Rechtsanwalt Nils Wittmiss

F-200 ASG Rechtsanwälte GmbH
10117, Berlin
08.11.2011

Wenn der Anwalt die Frist versäumt

In einer aktuellen Entscheidung kam das Arbeitsgericht Berlin zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer das Verschulden seines Rechtsanwalts beim Versäumen der Klagefrist für die Kündigungsschutzklage nicht zuzurechnen ist und widerspricht damit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Will sich ein Arbeitnehmer gerichtlich gegen eine Kündigung wehren, muss er innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Tut er dies nicht oder nicht rechtzeitig, gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam (§§ 4, 7 KSchG). Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage kommt nur in Betracht, wenn den Arbeitnehmer am Versäumen der Kündigungsfrist kein Verschulden trifft, § 5 KSchG. Dies ist nach Ansicht des BAG aber nicht der Fall, wenn der beauftragte Anwalt die Frist versäumt, denn das Verschulden seines Anwalts sei dem Arbeitnehmer gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Dieser Ansicht folgt das ArbG Berlin in seinem aktuellen Urteil nicht, sondern kommt zu dem Ergebnis, dass diese Norm in den Fällen des § 5 KSchG nicht anzuwenden ist.

Im der Entscheidung zugrunde liegenden Fall beauftragte eine Arbeitnehmerin einen 77-jährigen Anwalt, gegen ihre Kündigung gerichtlich vorzugehen. Dieser erlitt wenige Tage später einen Schlaganfall und konnte die Klagefrist krankheitsbedingt nicht wahren. Erst nach Ablauf der drei Wochen erhob ein anderer Rechtsanwalt Kündigungsschutzklage und beantragte die nachträgliche Zulassung gemäß § 5 KSchG. Das Berliner ArbG ließ die Klage zu.

Die Zurechnungsvorschrift (§ 85 Abs. 2 ZPO) sei in derartige Fällen nicht einschlägig. Die verspätete Kündigungsschutzklage sei von Fällen wie beispielsweise der versäumten Berufungsfrist zu unterscheiden, da sich noch kein Gericht mit dem Fall beschäftigt habe. Im Ergebnis sei ein Verschulden des Anwalts bei der nachträglichen Klagezulassung nach § 5 KSchG dem Arbeitnehmer nicht zuzurechnen. Im Übrigen habe aber auch kein Verschulden des erkrankten Rechtsanwalts vorgelegen.

ArbG Berlin, Urt. v. 05.11.2011

Az.: 28 Ca 9265/11