Rechtsanwalt Ronny Jänig

ROSE & PARTNER - Rechtsanwälte Steuerberater
10117, Berlin
Rechtsgebiete
Handelsrecht und Gesellschaftsrecht Internationales Wirtschaftsrecht
29.05.2020

Gesellschaftsrecht: Mehrheitserfordernis in Anwalts-GmbH auf dem Prüfstand

Der Zusammenschluss von Anwälten mit anderen Berufsgruppen in einer Anwalts-GmbH ist geprägt von dem Mehrheitserfordernis. Doch ist dieses Prinzip mit der Berufsausübungsfreiheit des Grundgesetztes vereinbar oder eine zu strikte Einschränkung? Mit dieser Frage wird sich künftig das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) näher beschäftigen müssen.

Zusammenschluss ja – aber nur unter Mehrheit von Anwälten

Verstößt das Mehrheitserfordernis für Anwälte in einer Anwalts-GmbH gegen die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG? Diese Frage wird nun das BVerfG entscheiden müssen. Grundlage für das Verfahren ist die Bestrebung einer Anwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung, die zugleich auch Steuerberatungs- und Buchprüfungsgesellschaft ist, ihre Geschäftsanteile neu zu ordnen. Gesellschafter dieser Anwalts-GmbH waren ein Anwalt und ein Steuerberater. Bisher hielt der Anwalt die Mehrheit des Stammkapital und der Stimmrechte. Die gesetzlichen Vorgaben waren damit erfüllt.

Geplant war nun aber, künftig das Verhältnis beider Gesellschafter anzugleichen. Dazu sollte die bisherige Satzung geändert und der Steuerberater insgesamt mehr Beteiligung erhalten. Die Satzung sah bislang vor, dass Anwälte mehrheitlich beteiligt sein müssen, so wie es auch die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vorsieht. Die Anwaltskammer sah in den Plänen allerdings ein Verstoß gegen diese gesetzlichen Bestimmungen. Letztlich drohte der Anwalts-GmbH bei einer rechtswidrigen Änderung ihrer Satzung eine Entziehung der Zulassung der Anwaltsgesellschaft.

Rechtliche Grundlage für das Mehrheitserfordernis

Grundsätzlich ist es für Anwälte möglich, sich als GmbH zu organisieren. Nach der BRAO kann eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ist, als Rechtsanwaltsgesellschaft zur Anwaltschaft zugelassen werden. Kompliziert wird es aber dann, wenn sich nicht ausschließlich Rechtsanwälte zusammenschließen wollen. Das Problem liegt in dem strikten Erfordernis einer Mehrheit von Anwälten in einer Anwalts-GmbH, die auf Regelungen der BRAO zurückzuführen ist. Zwar können sich beispielsweise Steuer­berater oder andere Mitglieder sozietäts­fähiger Berufe an einer Anwalts­ge­sell­schaft beteiligen. Die gesetzliche Grundlage verlangt aber, dass die Mehrheit der Geschäfts­anteile und der Stimmrechte Anwälten zusteht und diese die Mehrheit der Geschäfts­führer stellen. Daher ist auch eine echte Alleingeschäftsführung durch Nicht-Anwälte nicht möglich. Ein echtes Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen kann in einer Anwalts-GmbH daher nie herrschen. Der Gesetzgeber hatte mit diesen Vorgaben die Sicherstellung der beruflichen Unabhängigkeit der Rechtsanwälte im Blick.

Anwälte fordern mehr Freiheiten in der Berufsordnung

Der nun mit dem Verfahren befasste Anwaltsgerichtshof Stuttgart (AHG) hat bereits deutlich gemacht, dass er das Mehrheits­er­for­dernis in einer Steuer­berater- und Anwalts-GmbH für einen verfas­sungs­widrigen Eingriff in die Berufs­freiheit aus Art. 12 GG hält. Er hat das Verfahren daher ausgesetzt und dem BVerfG die streitige Rechtsgrundlage der BRAO zur Prüfung vorgelegt. Wie die Entscheidung des BVerfG ausfallen wird, muss nun abgewartet werden.
Eine Tendenz für die Entscheidung könnte aber bereits ein Urteil des BVerfG aus 2014 in einem ähnlichen Zusammenhang geben. Damals ging es um den Zusammenschluss von Rechtsanwälten und Patentanwälten in einer GmbH. Auch hier hat das BVerfG das Mehrheitserfordernis für nichtig erklärt. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung von Rechts- und Patentanwälten verletzte das Mehrheitserfordernis das Grundrecht der Berufsfreiheit, so die Entscheidung des BVerfG. Allerdings bezog sich diese Entscheidung eben nur auf die Rechts­anwalts- und Patent­anwalts-GmbH. Der Zusammenschluss von Anwälten und Steuerberatern sei allerdings nicht anders zu bewerten, so zumindest die Einschätzung des AGH.  

Der Ruf nach einer BRAO-Reform

Insbesondere auch der Deutsche Anwaltsverein (DAV) hat sich zu den Mehrheitserfordernissen bei der Anwalts-GmbH geäußert. Auch er hält die Regelungen mit der Berufsausübungsfreiheit nicht vereinbar. Die Vorgaben seien zudem nicht erforderlich, um eine anwaltliche Unabhängigkeit sicherstellen zu können. Da das BVerfG bereits bei der gemeinsamen Berufsausübung von Rechtsanwälten und Patentanwälten von einer Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Vorgaben ausgegangen ist, sei nach Ansicht des DAV diese Einschätzung auch auf alle anderen sozietätsfähigen Berufe zu übertragen. Um für Klarheit zu sorgen, fordern die Anwaltsvertreter daher, die Vorschriften der BRAO generell für verfassungswidrig zu erklären und eine vollständige Neuregelung zu schaffen.

Es ist nicht der erste Ruf nach einer Neuregelung des anwaltlichen Gesellschaftsrechtes. Bereits 2019 hat der DAV selbst einen Entwurf für eine umfassende Reform der BRAO vorgelegt. Das Bundes­jus­tiz­mi­nis­terium hatte daraufhin die Eckpunkte für eine BRAO-Reform vorgelegt. Auch eine erleichterte Zusammenarbeit von Anwälten mit anderen Berufsgruppen ist darin vorgesehen. Nun bleibt noch abzuwarten, wann der endgültige Entwurf zur Änderung der BRAO aus dem Bundesjustizministerium vorgelegt wird. Dann könnte die große BRAO-Reform sogar bereits im Herbst das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auch unter: https://www.rosepartner.de/rechtsberatung/gesellschaftsrecht.html