Urteil des VG Wiesbaden vom 01.07.2008

VG Wiesbaden: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, ausweisung, richteramt, verordnung, form, hessen, stadt, abschiebung, einreiseverbot

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Gericht:
VG Wiesbaden 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 L 586/08.WI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 2 Nr 4 AufenthG, § 80
Abs 5 AufenthG, § 84 Abs 2 S
1 AufenthG, § 80 Abs 5 VwGO
Rechtsschutz gegenüber der Anordnung sofortiger
Vollziehbarkeit der Ausweisung mit
Abschiebungsandrohung
Leitsatz
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nach Anordnung sofortiger Vollziehbarkeit einer
Ausweisung ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, wenn der Betroffene
inzwischen ausgereist ist.
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegenüber der Anordnung
sofortiger Vollziehbarkeit der Ausweisung mit Abschiebungsandrohung.
Die Antragstellerin war bis April 2008 Staatsangehörige des Staates Mali und ist
seit diesem Zeitpunkt in Frankreich eingebürgert.
Die Antragstellerin reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt mit einer gültigen
unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für Frankreich nach Deutschland ein. Sie hielt
sich im März 2007 in B-Stadt auf und fertigte in diesem Rahmen in einem
afrikanischen Friseurgeschäft einer Bekannten, dem "XXX" in der xxx-Straße in B-
Stadt am 19.3.2007 für eine Kundin eine Frisur, in die auch Haarteile eingeflochten
wurden. Die Kundin war mit der Frisur nicht zufrieden und reklamierte dies bei der
Inhaberin des Friseurladens. Diese erstattete der Kundin 100 €. Daraufhin rief die
Antragstellerin die Kundin an und forderte die Rückgabe des Geldes. Sie sprach
der Kundin sinngemäß auf die Mailbox: "If you don't bring the 100 € back, you'll
dead. If you don't bring them back, you'll see." Deswegen wurde die Antragstellerin
am 31.3.2007 wegen Bedrohung angezeigt. Die Staatsanwaltschaft stellte das
Verfahren gegen die Antragstellerin gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer
Geldbuße ein. Gegenwärtig hält sich die Antragstellerin in Frankreich auf.
Nach vorheriger Anhörung, die mit einer Fristsetzung nach § 82 Abs. 1 AufenthG
verbunden war, wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom
30.4.2008 aus dem Gebiet der Bundesrepublik aus. Ihr wurde eine Ausreisefrist
von drei Tagen gesetzt. Die Wirkungen der Ausweisung wurden unter der
Voraussetzung, dass die Antragstellerin fristgemäß ausreist und in der
Zwischenzeit nicht wieder einreist bis zum 31.12.2009 befristet. Ferner wurde die
sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
VwGO angeordnet.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 03.06.2008 vor dem Verwaltungsgericht
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Hiergegen hat die Antragstellerin am 03.06.2008 vor dem Verwaltungsgericht
Wiesbaden Klage erhoben (Az.: 4 K 584/08.WI(2))und zugleich einstweiligen
Rechtsschutz beantragt.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass ein Rechtsschutzbedürfnis noch bestehe.
Es sei zu befürchten, dass sie ohne die gerichtliche Anordnung der
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bei einer erneuten Einreise nach
Deutschland abgeschoben werde. Die Antragsgegnerin habe die Anordnung der
sofortigen Vollziehbarkeit nicht ausreichend begründet. Die Antragstellerin dürfe
als französische Staatsbürgerin innerhalb der EU jederzeit eine Arbeit aufnehmen
ohne Genehmigung durch eine Ausländerbehörde. Die Verfügung der
Antragsgegnerin sei auch deshalb rechtswidrig, weil es an spezial- wie
generalpräventiven Ausweisungsgründen fehle.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die
Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 30.4.2008 wiederherzustellen
und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung
anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
Sie ist der Ansicht, dass es am Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fehle.
II.
Beide Anträge sind unzulässig.
Soweit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, fehlt es
am Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin. Die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Ausweisung
vermag der Antragstellerin keine rechtlichen Vorteile zu erbringen. Das
Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nur gegeben,
wenn die gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des
Rechtsbehelfs dem Antragsteller einen rechtlichen Vorteil bringt (Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 335). Da die Antragstellerin sich außerhalb des
Bundesgebiets aufhält und das Einreiseverbot nach § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG
gemäß § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG von der aufschiebenden Wirkung eines
Rechtsbehelfs nicht beseitigt wird, wäre der Antragstellerin auch bei Stattgabe
ihres Antrags durch das Gericht nicht geholfen. Es ergäbe sich durch die
Anordnung der Wiederherstellung kein rechtlicher Vorteil, die Lage der
Antragstellerin vielmehr bliebe unverändert. Der abweichenden Ansicht, die
speziell für das Ausländerrecht, wenn auch für den Fall der vollzogenen
Abschiebung, etwas Anderes vertritt, kann nicht gefolgt werden. Hier wird
behauptet, dass auch trotz Bestehens des Einreiseverbots nach §§ 11 Abs. 1 S. 1,
84 Abs. 2 S. 1 AufenthG das Rechtsschutzinteresse des Ausländers nicht entfiele,
da die Anordnung dem Ziel des Ausländers, sich in Deutschland aufhalten zu
dürfen, nach wie vor förderlich sei (so VGH Mannheim, VBl. BW 1993, S. 184ff, zit.
nach Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 335). Angesichts der
Tatsache, dass die Antragstellerin auch bei Vorliegen des Suspensiveffekts ihrer
Klage nicht in das Bundesgebiet einreisen dürfte, ist nicht ersichtlich, welche
Vorteile ihr aus der Anordnung erwachsen sollten. Die Anordnung wäre für das Ziel
der Wiederreinreise nach bzw. des Aufenthalts in Deutschland nicht förderlich.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die
Abschiebungsandrohung ist unstatthaft (s. dazu Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 311, 246). Durch die Ausreise der
Antragstellerin, auch wenn diese vor dem Erlass der Ausweisungsverfügung lag,
hat sich die Abschiebungsandrohung bereits erledigt. Das Begehren der
Antragstellerin kann auch nicht in einen Eilantrag in Form eines
Fortsetzungsfeststellungsbegehrens umgedeutet werden. Ein solcher Antrag ist
nicht statthaft, da das Ziel der Sicherungsfunktion in Bezug auf das
Hauptsacheverfahren nicht mehr erfüllt werden kann (Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 246).
Der Antragstellerin sind nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten aufzuerlegen, da sie
mit beiden Anträgen unterlegen ist.
Da keine Anhaltspunkte für eine Bezifferung des Interesses der Antragstellerin
15 Da keine Anhaltspunkte für eine Bezifferung des Interesses der Antragstellerin
gegeben sind, ist der Streitwert mit dem Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG
von 5.000 € anzusetzen, der zu halbieren ist, da es sich um einen Antrag im
einstweiligen Rechtsschutz handelte, der im Vergleich zum Rechtsschutz in der
Hauptsache nur einen Teil des Interesses der Antragstellerin betrifft.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die
Beschwerde zu. Über die Beschwerde entscheidet der Hessische
Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden
Konrad-Adenauer-Ring 15 65187 Wiesbaden innerhalb von z w e i W o c h e n nach
Zustellung des Beschlusses einzulegen. Sie kann nach Maßgabe der Verordnung
über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und
Staatsanwaltschaften vom 26. Oktober 2007 (GVBl. I S. 699, abrufbar über
www.hessenrecht.hessen.de) auch mittels eines elektronischen Dokuments über
den elektronischen Briefkasten, der auf den Servern des Rechenzentrums der
Justiz, Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), geführt wird, eingelegt
werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der
Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der
Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
Brüder-Grimm-Platz 1 34117 Kassel schriftlich oder in elektronischer Form nach
Maßgabe der oben bezeichneten Verordnung über den elektronischen
Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften einzureichen.
Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die
Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen
Entscheidung auseinandersetzen. Vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt
oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten
vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Juristische
Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte
oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren
Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit
Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen
kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören,
vertreten lassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.