Urteil des BFH vom 19.08.2010

Nichtzulassungsbeschwerde - Verlängerung der Abgabefrist für Steuererklärungen

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 19.8.2010, VIII B 58/10
Nichtzulassungsbeschwerde - Verlängerung der Abgabefrist für Steuererklärungen
Tatbestand
1 1. Von der Darstellung des Tatbestandes sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
ab.
Entscheidungsgründe
2 2. Die Beschwerde ist unbegründet. Weder handelt es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung noch
ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Einheitlichkeit
der Rechtsprechung erforderlich. Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel erkennbar, auf dem die angefochtene
Entscheidung beruht.
3 a) Die Frage, ob die (allgemeine) Verlängerung der Abgabefrist für Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2007
aufgrund der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. Januar 2008 über
Steuererklärungsfristen (BStBl I 2008, 266) bis zum 31. Dezember 2008 zu kurz bemessen ist, an der Realität vorbei
geht und daher rechtswidrig ist, und ob das gleichermaßen für § 149 der Abgabenordnung (AO) gilt, der nach Meinung
des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen Grundrechte verstößt, hat entgegen der Auffassung des Klägers
keine grundsätzliche Bedeutung.
4 aa) Soweit der Kläger die Verfassungswidrigkeit des § 149 AO rügt, ist die Beschwerde unzulässig. Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH führt die bloße Behauptung, eine Norm und deren Auslegung seien verfassungswidrig, nicht
zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Vielmehr ist für die schlüssige Darlegung der
Verfassungswidrigkeit eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung erforderlich (vgl.
z.B. BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1996 II B 82/96, BFH/NV 1997, 254; vom 3. April 2001 VI B 224/99, BFH/NV
2001, 1138; vom 3. September 2001 XI B 154/00, BFH/NV 2002, 203; Senatsbeschlüsse vom 9. März 2004 VIII B
271/02, juris; vom 15. Dezember 2004 VIII B 181/04, BFH/NV 2005, 896). Diesen Anforderungen genügt die
Beschwerdeschrift, die sich im Wesentlichen auf die bloße Wiederholung der bereits im erstinstanzlichen Verfahren
vorgebrachten Argumente beschränkt und sich damit gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung richtet,
nicht.
5 bb) Soweit die Beschwerdeschrift sich gegen die allgemeine Fristverlängerung für die Abgabefrist für
Steuererklärungen bis zum 31. Dezember 2008 wendet, ist die Rüge unbegründet. Der Kläger verkennt, dass das
Gesetz in § 149 Abs. 2 Satz 1 AO sogar lediglich eine Fünfmonatsfrist vorsieht. Wenn die Finanzverwaltung
demgegenüber für Steuererklärungen, die von Angehörigen der steuerberatenden Berufe angefertigt werden, als
Erleichterung für diese Berufsgruppen eine allgemeine Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2008 und bei
begründeten Einzelanträgen sogar eine weitere Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2009 vorsieht, ist das nicht zu
beanstanden (vgl. dazu im Einzelnen auch BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 X R 24/95, BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514).
6 b) Die vom Kläger gerügte Abweichung der Vorinstanz von den BFH-Urteilen in BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514 und
vom 11. April 2006 VI R 64/02 (BFHE 213, 268, BStBl II 2006, 642) ist nicht gegeben. In der Entscheidung in BFHE 213,
268, BStBl II 2006, 642 hat der BFH zwar formuliert, "Sind Ermessensrichtlinien erlassen, überprüfen die
Steuergerichte, ob sich die Behörde an die Richtlinie gehalten hat, ob die erlassene Ermessensrichtlinie die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält und ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung
entsprechenden Weise Gebrauch macht". Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Vorinstanz keinen davon
abweichenden Rechtssatz aufgestellt, sondern ausdrücklich ausgeführt, die Entscheidung über einen Antrag auf
Verlängerung der Abgabefrist für eine Steuererklärung sei eine Ermessensentscheidung und im Streitfall lasse die
Entscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) keinen Ermessensfehler erkennen, vielmehr
habe das FA sein Ermessen hinreichend ausgeübt.
7 Nämliches gilt für das BFH-Urteil in BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514. Dort hat der BFH den Rechtssatz aufgestellt, "ein
Antrag, mit dem ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe über den 31.12. hinaus eine Fristverlängerung begehrt,
bedarf wegen seines Ausnahmecharakters einer besonderen substantiierten Begründung". Auch hier fehlt es an einem
abweichenden Rechtssatz des Finanzgerichts (FG). Der Kläger hatte einen über die allgemeine Fristverlängerung
hinausgehenden Fristverlängerungsantrag gestellt. Gemäß II. Abs. 3 der gleich lautenden Erlasse der obersten
Finanzbehörden der Länder in BStBl I 2008, 266 bedurfte es dazu eines begründeten Einzelantrages. Wenn das FG in
seiner Urteilsbegründung dazu ausführt, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe weder in seinem
Fristverlängerungsantrag noch in der Einspruchsbegründung Gründe vorgetragen, die in seiner Person oder in der
Person des Klägers gelegen und die Anhaltspunkte für eine Fristverlängerung gegeben hätten, ist eine Abweichung
von dem BFH-Urteil in BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514 nicht erkennbar.
8 c) Verfahrensmängel, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könnte, sind nicht ersichtlich. Das gilt
insbesondere für die Rüge, die Vorentscheidung entspreche nicht den Mindestanforderungen, die an die Darstellung
eines Urteilstatbestands zu stellen seien. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG die für den Streitfall
erheblichen Tatsachen zwar knapp aber sachlich geordnet und fallbezogen dargestellt. Das gilt insbesondere für die
nach Auffassung des FG für die Urteilsfindung entscheidenden Tatsachen.
9 Soweit das FG in den Entscheidungsgründen nicht explizit auf das gesamte Vorbringen des Klägers eingegangen ist,
bedeutet das nicht, dass es die Gründe nicht oder teilweise nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen hat. Nach der
Rechtsprechung des BVerfG ist das Gericht nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht verpflichtet, sich mit jedem
Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (Entscheidungen des BVerfG vom 27.
Mai 1970 2 BvR 578/69, BVerfGE 28, 378; vom 10. Juni 1975 2 BvR 1086/74, BVerfGE 40, 101; vom 5. Oktober 1976 2
BvR 558/75, BVerfGE 42, 364, und vom 15. April 1980 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86). Vielmehr ist grundsätzlich
davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten tatsächlich auch
zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG-Beschluss vom 15. April 1980 1 BvR 1365/78,
BVerfGE 54, 43). Anders ist die Situation nur, wenn besondere Umstände des konkreten Falls auf einen
diesbezüglichen Verstoß hindeuten (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschluss vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV
1993, 34). Davon kann hier nicht die Rede sein.