martina heck

20.08.2012

Der nichtige Deal zwischen dem Zahnarzt und dem Dentallabor

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellt es eine unangemessene unsachliche Einflussnahme auf die zahnärztliche Diagnose- und Therapiefreiheit dar, wenn sich Zahnärzte vertraglich verpflichten, ein von einer GmbH betriebenes Dentallabor mit sämtlichen bei der Behandlung ihrer Patienten anfallenden Dentallaborleistungen zu beauftragen und die Zahnärzte durch eine gesellschaftsrechtliche Konstruktion am Gewinn dieser GmbH partizipieren können. Die auf eine solche unangemessene unsachliche Einflussnahme gerichtete Vertragsbestimmung ist gemäß § 134 BGB in Verbindung mit dem zahnärztlichen Berufsrecht sowie §§ 3, 4 Nr. 1 UWG nichtig.

In einer Praxisgemeinschaft niedergelassene Zahnärzte wurden von der Betreiberin eines Dentallabors verklagt.

Die Parteien schlossen am 05.04.2001 einen Kooperationsvertrag. In Ziffer 2.1 verpflichteten sich die beklagten Zahnärzte,

während der Laufzeit dieses Vertrages sämtliche bei der Behandlung [ihrer] Patienten anfallenden und im Leistungskatalog des Auftragnehmers ausgewiesenen Dentallaborleistungen durch entsprechende Einzelaufträge beim Auftragnehmer in Auftrag zu geben. Ausgenommen sind hiervon Dentallaborleistungen, bei denen die Patienten aktiv die Auswahl des Labors bestimmen wollen.

Die Zahnärzte partizipierten an dem Gewinn des Dentallabors.

Es kam dann dazu, dass die Betreiberin des Dentallabors den Verdacht hegte, dass die Zahnärzte Aufträge an andere Dentallabore vergeben würden. Dementsprechend verklagte sie die Zahnärzte u.a. auf Auskunft.

Fraglich ist aber, ob der Kooperationsvertrag überhaupt wirksam war – insbesondere im Hinblick auf o.g. Klausel.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Verträge, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten, gemäß § 134 BGB nichtig sein, wenn der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt.

Für die Frage, ob der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstieß, ist auf die Gesetzeslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 2001 abzustellen. Auch wenn sich für den Streitfall in der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung weder durch das UWG 2004 noch durch die UWG-Novelle 2008 inhaltliche Änderungen ergeben haben, ist daher die Bestimmung des § 1 UWG in der bis Juli 2004 geltenden Fassung (§ 1 UWG aF) maßgeblich. Weiter ist der Beurteilung die BO-Z (Berufsordnung der Zahnärzte) Nordrhein in der Fassung vom 19.07.1997 zugrunde zu legen (BO Zahnärzte Nordrhein aF).

Richtet sich das Verbot gegen beide Vertragsparteien, ist in der Regel anzunehmen, dass das Rechtsgeschäft nichtig ist. So liegt es auch im Streitfall. Mit der in Ziffer 2.1 der Kooperationsvereinbarung getroffenen Vereinbarung haben die Beklagten gegen ärztliches Berufsrecht und die Klägerin gegen § 1 UWG verstoßen. Beide Vorschriften verbieten, dass Zahnärzte ihre Entscheidungen nicht allein am Wohl des Patienten, sondern an einem eigenen Interesse an der Erlangung einer Gegenleistung ausrichten.

Ärzte sind aus dem Behandlungsvertrag und dem Berufsrecht gehalten, die Entscheidung darüber, an wen sie einen Patienten verweisen oder wem sie Untersuchungsmaterial zur Laboruntersuchung überlassen, allein nach ärztlichen Gesichtspunkten mit Blick auf das Patienteninteresse zu treffen. Ihre Nachfrageentscheidung darf nicht nach den eigenen Interessen des Arztes als Nachfrager oder Nachfragedisponent des Patienten getroffen werden, insbesondere darf der Arzt seine Entscheidung nicht davon abhängig machen, ob ihm für die Überweisung eine Gegenleistung zufließt oder nicht. Dieser auch für Zahnärzte geltende Gesichtspunkt kommt in dem berufsrechtlichen Verbot zum Ausdruck, sich für die Zuweisung von Patienten oder für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial eine Gegenleistung gewähren zu lassen oder selbst eine solche Gegenleistung zu gewähren.

Ein ähnlicher Zweck liegt dem heilmittelwerberechtlichen Zugabeverbot zugrunde, das auch nach dem Wegfall der Zugabeverordnung das Gewähren oder Annehmen von Zugaben untersagt, weil Ärzte und Apotheker die Entscheidung darüber, welches Medikament sie verschreiben oder empfehlen, allein im Interesse des Patienten treffen und sich dabei nicht davon leiten lassen sollen, ob ihnen bei der Empfehlung oder Verschreibung eines bestimmten Präparats ein persönlicher Vorteil zufließt. Ein solches Verbot kommt auch in § 1 Abs. 8 BO Zahnärzte Nordrhein aF zum Ausdruck, wonach ein Zahnarzt keine Verpflichtungen eingehen soll, die seine Unabhängigkeit bei der Berufsausübung beeinträchtigen können. Hinzu kommt, dass der zahnärztliche Beruf gemäß § 1 Abs. 1 BO Zahnärzte Nordrhein aF in Diagnose- und Therapiefreiheit ausgeübt wird und mit besonderen Berufspflichten verbunden ist. So hat der Zahnarzt seinen Beruf nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst und nach den Geboten der Menschlichkeit gewissenhaft auszuüben und dem ihm im Zusammenhang mit seinem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Außerdem ist dem Zahnarzt nach § 9 Abs. 5 BO Zahnärzte Nordrhein aF nicht gestattet, Patienten einem Arzt, Zahnarzt oder einem Krankenhaus gegen Entgelt oder gegen andere Vorteile zuzuweisen.

Diese berufsrechtlichen Ge- und Verbote hat der Zahnarzt auch dann zu befolgen, wenn er im Rahmen seiner Praxis ein eigenes zahntechnisches Labor im Sinne des § 11 MBO Zahnärzte betreibt. Nichts anderes gilt, wenn er ein solches Labor auslagert und von einem Dritten betreiben lässt.

Es ist deshalb unter dem Gesichtspunkt der unangemessenen unsachlichen Einflussnahme gemäß § 1 UWG aF unlauter, einen Arzt durch die Gewährung oder das Inaussichtstellen eines finanziellen Vorteils zu veranlassen, diese Interessenwahrungspflicht zu verletzen (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2003 – I ZR 142/00; BGH, Urteil vom 21.04.2005 – I ZR 201/02; BGH, Urteil vom 24.06.2010 – I ZR 182/08; BGH, Urteil vom 09.09.2010 – I ZR 157/08 – FSA-Kodex)).

Die Vereinbarung in Ziffer 2.1 der Kooperationsvereinbarung verletzt diese Verbote.

Durch die Verpflichtung, sämtliche bei der Behandlung ihrer Patienten anfallenden Dentallaborleistungen bei der Klägerin in Auftrag zu geben, haben sich die Beklagten rechtlich in einer Weise gebunden, die ihre ärztliche Entscheidungsfreiheit eingeschränkt hat. Eine ärztliche Vergabeentscheidung kann bei Geltung der Vereinbarung nicht mehr allein am Patienteninteresse ausgerichtet werden, sondern muss zugunsten der Klägerin erfolgen. Dabei ist es unerheblich, dass die vertragliche Regelung solche Dentallaborleistungen von der Vergabepflicht ausnimmt, bei denen die Patienten aktiv die Auswahl des Labors bestimmen. Denn die Verpflichtung des Arztes zur Wahrung der Patienteninteressen schützt auch und gerade Patienten, die keine eigenen Vorstellungen zur Auswahl eines Labors äußern, sondern insoweit auf die ärztliche Unabhängigkeit vertrauen.

Für die Verpflichtung zur Beauftragung der Klägerin mit Dentallaborleistungen steht den Beklagten im Streitfall auch eine Gegenleistung in Aussicht.

Allerdings ergibt sich aus dem Kooperationsvertrag selbst kein Gegenleistungsversprechen. Dies steht der Nichtigkeit der Vereinbarung gemäß Ziffer 2.1 des Kooperationsvertrages jedoch nicht entgegen. Ein Verstoß gegen die genannten berufsrechtlichen Vorschriften hängt nicht von einer rechtlichen Kopplung einer Überweisung von einer Gegenleistung ab. Gleiches gilt für die Annahme eines für § 1 UWG aF maßgebenden unangemessenen unsachlichen Einflusses.

Im Streitfall ergibt sich eine hinreichende Verbindung zwischen der Verpflichtung nach Ziffer 2.1 der Kooperationsvereinbarung und der Möglichkeit der Beklagten, im Sinne einer Gegenleistung von entsprechenden Laboraufträgen an die Klägerin wirtschaftlich zu profitieren, aus den gesellschaftsrechtlichen Umständen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestanden zwischen der Klägerin und der o. GmbH Verträge über die Errichtung einer stillen Gesellschaft, in denen der von den Beklagten über die o. AG beherrschten o. GmbH insbesondere weitergehende Gewinnbezugsrechte eingeräumt wurden. Das Berufungsgericht war davon ausgegangen, dass die Beklagten über diese gesellschaftsrechtlichen Verbindungen die Möglichkeit hatten, bereits im Vorfeld oder während der Laufzeit des Kooperationsvertrages ihre gesellschaftsrechtliche Einflussnahme auf die Klägerin aktiv auszugestalten. Solche indirekten Möglichkeiten zur Erlangung einer Gegenleistung reichen für die Annahme einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung der ärztlichen Diagnose- und Therapiefreiheit aus.

Unerheblich ist, dass die Kooperation der Parteien daneben auch noch anderen Zwecken gedient haben mag. Der Bundesgerichtshof vermochte sich daher nicht der Auffassung des Berufungsgerichts anzuschliessen, die Beklagten müssten sich an der Formulierung der Präambel des Kooperationsvertrags festhalten lassen, wonach der Vertrag der Sicherstellung einer fristgerechten und kontinuierlichen Belieferung mit Dentallaborleistungen in gleichbleibend hohe Qualität sowie der kontinuierlichen Fortentwicklung der für die zahnmedizinische Behandlung notwendigen Dentallaborprodukte diene. Dieser Vertragszweck ändert nichts an der dargelegten verbotenen Beeinträchtigung der ärztlichen Therapieentscheidung.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beschränkt sich die Unwirksamkeitsfolge des § 134 BGB nicht auf diejenigen Abreden und rechtlichen Verbindungen, die es den Beklagten ermöglichen, am Gewinn der Klägerin teilzuhaben. Sie erfasst vielmehr auch die Pflicht zur Beauftragung der Klägerin mit Dentallaborleistungen gemäß Ziffer 2.1 des Kooperationsvertrages.

Wie dargelegt, ist die Einschränkung der ärztlichen Entscheidungsfreiheit und der Pflicht zur Wahrung der Patienteninteressen durch das Gewähren oder Inaussichtstellen von finanziellen Vorteilen untersagt. Grundlage des Verbots ist also nicht nur die Möglichkeit zur Erlangung wirtschaftlicher Vorteile, sondern deren Auswirkungen auf die – im Streitfall durch die Kooperationsvereinbarung beeinträchtigte – Entscheidungsfreiheit des Arztes im Sinne des Patientenwohls.

Eine Nichtigkeit der Beauftragungspflicht nach Ziffer 2.1 ergibt sich zudem aus § 139 BGB. Denn die Regelung in der Kooperationsvereinbarung und die gesellschaftsrechtliche Konstruktion, welche ein Bezugsrecht der Beklagten im Hinblick auf den Gewinn der Klägerin und einen gesellschaftsrechtlichen Einfluss der Beklagten auf die Klägerin ermöglicht, stellen auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Umstände ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB dar.

Der für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts im Sinne dieser Vorschrift erforderliche Einheitlichkeitswille liegt vor, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte also miteinander stehen und fallen sollen. Dabei genügt der Einheitlichkeitswille einer Partei, wenn die andere Partei ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Praxisgemeinschaft, der die Beklagten angehören, bis zur Gründung der Klägerin ein eigenes Praxislabor unterhalten hat und die Klägerin dieses Eigenlabor ablösen sollte. Dies und die Feststellungen des Berufungsgerichts zur gesellschaftsrechtlichen Beherrschung der o. GmbH durch die Beklagten sowie zur Gründung einer stillen Gesellschaft zwischen dieser und der Klägerin lassen nur den Schluss zu, dass die Kooperationsvereinbarung Teil einer von den Beklagten geschaffenen einheitlichen rechtlichen Konstruktion ist, die von der Klägerin zumindest hingenommen wurde.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts auch nicht entgegen, dass die Rechtsgeschäfte äußerlich getrennt sind und allein der Kooperationsvertrag zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits geschlossen wurde. Die Einheitlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Rechtsgeschäfte unterschiedlichen Vertragstypen angehören, diese in unterschiedlichen Vertragsurkunden niedergelegt sind und an ihnen zum Teil verschiedene Personen beteiligt sind.

Dem Berufungsgericht ist auch nicht in der Annahme zu folgen, die Beklagten könnten sich jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls wegen des grundsätzlichen Verbots unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) nicht auf eine – unterstellte – Nichtigkeit der Kooperationsvereinbarung berufen. Die Beklagten hätten einen etwaigen berufsrechtlichen Nichtigkeitsgrund durch die neben dem Kooperationsvertrag konzipierten und konstruierten Verträge eigenverantwortlich verursacht und diesen Nichtigkeitsgrund nach mehrjähriger unbeanstandeter Durchführung der Kooperationsvereinbarung als Vorwand genutzt, um sich von dieser einseitig loszusagen und ein Eigenlabor zu betreiben und auslasten zu können.

Die Klägerin kann die verbotene Leistungshandlung bereits deshalb nicht unter Berufung auf Treu und Glauben verlangen, weil das Verbotsgesetz den Schutz von Interessen Dritter, hier der Patienten, bezweckt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.02.2012 – I ZR 231/10