martina heck

05.07.2013

Die Sensibilisierungswoche im Steuerrecht

Das Finanzgericht Düsseldorf hatte über die Frage zu entscheiden, wie die Kosten einer sog. “Sensibilisierungswoche” lohnsteuerrechtlich zu behandeln sind.

Ein Unternehmen bot seinen Mitarbeitern im Rahmen eines sog. Demografieprojekts ein einwöchiges Einführungsseminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil (sog. Sensibilisierungswoche) an. Das Unternehmen bat das Finanzamt um Auskunft über die lohnsteuerliche Behandlung der Kosten für die Teilnahme an diesem Seminar, die sich pro Mitarbeiter auf ca. 1.300 € (abzüglich Krankenkassenzuschüsse) beliefen.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich um Arbeitslohn handele, wobei der Freibetrag für Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung in Höhe von 500 € abgezogen werden könne. Dagegen wendete sich das klagende Unternehmen und machte geltend, die angebotene Maßnahme liege ganz überwiegend in seinem eigenen Interesse, so dass es am Entlohnungscharakter fehle.

Dem ist das Finanzgericht Düsseldorf nicht gefolgt.

Das Finanzamt hat zu Recht den der Sensibilisierungswoche zuzumessenden Wert als Arbeitslohn in Form eines geldwerten Vorteils qualifiziert, der lediglich im in § 3 Nr. 34 EStG beschriebenen Umfang steuerfrei zu belassen ist. Damit hat der Beklagte eine zutreffende Anrufungsauskunft gegeben.

Nach § 42 e EStG hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten (hier des Arbeitgebers) Auskunft darüber zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Die Anfrage muss auf einen konkreten betrieblichen Vorgang im Zusammenhang mit der Einbehaltung oder Abführung der Lohnsteuer bezogen sein.

Die Auskunft ist für das Lohnsteuerabzugsverfahren verbindlich. Die Bindung umfasst auch bereits abgeschlossene Geschehensabläufe. Die Beteiligten haben einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Auskunft. Die Auskunft ist ein feststellender voll, auch inhaltlich, überprüfbarer Verwaltungsakt. Sie unterliegt der umfassenden inhaltlichen Überprüfung durch das Finanzgericht.

Da im Falle der fachkundig vertretenen Klägerin ausdrücklich von Anfang an eine Auskunft nach § 42 e EStG beantragt worden war, waren die Voraussetzungen einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO bzw. eine verbindliche Zusage gem. §§ 204 ff. AO nicht zu prüfen.

Die Übernahme der Kosten für die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche durch die Klägerin hatte Arbeitslohncharakter. Der den Arbeitnehmern zugewendete geldwerte Vorteil wurde nicht in ganz überwiegendem betrieblichen Interesse gewährt.

Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die für seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen.

Das Ergebnis einer solchen, den Arbeitslohncharakter verneinenden Würdigung verlangt, dass der Vorteil im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse gewährt werden muss. Da eine betriebliche Veranlassung jeder Art von Lohnzahlungen zugrunde liegt, muss sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und insbesondere Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers.

Insgesamt hängt die Qualifizierung von den Umständen des Einzelfalles ab. Ergibt die Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, dass sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist, liegt insgesamt, auch wenn die Zuwendung für den Arbeitnehmer mit angenehmen Begleitumständen verbunden ist, kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, ob Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung zu Arbeitslohn führen. Insbesondere bei Maßnahmen zur Vermeidung berufsbedingter Krankheiten wird in der Regel das eigenbetriebliche Interesse erheblich überwiegen.

Im Falle der Klägerin handelt es sich hingegen bei der Teilnahme an der Sensibilisierungswoche um eine allgemein gesundheitspräventive Maßnahme. Die im Zusammenhang mit der Anrufungsauskunft gewählte Bezeichnung „Demografieprojekt“, die zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung der Vermittlung von Erkenntnissen über einen gesunden Lebensstil, die Benennung in den Verträgen als „Präventionsmaßnahme“ nach § 20 SGB V sowie der Inhalt des Wochenplanes belegen, dass die Gesundheitsvorsorge Gegenstand der Sensibilisierungswoche gewesen ist. Die allgemeine Gesundheitsvorsorge liegt zwar auch im Interesse eines Arbeitgebers, aber zuvorderst im persönlichen Interesse der Arbeitnehmer. Dementsprechend bestand keine Verpflichtung zur Teilnahme der Arbeitnehmer an diesem Angebot der Klägerin. Die Teilnahme war grundsätzlich freigestellt, so dass diejenigen Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Teilnahme hatten, die sich hiervon einen persönlichen Vorteil versprachen, beispielsweise gesundheitlich gefährdete Arbeitnehmer. Auch die Tatsache, dass die Arbeitnehmer Fahrtkosten und eigene Freizeit (Zeitguthaben, Urlaub) aufzuwenden hatten, unterstreicht den Gesamteindruck, dass hier den Arbeitnehmern zumindest auch ein Vorteil vermittelt wurde bzw. werden sollte. Diese Regelung setzte ein besonderes Eigeninteresse des Arbeitnehmers voraus, das ihn dazu bewegt, eigene Initiative und Aufwendungen einzubringen.

Die Maßnahme ist auch nicht vergleichbar mit fachspezifischen Fortbildungsseminaren oder Teambildungsseminaren. Zum einen fehlte es an den fachspezifischen Inhalten und zum anderen bestand der Teilnehmerkreis nicht aus Arbeitsteams, sondern war, wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, gemischt zusammengesetzt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der spätere „modifizierte“ Vortrag der Klägerin noch denselben, der Anrufungsauskunft zugrundeliegenden Sachverhalt meint, oder, ob es sich um einen neuen, noch zu bescheidenden Antrag mit geändertem Sachverhalt handelt. Der „ergänzte“ Sachverhalt ist für Zwecke einer Anrufungsauskunft überdies lückenhaft und damit für eine Beurteilung untauglich, schon deshalb, weil die weiteren, angeblich auf der Sensibilisierungswoche aufbauenden Maßnahmen nicht im Einzelnen dargestellt wurden. Jedenfalls spiegeln sich die möglicherweise und von dem hierzu angehörten Herrn “C” anschaulich geschilderten weitergehend verfolgten Arbeitgeberinteressen im Sinne, eine veränderte Unternehmenskultur durch eine Vielzahl von Maßnahmen zu installieren, nicht in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt. Da die freiwillige Teilnahme an der Sensibilisierungswoche keinerlei weitergehende Verpflichtung etwa zur Teilnahme an darauf aufbauenden Workshops oder dergleichen beinhaltete, unterliegt ihre lohnsteuerliche Bewertung einer isolierten Betrachtung. Bei objektiver Betrachtung wurde den Arbeitnehmern ein einwöchiger Aufenthalt ohne weitere Verpflichtungen vermittelt. Die vorgetragenen weitergehenden Zielsetzungen spiegeln sich auch in keiner Weise in dem Inhalt des Wochenprogramms wieder. Für den Arbeitnehmer war lediglich der Inhalt des konkreten Angebots der Teilnahme an der Sensibilisierungswoche und der damit einhergehende geldwerte Vorteil maßgebend.

Eine Zuwendung kann auch gemischt veranlasst sein. Dann kommt eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse in Betracht. Voraussetzung ist, dass sich einzelne Elemente der Zuwendung aus dem Gesamtzusammenhang herauslösen lassen. Lässt sich der Charakter der Sachzuwendung dagegen nur einheitlich beurteilen, ist die Zuwendung auch nur einheitlich zu qualifizieren. Vorliegend ist eine Aufteilung nicht möglich, da die jeweiligen Veranlassungsbeiträge so ineinandergreifen, dass eine Trennung nicht möglich ist. Die Positionen Übernachtungskosten, Verpflegungskosten und Seminarkosten sind einer unterschiedlichen Betrachtung nicht zugänglich. Ebenso bilden die einzelnen Seminarinhalte insgesamt eine Einheit, bei der die Veranstaltungen ineinandergreifend aufeinander aufbauen.

Die Einordnung der Sensibilisierungswoche entspricht zudem der gesetzgeberisch vorgegebenen Wertung in § 3 Nr. 34 EStG für Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20, 20 a SGB V genügen. Deshalb war die Auskunft des Beklagten zutreffend, dass ein Betrag von 500 Euro steuerfrei zu belassen sei.

Wie bereits ausgeführt, belegen insbesondere das ursprünglich vorgelegte Prospektmaterial, ebenso wie der Mitarbeitervertrag sowie das detaillierte Wochenprogramm die Ausrichtung als gesundheitspräventive Maßnahme i.S.d. §§ 20, 20 a SGB V. Auch der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich Erstattungen der Krankenversicherungen bis zur Höhe von 400 Euro pro Teilnehmer zu erwarten seien. Diese Erstattungen setzen aber eine Qualifizierung i.S.v. §§ 20, 20 a SGB V voraus. In den mit den Teilnehmern geschlossenen Verträgen wurde folgerichtig auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um eine Maßnahme nach § 20 SGB V handele. Derartige Maßnahmen hat der Gesetzgeber, wie aus der Vorschrift des § 3 Nr. 34 EStG zu schließen ist, grundsätzlich als Arbeitslohn eingestuft und nur wegen der Förderungswürdigkeit bis zu einem vom Gesetzgeber für angemessen gehaltenen Betrag von 500 Euro steuerfrei belassen.

Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.04.2013 – 16 K 922/12 L