Rechtsanwalt Nils Wittmiss

F-200 ASG Rechtsanwälte GmbH
10117, Berlin
25.05.2011

Alter oder Kinder – Was setzt sich in der Sozialauswahl durch?

Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in der sogenannten Sozialauswahl Betriebszugehörigkeitszeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten eine eventuelle Schwerbehinderung der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Das Verhältnis dieser Sozialkriterien untereinander ist durch die Rechtsprechung bislang nicht festgelegt. In einer aktuellen Entscheidung hatte das Landesarbeitsgericht Köln zu beurteilen, ob das Lebensalter oder die Anzahl der unterhaltspflichtigen Kinder im Rahmen der Sozialauswahl höher zu gewichten war.

Der zugrunde liegende Fall betraf zwei etwa gleich lang beschäftigte verheiratete Führungskräfte, von denen der eine 53 Jahre alt und kinderlos war und der zweite 35-jährig war und Kinder hatte. Die zwei Arbeitsplätze dieser Angestellten hatte der Arbeitgeber zu einer Stelle zusammengefasst und nach Durchführung der Sozialauswahl dem älteren Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt.

Wie die Richter des LAG Köln entschieden, war die Kündigung des älteren Arbeitnehmers unwirksam, da der jüngere Arbeitnehmer im Vergleich zum älteren deutlich bessere Chancen hatte, eine neue Arbeit zu finden. Für einem 53-jährigen sei es sehr unwahrscheinlich, wieder einen geeigneten Job zu finden. Ein 35-jähriger hingegen habe typischerweise seine Berufsausbildung abgeschlossen und bereits einige Jahre Berufserfahrung gesammelt, was ihn in den Augen der Richter zu einem besonders gefragten Teilnehmer am Arbeitsmarkt mache. Ferner zeige ein 35-jähriger in der Regel auch noch keine Abnutzungserscheinungen, sodass bei ihm mit häufigen oder längeren Erkrankungen nicht zu rechnen sei. Mithin sei nicht zu erwarten, dass der jüngere Mitarbeiter von Arbeitslosigkeit bedroht ist. Die Unterhaltspflichten für die beiden Kinder wären daher mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht beeinträchtigt.

 

LAG Köln, Urt. v. 18.02.2011

Az.: 4 Sa 1122/10