Urteil des VG Wiesbaden vom 12.08.2010

VG Wiesbaden: verfügung, grundsatz der freien beweiswürdigung, firma, beamtenverhältnis, anweisung, neurotische fehlentwicklung, vorläufige dienstenthebung, genehmigung, unverzüglich

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Gericht:
VG Wiesbaden 28.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
28 K 916/09.WI.D
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 BBesG, § 62 DG HE, Art 6
Abs 1 MRK, § 86 Abs 1 S 1 BG
HE, § 61 DG HE
Umfang der Bindungswirkung des § 62 Abs. 1 S. 1 HDG.
Voraussetzungen der Lösung von der Bindungswirkung
nach § 62 Abs. 1 S. 2 HDG.
Unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst.
Leitsatz
1. Ein Beamter, der nahezu neun Jahre unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, ist
regelmäßig aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
2. Das Disziplinargericht kann nur unter engen Voraussetzungen von der Entscheidung
des berufenen Gerichts, dass die Voraussetzungen des § 9 BBesG vorliegen,
abweichen.
Tenor
1. Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner
darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kostengläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der am 15.07.1959 geborene Beklagte lebt seit 20.12.2002 in zweiter Ehe, aus der
am 23.04.2009 eine Tochter hervorgegangen ist.
Nach Realschulabschluss am 15.07.1977 war der Beklagte zunächst kurze Zeit
ohne Beschäftigung bzw. als Aushilfskraft tätig. Mit Urkunde vom 15.08.1977
wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum
Polizeiwachtmeister ernannt und trat am 03.10.1977 seinen Dienst bei der V.
Hessischen Bereitschaftspolizeiabteilung in Kassel an. Nach am 30.09.1978
abgelegter Abschlussprüfung der Grundausbildung im Polizeianwärter-Lehrgang
(Gesamtnote "befriedigend") wurde er zur III. Hessischen
Bereitschaftspolizeiabteilung in Mühlheim versetzt und am 01.10.1979 zum
Polizeioberwachtmeister ernannt. Am 21.03.1980 legte er die Laufbahnprüfung für
den Mittleren Polizeivollzugsdienst ab (Gesamtnote "befriedigend"). Es folgte mit
Wirkung vom 25.03.1980 die Versetzung zur IV. Hessischen
Bereitschaftspolizeiabteilung in Hanau und am 01.04.1980 die Ernennung zum
Polizeihauptwachtmeister. Am 01.10.1980 wurde er zum Polizeipräsidium Frankfurt
am Main versetzt. Mit Urkunde vom 20.10.1980 wurde er zum Polizeimeister
ernannt und am 01.11.1980 zum Landrat des Hochtaunuskreises, Polizeistation
Oberursel, versetzt. Nach der Abordnung zum Hessischen Landeskriminalamt mit
Wirkung vom 01.10.1984 und dann zum Polizeipräsidium Frankfurt am Main
erfolgte zum 01.09.1985 die Versetzung zu dieser Behörde. Mit Urkunde vom
16.10.1985 wurde er zum Polizeiobermeister, Besoldungsgruppe A 8, ernannt (PA,
UA-B, Bl. 128) und ihm nach Teilnahme an dem 40. Kriminalübernahmelehrgang
mit Wirkung vom 10.03.1986 das Amt eines Kriminalobermeisters übertragen. Mit
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mit Wirkung vom 10.03.1986 das Amt eines Kriminalobermeisters übertragen. Mit
Urkunde vom 01.07.1986 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit
berufen (PA, UA-B, Bl. 141). Zum 01.10.1987 erfolgte die Ernennung zum
Kriminalhauptmeister und die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe
A 9 (PA, UA-B, Bl. 159).
Im November 1987 zog sich der Beklagte bei einem außerdienstlichen Unfall eine
Trümmerfraktur des 5. Mittelhandknochens der rechten Hand zu. Ab diesem
Zeitpunkt blieb der Beamte dem Dienst fast ununterbrochen krankheitsbedingt
fern, wobei er regelmäßig privatärztliche Atteste und Folgeatteste, die seine
Arbeitsunfähigkeit bescheinigen, vorlegte.
Mit Verfügung vom 13.12.1988 stellte der ärztliche Dienst des Klägers durch
Medizinaloberrat D. fest, dass der Beamte in der Zeit vom 13.12.1988 bis
31.03.1989 eingeschränkt dienstfähig sei und nur Innendienstfähigkeit bestehe
(UA 1, Bl. 214/1). Nachdem der Beamte eine privatärztliche
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes E. vom 15.12.1988 für den Zeitraum
13.12. bis 23.12.1988, die durch Folgeatteste verlängert wurde, vorgelegt hatte,
teilte der Polizeipräsident in Frankfurt dem Beamten mit Schreiben vom
20.12.1988 mit, dass die Frage der Dienstfähigkeit vorrangig von einem
beamteten Arzt zu entscheiden sei. Deshalb ergehe an den Beamten die
Anweisung, den Dienst unverzüglich aufzunehmen oder sich beim Ärztlichen
Dienst vorzustellen (UA 1, Bl. 214/6). Ausweislich eines Attestes des Ärztlichen
Dienstes vom 28.12.1988 hat sich der Beamte am selben Tag dort vorgestellt. Es
sei ihm mitgeteilt worden, dass wesentliche Krankheiten nicht mehr bestünden,
weshalb erwartet werde, dass er zu Beginn des Jahres 1989 den Dienst antrete. Bis
zum 31.03.1989 solle er im Innendienst verwendet werden (UA 1, Bl. 214/12).
Ausweislich eines bei den Akten befindlichen Vermerks hat der Beamte am
01.01.1989 bei seiner Dienststelle angerufen und mitgeteilt, dass er krank sei und
nach Aufsuchen eines Arztes ein Attest nachreichen werde (UA 1, Bl. 214/13). Ein
am 02.02.1989 ausgestelltes Folgeattest des Arztes E. bescheinigte die weiter
bestehende Arbeitsunfähigkeit bis 13.01.1989 (UA 1, Bl. 220).
Mit Verfügung vom 03.01.1989 wies der Kläger darauf hin, dass die Vorlage einer
von einem Privatarzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Nachweis
einer Dienstunfähigkeit nicht anerkannt werde. Es erfolgte ferner die Anweisung,
bei allen künftigen Erkrankungen unverzüglich den Ärztlichen Dienst aufzusuchen.
Werde ihm dort mitgeteilt, dass er dienstfähig oder beschränkt dienstfähig sei,
habe er unverzüglich den Dienst anzutreten. Sofern den Anweisungen keine Folge
geleistet werde, werde der Verlust der Dienstbezüge festgestellt und ein
Disziplinarverfahren eingeleitet (UA 1, Bl. 214 f.).
In der Folgezeit legte der Beamte weitere privatärztliche
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschiedener Ärzte vor. Es folgte eine
Vorstellung beim Ärztlichen Dienst u.a. am 23.03.1989. Ausweislich eines
Vermerks vom 23.03.1989 meldete Medizinaloberrat D. den Beamten wegen
depressiver Stimmung zur Untersuchung bei Frau Dr. E. an und vermerkte, bis
zum Eintreffen des Gutachtens sei der Beamte im Bereich des Tagesdienstes und
Innendienstes einzusetzen (UA 1, Bl. 122).
Mit Verfügung vom 21.04.1989 stellte der Kläger den Verlust der Dienstbezüge
vom 03.04.1989 bis auf weiteres fest. Der Beamte habe sich am 02.01.1989
telefonisch krank gemeldet und privatärztliche Atteste vorgelegt, die seine
Arbeitsunfähigkeit bescheinigten. Diesen Attesten komme angesichts der
Feststellung des Ärztlichen Dienstes keine Bedeutung zu, weshalb davon
auszugehen sei, dass der Beamte schuldhaft unerlaubt dem Dienst ferngeblieben
sei.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 05.05.1989 bestritt der Beamte, vom
Untersuchungsergebnis am 23.03.1989 durch D. informiert worden zu sein. Mit
Verfügung vom 16.05.1989 hob der Kläger daraufhin den Bescheid vom
21.04.1989 auf, da nicht mit Sicherheit nachzuweisen sei, dass der Beamte vom
Untersuchungsergebnis in Kenntnis gesetzt worden sei.
Mit Schreiben vom 10.05.1989, zugestellt am 11.05.1989, wurde der Beamte
unter Hinweis auf das Untersuchungsergebnis vom 23.03.1989 erneut zum
Dienstantritt aufgefordert und ihm mitgeteilt, dass die Vorlage von privatärztlichen
Attesten nicht anerkannt werde. Der Beamte reichte weiter privatärztliche Atteste
ein. Mit Verfügung vom 30.05.1989 stellte der Kläger den Verlust der
Dienstbezüge für die Zeit vom 12.05.1989 bis auf weiteres fest.
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Den hiergegen gerichteten Antrag auf Entscheidung der Disziplinarkammer nach §
112 HDO hat die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt mit
Beschluss vom 23.05.1990 (DK 18/89, s. UA 1, Bl. 154ff) abgelehnt, weil bei dem
Beamten ein ungenehmigtes und nicht durch Krankheit gerechtfertigtes
schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst vorliege. Der Beamte sei mit Schreiben vom
10.05.1989 über den Befund des Ärztlichen Dienstes unterrichtet und aufgefordert
worden, seinen Dienst wiederaufzunehmen. Entgegen der Auffassung des
Beamten komme dieser polizeiärztlichen Begutachtung und nicht den von ihm
vorgelegten privatärztlichen Attesten die entscheidende Bedeutung zu. Die
Beschwerde hiergegen hat der Disziplinarhof beim Hessischen
Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 24.08.1993 (DH 3117/90, s. UA 1, Bl.
297ff) zurückgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf die Gründe der
Disziplinarkammer bezogen (UA 1, Bl. 207ff).
Mit Verfügung vom 16.05.1989 leitete der Kläger disziplinarrechtliche
Vorermittlungen nach § 22 Abs. 1 HDO gegen den Beamten wegen des Verdachts
unerlaubter Nebentätigkeit (UA 1, Bl. 1) ein. Die disziplinarrechtlichen
Vorermittlungen wurden mit Verfügung vom 30.05.1989 erweitert auf den Vorwurf,
ab dem 12.05.1989 schuldhaft dem Dienst ferngeblieben zu sein (UA 1, Bl. 6). Mit
Verfügung vom 23.01.1990 wurden die Ermittlungen erstreckt auf ein
strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gefährdung des
Straßenverkehrs sowie auf weitere Sachverhalte (UA 1, Bl. 21).
Mit Verfügung vom 13.12.1990 erfolgte die Einleitung eines förmlichen
Disziplinarverfahrens gegen den Beamten (UA 1, Bl. 60) und die Bestellung von
EKHK Bachmann zum Untersuchungsführer sowie von Lt. Regierungsdirektor G.
zum Vertreter der Einleitungsbehörde. Zugleich wurde das Verfahren gemäß § 14
Abs. 2 HDO bis zum Abschluss anhängiger strafrechtlicher Ermittlungsverfahren
ausgesetzt.
Der Untersuchungsführer setzte mehrere Anhörungstermine fest, die der Beamte
mit dem Hinweis auf gesundheitliche Gründe nicht wahrnahm (UA 2, Bl. 360).
Unter dem 30.08.1995 legte der Untersuchungsführer einen Schlussbericht vor
(UA 2, Bl. 376).
Am 01.04.1998 meldete sich der Beklagte zum Dienst und teilte mit, dass seine
Verletzung an der Hand ausgeheilt sei (UA 1, Bl. 213). Mit Verfügung vom
06.04.1998 hob der Kläger die Verfügung vom 30.05.1989, mit der der Verlust der
Dienstbezüge vom 12.05.1998 bis auf weiteres festgestellt worden war, mit
Wirkung vom 01.04.1998 auf, da der Beamte den Dienst angetreten habe (UA 1,
Bl. 214). Mit weiterer Verfügung vom 06.04.1998 wurde die vorläufige
Dienstenthebung gemäß § 83 HDO angeordnet (UA 2, Bl. 17ff). Den dagegen
gerichteten Antrag des Beamten nach § 87 Abs. 2 HDO lehnte die
Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht Frankfurt mit Beschluss vom
15.10.1998 ab (Az.: 20 DK 3/98(V); UA 2, Bl. 69). Die Anordnung der Einbehaltung
von 25 % der monatlichen Dienstbezüge gemäß § 84 HDO erfolgte mit Verfügung
vom 15.05.1998 (UA 2, Bl. 50).
Mit Verfügungen vom 06.04.1998 und 15.05.1998 wurde die Untersuchung auf
weitere Vorwürfe erstreckt (UA 2, Bl. 17, 41).
Nach Eintritt von EKHK H. in den Ruhestand wurde EKHK I. am 11.06.2003 zum
Untersuchungsführer bestellt. Dieser hat seinen zusammenfassenden Bericht am
27.06.2005 vorgelegt.
Mit Schreiben vom 14.05.2008 wurde dem Beklagten das wesentliche Ergebnis der
Ermittlungen gemäß § 34 Abs. 1 HDG bekanntgegeben. Der Beklagte äußerte sich
mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 16.06.2008 abschließend.
Bereits mit Schreiben vom 09.11.1989 hatte der Beamte seine Versetzung in den
Ruhestand gemäß § 193 HBG beantragt. Nach Vorstellung beim Ärztlichen Dienst
wurde der Antrag mit Bescheid vom 22.11.1991 abgelehnt (UA 1, 295/3). Gegen
diesen Bescheid hat der Beklagte Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt
erhoben (3 E 319/91). Im Einverständnis mit den Beteiligten hat das
Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31.03.1996 das Ruhen dieses Verfahrens
bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens angeordnet.
Durch Bescheid des Versorgungsamtes Fulda vom 20.01.1993 wurde bei dem
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Durch Bescheid des Versorgungsamtes Fulda vom 20.01.1993 wurde bei dem
Beamten mit Wirkung für das Kalenderjahr 1992 eine Schwerbehinderung von 30
GdB anerkannt, die mit Bescheid vom 25.02.2008 auf 50 GdB erhöht wurde.
Mit Schriftsatz vom 23.07.2009 hat der Kläger Disziplinarklage erhoben und dem
Beamten ein schwerwiegendes Dienstvergehen durch folgende Pflichtverletzungen
vorgeworfen:
1. Ausübung einer Nebentätigkeit in nicht genehmigtem Umfang
Mit Bescheid vom 01.12.1986 (UA 1, Bl. 74) sei dem Beklagten die Genehmigung
erteilt worden, seine damalige Verlobte bei deren freiberuflichen Tätigkeit in der
Versicherungsbranche zu unterstützen, gleichzeitig sei er aufgefordert worden,
eine Änderung der Bedingungen seiner Tätigkeit umgehend mitzuteilen. Die
Genehmigung sei aufgrund der Angaben des Beklagten (s. UA 1, Bl.73) erfolgt,
wonach seine Verlobte die freiberufliche Tätigkeit seit dem 13.08.1986 für die J.-
Versicherung ausübe, die wöchentliche Stundenarbeitszeit zwischen drei und fünf
Stunden liege und er einen Stundenlohn von 12,- DM vereinbart habe. Bereits mit
früherem Bescheid vom 27.08.1985 (UA 1, Bl. 72) sei eine entsprechende
Genehmigung aufgrund der Angaben des Beamten erteilt worden. Am 20.03.1989
sei der Beklagte von POK K. und POM L. in den Geschäftsräumen der Firma M. in
B-Stadt, die sich mit dem Vertrieb von Immobilien sowie Fondanteilen an privaten
und gewerblichen Objekten beschäftige, angetroffen worden. Auf die Nachfrage der
Polizeibeamten nach dem Beklagten habe ein Bediensteter der Firma mit der
Hand auf diesen gezeigt und gesagt: "Da ist ja der Chef, jetzt können Sie ihn gleich
sprechen." Es stehe fest, dass der Beklagte in der genannten Firma seit 1988
gearbeitet und faktisch die geschäftliche Leitung inne gehabt habe. Auf einer
Visitenkarte habe er sich als "Selbständiger Kaufmann" bezeichnet und als
geschäftliche Adresse den Firmensitz der Firma M. angegeben (s. UA 1, Bl. 115).
Die gegenteilige Einlassung des Beklagten sei durch im Rahmen eines
Ermittlungsverfahrens sichergestellte Schriftstücke sowie die Aussagen von
Mitarbeitern der Firma M. widerlegt.
Darüber hinaus sei der Beamte ausweislich einer anderen Visitenkarte als
Gesellschafter bei der Firma N. aktiv tätig geworden (s. UA 1, Bl. 120). Ferner habe
er mit der Firma O. einen Kooperationsvertrag am 17.11.1989 geschlossen, in
dem er sich verpflichtet habe, als selbständige Agentur die von dort zur Verfügung
gestellten Projekte der Partnergesellschaften zu vertreiben. Die tatsächliche
Ausübung dieser Tätigkeit sei durch die Provisionsforderung des Beamten vom
27.11.1989 in Höhe von 1.567,56 DM belegt.
Der Beamte habe zu keinem Zeitpunkt eine Genehmigung für die Ausübung
dieser Nebentätigkeiten beantragt, diese seien auch nicht mit dem Bescheid vom
01.12.1986 umfasst gewesen. Durch die Ausübung der nicht genehmigten
Nebentätigkeiten habe er ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG
begangen. In seinem Verhalten liege zugleich ein Verstoß gegen die ihm
obliegende Hingabepflicht nach § 34 Satz 1 BeamtStG. Durch die Nichteinholung
der Genehmigung habe er zudem schuldhaft gegen seine Pflicht zur Befolgung
gesetzlicher Anordnungen und damit zu vertrauenswürdigem Verhalten gemäß §
34 Satz 3 i.V.m. § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen.
2. Nichtbefolgen der Anweisung vom 03.01.1989 zur Vorstellung beim Ärztlichen
Dienst
Der Beklagte habe gegen die Anweisung mit Verfügung vom 03.01.1989
verstoßen, sich bei allen künftigen Erkrankungen unverzüglich beim Ärztlichen
Dienst des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main zur Prüfung seiner Dienstfähigkeit
vorzustellen, da er in der Folge lediglich privatärztliche Atteste zur Entschuldigung
seines Fehlens vorlegt habe und deshalb mit Schreiben vom 14.02. und
20.03.1989 erneut an seine Verpflichtung habe erinnert werden müssen. Auch
nach der Untersuchung am 23.03.1989 habe er lediglich privatärztliche
Bescheinigungen vorgelegt. Beim Ärztlichen Dienst habe er sich erst wieder am
19.02.1990 anlässlich einer entsprechenden Aufforderung zu seinem Antrag auf
Versetzung in den Ruhestand vorgestellt.
Durch das geschilderte Verhalten habe der Beklagte die ihm obliegende
Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG i.V.m. der Anweisung vom
03.01.1989 verletzt.
3. Schuldhaftes unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst in der Zeit vom 12.05.1989
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3. Schuldhaftes unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst in der Zeit vom 12.05.1989
bis 31.03.1998
Trotz der mit Schreiben vom 10.05.1989 erfolgten Anweisung, sich unverzüglich
zum Dienstantritt zu melden, habe er seinen Dienst nicht angetreten, sondern
vielmehr weiterhin privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt.
Bereits in der Stellungnahme von Medizinaloberrat D. vom 23.03.1989 sei aber die
Innendienstfähigkeit festgestellt worden. Auch die von Herrn D. beauftragte Frau F.
habe mit Gutachten vom 22.12.1989, nach einer ambulanten Untersuchung des
Beklagten am 21.05.1989, bescheinigt, dass bei dem Beamten zwar eine reaktive
depressive Verstimmung vorliege, die Polizeidienstfähigkeit des Beamten aber
nicht beeinträchtigt sei (UA 1, Bl. 137, 143). Auch in den anlässlich seines Antrags
auf Versetzung in den Ruhestand durchgeführten polizeiärztlichen
Untersuchungen durch D. am 20.02.1990 (UA 1, Bl. 260) und am 11.11.1991 (UA
1, Bl. 204a) sei erneut die Innendienstfähigkeit bescheinigt worden. Auch das
eingeholte Gutachten des P. vom 21.10.1993 (UA 1, 295a) habe ergeben, dass
der Beklagte zwar aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur mit der Neigung zu
psychosomatischen Beschwerden und seiner (seinerzeitigen) neurotischen
Entwicklung polizeidienstunfähig sei, sehr wohl aber fähig sei, Innendienst zu
verrichten. Schließlich habe Medizinaloberrat Q. in Kenntnis dieses Gutachtens am
27.10.1993 die Polizeidienstfähigkeit des Beklagten bescheinigt und die
Wiedereingliederung durch eine kurzfristige Versetzung in den Innendienst
angeregt (UA 1, Bl. 295k).
Der Beklagte könne sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf die Stellungnahmen
des Oberarztes des R-Krankenhauses in Kassel, Dr. S., vom 05.10.1990 (UA 1, Bl.
195) sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 18.04.1991 und
vom 20.01.1992 (UA 1, Bl. 193) berufen. Dr. S. habe ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass die Frage, welche Konsequenzen der festgestellten
Beeinträchtigung in beruflicher Hinsicht sich ergeben, vom Polizeiarzt entschieden
werden müsse. Soweit Dr. T. Beeinträchtigungen festgestellt habe, seien diese bei
einem Einsatz im Innendienst gerade nicht relevant.
Auch die fortlaufend vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von
Privatärzten (Herr E., Dr. T.) bzw. von dem Kreiskrankenhaus B-Stadt führten zu
keinem anderen Ergebnis. Diese Bescheinigungen ließen nicht erkennen, aus
welchen Gründen der Beklagte in vollem Umfang dienstunfähig gewesen sein
sollte. Davon abgesehen, sei ein Beamter nach einer Bescheinigung des Ärztlichen
Dienstes des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main, uneingeschränkt oder
eingeschränkt Dienst versehen zu können, verpflichtet, unverzüglich seinen Dienst
anzutreten, auch wenn die Beurteilung des Ärztlichen Dienstes nicht mit einem
privat- bzw. fachärztlichen Gutachten in Einklang stehe. Deshalb sei den
Stellungnahmen der Polizeiärzte Dr. D. und Dr. Q., in denen die
Innendienstfähigkeit des Beklagten bejaht worden sei, maßgebliche Bedeutung
beizumessen.
Durch das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst habe der Beklagte gegen die ihm
gemäß § 86 Abs. 1 HBG obliegende Dienstpflicht verstoßen. In diesem Verhalten
liege zugleich eine Verletzung der Hingabepflicht nach § 34 Satz 1 BeamtStG. Da
der Beklagte ab dem 12.05.1989 zumindest innendienstfähig war und den Dienst
in der Folgezeit nicht angetreten habe, sei er diesem bis zum 31.03.1998
pflichtwidrig ferngeblieben. Dieses Fernbleiben sei auch schuldhaft gewesen.
Insbesondere könne sich der Beamte nicht darauf berufen, dass er infolge der von
ihm vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sich für dienstunfähig
gehalten habe. Diesen Irrtum hätte er bei gehöriger Sorgfalt vermeiden können.
Auf einen unvermeidbaren Irrtum über die eigene Dienstunfähigkeit, der
schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst ausschließe, könne sich der Beamte nur
berufen, wenn eine fundierte anders lautende ärztliche Auffassung zu seiner
Krankheit vorliege, wenn seit der amts- oder polizeiärztlichen Untersuchung eine
akute Erkrankung eingetreten sei oder wenn sich ein bestehendes Leiden
nachträglich verschlechtert habe. Ein solcher Ausnahmefall liege hier jedoch nicht
vor.
Schließlich sei die Rechtmäßigkeit des Verlustes der Dienstbezüge durch die
Disziplinargerichte für den o.g. Zeitraum festgestellt worden. Diese Feststellungen
seien im Verfahren verbindlich, weshalb feststehe, dass ein schuldhaftes
Fernbleiben vom Dienst vorgelegen habe. Der Beamte sei diesen Feststellungen
im Rahmen des Disziplinarverfahrens nicht substantiiert mit neuen Aspekten
entgegengetreten. Da somit kein neuer Sachverhalt zu beurteilen sei, greife die
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entgegengetreten. Da somit kein neuer Sachverhalt zu beurteilen sei, greife die
Bindungswirkung des § 26 Abs. 1 HDG ein.
Der Beamte sei bis zum Dienstantritt am 01.04.1998 ohne Genehmigung dem
Dienst schuldhaft ferngeblieben und habe damit im Kernbereich seiner Pflichten
versagt. Das Gebot, zum Dienst zu erscheinen, sei nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Grundpflicht eines jeden
Beamten. Verweigere der Beamte für einen längeren Zeitraum den Dienst, könne
sich die Notwendigkeit ergeben, das Beamtenverhältnis einseitig zu lösen, zumal
das Erfordernis der Dienstleistung für jeden Beamten leicht einsehbar sei. Der
Beamte sei fast neun Jahre dem Dienst schuldhaft unentschuldigt ferngeblieben.
4. Fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung am 31.10.1989 (Urteil des
Amtsgerichts B-Stadt)
Durch Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 22.03.1990 sei der Beamte wegen
fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 35
Tagessätzen zu je 80,- DM (Az.: 105 Js 13211/4/89/3 Ds, UA 1, Bl. 324ff) verurteilt
worden. Außerdem sei die Fahrerlaubnis eingezogen und die Verwaltungsbehörde
angewiesen worden, dem Beamten vor Ablauf von noch fünf Monaten und einer
Woche keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Nach den tatsächlichen
Feststellungen des Urteils, die im vorliegenden Disziplinarverfahren gemäß § 26
Abs. 1 HDG ohne nochmalige Prüfung zugrunde zu legen seien, habe der Beamte
am 31.10.1989 am Straßenverkehr teilgenommen, obwohl er aufgrund einer
Blutalkoholkonzentration von 1,50 Promille absolut fahruntauglich gewesen sei. Er
sei alkoholbedingt auf die linke Fahrbahn geraten und nur durch Bremsen und
Ausweichen habe der Zeuge U. einen folgenschweren Verkehrsunfall abwenden
können.
Das Verhalten stelle einen schuldhaften Verstoß gegen die dem Beamten nach §
34 Satz 3 BeamtStG obliegende Wohlverhaltenspflicht dar. Danach habe sich der
Beamte inner- und außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er der Achtung
und dem Vertrauen gerecht werde, wie es sein Beruf erfordere. Gerade von einem
Polizeibeamten werde erwartet, dass er sich im Straßenverkehr vorbildlich
verhalte. Eine außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Polizeivollzugsbeamten sei
in der Regel geeignet, das Ansehen des Beamtentums im Allgemeinen und das
der Polizei im Besonderen zu beeinträchtigen.
5. Nichtbefolgen der Anweisung vom 05.04.1990 zur Begutachtung in den
Städtischen Kliniken Kassel
Mit Schreiben vom 06.12.1989 sei der Beklagte darauf hingewiesen worden, dass
zur Überprüfung seiner Polizeidienstfähigkeit die Einholung eines neurologisch-
psychologischen Gutachtens für erforderlich gehalten werde und dieses durch
Herrn Dr. V., Ltd. Arzt des Psychiatrischen Krankenhauses Kassel, erstellt werden
solle. Der Beamte habe durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom 07.02. und
01.03.1990 (UA 1, Bl. 335f) mitteilen lassen, dass er mit Herrn Dr. V. als
Sachverständigem nicht einverstanden sei, da er zu diesem kein
Vertrauensverhältnis aufbauen könne. Mangels nachvollziehbaren Gründen für
diese Ablehnung sei er mit Schreiben vom 05.04.1990 (UA 1, Bl. 340) angewiesen
worden, sich entweder in der Zeit vom 24. bis 27.04. oder vom 02. bis 05.05.1990
im Rahmen eines stationären Aufenthaltes in der Klinik für Psychiatrie der
Städtischen Kliniken Kassel von Dr. V. begutachten zu lassen. Dieser Weisung sei
der Beklagte nicht nachgekommen. Durch dieses Verhalten habe er die ihm
obliegende Gehorsamspflicht gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG verletzt.
6. Nicht- bzw. verspätete Rückgabe von Ausrüstungsgegenständen
Der Beklagte sei mit Schreiben vom 09.04.1996 aufgefordert worden,
verschiedene Ausrüstungsgegenstände unverzüglich zurückzugeben (eine
Dienstmarke Nr. 1.749, 16 Schuss Munition, eine Magazintasche, einen
Polizeistock, eine Taschenlampe, ein Reinigungsgerät, einen Patronenbehälter).
Auch einer erneuten Aufforderung habe er nicht Folge geleistet, so dass er mit
Schreiben vom 06.02.1998 unter Androhung der Heranziehung zum
Schadensersatz erneut zur Rückgabe habe aufgefordert werden müssen. Am
03.04.1998 habe er seine Dienstmarke, eine Taschenlampe und einen
Patronenbehälter sowie 16 Schuss Munition zurückgegeben. Nach erneuter
Mahnung seien die letzten Gegenstände erst am 29.04.1998 auf dem Postwege
bei der Behörde eingegangen.
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Durch das geschilderte Verhalten liege ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht
gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG und ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht
gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG vor.
7. Begehen eines Vollrauschverkehrsdeliktes (Urteil des Amtsgerichts Usingen)
Durch Urteil des Amtsgerichts Usingen vom 30.09.1998 (UA 2, Bl. 112) sei der
Beklagte wegen fahrlässigen Vollrausches gemäß § 323a StGB zu einer Geldstrafe
von 60 Tagessätzen zu je 40,- DM verurteilt worden. Die dagegen eingelegte
Berufung sei verworfen worden (UA 2, Bl. 114), die dagegen gerichtete Revision sei
durch Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main als unbegründet
verworfen worden (UA 2, Bl. 124).
Nach den gemäß § 26 Abs. 1 HDG für das vorliegende Verfahren bindenden
Feststellungen habe der Beklagte am 03.04.1997 vor 20.30 Uhr alkoholische
Getränke in großen Mengen zu sich genommen und sei mit einem Pkw die
Bundesstraße 275 aus Richtung Ziegenhain in Richtung Usingen gefahren. Die
Blutalkoholkonzentration habe zu diesem Zeitpunkt 3,32 Promille betragen. Es sei
zu einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Zeugen W. gekommen. Nach
dem Zusammenstoß sei der Beamte weitergefahren und habe versucht zu fliehen.
Der Sachverhalt stelle einen schuldhaften Verstoß gegen die ihm nach § 34 Satz 3
BeamtStG obliegende Wohlverhaltenspflicht dar. Gerade von einem
Polizeibeamten werde erwartet, dass er sich im Straßenverkehr vorbildlich
verhalte. Die Trunkenheitsfahrt auf einer belebten Hauptverkehrsstraße berge ein
besonderes Gefährdungspotential. Das Verhalten sei geeignet, das Ansehen des
Beamtentums im Allgemeinen und das der Polizei in besonderem Maße zu
beeinträchtigen. Angebliche private Probleme des Beamten seien nicht geeignet,
das Fehlverhalten zu entschuldigen.
8. Alkohol im Dienst am 03.04.1998
Bei seinem Dienstantritt am 03.04.1998 sei starker Alkoholgeruch bei ihm
festgestellt worden. Zu einer Feststellung der Dienstfähigkeit durch Entnahme
einer Blutprobe sei es nicht gekommen, weil sich der Beklagte losgerissen habe
und geflüchtet sei.
Der Beklagte habe durch dieses Verhalten gegen die ihm obliegende Pflicht
gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Außerdem liege ein Verstoß gegen die
ihm obliegende Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG i.V.m. der
Verfügung vom 02.03.1989 betreffend das Verbot von Alkohol im Dienst vor.
Weiter habe er damit gegen seine ihm gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG obliegende
Wohlverhaltenspflicht verstoßen.
Aufgrund der Vielzahl und Schwere der festgestellten Verstöße, insbesondere im
Hinblick auf das schuldhaft unerlaubte Fernbleiben vom Dienst über einen
Zeitraum von fast neun Jahren, sei das Vertrauensverhältnis zu dem Beamten
nachhaltig zerstört. Der Beamte habe durch das schuldhaft unerlaubte
Fernbleiben vom Dienst im Kernbereich seiner Pflichten versagt und sei für den
öffentlichen Dienst insgesamt nicht mehr zumutbar.
Der Kläger beantragt,
den Beamten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass er sich keines Dienstvergehens schuldig
gemacht habe, das eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertige.
Hintergrund der nunmehr 20 Jahre zurückliegenden Verurteilung durch das
Amtsgericht B-Stadt wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs sei der
durch äußere Lebensumstände verursachte zunehmende Alkoholmissbrauch des
Beamten gewesen. Vorausgegangen sei die Scheidung der Eltern. Er habe eine
sehr enge Beziehung zu seinen Eltern gepflegt, so dass ihm dieses Ereignis sehr
nahe gegangen sei. Hinzu gekommen sei die sich zuspitzende
Auseinandersetzung mit dem Dienstherrn über die Frage der Dienstfähigkeit.
Dieses Bündel von psychischen Belastungen habe schließlich zu einem
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Dieses Bündel von psychischen Belastungen habe schließlich zu einem
vermehrten Alkoholmissbrauch geführt. Insoweit werde auch auf die Feststellungen
des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. verwiesen.
Auch den inzwischen 12 Jahre zurückliegenden Vorfall, der zur Verurteilung durch
das Amtsgericht Usingen wegen fahrlässigen Vollrausches führte, bedauere er. Es
sei jedoch zu berücksichtigen, dass er aufgrund äußerer Umstände in seiner
Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Im Jahr 1995 sei seine erste
Ehefrau nach längeren und anhaltenden Auseinandersetzungen aus dem
gemeinsamen Haus ausgezogen, es sei kurz darauf zu mehreren
Versöhnungsversuchen gekommen, die jedoch im April 1997 endgültig gescheitert
seien. Unmittelbar danach habe er sich wiederum dem Alkohol hingegeben, so
dass es zu dem Vollrauschvorfall gekommen sei.
Zu diesem Zeitpunkt sei es zudem so gewesen, dass die Firma N., deren
Gesellschafter er war, seit 1993 auf Provisionserlöse in Höhe von 173.913,04 DM
gewartet habe. Wegen dieser wirtschaftlichen Schieflage der Firma N. habe er sein
privates Anwesen mit Grundschulden belastet, um Kapital für die Erhaltung der
GmbH zu erhalten. Die Firma sei schließlich im Jahr 1996 insolvent geworden, so
dass die Zwangsversteigerung des privaten Hauses des Beamten betrieben
worden sei. Auch diese Situation habe ihn zunehmend belastet und zu dem
vermehrten Alkoholmissbrauch geführt.
Zudem sei der Vater des Beamten seit dem Jahr 1996 schwer erkrankt und sein
gesundheitlicher Zustand habe sich fortlaufend verschlechtert, schließlich sei er
am 16.05.1998 verstorben. Er habe eine sehr enge Beziehung zu seinem Vater
gepflegt, deshalb habe auch diese Entwicklung äußerst belastend auf ihn gewirkt
und zu dem vermehrten Alkoholkonsum beigetragen.
Dieses Zusammentreffen von belastenden Ereignissen habe schließlich
maßgeblich dazu beigetragen, dass er den Alkoholmissbrauch intensiviert und
schließlich die Straftaten begangen habe.
Im Juni 1999 habe er eine neue Partnerschaft begonnen und am 20.12.2002 die
Ehe geschlossen. Am 23.04.2009 sei die gemeinsame Tochter aus dieser Ehe
hervorgegangen. Diese neue Partnerschaft, aber auch die Vaterschaft, habe
nachhaltig dazu beigetragen, dass er inzwischen keinerlei Alkoholmissbrauch mehr
betreibe.
Bezüglich des Vorwurfs der ungenehmigten Nebentätigkeit verweise er auf den
Bescheid vom 01.12.1986. Über diese Genehmigung hinaus habe er keinerlei
Nebentätigkeiten entfaltet.
Hinsichtlich der Firma M. sei darauf hinzuweisen, dass diese keinerlei Bedienstete
oder Angestellte im arbeitsrechtlichen Sinne gehabt habe. Die Firma habe lediglich
mit freien Handelsmaklern auf Provisionsbasis bei Vermittlungserfolg
zusammengearbeitet. Er habe zum damaligen Zeitpunkt bereits Planungen in
Richtung der Gründung einer GmbH erwogen, wobei von vornherein klar gewesen
sei, dass er lediglich als Gesellschafter habe fungieren wollen. Um vor der
Gründung einer solchen GmbH, die in den Geschäftsräumen der Firma M.
angesiedelt sein und zum Teil auch deren Geschäfte übernehmen sollte, eine
wirtschaftliche Tragfähigkeit zu überprüfen, habe er häufig Gespräche mit
verschiedenen Vertriebspartnern seines Bruders geführt. Dies habe schließlich zur
Gründung der Firma N., dessen alleiniger Gesellschafter er gewesen sei, geführt.
Geschäftsführer der GmbH sei allein der Bruder des Beamten gewesen, seine
Beteiligung sei ausschließlich eine Kapitalbeteiligung gewesen. Was eventuell bei
einigen freien Mitarbeitern der M. für ein persönliches Bild in diesem
Zusammenhang entstanden sei und zu der Aussage "Da ist ja der Chef, jetzt
können Sie ihn gleich sprechen" geführt habe, entziehe sich seiner Kenntnis. Er
habe jedenfalls in keinem Falle geschäftsführende oder leitende Funktion bei der
Firma M. ausgeübt. Die ihn belastenden anderslautenden Aussagen des Zeugen
X. rührten aus einem Racheakt her und fänden in den Aussagen unbelasteter
Zeugen keine Stütze.
Die Visitenkarte mit dem Aufdruck "Selbständiger Kaufmann" sei lediglich im
Vorgriff auf die beabsichtigte Gründung der N-GmbH erfolgt. Tatsächlich habe er
jedoch keinerlei Tätigkeit entfaltet. Was den Schriftverkehr mit der Y-GmbH
betreffe, so habe es sich hier lediglich um eine Kontaktaufnahme in der Funktion
als Gesellschafter der GmbH gehandelt. Es habe auch keinerlei
Kooperationsvertrag zwischen ihm und der Firma O. Assekuranz gegeben.
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Kooperationsvertrag zwischen ihm und der Firma O. Assekuranz gegeben.
Hinsichtlich der Provisionszahlungen in Höhe von 1.567,86 € sei darauf
hinzuweisen, dass sein Bruder über den Vermittler O. privat 50.000,- DM angelegt
habe. Da jedoch eine Provision für den Anleger selbst nicht möglich gewesen sei,
da es sich insofern um ein Eigengeschäft gehandelt habe, sei die Rechnung
einmalig und nur aus diesem Grund von ihm gezeichnet worden. Die Provision sei
ihm jedoch nicht zugeflossen.
Er habe keinerlei Nebentätigkeit entfaltet, die über das genehmigte Maß
hinausgegangen sei. Bei seiner Beteiligung an der N. GmbH habe es sich um eine
reine Kapitalbeteiligung gehandelt, die nicht genehmigungspflichtig sei.
Aufgrund der Verletzung im November 1987, bei der er sich eine Trümmerfraktur
des 5. Mittelhandknochens der rechten Hand zugezogen habe, sei er seit diesem
Zeitpunkt dienstunfähig erkrankt. Zwar habe der Polizeiarzt D. am 13.12.1988 eine
eingeschränkte Dienstfähigkeit (Innendienstfähigkeit) festgestellt. Die damals
gültige Polizeidienstverordnung 300 (PDV 300) habe den Begriff der
Innendienstfähigkeit aber nicht gekannt. Danach sei ein Beamter entweder
polizeivollzugsdienstfähig oder nicht. Deshalb seien die Äußerungen des D.
missverständlich gewesen, da aus ihnen nicht hervorgegangen sei, ob
Polizeivollzugsdienstfähigkeit vorgelegen habe. Unabhängig davon habe er seiner
Verpflichtung aus § 86 Abs. 1 HBG durch Vorlage einer privatärztlichen
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Genüge getan. Auch die erneute Untersuchung
am 28.12.1988 habe zu dem Ergebnis geführt, dass weiterhin eine sogenannte
Innendienstfähigkeit festgestellt worden sei. Der Polizeiarzt sei auf die vorgelegten
privatärztlichen Atteste nicht eingegangen, obwohl dies zwingend erforderlich
gewesen sei. Auch habe er keinerlei Aussage zur vertretbaren Verwendung
gemacht.
Die Verfügung vom 03.01.1989, mit der er angewiesen wurde, zukünftig bei allen
Erkrankungen unverzüglich beim Ärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums seine
Dienstunfähig feststellen zu lassen, entspreche nicht dem Gebot der
Verhältnismäßigkeit. Die Anweisung beinhalte eine unverhältnismäßige Belastung
des Beamten. Das Missverhältnis zwischen angestrebtem Zweck und der
Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten des Beamten ergebe sich schon
daraus, dass der Beamte sich, sofern er nicht dienstwegeunfähig sei, jeweils von
seinem Wohnort zum polizeiärztlichen Dienst habe begeben müsse. Für die
Überprüfung der Dienstunfähigkeit seien weniger belastende Auflagen möglich
gewesen. So wäre es in jedem Fall möglich gewesen, dem Beamten aufzugeben,
weitere ärztliche Atteste beizubringen, aus denen sich eine Arbeitsunfähigkeit
begründe. Unabhängig davon sei er seiner Verpflichtung aus § 86 Abs. 1 HBG
durch die lückenlose Vorlage von ärztlichen Attesten nachgekommen.
Der damalige Polizeiarzt D., der inzwischen privatärztlich tätig sei, habe in seinem
Attest vom 27.01.1997 (UA 2, Bl. 235) die erheblichen körperlichen
Beeinträchtigungen des Beamten bestätigt und sich dabei auf den
Untersuchungsbefund des Dr. T. bezogen, was er noch in der polizeiärztlichen
Untersuchung vom 13.12.1988 nicht getan habe. Der Kläger habe sich
ausschließlich mit den psychischen Beeinträchtigungen des Beamten befasst, die
Beeinträchtigungen durch die dauerhafte Verletzung der rechten Hand trotz
vorgelegter privatärztlicher Befundberichte aber zu keinem Zeitpunkt begutachtet.
Weiterhin sei darauf hinzuweisen, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof in
dem Disziplinarverfahren DH 3117/90 in seiner Verfügung vom 11.03.1991 (UA 1,
Bl. 178) darauf hingewiesen habe, dass die Verfügungen vom 03.01.1989 und vom
10.05.1989, in denen bei künftigen Erkrankungen die unverzügliche Vorstellung
beim Ärztlichen Dienst angeordnet wurde, nicht vollziehbar geworden seien und
sich der Kläger darauf nicht berufen könne. Diese Anordnung sei mit Schreiben
seines Bevollmächtigten vom 13.01.1989 und 22.05.1989 angegriffen und damit
sinngemäß Widerspruch eingelegt worden. Da die sofortige Vollziehung nicht
angeordnet und über die Widersprüche nicht entschieden worden sei, habe der
Beamte nach damaliger Einschätzung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
davon ausgehen dürfen, dass er durch die Vorlage der privatärztlichen Atteste
seiner Verpflichtung aus § 86 Abs. 1 HBG nachkomme.
Hinsichtlich des Vorwurfs der verspäteten Rückgabe von
Ausrüstungsgegenständen sei darauf hinzuweisen, dass er die Munition und die
Waffe von Anfang an bei der Behörde zurückgelassen habe. Aufgrund der zum
damaligen Zeitpunkt vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen sei er jedoch
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damaligen Zeitpunkt vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen sei er jedoch
nicht in der Lage gewesen, die Gesamtsituation zu überschauen. Dabei habe er
auch unbeabsichtigt Termine vernachlässig, ganz vergessen oder versäumt. Die
verspätete Rückgabe sei in jedem Fall nicht vorsätzlich, sondern aufgrund eines
Versehens erfolgt. Es sei auch zu berücksichtigen, dass es sich nur um
untergeordnete Ausrüstungsgegenstände im Gesamtwert von ca. 33,- DM
gehandelt habe.
Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass nach Rechtskraft der letzten
Strafentscheidung im Jahr 2001 der Kläger sieben Jahre lang keine weiteren
Maßnahmen getroffen habe, um das Disziplinarverfahren zu einem Abschluss zu
bringen. Erst mit Schreiben vom 14.05.2008 sei ihm das wesentliche Ergebnis der
Ermittlungen bekannt gegeben worden. Nach erfolgter Stellungnahme seines
Bevollmächtigten sei wiederum ein Jahr bis zur Erhebung der Disziplinarklage
vergangen. Seit Einleitung des Disziplinarverfahrens im Jahre 1989 seien nunmehr
20 Jahre vergangen. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Beschleunigung und
sei bei der Entscheidung über die Disziplinarklage zu berücksichtigen. Der Beamte
lebe seit längerer Zeit in einer neuen Beziehung und verhalte sich tadellos und
einwandfrei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf
den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenvorgänge (4 Leitz-
Ordner und 4 Bände Personalakten) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Disziplinarklage ist auch begründet.
Nach der aufgrund der mündlichen Verhandlung und der vorgelegten Akten
gewonnenen Überzeugung der Kammer hat der Beamte ein einheitlich zu
würdigendes Dienstvergehen im Sinne des § 47 Beamtenstatusgesetz
(BeamtStG), der seit Inkrafttreten des Beamtenstatusgesetz am 01.04.2009 den
inhaltsgleichen § 90 HBG abgelöst hat, begangen, das von erheblichem Gewicht ist
und seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erforderlich macht.
Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG liegt ein Dienstvergehen vor, wenn
Beamtinnen oder Beamte schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen.
Der Beamte hat gegen die ihm nach § 86 Abs. 1 Satz 1 HBG obliegende
Grundpflicht eines jeden Beamten, dem Dienst nicht ohne Genehmigung seines
Dienstvorgesetzten fernzubleiben, und damit zugleich gegen die Hingabepflicht
nach § 34 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Denn er hat pflichtwidrig im Zeitraum vom
12.05.1989 bis 31.03.1998 seinen Dienst nicht angetreten. Das Vorliegen dieser
Pflichtverletzung hat bereits der Hessische Verwaltungsgerichtshof – Disziplinarhof
– in seinem Beschluss vom 24.08.1993 - DH 3117/90 - festgestellt und damit die
Entscheidung der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom
23.05.1990 - DK 18/89 - über die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Verlustes
der Dienstbezüge gemäß § 9 BBesG wegen schuldhaften Fernbleibens vom Dienst
vom 12.05.1989 bis auf weiteres durch Verfügung vom 30.05.1989 bestätigt. Auf
den Inhalt dieser Entscheidungen wird ausdrücklich Bezug genommen. An die
tatsächlichen Feststellungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zum
unerlaubten Fernbleiben vom Dienst für die Zeit ab dem 12.05.1989 ist die
Disziplinarkammer nach § 62 Abs. 1 S. 1 HDG gebunden, weshalb die Kammer
diese Feststellungen zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat.
Die Voraussetzungen, nach denen die bindende Wirkung dieser Feststellungen
nach § 62 Abs. 1 S. 1 HDG entfällt, liegen nicht vor. Nach § 62 Abs. 1 S. 2 HDG hat
das Gericht die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die
offenkundig unrichtig sind. Nach dieser Regelung ist nur ausnahmsweise und unter
engen Voraussetzungen eine Lösung von bindenden Feststellungen möglich. Das
Disziplinargericht darf die eigene Entscheidung nicht an die Stelle derjenigen des
Strafgerichts bzw. in den Fällen des § 9 BBesG nicht an die Stelle der zur
Feststellung berufenen Behörde und der diese Entscheidung überprüfenden
Gerichte setzen. Die Bindungswirkung greift selbst dort, wo das Disziplinargericht
aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich hält. Die
Lösungsmöglichkeit soll lediglich verhindern, dass die Disziplinargerichte auf der
Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter
Erkenntnisse – etwa weil im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder jeder
Lebenserfahrung stehend – entscheiden müssten. Allerdings kommt auch dann
eine Lösung nur in Betracht, wenn ohne weitere Beweisaufnahme zweifelsfrei
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eine Lösung nur in Betracht, wenn ohne weitere Beweisaufnahme zweifelsfrei
erkennbar ist, dass eine entscheidungserhebliche Feststellung falsch ist (OVG
Lüneburg, Urteil vom 23.04.2009 – 20 LD 8/07 -, juris Rdnr. 53 m.w.N.).
Hieran gemessen sind die Feststellungen der Disziplinargerichte in den
Beschlüssen vom 23.05.1990 (Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht
Frankfurt) und vom 24.08.1993 (Disziplinarhof des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs), dass der Beklagte ab dem 12.05.1989 bis auf weiteres
unentschuldigt und vorwerfbar vom Dienst fern geblieben ist, nicht offensichtlich
unrichtig und ist eine erneute Prüfung dieser tatsächlichen Feststellungen im
vorliegenden Verfahren deshalb nicht veranlasst.
Insbesondere hat sich der Disziplinarhof des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
in seinem Beschluss vom 24.08.1993 mit sämtlichen bis dahin vorliegenden
ärztlichen Beurteilungen des Polizeiärztlichen Dienstes sowie mit den vom
Beklagten vorgelegten privatärztlichen Attesten ausführlich auseinandergesetzt,
ohne dass Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst für die Kammer erkennbar sind,
die darauf schließen lassen, dass diese Auseinandersetzung „offensichtlich
unrichtig“ sein könnte. So heißt es auf Seite 3 des Beschlussabdrucks:
„Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob der Antragsteller ab dem
12.5.1989 dienstunfähig erkrankt ist, ist zunächst die Feststellung des Ärztlichen
Dienstes des Antragsgegners vom 23.3.1989, der es „unter Berücksichtigung
allgemeiner medizinischer Aspekte … für vertretbar (hält), bis zum Eintreffen des
Gutachtens von Frau Dr. F. davon auszugehen, daß (der Antragsteller) ab 1.4.1989
im Bereich des Tagesdienstes und Innendienstes einzusetzen ist.“ Diese
Beurteilung wird durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie – Psychotherapie –
Dr. med. B. F. vom 22.12.1989 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des
Beamten am 31.5.1989 bestätigt, die vom Ärztlichen Dienst des Antragsgegners
um ein nervenärztliches Gutachten gebeten worden war, um die von dem
Antragsgegner geschilderte depressive Verstimmung zu überprüfen“ und die zu
dem Ergebnis kommt, dass die „Polizeidienstfähigkeit … hierdurch nicht
beeinträchtigt“ ist.“
Der Disziplinarhof setzt sich sodann nachvollziehbar und mit nicht zu
beanstandenden Erwägungen mit der Frage auseinander, weshalb sich der
Beamte demgegenüber ohne Erfolg auf die von ihm vorgelegten privatärztlichen
Atteste beruft (Seite 4f des Beschlussabdrucks). Ferner geht das Gericht der Frage
nach, ob sich die bestehenden Leiden des Beamten in der Zwischenzeit beachtlich
verschlechtert haben, was er mit Hinweis auf die Untersuchungen des Ärztlichen
Dienstes und die diesbezüglichen Berichte vom 20.2.1990 und vom 11.11.1991,
die weiterhin von der Innendienstfähigkeit ausgehen, verneint (Seite 5f des
Beschlussabdrucks). In diesem Zusammenhang geht der Disziplinarhof auch auf
die von dem Beamten vorgelegten privatärztlichen Stellungnahmen des
Oberarztes des R.-Krankenhauses in Kassel Dr. S. vom 5.10.1990 sowie des Arztes
für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. T. aus Z. vom 18.4.1991 und vom
20.1.1992 ein und stellt klar, weshalb die dortigen Aussagen nicht geeignet sind,
die polizeiärztlich festgestellte Innendienstfähigkeit zu widerlegen.
Diese Ausführungen sind weder in sich widersprüchlich oder verstoßen gegen
Denkgesetze noch sind sie in sonstiger Weise unzulänglich im Sinne einer
offensichtlichen Unrichtigkeit. Damit steht bis zum Zeitpunkt des Beschlusses des
Disziplinarhofs fest, dass von einem vorsätzlichen unentschuldigten Fernbleiben
des Beamten vom Dienst auszugehen ist.
Auch für den nachfolgenden Zeitraum bis zum Dienstantritt am 01.04.1998 liegen
keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich an den Umständen, die diesen
Feststellungen zugrunde liegen, etwas geändert hätte. Insbesondere liegen keine
neuen beachtlichen ärztlichen Befunde oder sonstigen Erkenntnisse vor oder sind
vorgetragen, die auf eine abweichende Veränderung des gesundheitlichen
Zustandes des Beamten schließen lassen. Die mit der Klageerwiderung vom
29.09.2009 (Bl. 57ff der Gerichtsakte) vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen des
Dr. med. T. vom 18.04.1991 (Anlage 9, Bl. 91 GA) und des Dr. S. vom 05.10.1990
(Anlage 10, Bl. 93 GA) sind in den für die Kammer bindenden Entscheidung des
Disziplinarhofs vom 24.08.1993 bereits berücksichtigt und hinreichend gewürdigt
worden. Das mit der Klageerwiderung als Anlage 8 (Bl. 90 GA) vorgelegte „Attest
zur Vorlage beim Polizeiarzt“ des D. – ohne Datum-, das sich auf die letztmalige
Vorstellung des Beamten bei ihm am 27.01.1997 bezieht und auf das sich der
Beklagte ausdrücklich nochmals in der mündlichen Verhandlung berufen hat,
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Beklagte ausdrücklich nochmals in der mündlichen Verhandlung berufen hat,
erbringt keine neuen, vom bisherigen Befund abweichenden Erkenntnisse. Das
Attest nennt die „Metakarpale 5 Fraktur der rechten Hand, die im November 1997
in B-Stadt … operativ versorgt worden war“ und kommt zu dem Ergebnis: „… im
Bereich der rechten Hand ist festzustellen, dass die Möglichkeit zum Faustschluß
sich bei dem Patienten nicht bessern wird“ (Bl. 90 GA). Hierin liegt kein neuer
Befund. Entgegen der Auffassung des Beklagten begründet auch die Bezugnahme
in diesem Attest auf die Untersuchung des Dr. T. (vom 18.04.1991) kein
Abweichen von früheren Begutachtungen oder Einschätzungen durch D.. Dr. T. hat
am Ende seines Berichts zwar Polizeidienstunfähigkeit „auch im Innendienst“
festgestellt (Bl. 92 GA). Gerade darauf bezieht sich Dr. D. in seinem Attest
ersichtlich aber nicht. Seine Bezugnahme („In diesem Zusammenhang ist auf die
neurologisch-fachärztliche Untersuchung von Dr. T. zu verweisen, der eine …
Unfähigkeit zum kräftigen Faustschluß diagnostiziert hat“) richtet sich auf die
Ausführungen am Anfang der Bescheinigung des Dr. T., wo es um die
Beschreibung der Handverletzung, nicht aber um Schlussfolgerungen daraus für
die Frage der Dienstfähigkeit geht.
Auch das vom Ärztlichen Dienst des Klägers in Auftrag gegebene nervenärztliche
Gutachten des Dr. med. P. vom 21.10.1993 (Anlage 1, Bl. 68 GA) gibt keine
Veranlassung, den festgestellten gesundheitlichen Befund hinsichtlich der
Innendienstfähigkeit des Beamten in Frage zu stellen. Denn das Gutachten –
darauf weist auch Dr. Q. vom Ärztlichen Dienst in seinem Vermerk vom
27.10.1993 ausdrücklich hin (UA 1, Bl. 295k) - bestätigt gerade den bis dahin
festgestellten Befund, wenn es dort heißt:
„Die von dem Beamten vorgebrachten Beeinträchtigungen der rechten Hand
und die angegebene Unfähigkeit, mit der rechten Hand eine Waffe zu gebrauchen,
hat für ihn eine Alibifunktion: Es besteht bei ihm eine neurotische Fehlentwicklung,
verbunden mit einer depressiven Symptomatik und Angst. Allmählich hat sich
diese psychische Reaktion zu einer trotzigen Verweigerungshaltung erweitert, auch
zu einem Alkoholmißbrauch … Die Persönlichkeitsstruktur des Herrn A. mit seiner
Neigung zu psychosomatischen Beschwerden und seine jetzige neurotische
Entwicklung machen den Beamten meines Erachtens polizeidienstunfähig. Herr A.
ist aber fähig, Innendienst zu verrichten, auch jede Art anderer Bürotätigkeiten“
(Bl. 75f GA).
Soweit der Beklagte jetzt geltend macht, der Polizeiarzt sei auf die von ihm
vorgelegten privatärztlichen Atteste nicht eingegangen, trifft dies auf die hier
maßgeblichen Feststellungen der Disziplinargerichte, wie ausgeführt, jedenfalls
nicht zu. Soweit er ferner geltend macht, die Äußerungen des Dr. D. seien
missverständlich gewesen, weil die Polizeidienstverordnung 300 (PDV 300) den
Begriff der Innendienstfähigkeit nicht gekannt und der Arzt auch keine Aussage zu
einer vertretbaren Verwendung gemacht habe, bewertet die Kammer dies als
reine Schutzbehauptung. Als langjährigem Polizeibeamten musste dem Beklagten
bekannt gewesen sein, dass es neben der (speziellen)
Polizeivollzugsdienstfähigkeit noch den Begriff der allgemeinen
beamtenrechtlichen Dienstfähigkeit gibt, die eine Verwendung des Beamten auch
dann ermöglicht, wenn die speziellen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes
nicht mehr erfüllt werden. Ferner kann bei Beamtinnen und Beamten als bekannt
unterstellt werden, dass nicht der die Dienstfähigkeit untersuchende Arzt, sondern
der Dienstherr über die konkrete Verwendung im Dienstbetrieb zu entscheiden
hat.
Dieses pflichtwidrige Fernbleiben des Beamten vom Dienst ist auch schuldhaft
geschehen. Der Beamte kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass er sich
infolge privatärztlich ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für
dienstunfähig gehalten habe. Ein solcher Irrtum wäre bei gehöriger Sorgfalt des
Beamten vermeidbar gewesen (HessVGH, Beschluss vom 27.1.1993 - DH
3533/90). Ein Beamter darf nicht ohne weiteres auf ein ihm günstiges
privatärztliches Attest oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vertrauen und
sich unter Berufung hierauf über ein polizeiärztliches Gutachten hinwegsetzen (vgl.
HessVGH, Beschluss vom 27.1.1999 - Az.: 24 DH 3224/95 -). Einem
polizeiärztlichen Gutachten kommt regelmäßig ein höherer Beweiswert zu, soweit
es um die Bedeutung eines bestimmten Krankheitsbildes für die Dienstfähigkeit
von Polizeibeamten geht. Dies ergibt sich zumindest für den Regelfall daraus, dass
die beim Polizeiärztlichen Dienst tätigen Ärzte prinzipiell über einen speziellen
Sachverstand betreffend die Belange des Polizeivollzugsdienstes und über
besondere Erfahrungen auf Grund einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle verfügen
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besondere Erfahrungen auf Grund einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle verfügen
(BVerwG, Beschluss vom 20.1.1996, BVerwGE 53, 118). Die Ärzte des
Polizeiärztlichen Dienstes sind daher regelmäßig eher als ein privater Arzt in der
Lage, die getroffene ärztliche Diagnose zu den Anforderungen, denen der jeweilige
Beamte bei der von ihm zu verrichtenden dienstlichen Tätigkeiten gewachsen sein
muss, in Bezug zu setzen (Hess.VGH, Beschluss vom 31.10.1994 - DH 2648/92).
Zwar kommt der medizinischen Beurteilung des Amtsarztes im Hinblick auf den
Grundsatz der freien Beweiswürdigung des Gerichts kein unbedingter Vorrang vor
der Beurteilung des behandelnden Privatarztes zu. Bestehen an der Sachkunde
des Amtsarztes keine Zweifel, beruht seine Beurteilung auf zutreffenden
Tatsachengrundlagen und ist in sich schlüssig und nachvollziehbar, kommt seinem
Befund im Konfliktfall allerdings Vorrang zu, was seine Rechtfertigung in der
Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes findet. Während der Privatarzt
womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt
der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung unabhängig vor, er
steht Beamten und Dienstherrn gleichermaßen fern (BVerwG, Beschluss vom
15.02.2010 – 2 B 126/09 -, juris Rdnr. 16f). Vorliegend kommt hinzu, dass dem
Beamten spätestens mit dem Beschluss des Disziplinarhofs vom 24.8.1993
unmissverständlich vor Augen geführt wurde, dass er mit seiner Ansicht, die
Vorlage der privatärztlichen Atteste genüge, um seiner Verpflichtung nach § 86
Abs. 1 HBG nachzukommen, nicht gehört werden kann. Gleichwohl ist er weitere
vier Jahre unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben und hat sich zu seiner
Entschuldigung auch noch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf
seine ersichtlich nicht haltbare Ansicht berufen.
Erschwerend kommt die weitere Pflichtverletzung unter Ziffer 7 hinzu. Der
Beklagte hat - wiederholt - stark alkoholisiert am 03.04.1997 ein
Straßenverkehrsdelikt begangen und ist deswegen durch Urteil des Amtsgerichts
Usingen am 30.09.1998 wegen fahrlässigen Vollrausches gemäß § 323a StGB zu
einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,00 DM verurteilt worden (4 Ds 58 Js
12602.6/97), Berufung (Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 23.11.2000 – 5/24
Ns 58 Js 12602.6/97) und Revision (Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt
vom 08.06.2001 – 3 Ss 96/01) blieben ohne Erfolg. An die Feststellungen der
Strafgerichte ist die Kammer nach § 62 Abs. 1 S. 1 HDG gebunden, Anhaltspunkte
dafür, dass bei diesen Feststellungen von einer offensichtlichen Unrichtigkeit im
Sinne des § 62 Abs. 1 S. 2 HDG auszugehen ist, liegen nicht vor. Die Kammer geht
auch von einem dienstlichen Bezug dieser außerhalb des Dienstes, nämlich
während der Zeit des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst, begangenen
Straftat aus, weil die Pflichtverletzung nach den Umständen des Einzelfalls in
besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen
Weise zu beeinträchtigen. (§ 47 Abs. 1 S. 2 BeamtStG). Dies erschließt sich schon
daraus, dass es mit dem Ansehen eines Polizeibeamten schlechterdings nicht zu
vereinbaren ist, wenn dieser, wie hier, wiederholt durch erhebliche
Alkoholverkehrsdelikte auffällt und dadurch gegen seine ihm nach § 34 S. 3
BeamtStG (entsprechend § 69 S. 3 HBG a.F.) obliegende Wohlverhaltenspflicht
verstößt. Der Beklagte hat, was die Strafgerichte ebenfalls bereits festgestellt
haben, auch schuldhaft gehandelt. Soweit er sich – jetzt - dahin einlässt, dass es
durch die anhaltenden Auseinandersetzungen mit seiner ersten Ehefrau, durch die
Zwangsversteigerung seines privaten Hauses und durch die schwere Erkrankung
seines Vaters dazu gekommen sei, dass es wegen dieser zunehmenden
Belastungen zu dem vermehrten Alkoholmissbrauch und schließlich zu dem
Vollrauschvorfall gekommen sei, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Dass er durch
die von ihm geschilderte belastende private Situation steuerungsunfähig geworden
und unverschuldet das Vollrauschdelikt begangen hat, trägt der Beklagte selbst
nicht vor und wäre mit den Feststellungen der Strafgerichte auch nicht vereinbar.
Nach diesen Feststellungen hat sich der Beklagte vielmehr fahrlässig durch den
Genuss einer erheblichen Menge Alkohol in einen Zustand versetzt, bei dem
sowohl die absolute Fahruntüchtigkeit als auch wahrscheinlich die
Schuldunfähigkeit gegeben war. Dieses Verhalten kann der Beklagte nicht allein
mit der belastenden privaten Situation entschuldigen.
Die Kammer hat die weiter angeklagten Handlungen, nämlich hinsichtlich des
Vorwurfs der ungenehmigten Ausübung von Nebentätigkeiten (Ziffer 1), des
Vorwurfs der Nichtbefolgung der Anweisung vom 03.01.1989 (Ziffer 2) und der
Vorwürfe unter Ziffer 4 – 6 sowie Ziffer 8 gemäß § 61 HDG ausgeschieden, weil
diese für Art und Höhe der verhängten Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht
fallen.
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der
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Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der
Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie der
Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 16
Abs. 1 S. 2-4 HDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das
Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind
aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 HDG).
Demnach ist vorliegend das den Bemessungskriterien des. § 16 Abs. 1 S. 2-4 HDG
im Einzelfall zukommende Gewicht zu ermitteln und eine objektive und
umfassende Zumessungsentscheidung unter Berücksichtigung aller gegebenen
be- und entlastenden Umstände zu treffen. Es muss neben der Art und Schwere
des Dienstvergehens eine umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes der
Beamten sowie des eingetretenen Vertrauensverlustes erfolgen. Für die Frage der
Vertrauensbeeinträchtigung kommt es darauf an, inwieweit der Dienstherr bei
objektiver Gewichtung des Dienstvergehens noch darauf vertrauen kann, dass der
Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird bzw.
in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine
zukünftige pflichtgemäße Amtsausübung entgegen bringen kann. Auf dieser
Prognosebasis und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
(Übermaßverbot) hat im Rahmen einer Gesamtabwägung eine Zuordnung der
angemessenen Ahndungsmaßnahme zu erfolgen. Die gegen den Beamten
ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller
belastenden und entlastenden Umstände in einem gerechten Verhältnis zur
Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen
(BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 – BVerwG 2 C 12.04 – BVerwGE 124, 252, 258).
Die Schwere des Dienstvergehens (§ 16 Abs. 1 S. 2 HDG) bestimmt sich zum
einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und
Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung, zum anderen
nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten
für sein pflichtwidriges Verhalten, sowie nach den unmittelbaren Folgen der
Pflichtverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom
03.05.2007 – 2 C 9/06 – NVwZ-RR 2007, 695). Setzt sich das Dienstvergehen aus
mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, so bestimmt sich die zu
verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung
(BVerwG, Urteil vom 23.05.2005 – 1 D 1/04 -, zitiert nach Juris).
Das Schwergewicht des einheitlichen Dienstvergehens liegt nach den
Feststellungen des Gerichts auf dem mehrjährigen unentschuldigten Fernbleiben
vom Dienst ab dem 12.05.1989. Das Gebot, zum Dienst zu erscheinen, ist eine
Grundpflicht aus dem Beamtenverhältnis. Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung,
das dienstliche Vertrauen in die Mitarbeiter und das Vertrauen der Allgemeinheit in
die Zuverlässigkeit der Verwaltung hängen von der Dienstanwesenheit ab. Einem
Beamten, der für mehrere Jahre ohne nachgewiesenen triftigen Grund nicht zum
Dienst erscheint, kann nicht mehr das für eine gedeihliche Zusammenarbeit
erforderliche inner- und außerdienstliche Vertrauen entgegen gebracht werden.
Verweigert ein Beamter den Dienst für einen längeren Zeitraum oder wiederholt –
auch für kürzere Zeitspannen – so ergibt sich nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts die Notwendigkeit, das Beamtenverhältnis einseitig zu
lösen, regelmäßig schon aus der Gesamtdauer der Dienstverweigerung selbst
sowie aus dem Umstand, dass das Erfordernis der Dienstleistung elementar und
damit die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu erkennen ist.
Setzt sich der Beamte gleichwohl über diese Erkenntnis hinweg, offenbart er ein so
hohes Maß an Pflichtvergessenheit und an fehlender Einsicht in die Notwendigkeit
eines geordneten Dienstbetriebs, dass in aller Regel seine Entfernung aus dem
Dienst die Folge sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.4.1991,– 1 D 62.90 –, juris
Rdnr. 99: Entfernung bei ununterbrochenem Fernbleiben vom Dienst über einen
Zeitraum von 7 Wochen; BVerwG, Urteil vom 31.8.1999, -1 D 12.98 -, ZBR 2000, S.
168 [171]: Entfernung bei 7-maligem Fernbleiben vom Dienst innerhalb von 1 ½
Jahren zwischen 1 und 10 Tagen). Die Höchstmaßnahme ist jedenfalls in der Regel
in Fällen auszusprechen, in denen der Beamte ununterbrochen vier Monate oder
länger unerlaubt schuldhaft dem Dienst ferngeblieben ist (BVerwG, Urteil vom
09.04.2002 – 1 D 17.01 -, juris m.w.N.). Im vorliegenden Fall blieb der Beklagte ab
dem 12.05.1989 bis zu seinem erneuten Dienstantritt am 01.04.1998 und damit
nahezu 9 Jahre ohne rechtfertigenden Grund dem Dienst fern. Dieser
Pflichtverstoß rechtfertigt für sich die Verhängung der Höchstmaßnahme.
Erschwerend, weil ebenfalls von erheblichem Gewicht, kommt die weitere
Dienstpflichtverletzung hinzu. Denn der Beklagte ist wiederholt wegen eines
gravierenden Alkoholverkehrsdelikts strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat
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gravierenden Alkoholverkehrsdelikts strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat
dadurch dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Polizei erheblichen Schaden
zugefügt.
Milderungsgründe in der Person des Beamten, die ein Absehen von der
disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme rechtfertigen, liegen nicht vor. Dass der
Beamte, wie er vorträgt, gefestigt durch die zweite Ehe und die gemeinsame
Tochter, inzwischen keinerlei Alkoholmissbrauch mehr betreibt, lässt das
vorgeworfene Dienstvergehen nachträglich nicht in einem anderen Licht
erscheinen. Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist bezogen auf das
Dienstvergehen vielmehr tat- und schuldangemessen und auch im Übrigen
verhältnismäßig. Eine Gesamtwürdigung des Dienstvergehens auf der Grundlage
aller be- und entlastenden Umstände ergibt daher, dass der Beamte im
Öffentlichen Dienst nicht mehr tragbar ist.
Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der langen Verfahrensdauer von
der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens mit Verfügung vom 13.12.1990
bis zur Bekanntgabe des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen mit Schreiben
vom 14.05.2008 bzw. bis zur Erhebung der Disziplinarklage mit Schriftsatz vom
23.07.2009. Die Dauer des zumindest teilweise in diesem Zeitraum nicht
erkennbar in der gebotenen Weise (vgl. § 4 Abs. 1 HDO, § 7 HDG) beschleunigt
betriebenen Disziplinarverfahrens kann nicht Maßnahme mildernd berücksichtigt
werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht die lange Dauer des
Disziplinarverfahrens einer disziplinarischen Ahndung in Form der
Höchstmaßnahme nicht entgegen. Da das Dienstvergehen so schwer wiegt, dass
der Dienstherr zu Recht von einem endgültigen Vertrauensverlust für eine weitere
Beschäftigung des Beklagten im Polizeidienst ausgegangen ist, ist der Zeitablauf
des Verfahrens für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme unbedeutend. Eine
übermäßige Verzögerung des Verfahrens kann nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts allenfalls im Bereich mittlerer Disziplinarmaßnahmen
mildernd berücksichtigt werden (st. Rspr. des BVerwG, vgl. Beschl. v. 13.10.2005 –
2 B 19/05 –; bestätigt durch BVerfG, Kammerbeschluss vom 9.8.2006 – 2 BvR
1003/05; sämtliche in juris), die hier allerdings in Ansehung der Schwere der
Dienstpflichtverletzung nicht in Betracht kommen. Das Bundesverwaltungsgericht
hat darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber diese Auffassung inzwischen
insofern bestätigt hat, als er in § 18 HDG (ebenso § 15 BDG) im Gegensatz zu
allen anderen Disziplinarmaßnahmen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
und die Aberkennung des Ruhegehalts vom Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs
weiterhin ausgenommen hat (BVerwG, Beschl. v. 01.09.2009 – 2 B 34/09 -, juris).
Die Kammer folgt dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass sich die lange
Verfahrensdauer insoweit zugunsten des Beamten ausgewirkt hat, als er weiterhin
75% der Bezüge trotz Vorliegens der Voraussetzungen für eine Entfernung aus
dem Beamtenverhältnis erhalten hat und noch erhält. Dass die Verzögerung des
Disziplinarverfahrens zu psychischen oder sonstigen Beeinträchtigungen bei dem
Beamten geführt hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen hatte
der Beamte es in der Hand, durch Stellung eines Antrages auf gerichtliche
Entscheidung nach § 61 HDO bzw. eines Fristsetzungsantrages bei Gericht nach §
67 HDG die Verfahrensdauer auf das sachlich zwingend gebotene Maß zu
begrenzen.
Auch die Berücksichtigung des Beschleunigungsgebotes aus Art. 6 Abs. 1 EMRK
führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach der Rechtsprechung der
Konventionsorgane betreffen disziplinarische Maßnahmen gegen Beamte kein
„ziviles Recht“ und stellen auch bei einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
keine „Anklage“ im Sinne von Art. 6 EMRK dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom
16.02.2010 – 2 B 62/09 – juris, RN 7 m.w.N.). Auch die höchstrichterliche
Rechtsprechung schließt in ständiger Rechtsprechung die Anwendung des Art. 6
EMRK in beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren aus (vgl. BVerwG, Urt. v.
19.09.1989 – 1 D 69/88 – juris). Dem hat sich die Rechtsprechung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs und auch die der Kammer in ständiger Spruchpraxis
angeschlossen.
Mit der Entfernung aus dem Dienst nach § 13 HDG endet das Dienstverhältnis, der
Beamte verliert u. a. den Anspruch auf Dienstbezüge (§ 13 Abs. 1 HDG). Die
Zahlung der Dienstbezüge wird mit dem Ende des Kalendermonats eingestellt, in
dem die Entscheidung rechtskräftig wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 HDG). Allerdings wird
dem Beamten für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von
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dem Beamten für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von
50 Prozent der Dienstbezüge gewährt, die ihm bei Eintritt der Rechtskraft der
Entscheidung zustehen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 HDG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 HDG. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 6 HDG i.V.m. §
167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
B e s c h l u s s
Der Streitwert wird auf 35.829,04 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 82 Abs. 1 HDG, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1
GKG. Zu berücksichtigen ist neben dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A
9 (mittlerer Dienst) die ruhegehaltsfähige Zulage nach Vorbemerkung Nr. 27 Abs.
1 lit. a) aa) der Anlage I zum Besoldungsgesetz nach der zum Zeitpunkt der
Antragstellung gültigen Besoldungstabelle (§ 40 GKG). Danach errechnet sich der
festzusetzende Betrag von
35.829,04 Euro [(2.688,10 + 67,98) x 13].
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.