Andreas Rintzner

JUSMEUM GmbH
81677, München
10.12.2010

Der Schriftsatz im Hausfrauentest

Sind Hausfrauen die besseren Anwälte? Klaro sind sie das! Hausfrauen sind genial. Schiere Alleskönner. Jede, absolut jede Hausfrau ist beispielsweise in der Lage auch kleinste Fragmente komplexer Sachverhalte ad hoc richtig zu deuten, jede Art von Schriftsatz präzise zu analysieren, ja, zu zerpflücken und noch an Ort und Stelle neu zu strukturieren. Ohne die Zusammenhänge zu kennen. Ohne juristische Vorkenntnisse. Und – Boom – Volltreffer! Alles sofort fett überblickt! Jedes Problem schnellstens erkannt. Und allzeit die passende Lösungen parat. Ja, so sind sie, unsere Hausfrauen. Einfach toll.

Nein, im Ernst: Die lieben, guten, die echten Hausfrauen können eigentlich gar nix dafür, dass eine der größten Zivilisationslügen nach ihnen benannt wurde: der Hausfrauentest. Jup, richtig gelesen. Jene völlig absurde und konterproduktive Unsitte, komplett unbeteiligte Dritte spontan, quasi zwischen Tür und Angel, mit der Beurteilung von erbrachten Leistungen zu bemühen. Was ein Schwachsinn! Allein beim Schreiben über dieses Phänomen könnte ich über die Tastatur kotzen. Bäh! Aber kein Sorge, ich erklär natürlich gleich warum. Also weiterlesen!

Der Hausfrauentest. Was ist das? Hausfrau steht für Freund, Kollege, Chef, Oma, Onkel, Ehefrau, Tenniskumpel oder wen auch immer. Nahestehend oder flüchtigst bekannt. Scheißegal. Hauptsache er, sie oder es war nicht in die Entstehung des zu beurteilenden Werkes oder der Leistung involviert. Nicht als Auftragnehmer. Und nicht als Auftraggeber. Denn letzterer sind, nehmen wir hier mal an, wir. Nehmen wir weiter an, es geht um unser neues Kanzleilogo. Gestern wurde es vom Designer präsentiert … Hmmm, und irgendwie sind wir noch nicht 100%ig sicher. Es sind irgendwo zwischen 86 und 99%. Logisch. Denn wär es kompletter Mist, müsste man ja keinen Hausfrauentest durchführen. Und fänden wir es megageil auch nicht. Was uns genau verunsichert, wissen wir aber derzeit nicht …

Was machen wir da? Nein, wir machen nicht unserem wenn auch noch so klitzekleinen Unbehagen gleich vor dem Gestalter Luft. Nein, sagen nicht sofort, dass der Schuh noch irgendwo drückt. Wir nehmen die Schuh lieber erst einmal mit nachhause und zeigen ihn unserer Hausfrau. Meine Güte! Wir sind voller Unsicherheit. Wir haben nicht allzu viel Erfahrung mit der Vergabe von Designaufträgen bei denen wir selbst der Auftraggeber sind. Und dann die emotionale Spannung, schließlich soll uns das Ding ja für die nächsten Jahre begleiten. Aber Gott sei Dank haben wir unseren rettenden Hausfrauenspezikollegenfreundehepartneroderso.

Jetzt passiert’s: Wir zeigen unserer Hausfrau den Entwurf des neuen Emblems. Vielleicht als Ausdruck. Vielleicht am Bildschirm. Und vielleicht mit den Worten: Kuck mal, das soll unser neues Logo werden, wie findest Du es? … Tja, was hier aussieht wie eine harmlose Frage wird vom Gegenüber immer als Hilferuf, als Bitte zur Unterstützung in einer total wichtigen Angelegenheit eingestuft. Hinzu kommt erschwerend, dass der Befragte sich natürlich durch das entgegengebrachte Vertrauen geschmeichelt fühlt und umso mehr seiner mitmenschlichen Verantwortung nachkommen will. Und weil es sich hier ja schließlich nicht um Steinmeiers Niere handelt, sondern nur um ein paar kritische Worte, denkt man sich ,“gerne“ und los geht’s: “… Hmmm, lass mich mal überlegen … Die Farbe, ich weiß nicht …. Und ist nicht der Schriftzug etwas zu … Oder könnte man nicht vielleicht das Bildelement etwas mehr nach … Wäre Blau nicht seriöser … Ein Rahmen, es fehlt vielleicht ein Rahmen drumherum … Wäre dies nicht stärker, jenes nicht ausgewogener oder sonstiges nicht fluffiger, knuffiger, peppiger …” Der bislang verunsicherte Hilfesuchende wir noch unsicherer. Aus 86% werden 74, 53, oder 42% oder weniger.

Eine Hausfrau unterstützt nicht, sie demontiert das Bauchgefühl und die Souveränität eines jeden Auftraggebers! Meine Fresse! Das erinnert mich an einen Gespräch, das ich mal mit einem Neuwagenverkäufer einer Münchner Automarke hatte. Auf meine Frage, warum nicht alle Kunden Ihre Autos außen und innen schwarz bestellen, sondern man bei jeder neuen Baureihe immer wieder ganz abstruse Farbkombinationen zu Gesicht bekommt, entgegnete er mir nur: “Frauen. Es sind die Ehefrauen, die hier entscheiden. Die wollen es halt a bisserl bunter.” Ob Frauen nun weniger oder mehr Geschmack haben als Männer weiß ich nicht. Doch auch dieses Beispiel macht deutlich: Wer den falschen Leuten die falschen Fragen stellt, darf keine Angst vor Antworten haben … Und keine Angst, die nächsten Jahre in einem BMW in Milanobeige mit hellgrauen, echt pfiffig gesprenkelten Stoffsitzen und Holzelementen in Esche Maser rumzufahren.