Urteil des BFH vom 22.01.2008

BFH: rechtliches gehör, prozess, anfechtung, hinweispflicht, rüge, urteilsbegründung, aufteilung, begünstigter, betreibung, beschwerdeschrift

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 22.1.2008, VIII B 183/06
Revisionszulassung bei unrichtiger Rechtsanwendung im Einzelfall - Hinweispflicht des Gerichts nach § 76 Abs. 2 FGO
Gründe
1 Die Beschwerde ist unbegründet. 1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in der Beschwerdeschrift
Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils erheben, wird damit kein Zulassungsgrund
dargelegt. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im
Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können. Denn das prozessuale Rechtsinstitut der
Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.
2 Eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall könnte allenfalls dann zur Zulassung der Revision führen, wenn dieser
Fehler von erheblichem Gewicht und zudem geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen oder
aber, wenn die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) objektiv willkürlich ist (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
§ 115 FGO Rz 200 ff., 203 ff.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 55 und 68). Dafür bestehen
jedoch keine Anhaltspunkte. Denn selbst wenn die von den Klägern gerügten materiell-rechtlichen Fehler des FG
vorliegen sollten, wäre das FG-Urteil weder willkürlich noch derart fehlerhaft, dass es geeignet wäre, das Vertrauen in
die Rechtsprechung zu beschädigen.
3 2. Die von den Klägern gerügten Verfahrensmängel sind nicht gegeben. Weder hat das FG seine
Sachaufklärungspflicht oder Hinweispflicht verletzt, noch ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
gegeben; dem FG ist insoweit weder eine Überraschungsentscheidung noch ein Übergehen von Beweisanträgen
anzulasten.
4 a) Die Rüge der Kläger, das FG hätte ihnen Gelegenheit geben müssen, zur Problematik der Anfechtung und zur
Betreibung der Rückabwicklung Stellung zu nehmen und ferner darauf hinweisen müssen, dass aus seiner Sicht
Zweifel an der Wirksamkeit der Anfechtung bestanden, ist nicht begründet. Die Kläger haben im FG-Verfahren noch vor
der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich zu diesem Problemkreis vorgetragen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift
vom 26. Oktober 2006 hat das FG die Streitsache mit den Beteiligten erörtert und ihnen damit rechtliches Gehör
gewährt. Außerdem hat sich das FG in den Urteilsgründen mit der Thematik "Anfechtung" ausführlich
auseinandergesetzt. Für weitere Aufklärungsmaßnahmen oder Hinweise des FG bestand angesichts dieser Sachlage
kein Anlass. Die Kläger verkennen in diesem Zusammenhang, dass das Gericht nach § 76 Abs. 2 FGO nicht verpflichtet
ist, die Beteiligten zu einer Substantiierung ihres Sachvortrags zu veranlassen, wenn die rechtliche Bedeutung der
vorzutragenden Tatsachen für den Ausgang des Klageverfahrens auf der Hand liegt (vgl. u.a. Beschluss des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. August 1999 VIII B 51/98, BFH/NV 2000, 204). Das gilt insbesondere dann, wenn ein
Kläger --wie hier-- steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten war (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-
Beschluss in BFH/NV 2000, 204). Im Ergebnis rügen die Kläger mit ihrem Vortrag, das FG-Urteil sei materiell fehlerhaft.
Die Zulassung der Revision kann darauf nicht gestützt werden.
5 b) Nämliches gilt für die Rügen, das FG habe die Verwendung des Betrages von 17 541,39 DM offengelassen und
ihnen letztlich den Nachweis abgeschnitten, dieses Geld sei steuerunschädlich verwendet worden. Das FG habe
insoweit auch widersprechende Feststellungen getroffen. Soweit das FG Bezug nehme auf ein Schreiben des
steuerlichen Beraters der Kläger vom 11. März 2003, sei dieses gar nicht in den Prozess eingeführt worden; weitere
Sachaufklärung wäre erforderlich gewesen.
6 Die Kläger lassen außer Acht, dass das Schreiben vom 11. März 2003 bereits Gegenstand der
Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) gewesen ist und sie in jenem Schreiben
selbst darauf hingewiesen haben, ein nicht unerheblicher Teil der Darlehenssumme sei zur Finanzierung von
Erwerbsnebenkosten, Geldbeschaffungskosten und Reparaturen --und damit steuerschädlich-- verwendet worden.
Nach der Einspruchsentscheidung lag es daher auf der Hand, dass die steuerlich beratenen und im Prozess
vertretenen Kläger im FG-Verfahren gehalten waren, die steuerunschädliche Verwendung des Geldes nachzuweisen
oder glaubhaft zu machen. Eines entsprechenden Hinweises oder weiterer Aufklärungsmaßnahmen des FG bedurfte
es daher nicht. Indem die Kläger daraufhin aber lediglich vortragen (Schriftsatz vom 4. Oktober 2006), weitere in diesem
Zusammenhang relevante Belege seien nicht vorhanden, sind sie --wie vom FG zutreffend festgestellt-- ihrer
Darlegungslast nicht nachgekommen. Wenn das FG dazu in den Urteilsgründen ausführt, es könne nicht
ausgeschlossen werden, dass die Kläger den Betrag von 17 541,39 DM für steuerschädliche Zwecke, d.h. zur
Abdeckung nicht begünstigter Finanzierungs- und Reparaturaufwendungen verwendet hätten, so liegt darin eine
Würdigung, die weder gegen die Gesetze der Logik noch gegen Denkgesetze verstößt. In der weiteren Argumentation
des FG, nichts anderes würde gelten, wenn die Kläger den restlichen Darlehensbetrag für private Zwecke verwendet
hätten, weil nach der Rechtsprechung des BFH eine Aufteilung der Darlehenssumme in einen steuerschädlichen und
einen steuerunschädlichen Teil nicht in Betracht komme, liegt kein Widerspruch zu der vorstehend zitierten
Argumentation, sondern eine weitere (kumulative) Urteilsbegründung.
7 Im Übrigen gilt auch hier, dass das FG die Streitsache ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 26. Oktober 2006 mit
den Beteiligten erörtert und ihnen damit rechtliches Gehör gewährt hat. Wenn die Kläger in diesem Zusammenhang
rügen, das FG habe Ihnen die Möglichkeit genommen, durch Vorlage vollständiger Kontoauszüge den Verbleib des
Geldes nachzuweisen und damit ein etwaiges Beweisangebot abgeschnitten, so übersehen sie, dass die Frage der
steuerschädlichen oder steuerunschädlichen Verwendung des Geldes durch die Vorlage von Kontoauszügen allein
nicht geklärt werden kann. Ausweislich der Sitzungsniederschrift haben die steuerlich beratenen Kläger entsprechende
Beweisanträge auch nicht gestellt. Das wäre jedoch ihre Aufgabe gewesen. Letztlich zielt die Rüge der Kläger deshalb
darauf, das FG-Urteil sei materiell fehlerhaft. Die Zulassung der Revision kann darauf nicht gestützt werden.