Rechtsanwalt Nils Wittmiss

F-200 ASG Rechtsanwälte GmbH
10117, Berlin
11.07.2011

Täuschung im Bewerbungsgespräch

In einer aktuellen Entscheidung bestätigte das Bundesarbeitsgericht, dass ein Arbeitgeber bei Falschbeantwortung einer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage grundsätzlich zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein kann. Dies setze die Ursächlichkeit der Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrages voraus. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, könne außerdem eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Die klagende Arbeitnehmerin, seit März 2007 bei der Beklagten im Außendienst beschäftigt, verneinte bei ihrer Einstellung die Frage nach einer Schwerbehinderung, obwohl sie seit 1998 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt ist. Über ihre Schwerbehinderung informierte die Klägerin die Beklagte erst, nachdem ihr im Oktober 2008 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung nahegelegt wurde. Daraufhin hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung angefochten und fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt.

Neben der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Anfechtung, noch durch die Kündigung beendet worden sei, begehrte die Klägerin darüber hinaus eine Entschädigung wegen Diskriminierung. Beide Vorinstanzen gaben den Feststellungsanträgen statt und wiesen den Entschädigungsantrag ab. Zu diesem Ergebnis kam nun auch das BAG.

Zwar könne die falsche Beantwortung einer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages berechtigen und bei Fortwirkung der Täuschung im Arbeitsverhältnis komme auch eine Kündigung in Betracht. Dies gelte jedoch jeweils nur, wenn die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrages auch ursächlich war. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die Beklagte ausdrücklich erklärte hatte, sie hätte die Klägerin auch bei wahrheitsgemäßer Beantwortung eingestellt. Mithin fehlt es an der erforderlichen Kausalität.

Auf die seit In-Kraft-Treten des § 81 Abs. 2 SGB IX zum 1. Juli 2001 und des AGG zum 18. August 2006 umstrittene Frage, ob sich der Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es somit nicht an.

Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch stand der Klägerin allerdings nicht zu, da keine ausreichenden Indizien ersichtlich waren, die auf eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung hindeuteten.

 

BAG, Urt. v. 07.07.2011

Az.: 2 AZR 396/10