martina heck

26.02.2014

Mal wieder: Der Angehörigenvertrag im Steuerrecht

Der Bundesfinanzhof hatte sich mit der steuerrechtlichen Beurteilung eines Beratervertrages zwischen Angehörigen zu beschäftigen.

In dem konkreten Fall betrieb der Kläger in den Streitjahren eine Steuerberaterkanzlei. Die Beigeladene, eine Rechtsanwältin, ist seine Tochter. Beide schlossen am 01.01.2003 eine “Beratervertrag” genannte Vereinbarung, nach deren § 1 der Kläger der Beigeladenen die rechtliche und steuerliche Beratung im gesamten Bereich der Kanzlei überträgt. Weiter heißt es, dass Gegenstand des Vertrages nicht die Erbringung eines bestimmten Erfolges, sondern das auftragsmäßige Tätigwerden sei. Nach § 2 beträgt das Honorar für die Tätigkeit 30.000 EUR pro Jahr. Die Vereinbarung enthält weitere Regelungen, die u.a. den Auslagenersatz, die Stellung eines PKW für Dienstreisen und eine Haftungsbegrenzung der Beigeladenen als Auftragnehmerin betreffen. Eine Regelung für die Zahlung von Vorabvergütungen oder Teilleistungen besteht nicht.

Das beklagte Finanzamt erkannte den Beratervertrag nicht an und ließ die aufgrund des Vertrages vom Kläger geleisteten Zahlungen nicht zum Betriebsausgabenabzug zu.

Das Finanzgericht wies die Klage ab und führte im Wesentlichen aus, dass der Beratervertrag im Hinblick auf die Regelungen zum Vertragsgegenstand, der Vergütung und der Haftung einem Fremdvergleich nicht standhalte. Außerdem sei nicht feststellbar, dass der Vertrag tatsächlich wie unter fremden Dritten durchgeführt worden sei. So seien 30.000 EUR übersteigende Jahresnettozahlungen und Teilzahlungen erfolgt, was der Vertrag aber nicht vorsehe.

Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO hatte beim Bundesfinanzhof Erfolg und führte zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs verstößt die Vorentscheidung gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO. Das Finanzgericht hat nicht den gesamten konkretisierten Prozessstoff seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Finanzgericht ist hiernach insbesondere verpflichtet, den Inhalt der vorgelegten Akten und den Vortrag der Verfahrensbeteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist ein Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Die Vorschrift gebietet aber nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Allerdings ist § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO u.a. verletzt, wenn das Finanzgericht eine nach den Akten klar feststehende Tatsache oder einen bestimmten Tatsachenvortrag erkennbar unberücksichtigt lässt, obwohl dieser auf der Basis seiner materiell-rechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sein kann.

Unter Berücksichtigung des maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkts des Finanzgerichts wurde im Streitfall zentrales Vorbringen des Klägers nicht gewürdigt.

Das Finanzgericht hat seiner Entscheidung die höchstrichterlich entwickelten Kriterien zur Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen zugrunde gelegt. Auf dieser materiell-rechtlichen Basis hätte die Pflicht zur Ausschöpfung des Gesamtergebnisses des Verfahrens erfordert, das Vorbringen des Klägers zur tatsächlichen Vertragsdurchführung in die Betrachtung einzubeziehen.

Maßgebend für die steuerliche Anerkennung von Angehörigenverträgen ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs sind als Beweisanzeichen im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen. Kein Kriterium hat den Rang eines Tatbestandsmerkmals, so dass nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen ohne Weiteres die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt.

Zwar hat das Finanzgericht den Beratervertrag als solchen dahingehend gewürdigt, dass er einem Fremdvergleich nicht standhalte. Die fehlende Fremdüblichkeit des Vertragsinhalts ist allerdings nur ein einzelnes – wenn auch gewichtiges – Beweisanzeichen gegen die Zuordnung der Vertragsbeziehung zum betrieblichen Bereich. Zu würdigen ist insbesondere auch die tatsächliche Vertragsdurchführung, vor allem im Hinblick auf die Erfüllung der gegenseitigen Hauptpflichten. Leistet ein Angehöriger nämlich die von ihm vertraglich geschuldeten Dienste nicht, bezieht aber dennoch die vertraglich vorgesehene Vergütung, so stellt gerade dieser Umstand ein gewichtiges Indiz gegen die ertragsteuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses dar. Umgekehrt verlieren z.B. nicht fremdübliche Nebenbestimmungen in der Gesamtwürdigung an Gewicht, wenn feststeht, dass der Vertrag in seinen Hauptbestandteilen mit Leben erfüllt wurde.

Das Finanzgericht hat das Vorbringen des Klägers zur tatsächlichen Vertragsdurchführung nicht einwandfrei und vollständig berücksichtigt. Es hat im Hinblick auf die tatsächliche Vertragsdurchführung Nebenaspekte, wie z.B. die im schriftlichen Vertrag nicht vorgesehenen Teil- oder Abschlagszahlungen, gewürdigt, ist auf wesentlichen Beteiligtenvortrag zur tatsächlichen Erfüllung der Hauptleistungspflichten aber nicht eingegangen. So hat der Kläger u.a. vorgetragen, dass die Büroarbeit seit Jahren von seiner Ehefrau und seiner Tochter geleistet werde, dass Widerspruchsverfahren und Jahresabschlussarbeiten von der Beigeladenen – erkennbar an deren Handschrift – betreut worden seien, dass die Zusammenarbeit und der tatsächliche Leistungsaustausch den für diverse Mandanten zuständigen Finanzbeamten positiv bekannt seien, dass die Beigeladene nach dem Besuch von Fachanwaltskursen für die Beratungs- oder Jahresabschlussarbeiten qualifiziert und deren Arbeitszeit auf ca. 18 Wochenstunden kalkuliert gewesen sei. Da auch das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung auf den seines Erachtens fehlenden tatsächlichen Nachweis der tatsächlichen Vertragsdurchführung (für welche Mandanten hat die Beigeladene im Einzelnen zu welchem Zeitpunkt welche Leistungen erbracht) abgestellt hatte, handelte es sich bei der Frage, ob und in welchem Umfang Leistungen von Seiten der Beigeladenen aufgrund des Beratervertrages tatsächlich erfolgt sind, um zentrales Beteiligtenvorbringen. Da dieses auch nach dem vom Finanzgericht eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkt erheblich war, konnte sich das Gericht im Streitfall nicht damit begnügen, das Vorbringen in den Tatbestand seines Urteils aufzunehmen, ohne sich hierzu weiter zu äußern. Vielmehr war es gehalten, den Tatsachenvortrag in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten.

Das ist jedoch nicht geschehen. In diesem Zusammenhang weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass für ihn weder erkennbar ist, dass sich das Finanzgericht das Vorbringen des Finanzamtes, wonach Art und Umfang der tatsächlichen Arbeitsleistungen der Beigeladenen nicht nachgewiesen seien, zu eigen gemacht oder diesbezügliches klägerisches Vorbringen als unsubstantiiert und damit rechtlich unbeachtlich qualifiziert hat, noch hat es sich ihm erschlossen, dass der Klägervortrag zur tatsächlichen Erbringung von Dienstleistungen als wahr unterstellt worden wäre.

Wäre dem Vorbringen des Klägers die gebotene rechtliche Aufmerksamkeit gewidmet und der Frage der tatsächlichen Erfüllung der vertraglichen Hauptpflichten weiter nachgegangen worden, dann ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass das Ergebnis der Gesamtwürdigung des Finanzgerichts anders ausgefallen wäre.

Der Bundesfinanzhof hält es für sachgerecht, das Urteil des Finanzgerichts ohne weitere sachliche Überprüfung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO). Damit erledigt sich eine Entscheidung über die weiteren Rügen des Klägers.

Für das weitere Vorgehen weist der Bundesfinanzhof vorsorglich auf Folgendes hin:

Im Hinblick auf die bereichs- und anlassspezifischen Anforderungen an die Prüfung von Angehörigenverträgen wird im Streitfall zunächst zu klären sein, ob die Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und seiner Tochter als Arbeitsverhältnis, arbeitnehmerähnliches Verhältnis oder, wie vom Kläger ausdrücklich geltend gemacht, als freies Mitarbeiterverhältnis i.S. des § 7 der Steuerberaterberufsordnung, also als Geschäftsbesorgungsvertrag, zu qualifizieren ist. Erst im Anschluss daran können die – unterschiedlichen – Maßstäbe für den Vergleich des konkreten Vertragsinhalts mit den fremdüblichen Bedingungen entwickelt werden. So könnte etwa bei der vom Finanzgericht als fremdunüblich bewerteten Haftungsbegrenzung zu berücksichtigen sein, dass bei einem freien Mitarbeiterverhältnis regelmäßig gar kein relevantes Haftungsrisiko für den Mitarbeiter besteht bzw. dieses von der Berufshaftpflicht des Steuerberaters mit abgedeckt ist. Bei Schlechtleistungen und zu geringer Auslastung des freien Mitarbeiters käme anstelle der vom Finanzgericht als fremdüblich angesehenen Entgeltminderung eher die Kündigung (§§ 620 ff. BGB) des Geschäftsbesorgungsvertrages in Betracht.

Sodann, so der Bundesfinanzhof weiter, wird im Einzelnen aufzuklären sein, in welcher Art und in welchem Umfang die Beigeladene tatsächlich für die Kanzlei des Klägers tätig geworden ist. Dem Steuerpflichtigen obliegt es, substantiiert vorzutragen und nachzuweisen, dass der Angehörige Arbeits- oder Beratungsleistungen in einem der zugesagten Honorierung angemessenen Umfang tatsächlich erbracht hat. Ist der Steuerpflichtige zu einem in die Einzelheiten gehenden substantiierten Tatsachenvortrag nicht bereit oder nicht in der Lage oder gelingt ihm der Nachweis nicht, dann ist davon auszugehen, dass vertragliche Hauptleistungspflichten nicht erfüllt wurden.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.12.2013 – III B 84/12