Rechtsanwalt Nils Wittmiss

F-200 ASG Rechtsanwälte GmbH
10117, Berlin
13.07.2011

Kündigung eines Alkoholkranken

Bevor ein Arbeitgeber einem alkoholabhängigen Mitarbeiter kündigt, muss er diesem die Möglichkeit einer Entziehungskur einräumen. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz sei eine Kündigung in solchen Fällen erst verhältnismäßig, wenn der Mitarbeiter die ihm angebotene Chance nicht nutzt.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Die Klägerin war stellvertretende Pflegeleiterin und zunächst als Kinderkrankenschwester tätig. Im Laufe von drei Jahren war sie wegen ihrer Alkoholkrankheit mehrfach gestürzt und konnte aufgrund diverser erlittener Knochenbrüche nicht zur Arbeit erscheinen. Nach einem daraufhin stattfindenden Mitarbeitergespräch, in welchem die Klägerin ihre Alkoholerkrankung einräumte, begab sie sich in eine ambulante Suchttherapie. Wie das Leben jedoch so spielt, konnte sie den im Rahmen einer Betriebsfeier angebotenen alkoholischen Getränken nicht widerstehen und erlitt einen Rückfall. Die folgende Arbeitsunfähigkeit veranlasste die beklagte Arbeitgeberin nach erfolgter Betriebsratsanhörung zur außerordentlichen Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist, da die Mitarbeiterin tarifvertraglich ordentlich unkündbar ist. Gleichzeitig bot die Beklagte der Klägerin eine Weiterbeschäftigung als Krankenschwester an.

Die gegen die Änderungskündigung gerichtete Klage hatte im Ergebnis Erfolg. Wie schon das Arbeitsgericht Kaiserslautern erachtete auch das Landesarbeitsgericht die Kündigung als rechtswidrig. Die Beklagte habe der Klägerin die Chance auf Behandlung geben müssen, denn Alkoholabhängigkeit stellt eine Krankheit im medizinischen Sinne dar. Dementsprechend sei die Kündigung nach den für die krankheitsbedingten Kündigungen geltenden Grundsätzen zu beurteilen.

Dies bedeutet, der Arbeitgeber ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, einem alkoholkranken Arbeitnehmer, dem er aus personenbedingten Gründen kündigen  will, zuvor die Chance einer Entziehungskur zu geben. Im vorliegenden Fall war die Beklagte damit verpflichtet, der Klägerin zunächst die Durchführung einer stationären Therapie zu ermöglichen. Von einer mangelnden Therapiebereitschaft der Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung vermochte das LAG nicht auszugehen, sodass auch es bereits am Vorliegen einer negativen Zukunftsprognose fehlte. Eine solche lasse sich auch nicht aus dem Rückfall ableiten.

LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.02.2011

Az.: 10 Sa 419/10