Urteil des VG Wiesbaden vom 16.07.2010

VG Wiesbaden: aufenthaltserlaubnis, verfügung, vollstreckung der strafe, ausweisung, rechtskräftiges urteil, gebühr, ausländer, eugh, ausstellung, vergleich

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Gericht:
VG Wiesbaden 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 K 87/10.WI(V)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 6 EWGAssRBes 1/80, Art
13 EWGAssRBes 1/80, Art 9
EWGAbk TUR, Art 41
EWGAbkTURZProt, § 45
AufenthV
Ausländerrechtliche Gebühren für türkische
Staatsangehörige
Leitsatz
Die Erhebung von Gebühren von türkischen Staatsangehörigen für die Ausstellung von
Aufenthaltserlaubnissen steht nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln..
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der 1983 geborene Klägerist türkischer Staatsangehöriger. Nachdem er am
06.11.2002 eine in Deutschland lebende türkische Staatsangehörige geheiratet
hatte, reiste er am 17.01.2003 mit einem Visum zur Familienzusammenführung in
das Bundesgebiet ein. Für die Zeit vom 13.03.2003 bis zum 15.04.2008 wurde ihm
eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 AufenthG erteilt. Am 22.06.2007 wurde die
Ehe geschieden. Danach erteilte der Beklagte dem Kläger eine bis zum
12.03.2009 befristete Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht
gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG. Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts
Lörrach vom 04.09.2008 wurde der Kläger wegen des Einschleusens von
Ausländern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei
Monaten verurteilt, wobei die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt
wurde. Am 12.03.2009 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner
Aufenthaltserlaubnis.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2010 wies der Beklagte den Kläger gemäß § 54 Nr. 2
AufenthG aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte zugleich den Antrag
auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 12.03.2009 ab. Gleichzeitig wurde
dem Kläger die Abschiebung in die Türkei angedroht, sofern er nicht innerhalb von
einem Monat nach Bekanntgabe der Verfügung das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland verlassen habe. Unter Ziffer 7 der Verfügung wurde eine
Bearbeitungsgebühr von 30 Euro festgesetzt. Zur Begründung führte der Beklagte
aus, die Voraussetzungen des § 54 Nr. 2 AufenthG lägen vor, da der Kläger wegen
Einschleusens von Ausländern gemäß §§ 96 Abs. 2 Nr. 1, 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG
rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden sei, verurteilt worden sei. Die
Voraussetzungen für einen besonderen Ausweisungsschutz lägen in der Person
des Klägers nicht vor. Bei der Entscheidung über die Ausweisung seien nach § 55
Abs. 3 AufenthG die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und die schutzwürdigen
persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im
Bundesgebiet, die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder
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Bundesgebiet, die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder
Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten
und die mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft
lebten, sowie die in § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Voraussetzungen für die
Aussetzung der Abschiebung zu berücksichtigen. Duldungsgründe nach § 60 a
Abs. 2 AufenthG lägen im Falle des Klägers nicht vor. Es gebe auch keine
Familienangehörigen, mit denen er zusammenlebe und für die die Ausweisung des
Klägers negative Folgen haben könnte. Zwar halte sich der Kläger seit nunmehr
sieben Jahren im Bundesgebiet auf, es sei ihm in dieser Zeit jedoch nicht
gelungen, einen endgültig verfestigenden Aufenthaltstitel zu erlangen, der seine
persönliche soziale Integration in das Bundesgebiet dokumentieren könne.
Außerdem gehe er seit Juli 2009 keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung
mehr nach, so dass auch von einer wirtschaftlichen Integration in das
Bundesgebiet keine Rede sein könne. Es seien keine Sachverhalte erkennbar, die
eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel der Ausweisung nach § 54 Nr. 2
AufenthG rechtfertigen könnten.
Der Ausweisung stehe auch nicht das Assoziationsabkommen EWG-Türkei (ARB
1/80) entgegen. Auf nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigte türkische
Staatsangehörige sei § 54 AufenthG zwar nicht anwendbar, der Kläger erfülle aber
nicht die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem hier maßgeblichen
Artikel 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80. Aus dem von seinem Bevollmächtigten übersandten
Versicherungsverlauf der Bundesversicherungsanstalt ergebe sich, dass der Kläger
immer nur kurze Zeiten versicherungspflichtig tätig gewesen und ab 01.07.2009
überhaupt nicht mehr als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer gemeldet sei. Die
Ausweisung des Klägers verstoße auch nicht gegen Art. 8 EMRK, da er in der
Bundesrepublik Deutschland keine Familie im engeren Sinne mehr besitze und
auch keinen längerfristigen Aufenthalt vorweisen könne. Aufgrund des Vorliegens
der Voraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 2 AufenthG könne auch
seinem Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 11 Abs. 1
AufenthG nicht stattgegeben werden. Die festgesetzte Gebühr habe ihre
Rechtfertigung in § 45 Nr. 2 b i.V.m. § 49 Abs. 2 AufenthG.
Am 01.02.2010 hat der Kläger Klage erhoben und am 12.02.2010 einen
vorläufigen Rechtsschutzantrag (4 L 117/10.WI) gestellt. Zur Begründung trägt er
vor, alle seine Geschwister würden ebenfalls im Bundesgebiet leben; in der Türkei
habe er keine Familienangehörigen mehr. Seit 01.06.2009 sei er in der Pizzeria
seines Vaters in A-Stadt beschäftigt. Er sei türkischer Staatsangehöriger und
Arbeitnehmer, so dass sich die Frage stelle, ob nicht anstelle der Klage ein
Widerspruchsverfahren vorzuschalten sei. Fraglich sei auch, ob die
Rechtsauffassung des Beklagten richtig sei, dass die Verfügung sofort vollziehbar
sei. Aufgrund seines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom
12.03.2009 sei er im Besitz einer Fiktionsbescheinigung. Die Verhängung der
Freiheitsstrafe liege auch schon einige Zeit zurück. Lege man der angegriffenen
Verfügung § 54 Nr. 2 AufenthG zugrunde, so liege ein Fall der Regelausweisung
vor, der aber den Beklagten nicht davon enthebe, eine Abwägung vorzunehmen.
Insbesondere enthebe es den Beklagten nicht, zu prüfen, ob § 54 Nr. 2 AufenthG
auf den Kläger wegen seiner türkischen Staatsangehörigkeit und seiner
Arbeitnehmereigenschaft überhaupt anwendbar sei. Gleiches gelte hinsichtlich der
angeforderten, unangemessen hohen Gebühr für die Bearbeitung des Antrags auf
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Der EUGH habe in einem Urteil vom
29.04.2010 festgestellt, dass die Niederlande durch die Einführung und
Beibehaltung einer Regelung für die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen, die
für türkische Staatsangehörige höhere Gebühren als diejenigen vorsehe, die von
Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU sowie für die Ausstellung
entsprechender Dokumente verlangt würden, gegen seine Verpflichtungen aus
Art. 13 ARB 1/80 verstoßen habe. Deshalb sei auch die in dem angefochtenen
Bescheid festgesetzte Bearbeitungsgebühr rechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Verfügung vom 19.01.2010 zu
verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen;
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den Beklagten unter Aufhebung der Verfügung vom 19.01.2010 zu
verpflichten, den Antrag des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden;
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die Verfügung teilweise betreffend die Bearbeitungsgebühren in Höhe von 30,--
€ aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist darauf hin, dass der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland
ausgewiesen und ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt
worden sei. Damit besitze der Kläger keinen gültigen Aufenthaltstitel mehr und sei
zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet. Die Vollziehbarkeit
der Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis folge aus
§ 84 Abs. 1 AufenthG. Einem Ausländer, der ausgewiesen worden sei, dürfe gemäß
§ 11 Abs. 1 AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Soweit der Kläger die
erhobene Gebühr beanstande, sei dem entgegenzuhalten, dass ein Verstoß
gegen Art. 13 ARB 1/80 nicht vorliege. Eine Bearbeitungsgebühr sei von türkischen
Staatsangehörigen bereits bei Inkrafttreten des ARB zu entrichten gewesen, so
dass eine neue Beschränkung bzw. Verpflichtung nicht vorliege. Zudem sei die
Gebühr derart niedrig, dass man von einer unverhältnismäßigen Gebühr nicht
ausgehen könne; etwaige Erhöhungen im Vergleich zum Jahr 1980 seien allenfalls
geeignet, allgemeine Preissteigerungen auszugleichen. Darüber hinaus habe zum
Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung und auch zum Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung keine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers vorgelegen. Laut
Aktenlage habe bereits seit Juli 2009 keine versicherungspflichtige Beschäftigung
mehr vorgelegen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit sei folglich nicht berührt.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 01.03.2010 hat die Kammer den vorläufigen
Rechtsschutzantrag des Klägers im Verfahren 4 L 117/10.WI zurückgewiesen.
Am 19.05.2010 hat der Vater des Klägers dem Gericht telefonisch mitgeteilt, dass
der Kläger Anfang des Jahres in die Türkei abgeschoben worden sei und sich dort
aufhalte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten 4 K 87/10.WI und 4 L 117/10.WI Bezug genommen. Die
Verwaltungsvorgänge (1 Hefter) wurden zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht.
Mit Beschluss vom 17.05.2010 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter
übertragen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die erkennende Kammer hat den vorläufigen Rechtsschutzantrag des Klägers im
Verfahren 4 L 117/10.WI mit Beschluss vom 01.03.2010 zurückgewiesen. Die
Kammer hat dabei Folgendes ausgeführt:
„Die hier angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin vom 19.01.2010
erscheint nach summarischer Überprüfung rechtmäßig. Der Antragsteller ist mit
rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Lörrach vom 04.09.2008 wegen
gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Da es
sich hierbei um eine Straftat nach §§ 96, 97 AufenthG handelt, erfüllt der
Antragsteller die Voraussetzungen des § 54 Nr. 2 AufenthG.
Da ein Ausländer beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 1 bis 7
AufenthG „in der Regel“ ausgewiesen wird, ist zu prüfen, ob hier ein atypischer Fall
vorliegt, der es erforderlich macht, von der Regel abzuweichen. Der Antragsgegner
hat diesen Aspekt in der angefochtenen Verfügung vom 19.01.2010 (Seite 3, 4
des Bescheids) ausführlich erörtert und ist zu dem rechtlich nicht zu
beanstandenden Ergebnis gelangt, dass im Falle des Klägers ein atypischer Fall
nicht vorliegt. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen sieht das Gericht insoweit
von einer weiteren Darstellung der Gründe ab und folgt den überzeugenden
Ausführungen des Antragsgegners (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
Dem Kläger steht auch kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56
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Dem Kläger steht auch kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56
AufenthG beiseite. Ein solcher ist u. a. gegeben, wenn ein Ausländer eine
Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger
in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahr rechtmäßig im
Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 56 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Der Kläger erfüllt die
Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht, da er keine
Aufenthaltserlaubnis (mehr) besitzt. Diese ist nämlich am 12.03.2009 abgelaufen.
Zwar hat der Kläger 12.03.2009 die Verlängerung seines Aufenthaltstitels
beantragt, woraufhin ihm nach § 81 Abs. 4 AufenthG eine Fiktionsbescheinigung
ausgestellt wurde, diese Fiktionsbescheinigung kann aber nicht mit einer
Aufenthaltserlaubnis i.S.d. § 56 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gleichgestellt werden. Es
entspricht ständiger Rechtsprechung der erkennenden Kammer, dass die aus § 81
Abs. 4 AufenthG folgende vorläufige Fortgeltung des Aufenthaltstitels kein
gesichertes Aufenthaltsrecht begründet, das im Rahmen des § 56 zu
berücksichtigen wäre (vgl. u. a. VG Wiesbaden, Urteil vom 12.06.2008 – 4 K
360/08.WI). Diese Rechtsprechung der Kammer wurde erst kürzlich vom HessVGH
bestätigt (HessVGH, Beschluss vom 08.09.2009 – 9 B 2586/09 – m.w.N.).
Der Antragsgegner hat bei der Entscheidung über die Ausweisung auch die
Vorgaben des § 55 Abs. 3 AufenthG mit einbezogen. Die diesbezüglichen
Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Zwecks Vermeidung von
Wiederholungen sieht das Gericht auch insoweit von einer weiteren Darstellung der
Gründe ab und folgt den überzeugenden Ausführungen des Antragsgegners (§ 117
Abs. 5 VwGO analog).
Dem Antragsteller steht schließlich kein Aufenthaltsrecht nach dem
Assoziationsabkommen EWG/Türkei (ARB 1/80) zu, das einer Ausweisung
entgegenstehen könnte. Maßgebliche Vorschrift ist Art. 6 ARB 1/80. Diese
Vorschrift regelt zwar ausdrücklich nur den Zugang zum Arbeitsmarkt, aus ihr wird
aber auch ein Aufenthaltsrecht hergeleitet, wenn deren Voraussetzungen
vorliegen. Der Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80
ist unter anderem dann gegeben, wenn der türkische Staatsangehörige seit einem
Jahr bei einem bestimmten Arbeitgeber beschäftigt ist und wenn er über diesen
Arbeitsplatz noch verfügt (Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB Nr. 1/80). Nach
drei Jahren ist dann eine Aufenthaltserlaubnis für eine Tätigkeit im gleichen Beruf
zu verlängern (Art. 6 Abs. 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80). Nach vier Jahren
erwirkt der türkische Staatsangehörige schließlich einen unbeschränkten Zugang
zum Arbeitsmarkt und somit einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis für jede
Tätigkeit (Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80). Diese Voraussetzungen
erfüllt der Antragsteller nicht. Aus der von seinem Bevollmächtigten überreichten
Bescheinigung der Bundesversicherungsanstalt über den Versicherungsverlauf
beim Antragsteller vom 24.11.2009 (Blatt 182 BA) ergibt sich, dass der
Antragsteller zwischen dem 01.01.2005 und dem 30.06.2009 jeweils nur
kurzfristigen versicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen ist. Er
konnte auch nicht nachweisen, dass er mindestens ein Jahr bei demselben
Arbeitgeber beschäftigt war. Abgesehen davon geht der Antragsteller ausweislich
der Bescheinigung der Bundesversicherungsanstalt vom 24.11.2009 seit dem
01.07.2009 keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nach. Der
Antragsteller erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80,
insbesondere gehört er nicht dem „regulären Arbeitsmarkt“ an.
Aus dem Umstand, dass der Antragsteller nicht unter das
Assoziationsabkommen EWG/Türkei fällt, ergibt sich zugleich, dass im Hinblick auf
den angefochtenen Bescheid unmittelbar das Klageverfahren durchzuführen ist
(vgl. Ziff. 3.8 der Anlage zu § 16a HessAGVwGO).
Soweit der Antragsteller die Berechtigung der Erhebung der
Bearbeitungsgebühr für den Ablehnungsantrag beanstandet, kann der vorläufige
Rechtsschutzantrag (Hauptantrag), der insoweit ebenfalls gemäß § 80 Abs. 5
VwGO statthaft ist, da es sich bei den Gebühren um öffentliche Kosten i.S.d. § 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO handelt, auch keinen Erfolg haben. Die
Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung der Bearbeitungsgebühr ergibt sich aus
§ 45 Nr. 2 b i.V.m. § 49 Abs. 2 AufenthV. Ob Bearbeitungsgebühren von
assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erhoben werden dürfen,
kann hier dahingestellt bleiben, da der Antragsteller zu diesem Personenkreis nicht
gehört.
Dürfte nach alledem die mit der angefochtenen Verfügung vom 19.01.2010
ausgesprochene Ausweisung des Klägers rechtmäßig sein, kann der Antragsteller
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ausgesprochene Ausweisung des Klägers rechtmäßig sein, kann der Antragsteller
gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch keinen Anspruch auf Erteilung eines
Aufenthaltstitels haben. Denn nach dieser Regelung wird einem Ausländer, der
ausgewiesen worden ist, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs
nach dem AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt. Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang, dass die Ausweisungsverfügung noch nicht rechtskräftig ist, da
nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer
aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen
Verwaltungsakts, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt
lassen.“
Die Kammer sieht keinen Anlass, von diesen Ausführungen abzuweichen, zumal
der Kläger sie – mit Ausnahme der Ausführungen zur Bearbeitungsgebühr – auch
nicht in Frage gestellt hat. Die zuvor dargelegten Gründe gelten für das
Klageverfahren gleichermaßen.
Soweit der Kläger die in Ziffer 7 der Verfügung vom 19.01.2010 festgesetzte
Bearbeitungsgebühr in Höhe von 30,-- € unter Hinweis auf eine Entscheidung des
EUGH vom 29.04.2010 rügt, kann das Klagebegehren ebenfalls keinen Erfolg
haben. Wie bereits im Eilbeschluss ausgeführt, ergibt sich die
Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung der Bearbeitungsgebühr aus § 45 Nr. 2
b i.V.m. § 49 Abs. 2 AufenthV. Der EUGH hat in seinem Urteil vom 29.04.2010 (C-
92/07) entschieden, dass das Königreich der Niederlande durch die Einführung und
Beibehaltung einer Regelung für die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen für
türkische Staatsangehörige, die Gebühren für diese vorsieht, die im Vergleich zu
den von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU für die Ausstellung
entsprechender Dokumente verlangten Gebühren, unverhältnismäßig sind, gegen
seine Verpflichtungen aus Art. 9 des Assoziierungsabkommens, Art. 41 des
Zusatzprotokolls und Art. 10 Abs. 1 und 13 des Beschlusses Nr. 1/80 verstoßen
hat. Aus dieser Entscheidung kann der Kläger indes nichts für sich herleiten. Ein
erheblicher Unterschied zwischen der Rechtslage in den Niederlanden und der in
der Bundesrepublik Deutschland ist zunächst darin zu sehen, dass in den die
Gebühren regelnden §§ 44 ff. AufenthV keine Differenzierung zwischen EU-Bürgern
einerseits und anderen Ausländern, insbesondere türkischen Staatsangehörigen,
andererseits getroffen wird. Für alle Ausländer gelten die Gebührenvorschriften
gleichermaßen.
Der Kläger hat auch nicht behauptet, geschweige denn aufgezeigt, hinsichtlich
welcher Gebühren eine Ungleichbehandlung zwischen türkischen
Staatsangehörigen und EU-Bürgern besteht. Die AufenthV gilt auch nicht etwa nur
für Ausländer, die nicht EU-Staatsangehörige sind. Vielmehr ist die AufenthV
aufgrund der §§ 69, 99 AufenthG erlassen worden. Nach § 11 Abs. 1 S. 1
FreizügG/EU finden u.a. die §§ 69 und 99 AufenthG entsprechende Anwendung, so
dass – wie ausgeführt – auch die Gebühren nach den §§ 48 ff. AufenthV für EU-
Staatsangehörige gelten. Der Erlass von Vorschriften, die in gleicher Weise auf
türkische Staatsangehörige und auf Unionsbürger Anwendung finden, stehen aber
nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln (so EUGH, Urteil vom 29.04.2010 –
C-92/07 – Rdnr. 62).
Aus den die Gebühren regelnden Vorschriften der AufenthV ist auch nicht
ersichtlich, dass für türkische Staatsangehörige, für die Art. 13 Nr. 1/80 ARB gilt,
Gebühren für ausländerrechtliche Maßnahmen verlangt werden, deren Höhe im
Vergleich zu den von Unionsbürgern unter gleichartigen Umständen verlangten
unverhältnismäßig sind (vgl. EUGH, Urteil vom 29.04.2010 – C-92/07 – Rdnr. 57,
63). Abgesehen davon ist eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von lediglich 30,-- €,
wie sie in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffer 7 festgesetzt wurde, zu keiner
der in den §§ 48 ff. AufenthV vorgesehenen Gebühren unverhältnismäßig.
Schließlich ist das Urteil des EUGH vom 29.04.2010 auch deshalb nicht auf den
vorliegenden Fall anwendbar, da in der Bundesrepublik Deutschland – anders als in
den Niederlanden – schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr.
1/80 ARB vom 19.09.1980 Gebühren für Aufenthaltserlaubnisse erhoben wurden
(vgl. § 2 der Gebührenordnung zum Ausländergesetz vom 20.12.1977, BGBl. I
1977, 2840). Es sind also nicht nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 ARB zu
Lasten von türkischen Staatsangehörigen neue Gebührentatbestände geschaffen
worden. Auch ist keine unverhältnismäßige Steigerung der Gebührensätze nach
Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 ARB eingetreten, die man mit „neuen“
Gebühren gleichsetzen könnte.
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Es bleibt daher festzustellen, dass die § 44 ff. AufenthV nicht gegen
gemeinschaftsrechtliche Vorschriften verstoßen und daher die gegen den Kläger
festgesetzte Gebühr rechtlich nicht zu beanstanden ist. Somit bedarf es auch
keiner Ausführungen dazu, ob der Kläger überhaupt zum nach dem ARB 1/80
geschützten Personenkreis gehört.
Nach alledem ist die Klage – auch mit den gestellten Hilfsanträgen – abzuweisen.
Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens gemäß §
154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
B E S C H L U S S
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Für die in der Verfügung
vom 19.01.2010 enthaltene Ausweisung und die Ablehnung des Antrags auf
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurden jeweils 5.000,-- € in Ansatz
gebracht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.