubt einen
derartigen Rückschluss nicht. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Diensthund --wie bei anderen Hundehaltern
auch-- am privaten Leben des Klägers teilhat. Weder diese Teilhabe noch das besondere persönliche Verhältnis
zwischen Diensthundeführer und Diensthund zeugen im Streitfall jedoch von einer privaten Nutzung des Tieres. Der
Diensthundeführer und sein Diensthund bilden vielmehr eine Einheit, welche im dienstlichen Bereich funktionieren
muss, um erfolgreiche Arbeit zu leisten. Um dies zu ermöglichen, soll der Hund nach seiner bestandenen Prüfung als
Polizeihund nur noch mit seinem Hundeführer zusammen arbeiten und leben, das heißt, der Hund wird sowohl im
Dienst geführt als auch privat mit in die Familie des Hundeführers integriert (www.polizei.niedersachsen.de, dort unter
Dienststellen, Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim, Diensthundführergruppe). Die Teilhabe des Tieres am
privaten Leben des Klägers ist nach den bindenden Feststellungen des FG dienstlich angeordnet und damit
Dienstpflicht. Sie ist darüber hinaus der "Funktionsfähigkeit des Arbeitsmittels Hund" und der Erkenntnis geschuldet,
dass Tiere keine bloßen Sachen sind (§ 90a Satz 1 BGB), sondern als Mitgeschöpfe besondere Anerkennung
verdienen.
15 Auch wenn im Streitfall ein besonderes persönliches Verhältnis zwischen Diensthundeführer und Diensthund besteht
und das Tier Teil des privaten Lebens des Klägers ist, bilden die Aufwendungen des Klägers für den Diensthund
anders als bei einer privat veranlassten Hundehaltung keine steuerunerheblichen Kosten der privaten Lebensführung
i.S. des § 12 Nr. 1 EStG. Eine Zurechnung der streitigen Beträge zu den privaten Lebenshaltungskosten würde die
dienstliche Notwendigkeit und damit den vorhandenen Erwerbsbezug der Aufwendungen verkennen. Der
erforderliche einkommensteuerrechtlich erhebliche Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis wird im
Streitfall dadurch begründet, dass polizeiliche Diensthunde vom Diensthundeführer nicht aus privaten Gründen, zum
Vergnügen oder zur Unterhaltung gehalten, sondern zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben betreut und versorgt
werden (a.A. FG München, Urteil vom 7. März 2006 6 K 4483/03, juris). Dass diese dienstlichen Aufgaben in der
Freizeit und unter Aufwendung eigener finanzieller Mittel erfüllt werden, steht einer solchen Beurteilung jedenfalls im
Streitfall ebenso wenig entgegen wie ein privates Interesse des Klägers an der Hundehaltung. Vielmehr stehen
private Motive dem Werbungskostenabzug nicht entgegen, wenn die objektiv festgestellten Tatsachen unter
Berücksichtigung der dafür von der Rechtsprechung aufgestellten Merkmale und Maßstäbe --wie im Streitfall-- die
rechtliche Würdigung zulassen, dass Aufwendungen für ein Arbeitsmittel nahezu ausschließlich beruflich veranlasst
sind, weil es nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird. In einem solchen Fall sind die Aufwendungen in vollem
Umfang zu berücksichtigen. Eine Aufteilung in abziehbaren beruflichen und steuerunerheblichen Privataufwand ist
daher auch nicht geboten (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227,
1).
16 d) Ist ein Gegenstand als Arbeitsmittel zu beurteilen, sind auch die beruflich veranlassten Kosten der Instandsetzung
und Wartung oder wie vorliegend der Pflege des Arbeitsmittels als Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. BFH-
Urteil vom 28. März 2006 VI R 24/03, BFHE 212, 556, BStBl II 2006, 473). Der Umstand, dass der Dienstherr des
Klägers Eigentümer des Hundes ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Auch berufliche Aufwendungen auf
fremdes Eigentum sind dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 EStG zugänglich (von Beckerath in Kirchhof,
EStG, 9. Aufl., § 9 Rz 9). Das FG hat deshalb zu Recht die anteiligen Anschaffungskosten der Hundetransportbox,
Aufwendungen für Leinen, die Änderung des Hundegeschirrs und ähnliches Zubehör, Futter- und -nebenkosten sowie
den Aufwand für die Hundeplatznutzung und damit --unter Anrechnung der Kostenerstattung durch den Dienstherrn--
insgesamt einen Betrag in Höhe von 334,64 EUR zum Werbungskostenabzug zugelassen. Gleiches gilt hinsichtlich
der Aufwendungen des Klägers für die Fahrten zu den Diensthundeausbildungsstellen in Höhe von 2.088 EUR. Bei
diesen Kosten, die dem Kläger im Rahmen der Fährtenausbildung des Diensthundes entstanden sind, ist der konkrete
Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit offenkundig (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2007 VI R 61/04, BFH/NV 2007,
1132).