Urteil des VG Wiesbaden vom 04.03.2010

VG Wiesbaden: schengener durchführungsübereinkommen, daten, treu und glauben, informationssystem, vorverfahren, widerspruchsverfahren, ausschreibung, fahndung, verwaltungsverfahren, verwaltungsakt

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Gericht:
VG Wiesbaden 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 K 1371/09.WI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1a BKAG, § 72 VwGO,
§ 80 Abs 1 S 1 VwVfG, Art 106
Abs 3 SDÜREO, Art 115 Abs 1
SDÜREO
Widerspruchskosten bei erfolgreichem Widerspruch
Leitsatz
1. Die Entscheidung über die Frage, ob ein personenbezogenes Datum gelöscht wird
oder nicht, stellt nach nationalem Recht einen Verwaltungsakt dar, welcher in
entsprechender Anwendung des Schengener Durchführungsübereinkommens nur von
der nach nationalem Recht zuständigen Behörde - hier das Bundeskriminalamt gemäß
§ 3 Abs. 1a BKAG - erlassen werden kann.
2. Zwingende Prozessvoraussetzung für eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist
ein Antrag bei der zuständigen Behörde und ein Vorverfahren gemäß § 68 VwGO.
Dieses Widerspruchsverfahren führt nicht das Gericht, sondern die zuständige
Verwaltungsbehörde durch.
3. Auch wenn die deutsche Behörde die originäre datenschutzrechtliche Verantwortung
für die gespeicherten Daten selbst nicht trägt, muss sie sich das Verhalten der
ausländischen zuständigen Stellen zurechnen lassen.
4. Unterlässt die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde bei Stattgabe des Widerspruchs
eine ihr gebotene Kostenentscheidung, kann der widersprechende Bürger im Wege der
Verpflichtungsklage eine "isolierte" Kostengrundentscheidung verlangen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2009 und der Widerspruchsbescheid der
Beklagten vom 14.10.2009 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die
Kosten der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu
erklären und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen
Aufwendungen zu erstatten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu 2/3, der Kläger zu 1/3 zu tragen
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, falls nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet
Tatbestand
Der Kläger begehrte ursprünglich die Löschung seiner im Schengener
Informationssystem gespeicherten Daten und nunmehr die Erstattung der Kosten
der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren.
Der Kläger war ursprünglich von D. zur Vollstreckung eines Haftbefehls im
Schengener Informationssystem ausgeschrieben. Hierdurch sollte ein Strafurteil
aus D. vollstreckt werden, mit dem Taten abgeurteilt worden waren, für die bereits
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aus D. vollstreckt werden, mit dem Taten abgeurteilt worden waren, für die bereits
in Deutschland ein Strafurteil vorlag, mithin eine Doppelbestrafung.
Nachdem dem Kläger nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden
vom 04.09.2008, Az. 6 K 669/08.WI, Auskunft über die zu seiner Person im
Schengener Informationssystem gespeicherten personenbezogenen Daten erteilt
worden war, begehrte der Kläger nunmehr die Löschung dieser Daten im
Schengener Informationssystem. Insoweit setzte der Bevollmächtigte des Klägers
mit Schreiben vom 16.12.2008 dem Bundeskriminalamt letztmals eine Frist bis
zum 29.12.2008. Das Bundeskriminalamt teilte dem Klägerbevollmächtigten
daraufhin mit, dass die Löschung der Daten nur durch die ausschreibende
Vertragspartei selbst vorgenommen werden könne und forderte den Kläger auf,
sich an die zuständige Behörde in D: zu wenden (Bescheid vom 22.12.2008).
Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 30.12.2008
Widerspruch ein und verwies darauf, dass nach Art. 111 SDÜ (Schengener
Durchführungsübereinkommen) jeder das Recht im Hoheitsgebiet jeder
Vertragspartei habe, im Rahmen einer Klage gegen eine seine Person betreffende
Ausschreibung und insbesondere auf Berichtigung, Löschung, Auskunftserteilung
und Schadensersatz zu erheben. Insoweit sei auch beabsichtigt, gegen die
Bundesrepublik Deutschland Schadensersatz gemäß Art. 116 SDÜ geltend zu
machen. Es könne nicht angehen, dass nationale deutsche Behörden zwar von
einer Doppelbestrafung ausgingen, dann jedoch das Bundeskriminalamt nicht tätig
werde. Entweder gebe es eine europäische Regelung, die dann auch die
Bundesrepublik Deutschland anzuwenden habe oder es könne jeder Staat
machen, was er wolle.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens kam der Leiter ZD12-SIRENE Deutschland
bei der Beklagten zu dem Ergebnis, dass dem Widerspruch abgeholfen werden
sollte. Insoweit forderte das Bundeskriminalamt die D. Behörden am 05.01.2009
auf, die Rücknahme und die Löschung der im Schengener Informationssystem
vorhandenen Fahndung nach dem Kläger zu prüfen. Für den Fall, dass bis zu dem
gesetzten Termin keine Antwort von den D. Behörden eingehen würde, solle die
Vorlage des Falles bei der gemeinsamen Kontrollinstanz zur Überprüfung gemäß
Art. 106 Abs. 3 SDÜ i.V.m. Art. 115 Abs. 1 SDÜ erfolgen. Am 16.01.2009 wurde
SIRENE Deutschland von SIRENE D. die Mitteilung gemacht, dass die zuständige
Justizbehörde in D. bisher keine Mitteilung zu dem Schreiben vom 05.01.2009
gemacht habe. Daraufhin wurde der Fall zur Vorlage bei der gemeinsamen
Kontrollinstanz vorbereitet. Am 10.02.2009 erhielt SIRENE Deutschland dann die
Mitteilung, dass die zuständigen Justizbehörden mit Entscheidung vom 06.02.2009
die Fahndung nach dem Kläger widerrufen habe. Insoweit wurde eine Kopie der
Entscheidung übersandt.
Hieraus ergibt sich, dass das Urteil des Gerichts von E. Nr. xxx vom 29.10.2001
bezüglich der Verurteilung des Klägers widerrufen wurde, da dieser bereits durch
Urteil des Gerichts in B-Stadt vom 17.11.1999 bereits wegen derselben Straftat
verurteilt wurde. Der am 02.06.1998 ergangene Haftbefehl und die
entsprechenden Fahndungsausschreiben sowie der Vollstreckungsbefehl der
Staatsanwaltschaft vom 23.05.2002 und die internationale Fahndung nach dem
Kläger wurden widerrufen.
Dies teilte das Bundeskriminalamt dem Bevollmächtigten des Klägers mit
Schreiben vom 16.02.2009 mit.
Daraufhin machte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 03.06.2009
eine Kostenrechnung auf und bat diese zu erstatten. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf Seite 2 des Schreibens vom 03.06.2009, Blatt 36 der
Gerichtsakte, Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 25.06.2009 lehnte das Bundeskriminalamt den Antrag auf
Festsetzung der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens entstandenen Gebühren
nach dem RVG ab. Dies, weil eine Kostenfestsetzung erst nach Unanfechtbarkeit
der Kostengrundentscheidung erfolgen könne und diese nicht vorliege. Gemäß §
80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG habe der Rechtsträger, dessen Behörde den
angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe, denjenigen, der Widerspruch
erhoben habe, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der
Widerspruch erfolgreich sei. Erledige sich hingegen das Widerspruchsverfahren
ohne eine Entscheidung in der Sache selbst, so sei für eine Kostenentscheidung
kein Raum. Dies sei vorliegend der Fall. Eine Löschung der Daten sei nur durch die
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kein Raum. Dies sei vorliegend der Fall. Eine Löschung der Daten sei nur durch die
ausschreibende Vertragspartei möglich gewesen. Eine Löschung der D. Fahndung
durch die deutsche Behörde wäre weder rechtlich zulässig noch technisch möglich
gewesen. Ein entsprechender Löschungsantrag sei damit nach dem SDÜ an die
unzuständige Stelle zu richten und damit unzulässig. Dies mit der Folge, dass der
Widerspruch auch hätte zurückgewiesen werden müssen.
Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 03.08.2009
Widerspruch ein. Insoweit verweist er auf Art. 111 SDÜ, wonach jeder das Recht
habe, im Hoheitsgebiet jeder Vertragspartei eine Klage wegen einer seiner Person
betreffenden Ausschreibung, insbesondere auf Berichtigung, Löschung,
Auskunftserteilung oder Schadensersatz vor dem nach nationalen Recht
zuständigen Gericht oder der zuständigen Behörde zu erheben. Insoweit habe sich
der Kläger gerade nicht an die D. Behörden wenden müssen.
Mit Bescheid des Beklagten vom 14.10.2009 wurde der Widerspruch
zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für eine
Klage wegen der einer Person betreffenden Löschung das national zuständige
Gericht zuständig sei, vorliegend das Verwaltungsgericht und nicht das
Bundeskriminalamt. Soweit Art. 111 SDÜ von dem nach nationalem Recht
zuständigen Gericht oder zuständigen Behörde spreche, trage er damit den
unterschiedlichen Zuständigkeitsregelungen im Schengenraum Rechnung.
Mit Schriftsatz vom 04.11.2009, eingegangen beim Verwaltungsgericht Wiesbaden
am 19.11.2009, erhob der Bevollmächtigte des Klägers die vorliegende Klage. Zur
Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass er im Verwaltungsverfahren
mandatiert gewesen sei. Nachdem das Auskunftsersuchen gerichtlich
durchgesetzt worden sei und auch eine entsprechende Auskunft erteilt worden sei,
habe man die entsprechende Löschung der unrichtigen Eintragung verlangt. Das
Bundeskriminalamt sei hier die zuständige Behörde, da das Verfahren nach Art.
111 SDÜ i.V.m. Art. 109 begründet worden sei. Ein grundlegend anders gelagerter
Sachverhalt sei im Vergleich zum Erstverfahren nicht gegeben. Die im
Widerspruchsbescheid vertretene Auffassung, dass man sich sofort an die
Gerichte wenden müsse, sei nach dem deutschen Verwaltungsrecht falsch. Die
Gerichte hätten verfassungsrechtlich in der Bundesrepublik Deutschland lediglich
die Aufgabe, entsprechende Verwaltungsakte etc. zu überprüfen. Sie seien jedoch
keine Ausgangsinstanz.
Der Kläger beantragt,
das Bundeskriminalamt zu verurteilen, an den Kläger 1.444,55 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
bezahlen.
Das beklagte Bundeskriminalamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Auffassung, dass die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von
561,09 € nicht erstattungsfähig seien. Denn hierbei handele es sich um keine
Kosten, welche von § 80 VwVfG erfasst würden. Darüber hinaus gebe es auch
keinen allgemeinen Grundsatz, dass Kosten, die einem Beteiligten durch eine
Antragstellung oder im Verwaltungsverfahren vor der Ausgangsbehörde
entstanden seien, zu erstatten seien.
Soweit der Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 883,46 €
geltend mache, stünde diesem ebenfalls keine Anspruch zu. Gemäß § 72 VwGO
entscheide die Behörde nur über die Kosten, wenn sie dem Widerspruchsbescheid
für begründet halte und ihm deshalb abhelfe. Erledige sich das
Widerspruchsverfahren ohne eine Entscheidung in der Sache selbst, so sei für eine
Kostenentscheidung kein Raum mehr. Vorliegend habe das Bundeskriminalamt
sowohl als Ausgangsbehörde wie auch als Widerspruchsbehörde dem Widerspruch
weder abgeholfen noch stattgegeben. Damit scheide eine Anwendung des § 72
VwGO i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG aus. Zwar sei auf Anregung der
Ausgangsbehörde durch die D. Behörden im Ergebnis eine Rechtslage hergestellt
worden, die objektiv dem Interesse des jetzigen Klägers entspreche. Dies sei
jedoch kostenrechtlich nicht als Abhilfebescheid anzusehen. Ein
Kostenerstattungsanspruch stehe dem Kläger auch nicht unter Berücksichtigung
der Verfahrensgrundsätze einer fairen Verfahrensgestaltung und den Prinzipien
von Treu und Glauben zu. Das Bundeskriminalamt habe die Entscheidung der D.
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von Treu und Glauben zu. Das Bundeskriminalamt habe die Entscheidung der D.
Behörden nicht mit dem Ziel einer Kostenlast gemäß § 80 Abs. 1 VwVfG zu
entgehen erwirkt. Das Herantreten an die D. Behörden sei vielmehr aufgrund der
bestehenden rechtlichen Verpflichtung erfolgt. Es sei auch keine
datenschutzrechtliche Verantwortung des Bundeskriminalamtes gegeben. Gemäß
Art. 106 Abs. 1 SDÜ dürfe eine Änderung, Ergänzung, Berichtigung oder Löschung
der Daten nur durch die ausschreibende Vertragspartei als der gemäß Art. 105
SDÜ datenschutzrechtlich verantwortlichen Stelle vorgenommen werden.
Mit Schriftsatz vom 08.02.2010 hat sich das Bundeskriminalamt mit einer
Entscheidung durch den Berichterstatter im schriftlichen Verfahren einverstanden
erklärt, mit Schriftsätzen vom 09.02.2010 und 04.02.2010 erklärte sich der
Bevollmächtigte des Klägers mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter im
schriftlichen Verfahren einverstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die
Behördenakten (2 Heftstreifen) sowie die Gerichtsakten 6 K 669/08.WI und 6 K
821/08.WI Bezug genommen, welche sämtlich zum Gegenstand der Entscheidung
gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Auch wenn der Bevollmächtigte die
Klage in der Form einer Leistungsklage erhoben hatte, so ist der Antrag
entsprechend dem eigentlichen Klagebegehren auszulegen. Denn der Kläger will
nichts anderes als die Erstattung der Kosten aus dem Vorverfahren, welches zwar
in der Sache beendet ist, bei dem sich aber das Bundeskriminalamt weigert eine
Kostenentscheidung im Sinne des Klägers zu treffen. Insoweit ist die Kostennote
des Bevollmächtigten des Klägers vom 03.06.2009 nicht anders zu verstehen, als
das dieser eine Feststellung eines Kostenerstattungsanspruches für die
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren begehrt.
Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger darüber hinaus die
allgemeinen Kosten des Verwaltungsverfahren in Höhe von 561,09 € geltend
macht, für die sich weder aus § 72 VwGO noch aus § 80 VwVfG ein entsprechender
Kostenerstattungsanspruch ergibt. Denn darüber hätte das Bundeskriminalamt
insoweit ablehnend entscheiden können. Weshalb insoweit die Klage abzuweisen
ist
Dem Kläger stehen jedoch die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu. Gibt die
Widerspruchsbehörde dem Widerspruch – aus welchen Gründen auch immer –
statt, so ist der eingelegte Widerspruch erfolgreich. In diesem Fall ist gemäß § 80
Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine entsprechende günstige Kostenentscheidung geboten.
Unterbleibt eine behördliche Entscheidung über den Widerspruch, so ist auch für
eine Kostenentscheidung grundsätzlich kein Raum. Unterlässt die Ausgangs- oder
Widerspruchsbehörde bei Stattgabe des Widerspruchs eine ihre gebotene
Kostenentscheidung, kann der widersprechende Bürger im Wege der
Verpflichtungsklage eine „isolierte“ Kostengrundentscheidung verlangen.
Vorliegend ist die Ausgangsbehörde auch die Widerspruchsbehörde. Das
Bundeskriminalamt ist auch aufgrund des Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zum
Schengener Informationssystem der 2. Generation vom 06.06.2009 die für das
Schengener Informationssystem zuständige Behörde. Insoweit ist das
Bundeskriminalamt auch für ein Verfahren nach Art. 111 Abs. 1 SDÜ die vor dem
nach nationalem Recht zuständigen Gericht zu verklagende Behörde. Die
nationale Verfahrensordnung lässt keine Klage sui generis zu, nach der ein
Verwaltungsgericht ohne Beklagten, wie im vorliegenden Fall wohl von dem
Bundeskriminalamt gewünscht, eine Löschungsverpflichtung auszusprechen
vermag.
Die Frage, ob ein personenbezogenes Datum gelöscht wird oder nicht, stellt
vielmehr nach nationalem Recht einen Verwaltungsakt dar, welcher in
entsprechender Anwendung des Schengener Durchführungsübereinkommens nur
von der nach nationalem Recht zuständigen Behörde - hier vorliegend das
Bundeskriminalamt gemäß § 3 Abs. 1a BKAG – erlassen werden kann.
Zwar regelt Art. 105 SDÜ, dass nur die ausschreibende Partei für die Richtigkeit
und die Aktualität der Daten sowie die Rechtmäßigkeit der Speicherung im
Schengener Informationssystem verantwortlich ist. Dies wäre vorliegend D..
Zugleich regelt jedoch das Schengener Durchführungsübereinkommen, dass jeder
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Zugleich regelt jedoch das Schengener Durchführungsübereinkommen, dass jeder
das Recht hat, im Hoheitsgebiet jeder Vertragspartei eine Klage wegen einer seine
Person betreffenden Ausschreibung, insbesondere auf Löschung vor dem nach
nationalem Recht zuständigen Gericht zu erheben. Soll diese Regelung nicht
leerlaufen, ist der Anspruch insoweit zunächst gegenüber dem zuständigen
Bundeskriminalamt geltend zu machen.
Denn zwingende Prozessvoraussetzung für eine Anfechtungs- oder
Verpflichtungsklage ist ein Antrag bei der zuständigen Behörde und ein
Vorverfahren gemäß § 68 VwGO; mithin ist auch ein Widerspruchsverfahren
durchzuführen. Ein solches führt nicht das Gericht durch, sondern die zuständige
Verwaltungsbehörde.
Insoweit ist in entsprechender Auslegung des Schengener
Durchführungsübereinkommens das Bundeskriminalamt in Deutschland die
zuständige Behörde, auch wenn diese für die gespeicherten Daten nicht die
originäre datenschutzrechtliche Verantwortung trägt. Insoweit muss sich das
Bundeskriminalamt jedoch das Verhalten der zuständigen Stelle, in diesem Fall
der D. Behörden, zurechnen lassen. Hier gilt nichts anderes, als beispielsweise in
einem Bauverfahren, in dem eine Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung
nach § 34 BauGB zu versagen hat, wenn die Gemeinde das notwendige
Einvernehmen nicht herstellt. Auch hier ist die Bauaufsichtsbehörde und nicht die
Gemeinde nach außen hin der richtige Gegner. Insoweit ist das Verhältnis zwischen
dem Bundeskriminalamt und der zuständigen Behörden in D. ein Bereich des
Innenverhältnisses, welches durch die Vertretung des Bundeskriminalamtes als
national zuständige Behörde im Rahmen des Schengener
Durchführungsabkommens seinen Ausdruck findet.
Mithin muss sich das Verhalten der ausschreibenden Vertragspartei das
Bundeskriminalamt zurechnen lassen. Dass das Bundeskriminalamt insoweit
gegenüber dem Kläger die verantwortliche Stelle ist, ergibt sich auch aus Art. 106
SDÜ. Zwar hat nach dessen Absatz 1 nur die ausschreibende Vertragspartei die
Berechtigung eine Löschung der Daten vorzunehmen. Absatz 2 von Art. 106 SDÜ
regelt jedoch, dass für den Fall, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Daten
unrichtig oder unrechtmäßig gespeichert worden sind, eine Vertragspartei, die
selber die Ausschreibung nicht veranlasst hat, der ausschreibenden Vertragspartei
dieses mitzuteilen hat und diese wiederum zur unverzüglichen Prüfung verpflichtet
ist. Soweit sich die nichtausschreibende Vertragspartei und die ausschreibende
Vertragspartei nicht einigen können, ist gemäß Art. 106 Abs. 3 SDÜ die
gemeinsame Kontrollinstanz zur Stellungnahme anzurufen.
Daraus ergibt sich, dass das Bundeskriminalamt alles zu unternehmen hat, dass
eine Ausschreibungen, deren Unrichtigkeit das Bundeskriminalamt zwar selbst
nicht zu verantwortende trotz alledem gelöscht werden.
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von Fällen, in denen ein
erledigendes Ereignis durch andere Umstände eingetreten ist. Denn entgegen
dem von dem Bundeskriminalamt erwähnten Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts ist es vorliegend gerade nicht so, dass das
Bundeskriminalamt die Löschung der Daten nicht in der Hand gehabt hätte, im
Gegenteil. Vorliegend ist der Erfolg des Widerspruchs gerade Teil des
durchgeführten Widerspruchsverfahrens. Dies hat auch das Bundeskriminalamt
selbst so gesehen, da es die zuständigen D. Behörden entsprechend Art. 106 SDÜ
zum Handeln aufforderte unter gleichzeitiger Androhung der Anrufung der
gemeinsamen Kontrollinstanz. Mithin ist die Löschung der Daten des Klägers im
Schengener Informationssystem nicht zufällig geschehen, sondern gerade im
Rahmen des Widerspruchsverfahrens, dessen Abhilfe das Bundeskriminalamt ganz
richtiger Weise und zu Recht betrieben hat. Mithin hat das Bundeskriminalamt
durch sein eigenes Verhalten letztendlich die nunmehrige Rechtslage selbst
hergestellt und damit im Ergebnis dem Widerspruch abgeholfen.
Dies steht auch nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichtes. Vielmehr wird die Anwendung der §§ 72 ff. VwGO
i.V.m. § 80 VwVfG im Lichte des Schengener Durchführungsübereinkommens
ausgelegt. Denn der Gesetzgeber ist von Verfassungswegen nicht gehalten, ein,
dem gerichtlichen Verfahren vorgeschaltetes Verfahren vorzusehen. Es steht in
seinem Belieben, ob er ein derartiges Verfahren vorsieht und wie er es im
Einzelnen ausgestaltet hat. Hat er jedoch, wie §§ 68 ff. VwGO i.V.m. § 80 VwVfG
ergeben, aus Gründen eines verbesserten Rechtsschutzes sich zu einer
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ergeben, aus Gründen eines verbesserten Rechtsschutzes sich zu einer
behördlichen Vorprüfung entschieden, darf die Verwaltung diese gesetzgeberische
Entscheidung, der auch eine grundrechtliche Zielrichtung zugrunde liegt, nicht
durch eine sachwidrige Verwaltungsübung in Zweifel ziehen. Das
Bundeskriminalamt darf deshalb keine Verfahrensweise an den Tag legen, das der
widersprechende Bürger als Versuch ansehen muss, bei einem zulässigen und
begründeten Widerspruch ihn um den an sich nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO
ergebenden Kostenanspruch zu bringen. Denn die der Behörde eröffnete
Wahlbefugnis ist dieser allein um der Sache selbst Willen gegeben. Gibt die
Behörde das Junktim zwischen den behördlichen Entscheidungen nach §§ 72, 73
Abs. 3 Satz 2 VwGO einerseits und der Kostenfolge des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG
andererseits selbst aus sachwidrigen Gründen auf, dann entsteht zwar
kostenrechtlich eine Regelungslücke. Diese besteht jedoch nur äußerlich.
Tatsächlich wird die Behörde so gestellt, wie sie stünde, wenn sie sich nicht
sachwidrig verhalten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996, Az. 4 C 6/95; BVerwG,
Urteil vom 28.04.2009, Az. 2 A 8/08).
Insoweit wurde vorliegend dem Widerspruch des Klägers durch das
Bundeskriminalamt im Außenverhältnis stattgegeben, auch wenn im
Innenverhältnis die zuständige D. Behörde letztendlich die Entscheidung getroffen
hat, mit der Folge, dass das Bundeskriminalamt die Kosten des
Widerspruchverfahrens zu tragen hat und unter Würdigung aller Umstände die
Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit bezüglich der Kosten
folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO entsprechend.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.