Urteil des VG Wiesbaden vom 06.03.2009

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Gericht:
VG Wiesbaden 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 L 763/08.WI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 8 BG HE
(Auswahlverfahren; Berücksichtigung nach Ablauf der
Bewerbungsfrist eingegangener Bewerbung)
Leitsatz
Ist das Auswahlverfahren noch nicht wesentlich fortgeschritten, so gebietet es das
Leistungsprinzip, eine verspätete Bewerbung einzubeziehen
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben,
den Antragsteller vorläufig in das Auswahlverfahren um die Besetzung der
Dienstposten einer/eines "XXX" der Besoldungsgruppe A 12 mit den
Dienstpostennummern 01, 02 und 03 einzubeziehen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.759,09 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Kriminalhauptkommissar (A 11 BBesG) beim
Bundeskriminalamt. Er wendet sich mit dem vorliegenden Eilantrag gegen die
Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen für die Dienstposten einer/eines "XXX"
der Besoldungsgruppe A 12 mit den Dienstpostennummern 01, 02 und 03.
Mit Sonderausgabe der Hausmitteilungen vom 21.12.2007 veröffentlichte das
Bundeskriminalamt im hausinternen Intranet Ausschreibungen von Dienstposten
der Besoldungsgruppe A 12 BBesG, darunter die streitgegenständlichen
Dienstposten. Bewerbungsfrist war der 21.01.2008.
Mit drei Schreiben vom 06.02.2008 bewarb sich der Antragsteller auf die drei
ausgeschriebenen Dienstposten....
Mit Datum vom 21.02.2008 teilte das Bundeskriminalamt dem Antragsteller mit,
seine Bewerbungen auf die drei Dienstposten könnten nicht berücksichtigt werden,
da sie erst nach Ende der Bewerbungsfrist eingereicht worden seien. Gründe für
eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand seien nicht ersichtlich....
Mit Schreiben vom 06.03.2008 legte der Antragsteller gegen dieses Schreiben
Widerspruch ein. Er gehe davon aus, dass es sich um einen Verwaltungsakt
handele....
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2008 wies das Bundeskriminalamt den
Widerspruch als unbegründet zurück....
Am 14.07.2008 hat der Antragsteller Klage erhoben (Az.: 8 K den 767/08) und den
vorliegenden Eilantrag gestellt....
Die Antragsteller beantragt,
1. der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen,
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1. der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen,
die beim Bundeskriminalamt zur Besetzung in der Sonderausgabe dessen
Hausmitteilungen vom 21.12.2007 ausgeschriebenen Dienstposten einer/eines
"XXX" der Besoldungsgruppe A 12 mit den Dienstpostennummern 01, 02 und 03
zu besetzen, bis der Antragsteller am Auswahlverfahren teilgenommen hat
2. der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, den
Antragsteller vorläufig zum Auswahlverfahren zuzulassen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen....
II. Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag zu 2) ist auch begründet.
Dem Antragsteller steht ein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Zurückweisung
der Bewerbung des Antragstellers als verspätet ist rechtswidrig. In Rechtsprechung
und Literatur besteht Einigkeit darüber, dass die Bewerbungsfrist keine
Ausschluss- sondern lediglich eine Ordnungsfrist darstellt (OVG LSA, Beschluss
vom 31.08.1995 - 3 M 19/95 -, ZBR 97, 281,285; OVG Rhld.-Pf., Urteil vom
10.03.1965 - 2 A 77/64 -, DÖV 66, 105; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
24.06.2004 - 6 B 1114/04 - , zitiert nach juris; BAG, Urteil vom 07.09.2004 - 9 AZR
537/03 - BAGE 112, 13ff; Battis, BBG, 3. Aufl. 2004, § 8 RN 7; v.
Roetteken/Rothländer, HBR, § 8 HBG RN 437; Schnellenbach, ZBR 97, 169, 171).
Dem Dienstherrn steht damit bei der Frage, ob er eine verspätete Bewerbung
zulässt oder zurückweist, Ermessen zu. Weder im Ausgangsbescheid vom
21.02.2008 noch im Widerspruchsbescheid vom 19.06.2008 finden sich aber
ausreichende Ermessenserwägungen. Vielmehr wird in beiden Bescheiden nur
darauf abgestellt. dass keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen
Stand vorliegen würden. Im Widerspruchsbescheid wird dies lediglich dahingehend
ergänzt, dass auch kein Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG
bestehe. Tatsächlich ist aber die Frage, ob Umstände vorliegen, die bei der
Versäumung einer gesetzlichen Frist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen
Stand gebieten würden, nur ein Aspekt bei der zu treffenden
Ermessensentscheidung. Welches Gewicht ihr zukommt, ist eine Frage des
Einzelfalles (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 24.06.2004 - 6 B 1114/04 -, zitiert
nach juris). Allein auf diesen Gesichtspunkt abzustellen ist jedenfalls defizitär.
Denn es muss zumindest geprüft werden, welche öffentlichen Belange einer
Berücksichtigung der verspäteten Bewerbung entgegenstehen. Sind solche
Interessen nicht gefährdet, so ist es zur bestmöglichen Verwirklichung des
Leistungsprinzips geboten, die Bewerbung noch einzubeziehen (BAG, Urteil vom
07.09.2004 - 9 AZR 537/03 - BAGE 112, 13ff; v. Roetteken/Rothländer, HBR § 8
HBG RN 437a). Öffentliche Belange, die einer Berücksichtigung der Bewerbungen
des Antragstellers entgegenstehen würden, sind aber vorliegend nicht ersichtlich.
Insbesondere war das Auswahlverfahren zum Zeitpunkt der Bewerbung des
Antragstellers noch nicht weiter fortgeschritten, sodass es durch eine
Einbeziehung dieser Bewerbung nicht zu einer zeitlichen Verzögerung des
Verfahrens gekommen wäre (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 05.04.2002
- 1 B 1133/01 - NVwZ-RR 03, 52ff; Beschluss vom 24.06.2004 - 6 B 1114/04 -,
zitiert nach juris; BAG, Urteil vom 07.09.2004 - 9 AZR 537/03 - BAGE 112, 13ff; ).
Vielmehr lagen zum Zeitpunkt der Bewerbung des Antragstellers noch nicht
einmal die Anlassbeurteilungen für alle übrigen Bewerber vor. Dies war nur bei zwei
Bewerbungen der Fall, in denen auf frühere Anlassbeurteilungen aus 2007
zurückgegriffen werden konnte. Im Fall des Bewerbers F wurde die aktuelle
Anlassbeurteilung sogar erst im Juni 2008 erstellt. Damit ist das Ermessen der
Antragsgegnerin dahingehend reduziert, dass sich nur eine Einbeziehung der
Bewerbungen des Antragstellers als rechtmäßig darstellt.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ohne den
Erlass der begehrten Anordnung stünde zu befürchten, dass die Antragsgegnerin
das Auswahlverfahren ohne Berücksichtigung der Bewerbungen des Antragstellers
zu Ende führen würde und die streitbefangenen höherwertigen Dienstposten
übertragen würde. Damit würde zumindest ein Bewährungsvorsprung für die
ausgewählten Bewerber entstehen.
Einer Tenorierung entsprechend dem Antrag zu 1) bedarf es nicht, denn die
begehrte Anordnung ist zur Sicherung der Rechte des Antragstellers nicht
erforderlich. Mit der tenorierten Anordnung ist sichergestellt, dass die Bewerbung
des Antragstellers im Auswahlverfahren berücksichtigt wird und dem Antragsteller
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des Antragstellers im Auswahlverfahren berücksichtigt wird und dem Antragsteller
das Ergebnis des Auswahlverfahrens mitgeteilt werden wird. Eine Besetzung der
Stellen ohne eine inhaltliche Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers
ist damit ausgeschlossen.
Hierin ist kein teilweises Unterliegen zu sehen, so dass der Antrag nicht im Übrigen
zurückzuweisen ist. Denn es handelt sich um ein einheitliches Begehren auf
Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers im Hinblick auf
die Nichtzulassung der Bewerbung durch die Antragsgegnerin. Ein Anspruch auf
Erlass einer solchen Anordnung besteht. Dabei ist das Gericht in der Tenorierung
frei. Eine vom Antrag abweichende Tenorierung stellt damit kein teilweises
Unterliegen dar.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen, da sie in der Sache
unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs.
1 und Abs. 5 Satz 2 GKG und berücksichtigt neben dem Endgrundgehalt der
Besoldungsgruppe A 12 BBesG die ruhegehaltsfähige Zulage nach Vorbem. 27
Abs. 1 lit. b nach der zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 40 GKG) bekannt
gemachten Besoldungstabelle. Danach errechnet sich ein Betrag von 23.357,56 €
([3.522,25 € + 71,22 €] * 13 / 2). Dieser Betrag ist nach der Rechtsprechung des
Hess. VGH (vgl. Beschluss vom 20.12.2004 - 1 TE 3124/04 - m.w.N.) wegen des
vorläufigen Charakters des Eilverfahrens, des in der Hauptsache bei
Konkurrentenverfahren zu erhebenden Bescheidungsantrags und der
Notwendigkeit der Bewährung vor einer etwaigen Beförderung auf 2/8 zu
reduzieren. Da der Antrag nur auf die Einbeziehung der Bewerbung des
Antragstellers in das Auswahlverfahren gerichtet ist, hat die Kammer dies
nochmals auf 1/8 reduziert. Im Hinblick auf den Umstand, dass der Antragsteller
sich auf drei Dienstposten beworben hat, sind letztendlich 3/8 festzusetzen.
Danach errechnet sich ein Streitwert von 8.759,09 € (23.357,56 * 3 / 8).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.