Urteil des VG Wiesbaden vom 04.05.2010

VG Wiesbaden: vorläufige dienstenthebung, schutz der menschenwürde, disziplinarverfahren, besitz, verfügung, hinreichender tatverdacht, beamtenverhältnis, öffentlich, stadt, daten

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Gericht:
VG Wiesbaden 28.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
28 L 1489/09.WI.D
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 68 Abs 1 S 1 DG HE, § 43
Abs 1 DG HE, § 13 DG HE, §
16 Abs 1 bis 4 DG HE, § 184b
Abs 1 Nr 2 StGB
Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung
Leitsatz
Bei einem Beamten, der kinderpornographische Schriften besitzt und sie anderen
öffentlich zugänglich macht, wird das Disziplinarverfahren voraussichtlich mit der
Entfernung des Beamten aus dem Dienst enden, so dass die vorläufige
Dienstenthebung in diesem Fall zu Recht erfolgt ist.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 2.500,-- € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich mit dem vorliegenden Antrag gegen seine vorläufige
Dienstenthebung durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 10.12.2009.
Der am 29.07.1965 geborene Antragsteller wurde nach Beendigung seiner von
1972 bis 1983 erfolgten Schulausbildung (Realschulabschluss) mit Wirkung vom
01.09.1983 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum
Assistenten- Anwärter ernannt. Nach Bestehen der Laufbahnprüfung für den
mittleren Dienst in der allgemeinen Verwaltung (Verwaltungsprüfung I,
Abschlussnote „befriedigend) wurde der Antragsteller mit Wirkung vom 01.09.1985
unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Assistenten z.A. ernannt.
Er wurde dem Ordnungsamt (KFZ- Zulassungsstelle) zur Dienstleistung
zugewiesen.
Der Antragsteller leistete in der Zeit vom 02.01.1986 bis 31.03.1987 seinen
Grundwehrdienst ab.
Ab 01.04.1987 nahm der Antragsteller die Aufgaben einer nach A 7 BBesG
bewerteten Stelle in der Abteilung Allgemeine Verwaltung/Kindertagesstätten
wahr. Mit am 29.07.1987 ausgehändigter Urkunde wurde der Antragsteller zum
Assistenten ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 5 BBesG
eingewiesen.
Mit Wirkung vom 01.10.1988 erfolgte die Ernennung zum Sekretär (A 6 BBesG).
Zuvor hatte er weitere Aufgaben der Abrechnung und Statistikführung
übernommen. Am 17.01.1990 wurde der Antragsteller zum Obersekretär ernannt
und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 7 BBesG eingewiesen.
Mit Verfügung vom 20.08.1991 wurde dem Antragsteller eine nach A 8 BBesG
bewertete Stelle eines Sachbearbeiters beim Ausgleichsamt der Antragsgegnerin
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bewertete Stelle eines Sachbearbeiters beim Ausgleichsamt der Antragsgegnerin
übertragen. Dort war er für die Sachbearbeitung im Bereich der Feststellung und
Zuerkennung von Hausratschäden sowie für die Zuerkennung von
Hauptentschädigung für Vermögensschäden zuständig. Die Beförderung zum
Hauptsekretär und die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 8
BBesG erfolgten mit Wirkung vom 01.01.1992. In das Beamtenverhältnis auf
Lebenszeit wurde der Antragsteller am 29.07.1992 berufen.
Mit Verfügung vom 29.07.1994 wurde der Antragsteller zur Ausbildung für die
Laufbahn des gehobenen Dienstes in der allgemeinen Verwaltung zugelassen. Die
Zwischenprüfung legte der Antragsteller am 25.06.1996 mit „ausreichend (7
Punkte)“ ab, die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst in der allgemeinen
Verwaltung (Verwaltungsprüfung II) bestand der Antragsteller am 24.09.1997 mit
der Note „befriedigend (8 Punkte)“.
Mit Wirkung vom 01.10.1997 wurde der Antragsteller unter Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Probe zum Inspektor z.A. ernannt und im Kassen- und
Steueramt im Bereich „Rückforderungen Sozial-/ Jugendamt und
Kindergartenentgelte“ eingesetzt. Mit Wirkung vom 01.04.1998 wurde der
Antragsteller zum Inspektor ernannt und rückwirkend zum 01.01.1998 in eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 BBesG g.D. eingewiesen.
Mit Wirkung vom 01.09.2004 wurde der Antragsteller in die Abteilung Steuern,
Gebühren und Beiträge (Sachgebiet Gewerbesteuer) umgesetzt und als
stellvertretender Sachgebietsleiter eingesetzt. Die Beurteilung 28.04.2005 für den
Zeitraum vom 01.09.2004 bis zum 28.04.2005 attestierte dem Antragsteller eine
über den Anforderungen liegende Leistung. Mit Wirkung vom 01.06.2005 wurde der
Antragsteller zum Oberinspektor ernannt und in eine Planstelle der
Besoldungsgruppe A 10 BBesG eingewiesen.
Der Antragsteller ist ledig und hat keine Kinder.
Der Geschäftsführer der Firma D, die im Kundenauftrag Fotoprodukte wie
Wandkalender oder Fotobücher druckt, erstatte am 22.12.2008 Anzeige. Bei
Erledigung eines Auftrags des Antragstellers für ein Fotobuch sei aufgefallen, dass
es sich um Bilder eines minderjährigen Mädchens in pornographischen Posen
handele. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Bielefeld an die
Staatsanwaltschaft E-Stadt abgegeben, die die Durchsuchung der Privaträume
und des Büros des Antragstellers veranlasste. Bei der Durchsuchung des
Wohnhauses des Antragstellers am 23.04.2009 wurden pornographische Filme auf
Videokassetten und Datenträgern, Bilder in Papierform, pornographische Bücher
bzw. Fotoalben gefunden. Des Weiteren wurden 2 PC und acht externe Festplatten
beschlagnahmt. Eine Auswertung der gefundenen Dateien, die zum
überwiegenden Anteil kinderpornographische Schriften enthielten, erfolgte in dem
Gutachten von F., das am 13.07.2009 erstellt wurde (Sonderband Auswertung 0,
Gutachten 00/00).
Ebenfalls am 23.04.2009 wurde die Antragsgegnerin per Fax von dem Verdacht
gegen den Antragsteller unterrichtet. Der dienstliche PC des Antragstellers wurde
sofort gesichert und ausgewertet; es wurden keine verdächtigen Dateien
gefunden.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt vom 27.08.2009, rechtskräftig seit dem
11.09.2009, wurde der Antragsteller wegen zweier selbständiger Vergehen nach §
184 b Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die
Bewährungszeit wurde auf 3 Jahre festgesetzt; dem Antragsteller wurde die
Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 4.000.-- € auferlegt, die am 05.10.2009
entrichtet wurde (Az.: 00/00).
Mit Verfügung vom 08.10.2009, die dem Antragsteller zu Händen seines
Bevollmächtigten am 19.10.2009 mit Postzustellungsurkunde zugestellt wurde,
leitete die Antragsgegnerin gemäß § 20 HDG das behördliche Disziplinarverfahren
gegen den Antragsteller ein und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung. Der
Antragsteller habe durch die außerdienstlichen Verhaltensweisen, die den
Gegenstand des Strafverfahrens darstellten, gegen seine Pflichten aus § 69 Satz 3
HBG und gegen die Strafgesetze gemäß §§ 184 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4, 53 StGB
verstoßen.
Der Antragsteller teilte mit, die vorgeworfenen Taten seien zugestanden und
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Der Antragsteller teilte mit, die vorgeworfenen Taten seien zugestanden und
würden nicht bestritten; er bedauere den Vorfall aufs Äußerte. Es handele sich um
einen einmaligen Vorfall; der Antragsteller habe sich dienstlich nichts zu Schulden
kommen lassen. Er werde sich unverzüglich in therapeutische Behandlung
begeben.
Mit Schreiben vom 11.11.2009 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu den
beabsichtigten Maßnahmen der vorläufigen Dienstenthebung und der Kürzung der
Dienstbezüge an und gab ihm Gelegenheit, seine aktuellen wirtschaftlichen
Verhältnisse offen zu legen.
Der Antragsteller gab an, er habe zwar eine Vielzahl von Dateien auf seinem
Computer im privaten Bereich gespeichert gehabt. Nach der Rechtsprechung der
Obergerichte setze jedoch eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ein
besonderes Vertrauensverhältnis oder eine besondere Stellung des Beamten
voraus, die bei dem Antragsteller nicht gegeben sei. Es sei zu berücksichtigen,
dass sich bei dem Antragsteller eine Sammelsucht entwickelt habe; es handele
sich um ein krankhaftes, aber heilbares Verhalten. Der Therapeut, der den
Antragsteller behandele, sei davon überzeugt, dass bis zum Abschluss der
Behandlung ein solches Verhalten nicht erneut auftrete.
Mit Verfügung der Antragsgegnerin vom 10.12.2009, der ein Beschluss des
Magistrats der Antragsgegnerin vom 02.12.2009 zugrunde lag, wurde der
Antragsteller gemäß § 43 Abs. 1 HDG vorläufig seines Dienstes enthoben und die
monatlichen Dienstbezüge gemäß § 43 Abs. 2 HDG um 35 vom Hundert gekürzt.
Nach den bisherigen Erkenntnissen sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu
erwarten, dass wegen der ihm vorgeworfenen Dienstvergehen gegenüber dem
Antragsteller eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen werde.
Die Verfügung wurde dem Antragsteller zu Händen seines Bevollmächtigten mit
Empfangsbekenntnis am 15.12.2009 ausgehändigt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.12.2009, der am 23.12.2009 bei dem
Verwaltungsgericht Wiesbaden eingegangen ist, hat der Antragsteller beantragt,
die vorläufige Dienstenthebung vorläufig auszusetzen. Das Verfahren, gerichtet
auf die vorläufige Aussetzung der Einbehaltung der Dienstbezüge, ist unter dem
Aktenzeichen 00/00 anhängig.
Grundsätzlich sei zwar der Besitz von kinderpornographischen Daten geeignet,
einen Beamten letztlich aus dem Dienst zu entfernen, bei dem Antragsteller lägen
die Dinge anders. Bei dem von dem Antragsteller gezeigten Verhalten handele es
sich um ein Krankheitsbild; es liege bei ihm nach Angaben seines Therapeuten
eine verwirrte psychosexuelle Verhaltensweise ohne Fixierung vor. Das
Herunterladen von Bildern habe sich im Laufe der Zeit zu einer Sucht entwickelt.
Er habe eine solche Vielzahl von Daten heruntergeladen, dass er sie sich gar nicht
alle habe ansehen können. Im Vordergrund habe nicht der Inhalt der Dateien,
sondern das Besitzen und Sammeln gestanden. Richtig sei zwar, dass während
der Zeit des Herunterladens unter Zuhilfenahme eines file-sharing-Programms
diese Dateien für jedermann zugänglich gewesen seien; dies sei jedoch kein
Zugänglichmachen im kommerziellen Sinn gewesen. Es sei nicht richtig, wenn die
Antragsgegnerin dem Antragsteller vorwerfe, die Vielzahl der gesammelten Daten
schließe ein Augenblicksversagen aus. Sie berücksichtige auch nicht, dass der
Therapeut in seiner Stellungnahme vom 01.12.2009 mitgeteilt habe, der
Antragsteller sei zu einer Therapie bereit und es könne ein positives
Behandlungsergebnis erwartet werden. Die Antragsgegnerin sei aufgrund ihrer
Fürsorgepflicht verpflichtet, dem Antragsteller bei der Bekämpfung seiner
Krankheit, die sie selbst anerkenne, zu helfen und ihn vor einer Isolation zu
bewahren. Für sein einziges Hobby, den Golfsport, könne er aufgrund der
gekürzten Dienstbezüge den Jahresbetrag von über 1.000,-- € nicht mehr
aufbringen. Das Vertrauensverhältnis sei nicht unwiederbringlich zerstört. Aus
diesem Grund sei dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Der Antragsteller beantragt,
die vorläufige Dienstenthebung vorläufig auszusetzen,
ferner dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt B.
in B-Stadt beizuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin trägt vor, die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 HDG seien
gegeben, da im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem
Beamtenverhältnis erkannt werde. Vorliegend habe der Beamte
kinderpornographische Dateien besessen und öffentlich zugänglich gemacht, was
ein schweres Dienstvergehen darstelle, das grundsätzlich zu seiner Untragbarkeit
für den öffentlichen Dienst und zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
führe. Aus dem Persönlichkeitsbild des Antragstellers ergäben sich keine
mildernden Aspekte.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
der beigezogenen Akte des Verfahrens 00/00, der vorgelegten Behördenakten (1
Band Personalakte des Antragstellers, 1 Band Disziplinarverfahren, 1 Band
Ermittlungsakte) sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akten der
Staatsanwaltschaft B-Stadt (00/00 nebst 2 Sonderbänden Auswertung 0 und 0)
Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 68 Abs.1 Satz 1 HDG ist zulässig,
aber nicht begründet. Bei der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen
summarischen Überprüfung sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
hinsichtlich der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung in der Verfügung der
Antragsgegnerin vom 10.12.2009 nicht festzustellen. Sie ist deshalb
aufrechtzuerhalten.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 HDG kann die Einleitungsbehörde einen Beamten
vorläufig des Dienstes entheben, wenn das förmliche Disziplinarverfahren gegen
ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Voraussetzung für die im Ermessen
der Einleitungsbehörde stehende Maßnahme ist danach zunächst, dass die
Einleitungsverfügung formal wirksam geworden ist (VGH Baden-Württemberg,
Beschluss vom 04.08.2004 - DL 17 S 11/04 - m.w.N., zitiert nach Juris). Dies ist hier
der Fall, denn mit Verfügung vom 08.10.2009 hat der Oberbürgermeister der
Antragsgegnerin das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Beamten
eingeleitet. Diese Verfügung wurde dem damaligen Bevollmächtigten des
Antragstellers am 19.10.2009 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
Weiter ist die auf der Grundlage des § 43 Abs. 1 HDG getroffene
Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden. Bei der Ausübung ihres
Ermessens hat die Einleitungsbehörde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Rechnung zu tragen, der auch für die Anordnung vorläufiger Maßnahmen im
förmlichen Verfahren zu beachten ist. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip
herzuleitende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet in seiner hier
maßgeblichen Ausprägung, dass die Belange des Beamten, insbesondere sein
Interesse, seine Tätigkeit einstweilen bis zur rechtskräftigen Beendigung des
Disziplinarverfahrens fortzusetzen, mit den dienstlichen Interessen der Behörde,
die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen können, abzuwägen sind. Kommt
im Hinblick auf Art und Schwere des Dienstvergehens voraussichtlich die
Entfernung aus dem Dienst in Betracht, so rechtfertigen es die zu befürchtende
Störung der dienstlichen Interessen und die Wahrung des Ansehens des
öffentlichen Dienstes regelmäßig, die Suspendierung anzuordnen und auf diesem
Wege den Zeitpunkt der Unterbindung der Amtsausübung gleichsam
vorzuverlegen (sog. entfernungsvorbereitende Dienstenthebung, VG Karlsruhe,
Beschluss vom 22.11.2007 - DL 13 K 2646/07 -, zitiert nach Juris). Denn die
Weiterbeschäftigung eines Beamten, dem nach dem Stand der gegen ihn
eingeleiteten Ermittlungen das berufserforderliche Vertrauen nicht mehr länger
entgegengebracht werden kann, ist dem Dienstherrn in der Regel bereits vor
rechtskräftigem Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht mehr zuzumuten. In
einem solchen Fall, in dem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verhängung
der disziplinaren Höchstmaßnahme in Betracht kommt, sind deshalb an die
Interessenabwägung und ihre Darstellung in der Verfügung grundsätzlich keine
übermäßigen Anforderungen zu stellen (BVerwG, Beschluss vom 17.05.2001 - 1
DB 15/01 -, NVwZ 2001, 1410).
Ausgehend hiervon teilt die Disziplinarkammer die Auffassung der
Einleitungsbehörde, dass das Disziplinarverfahren voraussichtlich mit der
Entfernung des Beamten aus dem Dienst (§ 13 HDG) enden wird (sog.
Höchstmaßnahmeprognose). Erforderlich, aber auch ausreichend dafür ist es,
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Höchstmaßnahmeprognose). Erforderlich, aber auch ausreichend dafür ist es,
dass ein hinreichender Tatverdacht für ein Dienstvergehen (§ 47 BeamtStG)
vorliegt und die Entfernung des Beamten aus dem Dienst im Rahmen des
Disziplinarverfahrens wahrscheinlicher ist als seine Belassung im Dienst (VGH
Baden- Württemberg, Beschluss vom 04.11.1993 - D 17 S 13/93 - zitiert nach
Juris). Dies ist nach Aktenlage unter Zugrundelegung des Maßstabs gemäß § 16
Abs. 1 Satz 1 bis 4 HDG anzunehmen.
Ausweislich des - vom Beamten nicht mit Rechtsmitteln angegriffenen -
Strafbefehls des Amtsgerichts B-Stadt vom 27.08.2009 wurde gegen den
Beamten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verhängt, die für 3 Jahre zur
Bewährung ausgesetzt wurde, weil er sich kinderpornographische Schriften, die ein
tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, verschafft und sie
besessen hat und er zudem kinderpornographische Schriften öffentlich zugänglich
gemacht hat und damit die Tatbestände der § 184 b Abs. 4 StGB und § 184 b Abs.
1 Nr. 2 StGB verwirklicht hat.
Die Disziplinarkammer legt die im Strafbefehlsverfahren vor dem AG B-Stadt
getroffenen Feststellungen gemäß § 62 Abs. 2 HDG zugrunde. Diese
Feststellungen sind zwar nicht bindend, können aber der Entscheidung ohne
weitere Prüfung zugrunde gelegt werden. Denn dem rechtskräftigen Strafbefehl
kommt Indizwirkung zu, zumal der in ihm bezeichnete Sachverhalt durch die
geständigen Einlassungen des Antragstellers im Strafverfahren und auch im
behördlichen Disziplinarverfahren bestätigt wurde.
Damit steht fest, dass der Antragsteller in dem Umfang, wie er in dem Gutachten
von F. vom 13.07.2009 dargelegt wurde (Sonderband Auswertung 0, Gutachten
00/00), kinderpornographische Schriften sich verschafft und sie besessen hat.
Zudem hat er dadurch, dass er sich im Internet kinderpornographische Dateien
auf einer Tauschbörse heruntergeladen hat, kinderpornographische Schriften
öffentlich zugänglich gemacht, da in dieser Zeit andere Nutzer der Tauschbörse
Zugriff auf diese Daten hatten und sich diese wiederum herunterladen konnten.
Danach steht mit der dem Beamten zur Last gelegen Straftat ein
schwerwiegendes, in einem förmlichen Disziplinarverfahren zu ahndendes
außerdienstliches Dienstvergehen gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, 34 Satz
3 BeamtStG (wortgleich mit den bis zum 31.03.2009 geltenden Vorschriften der §§
90 Abs. 1 Satz 2 und 69 Satz 3 HBG) in Rede, weil der Beamte schuldhaft die ihm
obliegenden Pflichten verletzt hat. Nach diesen Vorschriften muss das Verhalten
des Beamten (innerhalb und außerhalb des Dienstes) der Achtung und dem
Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Ein Verhalten des Beamten
außerhalb des Dienstes ist ein Dienstvergehen allerdings nur dann, wenn es nach
den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen
in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen; es wird also ein
qualifiziertes Maß an Konkretheit vorausgesetzt, das die Beeinträchtigung
erwarten lässt (BVerwG, Urteil vom 08.05.2001 - 1 D 20/00 -, NJW 2001, 3565). So
liegt der Fall hier. Durch sein Verhalten hat der Antragsteller das einer
außerdienstlichen Pflichtverletzung regelmäßig innewohnende Mindestmaß an
disziplinarer Relevanz deutlich überschritten. Nach Aktenlage ist damit die
Entfernung des Beamten aus dem Dienst wahrscheinlicher als seine Belassung im
Dienst.
Bereits der Besitz und die Besitzverschaffung kinderpornografischer Darstellungen
beweisen nach den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätzen
erhebliche Persönlichkeitsmängel eines Beamten (BVerwG, Urteil vom 06.07.2000
- 2 WD 9/00 -, NJW 2001, 240). Der Beamte hat mit dem nach § 184 b Abs. 1 Nr. 2
und Abs. 4 StGB als Vergehen strafbaren Besitz und Zugänglichmachen
kinderpornografischer Bild- und Filmdateien zu erkennen gegeben, dass ihm der
Schutz der sexuellen Entwicklung und Selbstbestimmung eines Kindes völlig
gleichgültig ist und er die Befriedigung seiner eigenen sexuellen Phantasien oder
auch nur Sammelleidenschaft rücksichtslos in den Vordergrund stellt. Es muss
hierbei gesehen werden, dass hinter jeder der bei dem Beamten gefundenen
strafbewehrten Bilddatei ein Fall eines sexuellen Missbrauchs eines Kindes steckt,
den der Beamte sich in der (vermeintlichen) Anonymität des Internet zur
Befriedigung seiner augenscheinlich abnormen Neigung zu nutze macht. Damit
unterstützt er zugleich das Schaffen und Aufrechterhalten eines Marktes mit
authentischen kinderpornografischen Darstellungen. Der Konsum
kinderpornografischer Bilddateien erfordert stets "neues Material" und fördert so
den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen mit der Tendenz, immer wieder
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den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen mit der Tendenz, immer wieder
neue und "härtere" Bilder herzustellen, um den Markt zufrieden zu stellen. Der
Schutz der Menschenwürde der betroffenen Kinder erzwingt ein gesetzgeberisches
Handeln. Dies kommt durch die zum 01.04.2004 in Kraft getretene Neuregelung
der einschlägigen Strafvorschriften (Gesetz vom 27.12.2003, BGBl. I 3007) und
zwar in der - bei unverändertem Straftatbestand - deutlichen Erhöhung des
Rahmens möglicher Freiheitsstrafen von bisher höchstens einem Jahr (§ 184 Abs.
5 Satz 2 a.F.) auf nunmehr bis zu zwei Jahren (§ 184 b Abs. 4 StGB n.F.) zum
Ausdruck. Treten in der Person eines Beamten durch den Verstoß gegen diese
Strafvorschriften belegte Persönlichkeitsmängel zu Tage, so hat dies eine
nachhaltige Ansehensschädigung bis hin zum völligen Ansehensverlust des
Beamten zur Folge. Das Vertrauen, das der Dienstherr und auch die Öffentlichkeit
in seine Selbstbeherrschung, Zuverlässigkeit und moralische Integrität setzt, ist
von Grund auf erschüttert oder gar zerstört. Ein derartiges Fehlverhalten
rechtfertigt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom
11.02.2003 - 2 WD 35.02 -; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.08.2009 - 10 L
4/08 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.02.2008 - DL 16 S 29/06 -, jeweils
zitiert nach Juris) als disziplinarische Regelsanktion die Entfernung aus dem Dienst.
Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom
18.01.2008 - 2 BvR 313/07 -, zitiert nach Juris). Beschaffung, Besitz und die
Weitergabe kinderpornographischer Schriften tragen nach Auffassung des
Bundesverfassungsgerichts dazu bei, dass die Kinder durch die Existenz eines
entsprechenden Marktes sexuell missbraucht werden. Ohne Konsumenten gäbe
es keinen Markt für Kinderpornographie; der Konsument von Kinderpornographie
habe daher eine mittelbare Verantwortlichkeit für den sexuellen Missbrauch der
Kinder. Die erkennende Disziplinarkammer schließt sich dieser Einschätzung an. Es
ist im Übrigen davon auszugehen, dass die Strafbewehrtheit des Besitzes
kinderpornografischer Darstellungen in der Bevölkerung, vor allem in dem Kreis
möglicher "Konsumenten", so auch dem Antragsteller, allgemein bekannt ist. Auch
besteht kein Zweifel daran, dass das Sich-Verschaffen kinderpornografischer
Darstellungen in der Bevölkerung auf keinerlei Verständnis bzw. Milde stößt, weil
generell bekannt ist, dass wehrlose Kinder durch das Handeln skrupelloser
Geschäftemacher lebenslangen psychischen und körperlichen Schäden
ausgesetzt sind. Kinderpornografie geht eindeutig über die nach den
gesellschaftlichen Anschauungen und Wertvorstellungen des sexuellen Anstandes
gezogenen Grenzen hinaus. Danach rechtfertigt bereits der (bloße) Besitz
kinderpornografischer Darstellungen die Annahme erheblicher
Persönlichkeitsmängel eines Beamten mit der Folge einer nachhaltigen
Ansehensschädigung nicht nur des Beamten, sondern des öffentlichen Dienstes
insgesamt (BVerwG, Urteil vom 06.07.2000 - 2 WD 9/00 -, a.a.O.; OVG Sachsen-
Anhalt, Urteil vom 20.08.2009 - 10 L 4/08 -, zitiert nach Juris).
Der Beamte hat die Dienstpflichtverletzung auch vorsätzlich begangen. Soweit er
behauptet, er habe die Bild- und Filmdateien wahllos gespeichert, ohne sie
sämtlich gesehen zu haben und sich des Umfangs bewusst gewesen zu sein, führt
dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Beamte ist rechtskräftig wegen des
Sich- Verschaffens und des Besitzes kinderpornografischer Schriften gemäß § 184
b Abs. 4 StGB sowie wegen des Zugänglichmachens solcher Schriften gemäß §
184 b Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt worden, weil er auf seinem Computer
mindestens 200.000 Bilddateien gespeichert aufbewahrte, die erkennbar sexuelle
Handlungen an und mit Kindern zeigten und weil er derartige Dateien auch
öffentlich zugänglich machte. Er hat diese Straftatbestände objektiv und subjektiv
verwirklicht, denn die genannten Straftatbestände sind Vorsatzdelikte. Das Gericht
bezweifelt nicht die Richtigkeit der Feststellung in dem Strafbefehl, dass der Kläger
die Dateien bewusst und gewollt, also vorsätzlich besessen und zugänglich
gemacht hat (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 04.09.2007, - 20 LD 14/06 -,
zitiert nach Juris).
Es erscheint der Disziplinarkammer schließlich auch als völlig lebensfremd und
damit als eine bloße Schutzbehauptung, dass der Beamte sich etwa nicht über
den kinderpornografischen Inhalt der von ihm heruntergeladenen Dateien bewusst
gewesen sein will. Hiergegen sprechen bereits seine Angaben im
Disziplinarverfahren, dass er gewusst habe, dass Kinderpornographie strafbar sei,
aber sich nicht unter Kontrolle gehabt habe. Bei ihm habe die Pornographie sehr
im Vordergrund gestanden.
Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller bei seinem Verhalten schuldunfähig
gewesen ist, sind auch angesichts der vorgelegten Stellungnahme seines
Therapeuten vom 01.12.2009 für die Disziplinarkammer nicht ersichtlich. Dieser
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Therapeuten vom 01.12.2009 für die Disziplinarkammer nicht ersichtlich. Dieser
attestiert dem Antragsteller zwar eine „verirrte psychosexuelle Verhaltensweise
ohne Fixierung“, bestätigt aber andererseits, dass der Antragsteller sein
„schuldhaftes Verhalten bzgl. Besitz und Verbreitung von kinderpornographischem
Material einsehen“ könne.
Stellt danach die Entfernung aus dem Dienst die disziplinarische Regelsanktion
dar, so vermag die Disziplinarkammer auch keine besonderen Umstände des
Einzelfalls, insbesondere ein Vorliegen von Milderungsgründen zu erkennen,
welche Anlass dazu geben könnten, eine andere als die Höchstmaßnahme als
wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Die Zahl der bei dem Beamten
vorgefundenen - und ihm zuzurechnenden - Dateien kinderpornografischen Inhalts
ist außergewöhnlich hoch; ein Beamter, der sich in den Besitz derartiger
menschenverachtender und erniedrigender Bilder setzt, zeigt, dass er nicht über
den gebotenen Mindestrespekt vor menschlichem Leben und menschlicher
Integrität verfügt.
Die Disziplinarkammer vermag auch aus dem Verhalten des Beamten keinerlei
Milderungsgründe herzuleiten. Von einer einmaligen persönlichkeitsfremden
Gelegenheitstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Beamten
kann nach Aktenlage ebenfalls nicht ausgegangen werden. Der Antragsteller hat
seinen eigenen Angaben zufolge seit seinem 31.Lebensjahr, also seit über 10
Jahren sich kinderpornographische Schriften verschafft und besessen. Unter
diesen Gegebenheiten ist eine einmalige, unbedachte und persönlichkeitsfremde
Augenblickstat nicht gegeben.
Es ist demgegenüber erschwerend zu berücksichtigen, dass der Beamte
vorsätzlich gehandelt und sich eine sehr große Zahl von Bilddateien, auf denen der
sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen eindeutig dargestellt ist,
verschafft hat (BVerwG, Urteil vom 06.07.2000 - 2 WD9/00, a.a.O.). Der Beamte
hat sich zudem dadurch strafbar gemacht, dass er kinderpornographische
Schriften öffentlich zugänglich gemacht hat. Damit unterliegt er - anders als bei
bloßem Besitz kinderpornografischer Schriften - dem erhöhten Strafrahmen des §
184 b Abs. 1 StGB und deshalb kommt dem Dienstvergehen entsprechend
größeres Gewicht zu (VG Karlsruhe, Beschluss vom 22.11.2007 - DL 13 K 2646/07 -
, zitiert nach Juris).
Darüber hinaus sprechen auch generalpräventive Erwägungen, die nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Bemessung der
Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen sind, für die Dienstentfernung des
Beamten. Denn auch die Ahndung mittelbaren Missbrauchs von Kindern durch die
Besitzverschaffung und den Besitz kinderpornografischer Darstellungen muss
Warn- und Abschreckungsfunktion haben (BVerwG, Urteil vom 06.07.2000 - 2 WD
9/00 -, a.a.O.).
Nach alledem ist die vorläufige Dienstenthebung des Beamten nicht zu
beanstanden.
Der gemäß §§ 114 ff. ZPO i.V.m. § 166 VwGO zulässige Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe ist gemäß den obigen Ausführungen mangels hinreichender
Aussicht auf Erfolg nicht begründet, so dass der Antrag abzulehnen war.
Als unterliegender Beteiligter hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu
tragen (§ 81 Abs. 4 HGD, § 154 Abs. 1 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 82 Abs. 1 HDG, § 52 Abs. 2 GKG, § 53 Abs.
3 Nr. 2 GKG. Mangels anderer Anhaltspunkte wird der Wert des Streitgegenstands
für das Antragsverfahren auf die Hälfte des gesetzlichen Auffangstreitwertes
festgesetzt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.