Urteil des VG Wiesbaden vom 08.05.2008

VG Wiesbaden: abweisung, akteneinsicht, hauptsache, quelle, zivilprozessrecht, verwaltungsrecht, immaterialgüterrecht, mitbewerber, verfahrenskosten, billigkeit

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Gericht:
VG Wiesbaden 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 G 1200/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 19b BG HE, § 123 Abs 3
VwGO, § 929 Abs 2 ZPO, § 161
Abs 2 VwGO
Erledigung eines Konkurrentenstreitverfahrens
Leitsatz
Tritt in einem beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren nach Ergehen der
Auswahlmitteilung erst durch Akteneinsicht im gerichtlichen Verfahren zutage, dass
noch keine endgültige Auswahlentscheidung vorliegt, liegt hierin ein erledigendes
Ereignis.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache erledigt ist.
2. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten
des Antragstellers hat der Antragsgegner zu tragen. Der Beigeladene trägt seine
außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.782,94 € festgesetzt.
Gründe
Nachdem der Antragsteller mit Schriftsatz vom 09.04.2008 den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt erklärt (§ 161 Abs. 2 VwGO), der Antragsgegner der
Erledigungserklärung jedoch mit Schriftsatz vom 24.04.2008 widersprochen hatte,
ist das Begehren des Antragstellers, der an seiner Erledigungserklärung festhält,
dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass es auf die Feststellung der Erledigung
gerichtet ist. Diese ohne weitere Voraussetzungen zulässige Antragsänderung
bewirkt, dass sich das gerichtliche Verfahren auf die Erledigungsfrage beschränkt
(BVerwG, Urteil vom 25.04.1989 - 9 C 61/88 -, E 82, 41; Urteil vom 31.10.1999 - 4
C 7/88 -, E 87, 63; Kopp, VwGO, Rdnr. 27 zu § 161 VwGO).
Das Begehren des Antragstellers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Das vorliegende Eilverfahren hat sich erledigt. Als erledigendes Ereignis kommt
jede nach Klageerhebung bzw. Antragstellung eingetretene außerprozessuale
Änderung der Sach- und Rechtslage in Betracht, die bereits für sich betrachtet die
Abweisung der Klage bzw. des Antrags als unzulässig oder unbegründet
rechtfertigen würde (vgl. Kopp, VwGO, § 161 Anm. 21).
Ursprünglich bestand aus der Sicht des Antragstellers, veranlasst durch das
Verhalten des Antragsgegners, ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, §
929 Abs. 2 ZPO.
Dem Antragsteller war in dem Auswahlverfahren um die Stelle des Leiters der
Abteilung XXX bei dem Hessischen Ministerium XXX (B 6 BBesG) nach
Durchführung eines Auswahlgesprächs mit Schreiben vom 15.10.2007 (Bl. 35 VV)
mitgeteilt worden, dass die Entscheidung getroffen worden sei, die Stelle mit
einem Mitbewerber zu besetzen, da dieser am besten geeignet sei für die zu
besetzende Stelle. Weiter wurde mitgeteilt, dass die Frauenbeauftragte an dem
Verfahren beteiligt worden sei. Nicht erkennbar ist für die Kammer - entgegen dem
Vortrag des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren - dass das Schreiben vom
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Vortrag des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren - dass das Schreiben vom
15.10.2007 den Antragsteller lediglich über den Stand des Auswahlverfahrens
habe in Kenntnis setzen wollen (Bl. 77 GA). Ein Hinweis darauf, dass erst noch die
Entscheidung des Kabinetts eingeholt werden müsste, war dem Schreiben nicht zu
entnehmen. Ein Anordnungsgrund lag damit zu diesem Zeitpunkt (zumindest) aus
der Sicht des Antragstellers vor, da mit der beabsichtigten Ernennung des
Beigeladenen zum Ministerialdirigenten auf Zeit das Auswahlverfahren
abgeschlossen gewesen wäre; der Dienstposten des Leiters der Abteilung XXX
wäre gemäß § 19 b HBG für fünf Jahre übertragen. Der Antragsgegner hat
vorgetragen, dass es sich um ein Beförderungsauswahlverfahren handele; eine
Planstelle nach B 6 stehe zur Verfügung. Für die Bejahung eines
Anordnungsgrundes genügt jedoch die realistische Möglichkeit einer künftigen
Beförderung des Stelleninhabers (Hess. VGH, Beschluss vom 12.10.2004 - 1 TG
2284/04 - m.w.N.), die hier durch dem Antragsgegner zurechenbares Verhalten zu
bejahen war.
Im Lauf des bisherigen Verfahrens hat sich nun herausgestellt, dass jedenfalls zur
Zeit kein Anordnungsgrund gegeben ist und es bislang an einer
ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung fehlt. Dies ist dem Antragsteller jedoch
erst nach erfolgter Akteneinsicht durch seine Bevollmächtigte bekanntgeworden.
Mit Schriftsatz vom 06.12.2007 rügte der Antragsteller nämlich, dass in den
vorgelegten Akten weder eine Kabinettvorlage noch ein Kabinettsbeschluss zu
finden sei. Somit sei eine Auswahlentscheidung der Landesregierung als des
gesetzlich zuständigen Entscheidungsorgans nicht vorhanden. Der Antragsgegner
bestätigte dies mit Schriftsatz vom 17.01.2008, wonach eine Entscheidung der
Landesregierung noch ausstehe. Eine "endgültige Absagenachricht" wäre, so seine
Begründung, auch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen gewesen. Bis zu
diesem klärenden Zeitpunkt musste der Antragsteller jedoch davon ausgehen,
dass die Mitteilung vom 15.10.2007 eine "endgültige" sei. Erst dadurch trat eine
Situation ein, die eine Abweisung des ursprünglichen Eilantrags mangels
Rechtsschutzinteresses als unzulässig ermöglichen würde.
Nach alledem ist somit festzustellen, dass sich das Verfahren erledigt hat. Der
Antragsgegner hat als unterliegende Partei die Verfahrenskosten gemäß § 154
Abs. 1 VwGO zu tragen, da eine streitige Entscheidung getroffen wurde, bei der der
Antragsteller obsiegte (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Anm. 34).
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Da er
keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3
VwGO), entspricht es nicht der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten dem
unterliegenden Beteiligten oder der Staatskasse aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3
VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht im Falle der Übertragung eines
höherwertigen Funktionsamtes auf Zeit gemäß § 19 b HBG auf §§ 63 Abs. 2, 53
Abs. 3, 52 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 GKG (Hess. VGH, Beschluss
vom 17.02.2000 - 1 TE 3632/99 -) und berücksichtigt somit im Ergebnis ein Viertel
des 13-fachen Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe B 6 BBesG nach der zum
Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Besoldungstabelle (§ 40 GKG). Danach
errechnet sich ein Betrag von 23.421,16 € (7.206,51 € x 13: 4]. Von dem hiernach
errechneten Wert sind in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (Beschluss vom 04.11.1998 - 1 TE 3470/97)
für das Eilverfahren 3/8 anzusetzen. Der Streitwert ist damit auf 8.782,94 €
festzusetzen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.