Urteil des VG Wiesbaden vom 20.02.2009

VG Wiesbaden: reformatio in peius, aufruf, verfügung, ehepaar, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, quelle, gewährleistung, verwaltungsverfahren, bundesamt

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Gericht:
VG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 O 60/09.Wi.A
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Die Erinnerungen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2008
werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Erinnerungsführer zu tragen.
Gründe
I.
Die Erinnerungsführer, ein Ehepaar aus C., wandten sich mit getrennten Klagen,
die gleichzeitig am 22.02.2008 durch die gemeinsame Prozessbevollmächtigte
erhoben worden waren, gegen Bescheide des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge, durch die zuvor ausgesprochene Feststellungen zu § 53 Abs. 6 AuslG
widerrufen worden waren.
Mit richterlicher Verfügung wurde in den beiden Klageverfahren Termin zur
mündlichen Verhandlung auf den 01.09.2008, 09.00 Uhr bestimmt. Nach Aufruf
beider Verfahren am 01.09.2008 um 09.00 Uhr verkündete das Gericht einen
Beschluss, wonach die beiden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und
Entscheidung verbunden wurden. Durch Urteil vom 01.09.2008 hob das
Verwaltungsgericht die Widerrufsentscheidungen des Bundesamtes betreffend die
Erinnerungsführer auf und legte die Kosten des Verfahrens der
Erinnerungsgegnerin auf.
Mit Anträgen vom 14.11.2008 begehrte die Bevollmächtigte der Erinnerungsführer
ausgehend von jeweils einem Gegenstandswert in Höhe von 1.500,-Euro je eine
1,3 fache Verfahrens-, eine 1,2 fache Terminsgebühr und jeweils eine
Postentgeltpauschale in Höhe von 20,-Euro gegen die Erinnerungsgegnerin
festzusetzen. Des Weiteren begehrte die Bevollmächtigte die Festsetzung von
Fahrtkosten in Höhe von 24,-Euro und ein Abwesenheitsgeld in Höhe von 20,-Euro.
Insgesamt machten die Erinnerungsführer eine Kostenfestsetzung in Höhe von
724,72 Euro geltend.
Mit Beschluss vom 10.12.2008 setzte der Kostenbeamte gegenüber der
Erinnerungsgegnerin Kosten in Höhe von 654,74 Euro fest. Zur Begründung der
Absetzung führte der Kostenbeamte aus, die Klageverfahren seien am Beginn der
mündlichen Verhandlung durch Beschluss zur mündlichen Verhandlung und
Entscheidung verbunden worden. Daher sei die Terminsgebühr aus einem
Gegenstandswert von 2.400,-Euro zu berechnen. Auf den am 16.12.2008
zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss haben die Erinnerungsführer am
23.12.2008 die Entscheidung des Gerichts beantragt. Sie sind der Ansicht, der
Kostenfestsetzungsbeschluss sei fehlerhaft, da die Terminsgebühren durch Aufruf
der Sachen entstanden seien. Damit sei jeweils die Terminsgebühr ausgehend von
einem Gegenstandswert von 1.500,-Euro entstanden. Durch den nach Aufruf der
Sachen verkündeten Verbindungsbeschluss seien diese Terminsgebühren nicht
wieder erloschen.
Der Kostenbeamte hat den Erinnerungen nicht abgeholfen.
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II.
Die zulässigen Erinnerungen sind unbegründet. Die gegenüber der
Erinnerungsgegnerin festgesetzten Kosten sind nicht zu niedrig festgesetzt
worden.
Das Gericht lässt offen, ob jeweils zwei Terminsgebühren anfallen, wenn ein Gericht
einen Verbindungsbeschluss erst nach Aufruf der Klageverfahren verkündet (vgl.
zu den unterschiedlichen Positionen nur VGH München NVwZ-RR 2008, 504 und
VGH Mannheim NVwZ-RR 2006, 855). Die gegenüber der Erinnerungsgegnerin
festgesetzten Kosten wären nämlich selbst dann, wenn der Rechtsansicht der
Erinnerungsführerinnen zu folgen wäre, nicht zu niedrig festgesetzt worden. Dies
ergibt sich aus Folgendem:
Maßstab der auf Antrag festzusetzenden Kosten gegenüber dem Kostenschuldner
(vgl. § 164 VwGO) ist u. a. § 162 Abs. 1 VwGO. Hiernach sind die zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen
Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig. Auch die Gebühren und Auslagen
eines Rechtsanwaltes (vgl. § 162 Abs. 2 VwGO) stehen hinsichtlich ihrer
Erstattungsfähigkeit unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit der entsprechenden
Schritte nach § 162 Abs. 1 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. A., 2007, § 162
Rn. 10). Die Kosten sind hiernach so niedrig, wie mit der Gewährleistung eines
effektiven Rechtsschutzes vereinbar, zu halten (BVerwG NJW 2000, 2832;
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 162 Rn. 45). Dies gilt auch für die
Frage, ob Ansprüche in verschiedenen Prozessen geltend gemacht werden sollen,
was stets zu einer Erhöhung der Prozesskosten führt. Werden ohne vertretbaren
Anlass Ansprüche, die auch in einem Verfahren geltend gemacht werden könnten,
in getrennten Verfahren betrieben, können die dadurch ausgelösten Mehrkosten
nicht zu Lasten des Kostenschuldners geltend gemacht werden. Dies ist auch im
Rahmen der Kostenfestsetzung zu beachten (vgl. in diesem Zusammenhang zu §
91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der § 162 Abs. 1 VwGO entspricht: Zöller, ZPO, 27. A., 2009,
§ 91 Rn. 13 "Mehrere Prozesse"; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO,
67. A., 2009, § 91 Rn. 139).
Vertretbare Gründe dafür, dass die Klagen der Erinnerungsführer getrennt erhoben
wurden, sind nicht ersichtlich. Bei Durchsicht der Klageakten fällt auf, dass
sämtliche Schriftsätze seitens der Klägerbevollmächtigten in den zunächst
getrennt geführten Verfahren wörtlich übereinstimmen, wenn man von den Namen
der Erinnerungsführer absieht. Es ist deshalb kein nachvollziehbarer Grund für die
getrennte Klageerhebung ersichtlich außer dem, dass durch diese
Verfahrensweise erhöhte Rechtsanwaltsgebühren entstehen (vgl. nur § 30 RVG).
Dieser Beweggrund darf aber jedenfalls nicht zu Lasten der Erinnerungsgegnerin
gehen.
Hätte die Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführer von vornherein die
Begehren ihrer Mandanten in einer gemeinsamen Klageschrift geltend gemacht,
so wäre ein gerichtlicher Verbindungsbeschluss nicht erforderlich geworden. Zwei
Terminsgebühren hätten mithin niemals entstehen können.
Ausgehend hiervon ist die Festsetzung der Kosten zu Lasten der
Erinnerungsgegnerin fehlerhaft, denn bei zutreffender Kostenfestsetzung wäre bei
der Ermittlung der Termins-und der Verhandlungsgebühr von einem
Gegenstandswert von 2.400,-Euro auszugehen gewesen. Im
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2008 wird demgegenüber jeweils eine 1,3
fache Verfahrensgebühr ausgehend von jeweils 1.500,-Euro festgesetzt. Überdies
hätte im Kostenfestsetzungsbeschluss auch der Umstand Berücksichtigung finden
müssen, dass die Prozessbevollmächtigte die Erinnerungsführer bereits in dem
Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt vertreten hatte, so dass die hieraus
sich ergebende Geschäftsgebühr Nr. 2300 der Anlage 1 zum RVG teilweise auf die
Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 der Anlage zum RVG hätte angerechnet werden
müssen (vgl. Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG und in diesem
Zusammenhang auch den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes
vom 28.01.2009 -6 E 2458/08).
Obgleich hiernach die Kostenfestsetzung durch Beschluss vom 10.12.2008 zu
hoch ausgefallen sein dürfte, sieht das Gericht von einer Änderung des
Beschlusses zu Lasten der Erinnerungsführer ab. Der erkennende Richter hat
zuletzt am 29.10.2002 (4 J 1933/02.A(2)) entschieden, dass in einem
Erinnerungsverfahren, das im Zusammenhang mit einer Kostenfestsetzung in
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Erinnerungsverfahren, das im Zusammenhang mit einer Kostenfestsetzung in
einem Prozesskostenhilfeverfahren stand, auch eine reformatio in peius zulässig
sei. Es kann hier offen bleiben, ob dies auch weiterhin in entsprechenden
Festsetzungsverfahren gerechtfertigt ist. In Erinnerungsverfahren der vorliegenden
Art wird zumindest heute – soweit ersichtlich – einhellig eine reformatio in peius für
unzulässig gehalten (vgl. BGHReport 2006, 687; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss
vom 10.07.2008 – 10 Ta 114/08; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. A., 2006, § 165 Rn. 24;
Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 165 Rn. 10; Eyermann, VwGO, 12. A., 2006, § 165 Rn.
8; Zöller, a. a. O., § 104 Rn. 21 "Reformatio in peius"; Baumbach u. a., a. a. O., §
104 Rn. 64). Dem schließt sich das Gericht an, zumal es dem durch die
Kostenfestsetzung belasteten Kostenschuldner unbenommen ist, selbst
Erinnerung einzulegen (ob eine Anschlusserinnerung anzuerkennen ist – vgl. hierzu
VG Stuttgart NVwZ-RR 2007, 216 – kann hier dahinstehen, denn die
Erinnerungsgegnerin hat eine solche Erinnerung vorliegend nicht eingelegt,
obgleich auch ihr die rechtlichen Bedenken an der Rechtmäßigkeit des
Kostenfestsetzungsbeschlusses durch entsprechende richterliche Schreiben
mitgeteilt worden waren).
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.