Urteil des VG Wiesbaden vom 03.09.2008

VG Wiesbaden: bundesamt für migration, aufschiebende wirkung, neue beweismittel, stadt, erlass, flüchtlingseigenschaft, ausländer, asylverfahren, rechtsschutz, aufenthaltserlaubnis

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Gericht:
VG Wiesbaden 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 L 889/08.WI.A
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 26 Abs 4 AsylVfG, § 71 Abs 1
S 1 AsylVfG, § 25 Abs 2
AufenthG, § 51 Abs 1 VwVfG, §
51 Abs 2 VwVfG
Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienasyl im
Folgeverfahren
Leitsatz
Kein Rechtsschutzbedürfnis bei abgelehntem Folgeantrag, wenn sich die ursprünglich
vorhandene Abschiebungsandrohung erledigt hat.
Auch für den Anspruch auf Familienasyl/Familienabschiebeschutz gelten im
Folgeverfahren die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1-3
VwVfG.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I. Der am 00.00.00 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger
kurdischer Volkszugehörigkeit.
Er begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Mitteilung des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG vom
07.08.2008 an die Ausländerbehörde der Stadt XXX. Der Antragsteller reiste nach
dem Inhalt der vorliegenden Akten mit seinen Eltern und weiteren drei
Geschwistern am 07.09.1996 auf dem Landweg über die Türkei in die
Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als
Asylberechtigter. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 13.12.1996 wurde der Asylantrag abgelehnt (Az.:
XXX). Durch Urteil des Verwaltungsgerichts XXX vom 03.04.2003 wurde die
Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) in der Person des Vaters des
Klägers vorliegen. Im Übrigen wurde die Klage als unbegründet abgewiesen (Az.:
XXX). Das Urteil wurde am 10.06.2003 rechtskräftig.
Dem Antragsteller wurde erstmals am 08.09.2003 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt,
die in der Folgezeit als Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG
verlängert wurde, letztmalig bis zum 09.02.2007. Der Antragsteller wurde durch
Urteil des Landgerichts XXX vom 30.11.2007 wegen schwerer räuberischer
Erpressung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt, die er in der JVA XXX
verbüßt. Mit Verfügung der Ausländerbehörde der Stadt XXX vom 28.04.2008
wurde der Antragsteller aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
ausgewiesen. Der diesbezügliche Rechtsstreit ist bei dem Verwaltungsgericht
Wiesbaden unter dem Az.: XXX anhängig. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom
28.05.2008 beantragte der Antragsteller, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß §
26 Abs. 4 AsylVfG zuzuerkennen. Seinem Vater sei aufgrund des Urteils des VG
XXX vom 03.04.2003 die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 51 Abs. 1 AuslG
zuerkannt worden. Daher sei dem Antrag zu entsprechen. Mit Bescheid des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.08.2008 wurde der Antrag auf
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Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.08.2008 wurde der Antrag auf
Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt. Gleichzeitig wurde der
Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 03.01.1997 (richtig wohl: 13.12.1996)
bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG abgelehnt. Auf den Inhalt des
Bescheides wird Bezug genommen (Bl. XXX). Der Bescheid wurde dem
Antragsteller zu Händen seines Bevollmächtigten mit Einschreiben, das am
07.08.2008 zur Post gegeben wurde, zugestellt. Mit anwaltlichem Schriftsatz hat
der Antragsteller am 18.08.2008 bei dem Verwaltungsgericht in XXX Klage gegen
den Bescheid vom 07.08.2008 erhoben. Dieses Verfahren ist unter dem
Aktenzeichen XXX noch anhängig. Am gleichen Tage hat der Antragsteller bei dem
Verwaltungsgericht XXX um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur
Begründung des Antrages wird vorgetragen, der Antragsteller sei der Ansicht, der
Bescheid sei rechtswidrig; ihm stehe Asylrecht zu. Bei einer Rückkehr in sein
Heimatland habe er asylrechtlich relevante Verfolgung zu befürchten. Es handele
sich vorliegend nicht um einen Folgeantrag nach § 71 Abs. 1 AsylVfG, auf den § 51
Abs. 1 bis 3 VwVfG Anwendung finde, sondern um einen Antrag gemäß § 26 Abs. 4
AsylVfG. Ein solcher Antrag sei nicht fristgebunden. Auf eine Entscheidung des VG
XXX vom 12.09.2005 (Az.: XXX) werde Bezug genommen. Der Antragsteller
beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, die Antragsgegnerin
zu verpflichten, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass aus dem
Bescheid vom 03.01.1997 noch nicht vollstreckt werden darf. Die Antragsgegnerin
beantragt, den Antrag abzulehnen. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die
angefochtene Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Klageverfahrens
XXX und der beigezogenen Klageverfahren XXX, XXX und XXX sowie der
vorgelegten Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Az.: XXX)
Bezug genommen.
II. Der gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat insgesamt
keinen Erfolg. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage
gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist mangels Abschiebungsandrohung in dem Bescheid
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.08.2008 unzulässig. Der
weitere Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der zuständigen
Ausländerbehörde mitzuteilen, dass aus dem Bescheid vom 03.01.1997 (gemeint
ist wohl der Bescheid vom 13.12.1996, der mit Anschreiben vom 03.01.1997
übersandt wurde) noch nicht vollstreckt werden darf, wäre als Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO nach entsprechender
Auslegung (§ 88 VwGO) zulässig. Das Begehren des Antragstellers muss
dahingehend ausgelegt werden, dass er die Verpflichtung der Antragsgegnerin
erstrebt, die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG vom 07.08.2008
gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt XXX vorläufig zurückzunehmen, um
auf diesem Weg sein eigentliches Ziel, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen
(vorläufig) verschont zu bleiben, erreichen zu können (VG Münster, Beschluss vom
30.03.1993, Az.: 3 L 88/93.A, AuAs 1993, 143). Nach Rücknahme der Mitteilung
darf die Ausländerbehörde dann Vollstreckungsmaßnahmen nicht vornehmen. Es
fehlt jedoch für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das
Rechtsschutzbedürfnis, weil es vorliegend keine vollziehbare asylrechtliche
Abschiebungsandrohung (mehr) gibt, aus der vollstreckt werden könnte. Der
gestellte Antrag ist daher unzulässig. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis an
den Antragsteller erstmals am 08.09.2003, die in der Folgezeit als
Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG, letztmalig bis zum 09.02.2007,
verlängert wurde, führte zur Erledigung der Abschiebungsandrohung aus dem
Bescheid des Bundesamtes vom 13.12.1996 (BVerwG, Urteil vom 23.10.1979 - 1 C
63.77 - Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 17; GK-AsylVfG, Rdnr. 125 zu § 34 AsylVfG).
Eine neue asylrechtliche Abschiebungsandrohung wurde in dem Bescheid des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.08.2008 nicht erlassen. Die
ausländerrechtlich erlassene Abschiebungsandrohung in der Verfügung der Stadt
XXX vom 28.04.2008 scheidet als "frühere" Abschiebungsandrohung i.S.v. § 71
Abs. 5 Satz 1 AsylVfG, aus der vollstreckt werden könnte, ebenfalls aus (GK-
AsylVfG, Rdnr. 246 zu § 71 AsylVfG). Im Übrigen wäre der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung auch nicht begründet. Denn es bestehen keine
ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge vom 07.08.2008. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist für
den Fall, dass der Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung seines früheren
Asylantrages erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres
Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
bis 3 VwVfG vorliegen. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine Änderung der Sach-
oder Rechtslage eingetreten ist (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen (Nr. 2)
oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3) und wenn die
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oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3) und wenn die
Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung
schlüssig dargelegt wird. Hinzukommen muss dann noch, dass der
Folgeantragsteller, das, was er im Folgeantrag geltend gemacht hat, nicht bereits -
insbesondere durch Rechtsbehelf - hätte im vorigen Asylverfahren vorbringen
können (§ 51 Abs. 2 VwVfG) und, dass der Antragsteller bei den einzelnen
Folgeantragsgründen die dreimonatige Antragsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG
eingehalten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.05.1993 - 9 C 49/92 -, NVwZ 1993,
788). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Antragsteller - wie hier -
Familienasyl bzw. Familienabschiebeschutz nach § 26 Abs. 4 AsylVfG begehrt
(Niedersächsisches OVG, Urteil vom 18.01.2000 - 11 L 4316/99 -; OVG des
Saarlandes, Urteil vom 08.09.2004 - 2 R 25/05 -; zitiert nach Juris). Bei dem von
dem Antragsteller am 28.05.2008 gestellten Antrag handelt es sich um seinen
zweiten Asylantrag, also um einen Folgeantrag. Der vorangegangene Antrag vom
16.09.1996 war durch Bescheid des Bundesamtes vom 13.12.1996 und durch
Urteil des VG XXX vom 04.03.2003 rechtskräftig abgelehnt worden. Im
Folgeantragsverfahren ist grundsätzlich auf den Folgeantrag als
verfahrensleitenden Antrag abzustellen (BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 1 C
10/02 -, InfAuslR 2003, 215; Urteil vom 13.08.1999 - 9 C 92/95 -, BVerwGE 101,
341; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig- Holstein, Beschluss vom
30.01.2006 - 4 LA 72/05 - m.w.N., zitiert nach Juris). Es ist nicht ersichtlich, dass
der Gesetzgeber auch nunmehr volljährige Ausländer, die irgendwann zuvor als
minderjährige Kinder eines politischen Flüchtlings einen Asylantrag gestellt haben,
quasi rückwirkend in den Schutzbereich des § 26 Abs. 4 AsylVfG hat einbeziehen
wollen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.11.2005 - 10 A 11085/05 ). Der
Antragsteller erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AsylVfG, weil
der am 15.01.1987 geborene Antragsteller zum Zeitpunkt der
Folgeantragsstellung am 28.05.2008 mit 19 Jahren bereits volljährig war. Insofern
liegt der vorliegende Fall auch anders als der von dem Bevollmächtigten
angeführte Fall im Verfahren XXX, da die dortige Klägerin im Zeitpunkt der
Asylantragstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Darüber hinaus
fehlt es eindeutig an der Einhaltung der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG.
Die dreimonatige Frist begann vorliegend, nachdem der Vater des Klägers vom
Urteil des VG XXX vom 04.03.2003 erfuhr, denn der Antragsteller stützt seinen
Folgeantrag darauf, dass bei seinem Vater ein Abschiebungsverbot nach § 51 Abs.
1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) festgestellt worden ist. Das Urteil wurde dem
Bevollmächtigten des Vaters am 21.05.2003 zugestellt, so dass dieser Ende Mai /
Anfang Juli 2003 davon Kenntnis erhielt. Der mit Schreiben vom 28.05.2008
gestellte Folgeantrag ging deutlich nach Fristablauf beim Bundesamt ein; auch die
Fristen für eine mögliche Wiedereinsetzung (§ 32 VwVfG) sind längst verstrichen.
Darüber hinaus sind sonstige Gründe für das Wiederaufgreifen des Verfahrens
weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und das Vorliegen
von Abschiebungsverboten i.S.d. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu Recht abgelehnt
hat (§ 71 Abs. 1 AsylVfG). Der Antragsteller hat als unterliegender Beteiligter die
Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Das Verfahren ist
gemäß § 83 b AsylVfG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.