Urteil des BFH vom 12.01.2010

GmbH-Beteiligung als notwendiges Betriebsvermögen eines Bildjournalisten - Hilfstätigkeit zur freiberuflichen Tätigkeit - Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.1.2010, VIII R 34/07
GmbH-Beteiligung als notwendiges Betriebsvermögen eines Bildjournalisten - Hilfstätigkeit zur freiberuflichen Tätigkeit -
Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen
Leitsätze
Die GmbH-Beteiligung eines Bildjournalisten kann nicht allein deshalb als notwendiges Betriebsvermögen des
freiberuflichen Betriebs beurteilt werden, weil der Bildjournalist 99 % seiner Umsätze aus Autorenverträgen mit der GmbH
erzielt, wenn diese Umsätze nur einen geringfügigen Anteil der Geschäftstätigkeit der GmbH ausmachen und es wegen des
Umfangs dieser Geschäftstätigkeit und der Höhe der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der GmbH nahe liegt, dass es dem
Steuerpflichtigen nicht auf die Erschließung eines Vertriebswegs für seine freiberufliche Tätigkeit, sondern auf die
Kapitalanlage ankommt.
Tatbestand
1
I. Die Beteiligten streiten darum, ob die Anteile an der F GmbH, einem Verwertungsunternehmen für Bildmaterial, im
Zeitpunkt der Veräußerung im Veranlagungszeitraum 1998 zum Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen gehörten.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin) und ihr 2003 verstorbener Ehemann erzielten als Bildjournalisten
Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Der Gewinn wurde durch den Überschuss der Betriebseinnahmen über die
Betriebsausgaben ermittelt (§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
3
Die Tätigkeit der Eheleute bestand darin, Informationen über Tagesereignisse mit eigener Kameraausrüstung
festzuhalten. Die fotografische Tätigkeit war nicht auftragsbezogen, wie dies etwa bei Portraitfotografie oder
Veranstaltungsfotografie der Fall ist. Vielmehr wählten die Eheleute eigenständig Themen aus und fotografierten auf
Vorrat. Das Bildmaterial stellten sie fast ausschließlich der F GmbH zur Verfügung, deren Unternehmensgegenstand
die Herstellung, die Vermittlung und der Vertrieb von Bildmaterial, insbesondere an Presse, Werbung und Wirtschaft
war. In den Jahren 1997 bis 1999 erzielten die Klägerin und ihr Ehemann 99 % ihres Umsatzes über die F GmbH.
4
Die F GmbH war im Jahr 1958 vom Vater des Ehemannes gegründet worden. Dieser übertrug 1973 Anteile im
Nennwert von 16.000 DM (= 20 % des Stammkapitals) im Wege der Schenkung unter Lebenden und im Rahmen der
vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn.
5
Die Klägerin und ihr Ehemann schlossen erstmalig im Jahr 1986 mit der F GmbH Autorenverträge ab. Die Gesellschaft
erhöhte 1992 das Stammkapital von 80.000 DM auf 600.000 DM. Hiervon übernahm der Ehemann einen
Geschäftsanteil von 104.000 DM (Beteiligung: 16.000 DM + 104.000 DM = 120.000 DM). 1994 geriet die F GmbH in
eine finanzielle Krise, und 1995 wurde das Kapital der Gesellschaft von 600.000 DM auf 2.400.000 DM erhöht.
Hiervon übernahm der Ehemann weitere 180.000 DM (Beteiligung: 120.000 DM + 180.000 DM = 300.000 DM) und
die Klägerin einen Geschäftsanteil von 300.000 DM, so dass ab diesem Zeitpunkt beide jeweils mit 12,5 % an der F
GmbH beteiligt waren.
6
Im Dezember 1998 veräußerten die Klägerin und ihr Ehemann ihre gesamten Anteile an der F GmbH an die K GmbH
jeweils zum Preis von 1.500.000 DM.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die von den Eheleuten zu zahlende
Einkommensteuer für das Jahr 1998 erklärungsgemäß fest. Der durch die Veräußerung der GmbH-Anteile erzielte
Gewinn blieb zunächst unberücksichtigt. Nach einer Außenprüfung war das FA der Ansicht, dass der bei der
Veräußerung der Anteile erzielte Veräußerungserlös als laufende betriebliche Einnahme zu berücksichtigen sei, da
die Anteile im Zeitpunkt der Veräußerung zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen des selbständigen Unternehmens
gehörten und damit notwendiges Betriebsvermögen darstellten. Der Einkommensteuerbescheid wurde entsprechend
geändert.
8
Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 21. Juni 2006 7
K 3623/04 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 602 veröffentlicht.
9
Mit der Revision rügen die Kläger Verfahrensfehler sowie die Verletzung materiellen Rechts. Die Klägerin und ihr
Ehemann seien wie alle anderen Autoren behandelt worden und hätten durch ihre Beteiligung keine beruflichen
Vorteile erzielt. Ihr Umsatz mit der F GmbH sei im Hinblick auf die weitere umfangreiche Geschäftstätigkeit der GmbH
unerheblich. Sie hätten keinen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der GmbH gehabt.
10 Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils des FG Düsseldorf vom 21. Juni 2006 7 K 3623/04 E für das Jahr 1998 die
Veräußerungserlöse aus den Verkäufen der Anteile an der F GmbH in Höhe von jeweils 1.200.000 DM bei der
Festsetzung der Einkommensteuer außer Ansatz zu lassen.
11 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
12 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der
Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--).
13 Die tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, ob im Streitjahr die
Beteiligungen an der F GmbH zum Betriebsvermögen der Klägerin und ihres Ehemannes gehörten.
14 1. a) Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG auch Gewinne, die bei der
Veräußerung von Vermögen, das der selbständigen Arbeit dient, erzielt werden. Der Begriff des Dienens ist nicht
näher definiert. Die notwendige Trennung des unternehmerischen Bereichs vom privaten Bereich erfolgt über den
Begriff der "betrieblichen Veranlassung" (vgl. § 4 Abs. 4 EStG). Dabei handelt es sich um den zentralen Begriff der
betrieblichen Einkunftsarten (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. März 2006 VIII R 60/03, BFHE 212, 535,
BStBl II 2006, 650; vom 27. Juni 2006 VIII R 31/04, BFHE 214, 256, BStBl II 2006, 874). Zum Betriebsvermögen
gehören alle Wirtschaftsgüter, die im wirtschaftlichen Eigentum des Betriebsinhabers stehen und von diesem
betrieblich veranlasst angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden (BFH-Urteile vom 11. November 1987 I R 7/84,
BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424; vom 18. Dezember 1996 XI R 52/95, BFHE 182, 204, BStBl II 1997, 351).
Wirtschaftsgüter gehören zum sog. notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie dem Betrieb dergestalt dienen, dass sie
objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind (BFH-Urteile vom 13. September 1988 VIII R
236/81, BFHE 154, 358, BStBl II 1989, 37; vom 6. März 1991 X R 57/88, BFHE 164, 246, BStBl II 1991, 829; vom 4.
Februar 1998 XI R 45/97, BFHE 185, 384, BStBl II 1998, 301).
15 b) Der BFH hat "Geldgeschäfte" eines Freiberuflers, wie die Gewährung von Darlehen, die Übernahme einer
Bürgschaft oder die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, grundsätzlich als berufsfremde Vorgänge bezeichnet, die
in der Gewinnermittlung außer Betracht bleiben müssen (BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 IV R 49/00, BFHE 195, 386,
BStBl II 2001, 828, m.w.N). Bei der Ausübung eines freien Berufs stehen die eigene Arbeitskraft des Steuerpflichtigen
sowie der Einsatz seines geistigen Vermögens und der durch eine qualifizierte Ausbildung erworbenen Kenntnisse im
Vordergrund. Das den freien Berufen zugrunde liegende eigene Berufsbild begrenzt und prägt auch den
dazugehörigen Betrieb (BFH-Urteile in BFHE 195, 386, BStBl II 2001, 828; vom 23. September 2009 IV R 14/07, BFHE
226, 332).
16 Daraus folgt, dass "Geldgeschäfte", die ihrer Art nach zu Einkünften nach § 20 EStG führen, der
persönlichkeitsbezogenen freiberuflichen Tätigkeit grundsätzlich wesensfremd und deshalb getrennt zu beurteilen
sind (BFH-Urteile vom 23. Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517; in BFHE 195, 386, BStBl II 2001,
828).
17 c) Im Einzelfall kann sich allerdings ergeben, dass die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Hilfstätigkeit zur
freiberuflichen Tätigkeit anzusehen ist. Eine Beteiligung gilt dann nicht als "wesensfremd". Unter diesem
Gesichtspunkt hat der BFH die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft u.a. dann zum notwendigen Betriebsvermögen
eines Freiberuflers gerechnet, wenn die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft die eigene berufliche Tätigkeit ergänzte (vgl.
BFH-Urteile vom 11. März 1976 IV R 185/71, BFHE 118, 353, BStBl II 1976, 380 betreffend Beteiligung eines
beratenden Ingenieurs für Baustatik an einer Fachberatungs-GmbH; vom 22. Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133,
168, BStBl II 1981, 564 hinsichtlich der Beteiligung eines Wirtschaftsprüfers an einer Treuhand-GmbH) oder wenn mit
der Gesellschaft eine auf die Vergabe von Aufträgen gerichtete Geschäftsbeziehung geschaffen werden sollte (BFH-
Urteile vom 23. November 1978 IV R 146/75, BFHE 126, 298, BStBl II 1979, 109 betreffend Beteiligung eines
Baustatikers an einer Wohnungsbaugesellschaft; vom 14. Januar 1982 IV R 168/78, BFHE 135, 188, BStBl II 1982,
345 betreffend Beteiligung eines Architekten an einer Bauträger-Gesellschaft; vom 26. April 2001 IV R 14/00, BFHE
195, 290, BStBl II 2001, 798 betreffend Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die die Produkte des Erfinders --Arzt
und Hochschullehrer-- vertreibt).
18 d) Danach ist eine Unterscheidung zu treffen zwischen einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, bei der die
Gewinnung eines neuen Auftraggebers lediglich ein erwünschter Nebeneffekt ist, einerseits und einer Beteiligung, die
der Steuerpflichtige ohne die Aussicht auf neue Aufträge nicht erworben hätte, andererseits. Dementsprechend hat die
Rechtsprechung in letzter Zeit darauf abgestellt, ob das "Geldgeschäft" ein eigenes wirtschaftliches Gewicht hat und
deswegen aus der freiberuflichen Tätigkeit auszuscheiden ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517; in
BFHE 195, 386, BStBl II 2001, 828; BFH-Beschluss vom 25. März 2008 VIII B 122/07, BFH/NV 2008, 1317;
Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., § 18 Rz 164).
19 e) Ein eigener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb der Kapitalgesellschaft, der einen erheblichen Umfang einnimmt, kann
gegen die Annahme von notwendigem Betriebsvermögen sprechen (BFH-Urteil vom 28. Juni 1989 II R 242/83, BFHE
157, 443, BStBl II 1989, 824). Das Unterhalten von üblichen Geschäftsbeziehungen spricht als Indiz ebenfalls gegen
notwendiges Betriebsvermögen (vgl. BFH-Urteile vom 31. Januar 1991 IV R 2/90, BFHE 164, 309, BStBl II 1991, 786;
in BFHE 185, 384, BStBl II 1998, 301). Lediglich mittelbare Effekte und Reflexwirkungen dürfen nicht in die Abwägung
einbezogen werden (BFH-Urteile vom 23. Januar 1992 XI R 36/88, BFHE 167, 491, BStBl II 1992, 721; in BFHE 185,
384, BStBl II 1998, 301).
20 2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen und hat im Streitfall seinen Indizienbeweis lediglich auf die
branchengleiche Betätigung und die wirtschaftliche Bedeutung der Aufträge der F GmbH für die Klägerin und ihren
Ehemann gestützt. Weitere Indizien wurden nicht berücksichtigt. Insbesondere fehlen Ausführungen zum
wirtschaftlichen Eigengewicht der Beteiligung und zur eigenen Geschäftstätigkeit der F GmbH.
21 3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
22 a) Das FG wird im zweiten Rechtszug untersuchen, welchen Umfang die wirtschaftliche Tätigkeit der F GmbH
tatsächlich hatte. Im Einspruchsverfahren wurde dazu vorgetragen, dass die Aufträge der Klägerin und ihres
Ehemannes lediglich 3,73 % und 1,88 % (1997) sowie 2,21 % und 0,82 % (1998) ausmachten. Vor diesem
Hintergrund erscheint es dem Senat naheliegend, dass es der Klägerin und ihrem Ehemann nicht auf die
Erschließung eines Vertriebswegs, sondern auf die Kapitalanlage ankam. Wirtschaftlich waren sie mit einem Anteil
von jeweils 12,5 % am gesamten Geschäftserfolg der F GmbH beteiligt.
23 Das FG wird auch feststellen müssen, wie die Klägerin und ihr Ehemann vor 1986 ihre Bilder verwerteten und ob die
Autorenverträge Besonderheiten aufweisen, die darauf hindeuten, dass die Klägerin und ihr Ehemann über die
Beteiligung Einfluss auf den Inhalt der Verträge genommen haben. Dazu kann es erforderlich sein, Verträge mit
anderen Autoren heranzuziehen.
24 b) Sollte eine nicht behebbare Ungewissheit ("non liquet") verbleiben, so trifft das FA die objektive Beweislast
(Feststellungslast) für das Vorliegen notwendigen Betriebsvermögens, so dass eine Unaufklärbarkeit des
Sachverhalts zu seinen Lasten geht (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 2000 IX R 93/97, BFHE 192, 241, BStBl II 2001, 9).